Gesundheit heute

Immobilität

Immobilität (Unbeweglichkeit): Stark eingeschränkte oder vollständige Bewegungsunfähigkeit. Immobilität ist häufig die Folge eines Unfalls oder einer Erkrankung. Dauerhafte Immobilität führt nicht nur zum Abbau der Muskeln und damit der körperlichen Leistungsfähigkeit, sondern schränkt die Betroffenen massiv in ihrer persönlichen Handlungsfähigkeit und Autonomie ein. Die Folgen sind ein hoher Pflegebedarf und oft auch soziale Isolation.

Die Erkrankung

Vorkommen

In Deutschland sind etwa 7 % der Gesamtbevölkerung von gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sein, die die Mobilität deutlich einschränken. Besonders betroffen sind Menschen in Pflegeheimen und geriatrischen Kliniken, dort liegt der Anteil bei bis zu 20 %.

Schrittweiser Verlust der Mobilität

Die Pflegewissenschaftlerin Dr. Angelika Zegelin hat den schrittweisen Verlust der Mobilität bis zur vollständigen Bettlägerigkeit in 5 Phasen eingeteilt:

  • Instabilität: Erste Unsicherheiten beim Gehen, häufiges Festhalten an Möbeln oder Einsatz von Gehhilfen; Angst vor Stürzen, erste Einschränkungen bei Aktivitäten außer Haus.
  • Ereignis: Ein Sturz, eine akute Erkrankung oder ein anderes einschneidendes Erlebnis (siehe unter Ursachen) löst eine Verschlechterung der Beweglichkeit aus. Oft wird dies von der wachsenden Angst vor Bewegung begleitet.
  • Immobilität: Überwiegend sitzende oder liegende Lebensweise, wobei ein selbstständiges Aufstehen stark eingeschränkt oder sogar nur mit fremder Hilfe möglich ist. In dieser Phase wird meist ein Rollstuhl verwendet.
  • Örtliche Fixierung: Die betroffene Person kann das Bett nicht mehr selbstständig verlassen. Um vom Bett in den Rollstuhl oder in den Sessel zu gelangen, ist intensive Unterstützung erforderlich.
  • Vollständige Immobilität: In dieser letzten Phase bleibt die betroffene Person 24 Stunden am Tag im Bett. Sie ist komplett auf die Hilfe anderer angewiesen.

Ursachen

Immobilität kann durch viele Ursachen ausgelöst werden. Häufig sind mehrere Faktoren gleichzeitig beteiligt. Typische Auslöser sind

  • Sturzereignisse und Unfälle: Knochenbrüche (v. a. Oberschenkelhalsbruch) und Verletzungen nach Stürzen sind der häufigste Einzelgrund, vor allem im Alter.
  • Chronische Gelenkerkrankungen: Arthrose und Arthritis führen über Schmerzen und Steifheit zur Bewegungsvermeidung.
  • Altersbedingte Gebrechlichkeit (Frailty): Kraftverlust, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen sowie Muskelschwäche bewirken oft, dass sich alte Menschen kaum noch bewegen.
  • Neurologische Erkrankungen: Schlaganfall, Multiple Sklerose und Parkinson-Krankheit beeinträchtigen die Bewegungsfähigkeit häufig.
  • Osteoporose: Durch eine verminderte Knochenqualität kommt es leichter zu Knochenbrüchen mit anschließender Immobilität.
  • Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen: Herzinsuffizienz und COPD führen zu körperlicher Schwäche und reduzierter Belastbarkeit.
  • Psychische Erkrankungen: Depression, Demenz und Angststörungen reduzieren den Bewegungsdrang und können zur Immobilisierung führen.
  • Langwierige Krankenhausaufenthalte und betonte Schonung: Nach operativen Eingriffen, schweren Erkrankungen oder ärztlich verordneter Bettruhe.

Behandlung

Die Behandlung der Immobilität richtet sich nach deren Ursache und nach der individuellen Situation der Patient*in. Die Ziele sind die Selbstständigkeit so gut wie möglich zu erhalten oder wieder herzustellen, Komplikationen wie Thrombosen und Dekubitus zu verhindern und die Lebensqualität zu verbessern. Meist ist dazu eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. Neben den Pflegenden sind von Seiten der Ärzteschaft vor allem die Hausärzt*in, aber auch Orthopäd*innen, Neurolog*innen oder Geriater*innen beteiligt. Hinzu kommen rehabilitierende Maßnahmen durch entsprechendes Fachpersonal.

Folgende Maßnahmen können helfen:

  • Physiotherapie: Mit aktivem Kraft- und Bewegungstraining unter Anleitung von Physiotherapeut*innen können die Muskeln gestärkt und die Beweglichkeit verbessert werden.
  • Ergotherapie: Um Autonomie und Lebensqualität so gut wie möglich zu fördern, trainiert man mit den Betroffenen Alltagsfähigkeiten wie Aufstehen, Gehen und Ankleiden, meist kombiniert mit Hilfsmitteln (z. B. Greifhilfen, Rollatoren).
  • Medikamentöse Behandlung: Oft hindern Schmerzen die Betroffenen daran, sich zu bewegen. In diesen Fällen ist eine individuelle Schmerztherapie hilfreich. Bei bestimmten Ursachen (z. B. Sarkopenie) verordnet die Ärzt*in Vitamin-D-Präparate, häufig auch zusätzlich Proteinpräparate.
  • Prävention und Behandlung von Komplikationen: Mit regelmäßigem Umlagern, Hautpflege, Unterstützung bei Ausscheidungen und Wundversorgung beugt man Druckgeschwüren vor.
  • Psychologische Unterstützung: Psychotherapie (z. B. bei Depressionen), soziale Aktivierung und Förderung der Kontaktaufnahme helfen gegen emotionalen Rückzug und Isolation.
  • Ernährungsberatung: Eine ausgewogene, proteinreiche Ernährung unterstützt den Muskelaufbau und vermindert den Muskelabbau bei Immobilität.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Körperpflege. Immobile Menschen schwitzen besonders viel. Pflegende sollten das im Hinterkopf behalten, weil verschwitzte Körperteile für Infektionen und Entzündungen anfällig sind. Gefährdet sind vor allem die Bereiche mit Hautfalten, z. B. die Brustfalten bei Frauen, Bauch- und Nackenfalten bei übergewichtigen Kranken, aber auch die Leistenbeugen, die Oberschenkelinnenseiten, die Zehenzwischenräume und die Analfalte. Diese Körperstellen müssen besonders sorgfältig gewaschen und getrocknet werden. Eine milde Seife ist erforderlich, um Schweiß wirklich zu entfernen.

Bei Kranken, die stark schwitzen, können diese Stellen nach dem Waschen und Trocknen auch dünn gepudert werden. Zum Trockenhalten eignen sich außerdem kleine Leinenläppchen oder ausgezogene Mulltupfer, die zwischen die Hautfalten gelegt und bei jedem Waschen erneuert werden.

Druckgeschwüre behandeln und vorbeugen. Druckgeschwüre (Dekubitus) sind eines der folgenschwersten und am meisten verbreiteten Probleme bettlägeriger Menschen. Folgende Maßnahmen helfen, den Druck auf gefährdete Körperstellen zu entlasten:

  • Mobilisieren geht vor Lagern: Jede Bewegung, die von den Betroffenen selbstständig ausgeführt wird, unterstützt die Druckentlastung. Zahlreiche Übungen können auch im Bett durchgeführt werden, z. B. das Anspannen der Gesäßmuskulatur oder das Anwinkeln der Beine.
  • Regelmäßig Umlagern: Häufiges Umlagern, z. B. alle 2 Stunden, vermeidet einseitige Druckbelastung.
  • Fersen frei lagern: Die Fersen sind besonders gefährdet, ein Druckgeschwür zu entwickeln. Sie sollten deshalb oft frei lagern, z. B. indem ein Kissen unter die Unterschenkel gelegt wird. Sanitätshäuser bieten Weichlagerungskissen an, die auch das Freilagern anderer Körperteile ermöglichen.
  • Antidekubitusmatratzen: Sie verringern den Auflagedruck durch eine integrierte Pumpe, die automatisch Luft in die Matratze einsaugt und ablässt.

Hilfsmittel gegen Dekubitus werden von den Krankenkassen bezahlt, wenn aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaftes Liegen erforderlich ist, das zu einem erhöhten Dekubitusrisiko führt. Voraussetzungen dafür sind eine ärztliche Verordnung, ein Antrag sowie eine nachweisliche Einschätzung des Risikos.

Prävention

Um möglichst lange mobil zu bleiben, empfiehlt sich so viel Bewegung wie möglich. Menschen zwischen 18 und 64 Jahren sollten sich pro Woche mindestens 2,5 bis 5 Stunden moderat bewegen. Für über 65-Jährige ist es empfehlenswert, neben der Fitness auch Kraft, Gleichgewicht und Koordination zu trainieren.

Bei alten Menschen sollte der Grad der Mobilität regelmäßig getestet werden. Auf diese Weise werden beginnende Einschränkungen früher erkannt und man kann ihnen gegensteuern.

In der Pflege ist es wichtig, alte Menschen in ihrer körperlichen Bewegung aktiv zu unterstützen. Ob bei der Körperpflege oder im täglichen Leben - je mehr ein alter Mensch noch selbst machen kann, desto besser ist dies für die Mobilität. Manche Heimbewohner*innen freuen sich beispielsweise, wenn sie beim Tischdecken, Blumengießen oder kleineren Essensvorbereitungen helfen können.

Gruppenaktivitäten wie gemeinsame Spaziergänge, Tanzen oder Gymnastik fördern die körperliche Bewegung und die sozialen Kontakte und tragen so zu mehr Mobilität bei.

Von: Ruth Mamerow, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Demenz mit Lebensstil vermeiden?

Wer geistig und körperlich aktiv bleibt, hat im Kampf gegen die Demenz gute Karten.

Demenz mit Lebensstil vermeiden?

Von Ausbildung bis Kartenspiel

Nicht nur Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus begünstigen die Entwicklung einer Demenz. Auch soziale Faktoren haben einen Einfluss auf die Hirngesundheit. Sie zu beachten könnte helfen, dem geistigen Verfall entgegenzuwirken.

Ausbildung, Arbeit und Lebensstil

Die Demenz ist eine Erkrankung, die aufgrund medizinischer Ursachen entsteht. Dazu gehören z. B. Durchblutungsstörungen des Gehirns, eine Degeneration mit Rückgang der Hirnmasse und vermutlich auch Ablagerungen im Gehirn. Doch offenbar gibt es auch wirtschaftliche und soziale Faktoren, die einen Einfluss auf die Ausbildung einer Demenz haben.

Das ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Beobachtungsstudie mit über 20.000 Erwachsenen. Die Teilnehmenden wurden seit 1992 begleitet und waren zu Beginn der Untersuchung über 50 Jahre alt. Die Analyse ihrer Daten brachte folgende Erkenntnisse:

  • Alte Menschen ohne eine formale Bildung entwickelten häufiger eine Demenz als diejenigen, die eine Ausbildung absolviert hatten. Das Risiko sank mit der Dauer der Ausbildung, wobei der erreichte Abschluss keine Rolle spielte.
  • Menschen, die nie berufstätig waren, hatten ein doppelt so hohes Risiko für eine Demenz als diejenigen, die 40 Jahre lang im Beruf waren.
  • Auch Behinderungen spielten eine Rolle. Von denjenigen, die im Alter von 60 Jahren gehandicapt waren, erkrankten bis zum Alter von 80 Jahren 39% an einer Demenz. In der Gruppe ohne Behinderung waren es weniger als 10%.
  • Der Lebensstil hatte ebenfalls einen Einfluss. Wer auch leichte körperliche Bewegung mied oder dazu nicht in der Lage war, hatte ein höheres Demenzrisiko als Personen, die sich täglich körperlich bewegten.
  • Hobbys waren teilweise auch mit einem geringen Demenzrisiko assoziiert. Wer häufiger Wortspiele machte, sich mit Karten- oder Brettspielen wie Schach beschäftigte, im Garten arbeitete oder kleinere Reparaturen im Haus oder am Auto vornahm, entwickelte seltener eine Demenz als passive alte Menschen.

Kausalität noch nicht bewiesen

Den Autor*innen zufolge liefert diese Arbeit zusätzliche Belege dafür, wie wichtig einzelne Maßnahmen wie ein aktiver Lebensstil für die Hirngesundheit sind. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist es jedoch wichtig, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt. Das bedeutet, dass zwar Zusammenhänge erkannt wurden, eine Kausalität jedoch (noch) nicht bewiesen ist.

Quellen Ärzteblatt, RAND Corporation

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Maskot