Gesundheit heute

ADS und ADHS

ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom) bzw. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität): Störungen des Verhaltens, in deren Mittelpunkt eine nicht altersgemäße Ablenkbarkeit steht.

Beim ADHS (früher auch als hyperkinetisches Syndrom bezeichnet) besteht zudem eine über das Normale hinausgehende Impulsivität und Überaktivität. Da sich auch normale Kinder durch eben diese Verhaltensweisen (Ablenkbarkeit, Impulsivität und Bewegungsdrang) auszeichnen, ist die Grenzziehung zwischen normalem und abnormalem Verhalten im Einzelfall schwer und unter Eltern, Lehrer*innen und Kinderärzt*innen heftig umstritten. Etwa 5 % der Kinder sollen betroffen sein, Jungen wesentlich häufiger als Mädchen (Verhältnis 4 : 1). Die Diagnose wird bei Kindern seit Jahren immer häufiger gestellt, dabei ist jedoch unklar, ob auch die Zahl der Krankheitsfälle steigt oder nur die Zahl der gestellten Diagnosen.

Die ersten Zeichen treten teilweise schon bei Babys auf, die Erkrankung wird aber meist erst ab dem 7. Lebensjahr festgestellt. Zunehmend wird klar, dass das AD[H]S oft auch im Erwachsenenalter fortbesteht.

Alternative Bezeichnungen. In der Schweiz ist das AD[H]S auch unter dem (älteren) Begriff POS (Psychoorganisches Syndrom) bekannt. Der ältere Begriff Minimale Zerebrale Dysfunktion (MCD) wird nicht mehr verwendet.

Symptome und Leitbeschwerden

Unaufmerksamkeit:

  • Das Kind hat Probleme, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder im Spiel zu halten und ist leicht abzulenken
  • Es fällt ihm schwer, Aktivitäten oder Aufgaben zu organisieren
  • Das Kind meidet unliebsame Tätigkeiten wie Hausaufgaben, bei denen eine durchgängige geistige Aktivität erfordert wird
  • Es scheint häufig nicht zu hören, dass jemand mit ihm spricht
  • Das Kind vergisst Dinge und Aufgaben
  • Es folgt Anweisungen häufig nicht vollständig und schafft es nicht, Spiele oder Arbeiten zum Abschluss zu bringen
  • Das Kind verliert häufig Sachen wie Spielzeug oder Stifte, die für Tätigkeiten benötigt werden.

Hyperaktivität:

  • Das Kind rutscht auf dem Stuhl herum und zappelt mit Händen und Füßen
  • Es verlässt z. B. in der Schule mehrmals seinen Platz
  • Das Kind rennt oder klettert, auch wenn die Situation unpassend ist
  • Es wird beim Spielen unnötig laut.

Impulsivität:

  • Bevor eine Frage vollständig gestellt wurde, platzt das Kind schon mit der Antwort heraus
  • Das Kind hat Probleme, so lange zu warten, bis es an der Reihe ist
  • Es unterbricht und stört Spiele oder Gespräche von anderen oder mischt sich ein.

Wann zum Kinderarzt

In den nächsten Wochen, wenn

  • Sie nach Rücksprache mit Erzieher*innen oder Lehrer*innen ein AD[H]S bei Ihrem Kind vermuten und sich die auffälligen Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum nicht ändern.

Die Erkrankung

Ursachen und Risikofaktoren

Die Gründe für AD[H]S sind nicht abschließend geklärt, vermutlich ist die Störung nicht nur auf eine einzelne Ursache zurückzuführen.

Vererbung. Als sicher gilt heute, dass bei manchen Kindern eine erbliche Veranlagung eine Rolle spielt, da in einigen Familien AD[H]S gehäuft auftritt. Die meisten AD[H]S-Kinder haben mindestens einen betroffenen Verwandten; und etwa 30 % aller Männer, die AD[H]S hatten, haben später selbst Kinder mit der Störung.

Organische Ursachen. Bei einigen Kindern sind organische Veränderungen des Gehirns beteiligt; so sind bei AD[H]S-Kindern bestimmte Gehirnteile weniger empfindlich für die durch den Botenstoff Dopamin vermittelten Belohnungssignale. Sie benötigen deshalb womöglich intensivere Reize, um sich selbst zu spüren und wohlzufühlen. Hierzu passt, dass bei etwa einem Drittel der AD[H]S-Kinder auch neurologische oder kognitive Auffälligkeiten gefunden werden, etwa Störungen der Feinmotorik, Teilleistungsstörungen, Tics oder Probleme im Bereich der sinnlichen Wahrnehmung. Auch die Tatsache, dass Frühgeborene sowie Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft geraucht, Alkohol getrunken oder Drogen konsumiert haben, ein erhöhtes AD[H]S-Risiko haben, spricht für die Theorie, dass hinter einem AD[H]S auch eine gestörte Gehirnreifung bzw. -organisation steckt.

Exogene Faktoren. Auch Faktoren, die von außen kommen, also der Einfluss von Umwelt oder Gesellschaft, werden als Ursache diskutiert. Dazu gehören veränderte Familienverhältnisse, Reizüberflutung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel und starke Leistungsorientierung. Zudem spielen die Erwartungen der Gesellschaft eine Rolle: Ob ein Kind mit einem bestimmten Verhalten andere stört, hängt auch davon ab, wie Kinder ihren Tag verbringen sollen – stundenlanges Stillhalten gehört nicht zum normalen Verhaltensrepertoire von Kindern.

Temperament. Wie aktiv Kinder sind, ist stark von ihrem Temperament geprägt – und das ist zumindest teilweise angeboren. Zudem brauchen manche Kinder mehr Auslauf als andere, um seelisch ausgeglichen und aufnahmefähig zu sein. Insofern könnte hinter manchen Fällen von Hyperaktivität auch die eingebaute Bewegungsbremse der heutigen Umwelt stecken.

Ernährung. Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden in letzter Zeit häufig als Ursache diskutiert. Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen ließ sich ein Zusammenhang mit bestimmten Nahrungsmitteln, Nahrungsmittelzusätzen, Konservierungsstoffen (etwa Phosphaten) oder Zucker nicht erhärten. Zucker erzeugt kein AD[H]S.

Klinik

So uneinheitlich die Definition und die Ursachen des AD[H]S sind, so wenig einheitlich sind auch seine Erscheinungsformen. Je nach Fall werden die 3 Hauptmerkmale des AD[H]S, also Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, in unterschiedlicher Ausprägung beobachtet. Diese 3 Hauptmerkmale müssen keineswegs gleichzeitig vorliegen.

  • Der vorherrschend unaufmerksame Typ (Hans Guck-in-die-LuftTräumerchen): Diese Kinder sind leicht abzulenken, ohne hyperaktiv zu sein. Oft handelt es sich dabei um Mädchen.
  • Der vorherrschend hyperaktiv-impulsive Typ (Zappelphilipp): Diese Kinder haben Probleme mit ihrem ständigen Bewegungsdrang und ihrer Impulsivität. Wenn sie einmal zur Ruhe kommen, können sie sich teilweise gut konzentrieren.
  • Der Mischtyp: Hier sind alle 3 Hauptmerkmale vertreten. Die meisten erkrankten Kinder sowie fast alle schweren Formen fallen in diese Kategorie.

Einfluss des Alters. Außerdem verändert sich das Bild der Störung mit dem Alter des Kindes.

  • Säuglingsalter: Schon als Baby sind manche Kinder sehr unruhig, schreien viel und schlafen wenig. Wenn sie mal im Krabbel- und Laufalter sind, ist nichts vor ihnen sicher. Wie aufgedreht untersuchen sie ihre Umgebung, haben aber Probleme, sich länger mit einer Sache zu beschäftigen.
  • Kleinkindalter: In dieser Zeit ist AD[H]S oft nur schwer zu erkennen, da auch gesunde Kleinkinder ständig in Bewegung sind. Die Kinder fallen z. B. im Kindergarten dadurch auf, dass sie im Stuhlkreis zappeln und nicht zuhören, sich nicht an Regeln halten, wenig Konstruktives spielen (z. B. keine Türme bauen oder Puzzles legen) und es zwischen ihnen und den anderen Kindern sehr häufig Auseinandersetzungen gibt. Vielfach werden diese Erscheinungen als Unarten oder Ausdruck falscher Erziehung angesehen – was sie durchaus sein können, aber nicht müssen.
  • Schulalter: Hier treten die Probleme wesentlich deutlicher zutage, da nun von dem Kind erwartet wird, sich längere Zeit zu konzentrieren. Auch nach einer Eingewöhnungszeit von 1–2 Monaten springen die Kinder noch unvermittelt von ihrem Stuhl auf, sprechen, ohne aufgerufen zu werden, reagieren oft aggressiv und ertragen Misserfolge nur sehr schlecht. Den Eltern fällt auf, dass das Kind endlos an den Hausaufgaben sitzt, da es ständig mit anderen Dingen beschäftigt ist. Meist dauert es nicht allzu lange, bis die Schulleistung zu wünschen übrig lässt und weitere Probleme wie Aggressivität, Depressionen und Familienstreit hinzukommen.
  • Pubertät: In dieser schwierigen Zeit verkehrt sich die Hyperaktivität oft in ihr Gegenteil, das heißt, die motorische Unruhe nimmt ab, die Jugendlichen werden aber inaktiv und haben zu nichts mehr Lust.

Verlauf

AD[H]S ist normalerweise eine Kinderkrankheit, dennoch treten einige der Verhaltensweisen auch noch im Erwachsenenalter auf – allerdings deutlich weniger ausgeprägt als bei Kindern. Sicher ist aber eines: Überaktives Verhalten wird häufig zu einem Problem:

  • Zum einen für die Umwelt des Kindes – mit seinem Verhalten stört das betroffene Kind Mitschüler*innen, Lehrer*innen und Eltern teils erheblich.
  • Zum anderen für das Kind selbst – z. B. weil es die Schule trotz guter Begabung nicht schafft, weil es ständige Konflikte mit Freund*innen, Eltern und Lehrer*innen gibt oder weil es aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Aggressionen oder Depressionen reagiert.

Ist die Überaktivität eines Kindes so stark ausgeprägt, dass es durch sein Verhalten sowohl seiner Umwelt als auch sich selbst im Weg steht, wird deshalb zu Recht von einer Überaktivitätsstörung gesprochen.

Folgeprobleme. Das unangepasste, von der Umwelt als schwierig empfundene Verhalten lässt das Kind bald im Freundeskreis und in der Familie immer mehr ins Abseits geraten. Seine schulischen Leistungen werden trotz ausreichender Intelligenz früher oder später immer schlechter – ein Teufelskreis entsteht aus mangelnder Bestätigung bzw. Erfolgserlebnissen, Kränkung und schließlich problematischem Verhalten.

AD[H]S im Erwachsenenalter. Experten gehen davon aus, dass ein kindliches AD[H]S sehr häufig auch im Erwachsenenalter fortbesteht. Etwa die Hälfte aller Betroffenen haben zumindest teilweise im späteren Leben noch mit den Symptomen zu tun. Es wird geschätzt, dass etwa 3 % der Erwachsenen, v. a. Männer, an einem AD[H]S leiden. Während im Erwachsenenalter die motorische Überaktivität in den Hintergrund tritt, wird vor allem die Aufmerksamkeitsstörung und mangelnde Affektkontrolle (v. a. Aggressivität) zum Ausgangspunkt von psychosozialen Folgeproblemen – von Arbeitslosigkeit über Verkehrsunfälle bis hin zu riskantem Sexualverhalten und Kriminalität. Eine Studie aus dem Jahr 2016 hat zudem bei Frauen einen Zusammenhang zwischen AD[H]S und dem Risiko für Adipositas festgestellt. Außerdem steigt mit dem AD[H]S das Risiko für weitere Erkrankungen, insbesondere Suchterkrankungen, Depressionen, Angsterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen.

Diagnosesicherung

Der erste Ansprechpartner bei einem entsprechenden Verdacht ist die Kinderärzt*in. Aber viele Kinderärzt*innen überweisen das Kind dann an eine Fachärzt*in für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder an eine Kinderpsycholog*in, denn die Diagnose eines AD[H]S erfordert viel Erfahrung und ist sehr aufwendig. Sie umfasst neben einer gründlichen allgemeinen und neurologischen Untersuchung auch psychologische Tests und eine Beurteilung des Kindes durch weitere Personen, z. B. Erzieher*innen oder Lehrer*innen (gegebenenfalls mithilfe standardisierter Beobachtungsbögen, den Conners-Bögen). Andere Erkrankungen, z. B. eine Schilddrüsenüberfunktion, besondere Formen der Epilepsie, nicht erkannte Minder- oder Hochbegabung und viele Formen von sonstigen Verhaltensstörungen müssen ausgeschlossen werden.

Bei der Diagnose wird auch immer das Alter des Kindes berücksichtigt, denn je jünger ein Kind ist, desto eher sind unreife und impulsive Verhaltensweisen dem Alter entsprechend und somit normal. Die Diagnose AD[H]S wird gestellt, wenn

  • das auffällige Verhalten nicht nur in der Schule, sondern zusätzlich in mindestens einer anderen Umgebung (wie zu Hause oder Freundeskreis) beobachtet wurde.
  • dieses Verhalten seit mindestens 6 Monaten anhält.
  • für das auffällige Verhalten andere psychische Erkrankungen als Ursachen ausgeschlossen wurden.
  • zusätzlich durch das Verhalten der Alltag sehr behindert wird, z. B das Familienleben, die schulische Leistung oder Freundschaften.

Hinweis: Fast alle Kinder zeigen hin und wieder eine dieser Verhaltensweisen. Für die Diagnose eines AD[H]S aber müssen diese Beschwerden während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß und in verschiedenen Umgebungen vorliegen, z. B. in Kindergarten und Familie, Schule und Freundeskreis. Alle Zeichen des AD[H]S treten vorübergehend auch bei nicht davon betroffenen Kindern auf, z. B. nach besonderen Belastungen (Scheidung der Eltern).

Behandlung

Die Therapie setzt auf mehreren Ebenen an:

  • In einer Familientherapie lernen Eltern, wie sie am besten mit einem von AD[H]S betroffenen Kind umgehen, da diese sehr anstrengend sind und ihre Eltern nicht selten an deren Grenzen bringen. Ältere Kinder lernen in einem Selbstinstruktionstraining, sich gewissermaßen selbst zu kontrollieren. Es werden vor allem verhaltenstherapeutische Verfahren eingesetzt, bei denen Eltern und das betroffene Kind systematisch günstigere Verhaltensweisen lernen sollen. Spiel- und Ergotherapie werden oft für die Kinder empfohlen, ihr Zusatznutzen ist jedoch nicht erwiesen.
  • Medikamente kommen dann infrage, wenn sich durch Änderungen des häuslichen und schulischen Umfeldes sowie durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen keine Besserung einstellt.

Pharmakotherapie

Zur medikamentösen Behandlung von AD[H]S-Patient*innen werden nicht etwa beruhigende Substanzen eingesetzt, sondern – anscheinend widersprüchlich – stimulierende. Es wird also nicht die Hyperaktivität gedämpft, vielmehr werden steuernde Einflüsse des Gehirns sowohl auf Bewegungen als auch auf die Aufmerksamkeit verstärkt.

Auf Gesunde wirken diese Präparate aufputschend und stimmungsaufhellend; daher fällt der Einsatz eines Teils dieser Medikamente auch unter das Betäubungsmittelgesetz. Bei Kindern mit AD[H]S ist es umgekehrt: Die Kinder werden nach der Einnahme ruhiger, weniger impulsiv und können sich besser konzentrieren.

Wirkstoffe. In den deutschsprachigen Ländern wird hauptsächlich Methylphenidat eingesetzt, besser bekannt unter den Handelsnamen Ritalin®, Medikinet®, Concerta® und Equasym®. 4 % der US-amerikanischen Schulkinder nehmen Methylphenidat regelmäßig ein, in Deutschland dürften es weniger sein, genaue Daten sind aber nicht verfügbar. Weitere Wirkstoffe in der AD[H]S-Behandlung sind Dexamfetamin und Lisdexamfetamin. Neuerdings stehen mit Atomoxetin und Guanfacin 2 Präparate zur Verfügung, die nicht stimulierend wirken. Sie sind indiziert, wenn Stimulanzien nicht vertragen werden oder nicht wirken.

Die Behandlung mit allen erwähnten Medikamenten bedarf ständiger fachärztlicher Kontrollen durch eine Kinderärzt*in oder Kinderpsychiater*in.

Bewertung. Natürlich sollten Medikamente nur nach sorgfältiger Diagnostik eingesetzt werden und nur bei solchen Kindern, bei denen die nicht medikamentösen Maßnahmen nicht ausgereicht haben. Gezielt eingesetzt, ermöglichen die Medikamente durch ihre ausgleichende Wirkung überhaupt erst nicht-medikamentöse Behandlungen, die bis dahin unmöglich gewesen wären. Das heißt, der Teufelskreis aus Verhaltensauffälligkeiten und sozialen Folgeproblemen wird unterbrochen und das Kind sozial integriert.

Umstritten sind die Medikamente weniger wegen ihrer kurzfristigen Nebenwirkungen (v. a. Appetitmangel, Gewichtsverlust oder Schlaflosigkeit) als vielmehr wegen möglicher Langzeitfolgen, etwa einer dadurch entstehenden Suchtgefährdung (von der Tabletten- bis zur Alkoholsucht). Hierfür gibt es bisher jedoch keine schlüssigen wissenschaftlichen Studien.

Viele Kinder nehmen die Medikamente während ihrer gesamten Schulzeit ein. Macht das Kind gute Fortschritte, wird durch Auslassversuche geprüft, ob die (medikamentöse) Behandlung weiterhin erforderlich ist.

Konservative Behandlung

Biofeedback beschreibt die Rückmeldung von Körpersignalen über Ton oder Bildschirm zum Beispiel im Rahmen eines Atemtrainings oder von Muskelentspannungsübungen. Dabei werden mit elektronischen Hilfsmitteln biologische Vorgänge, die der unmittelbaren Sinneswahrnehmung nicht zugänglich sind, dem eigenen Bewusstsein zugänglich gemacht. Betroffene lernen dadurch, ihre Körpersignale besser zu verstehen und so ihr Verhalten zu kontrollieren. Im Einzelnen werden als Vorgänge im Biofeedback genutzt:

  • Atemmuster wie Atemfrequenz oder Atemamplitude
  • Blutdruck und seine Veränderung
  • Pulsfrequenz,-amplitude und -variabilität
  • Hauttemperatur und -widerstand.

Neurofeedback ist eine Biofeedback-Methode, bei der die elektrischen Gehirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) in Echtzeit gemessen und auf einem Monitor dargestellt werden, um das Erzeugen bestimmter Frequenzbereiche zu trainieren. Etwa die Hälfte der Kinder mit AD[H]S profitiert von einer Neurofeedback-Therapie. Die Aufmerksamkeit verbessert sich mit der Anzahl an Sitzungen. Wichtige Voraussetzung für einen Behandlungserfolg ist eine ausreichende Motivation des betroffenen Kindes und seiner Eltern sowie die Bereitschaft, auch außerhalb der Sitzungen zu trainieren.

Therapie der AD[H]S nach der Pubertät

Mehr als die Hälfte der von AD[H]S betroffenen Kinder und Jugendlichen nimmt die Erkrankung teilweise oder vollständig ins Erwachsenenalter mit. Auf eine psychiatrisch-fachärztliche und psychotherapeutische Behandlung sprechen die Betroffenen gut an; es werden Besserungsquoten von etwa 70 % genannt.

Bewährt hat sich eine Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie sowie eine sozialpsychiatrische Begleitung. In der Psychotherapie scheint besonders die verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppentherapie erfolgversprechend zu sein.

Pharmakotherapie. Zur Behandlung von AD[H]S nach der Pubertät wird vor allem Methylphenidat eingesetzt. Es wird Patienten ab 18 Jahren verschrieben, die seit dem Kindesalter an AD[H]S erkrankt sind und auf andere therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend ansprechen. Wenn Methylphenidat nicht hilft, bietet sich eine Behandlung mit Atomoxetin an.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie als Eltern tun können

Auch wenn jedes Kind anders ist, einige Grundsätze gelten immer:

  • Ihr Kind ist schwierig – halten Sie zu ihm! Ein Kind mit AD[H]S leidet selbst darunter, dass es so oft aneckt. Nehmen Sie ihm das – nur allzu naheliegende – Gefühl, schlecht oder böse zu sein. Am besten sehen Sie im Tagesplan regelmäßig Zeiten vor, in denen Sie nur für das betroffene Kind Zeit haben.
  • Klare Regeln, Grenzen und Strukturen. Kinder mit einem AD[H]S brauchen einen geregelten Tagesablauf mit festen Mahlzeiten und ausreichend Schlaf. Uneinheitliche Erziehungsregeln gilt es zu vermeiden. Statt Schimpfen und Diskussionen sollten im Voraus festgelegte Regeln und Konsequenzen gelten.
  • Möglichst viel Lob. Das Kind sollte für gelungenes Verhalten konsequent gelobt werden. Die Kinder leiden unter ihrem Anderssein, sie müssen viel einstecken und brauchen deshalb Lob und Anerkennung mehr noch als gesunde Kinder.
  • Ruhige Umgebung. Kinder mit AD[H]S verarbeiten Informationen besonders schlecht, wenn viele Reize gleichzeitig auf sie einwirken. Hausaufgaben sollten deshalb in einem ruhigen Raum gemacht werden, ohne Radio und Geschwister. Fernseh- und Computerzeit sollte maßvoll zugeteilt werden. Der freie Zugang zu diesen Medien ist kontraproduktiv. Auch die Mahlzeiten sollten ohne Störquellen wie Radio oder gar Fernsehen stattfinden.
  • Nicht überfordern, nicht unterfordern. Klären Sie, ob Ihr Kind vielleicht hoch- oder minderbegabt ist, und wählen Sie eine seiner Begabung entsprechende Schule. Lange Arbeiten überfordern die meisten Kinder, während sie bei begrenzten kurzen Aufgaben eher Erfolgserlebnisse haben.
  • Ausreichend Bewegung. Sie sollten Ihrem Kind auf jeden Fall genug Auslauf verschaffen, nicht nur einmal am Tag, sondern auch zwischendurch. Günstig sind auch kreative Freizeitbeschäftigungen, z. B. Malen oder Tanzen.
  • Ernährung bzw. Diät. Ob Diäten etwas ausrichten, ist Glaubenssache. Beweise gibt es dafür nicht. Viele Eltern sind nicht davon abzuhalten, eine der beschworenen Diäten auszuprobieren. Da eine Diät die soziale Isolation des Kindes womöglich verstärkt, sollte sie nur beibehalten werden, wenn wirklich eine positive Reaktion beobachtet wurde, und zwar nicht nur von einem Familienmitglied, sondern auch von Lehrern.
  • Kontakt zu Erzieher*innen und Lehrer*innen. Die Betreuer'innen Ihres Kindes sollten Sie unbedingt informieren, damit seine Auffälligkeiten nicht als Unart, sondern als Erkrankung gesehen und die Erwartungen an das Kind entsprechend angepasst werden. Auch in der Schule sollte ein Teil der oben genannten Regeln umgesetzt werden, indem Ihr Kind z. B. einen möglichst ruhigen Sitzplatz innerhalb des Klassenraums bekommt. Leider besteht aber in deutschen Schulen im Umgang mit AD[H]S (und anderen schwierigen Kindern) ein ausgesprochenes Aufmerksamkeitsdefizit“, was mitunter an den vielfältigen Anforderungen bei dünner Personaldecke liegt.

Komplementärmedizin

Leider fehlt bisher ein gesicherter Nachweis, dass Heilpflanzen und Co. bei AD[H]S helfen. Auch wenn die wissenschaftlichen Beweise noch fehlen, so sind die alternativen Behandlungsansätze für einige Begleitsymptome wie Schlafstörungen und Unruhe durchaus hilfreich und einen Versuch wert.

Baldrian. Für den Tee 1/4 l kaltes Wasser auf 1 Teelöffel getrocknete Baldrianwurzel geben, über Nacht stehen lassen und anschließend abseihen. Lassen Sie Ihr Kind vor dem Schlafengehen eine ½ oder 1 Tasse davon trinken. Zur längeren Anwendung eignet sich eine Baldrian-Tinktur aus der Apotheke. Geben Sie Ihrem Kind 3 Monate lang dreimal täglich nach dem Essen 10 Tropfen auf ein Stück Würfelzucker.

Johanniskraut. Zur allgemeinen Nervenstörung und gegen innere Unstimmigkeit bietet sich ein Tee an. Nehmen Sie dazu 2 Teile Johanniskraut, 2 Teile Zitronenmelisse, 2 Teile Lavendelblüten und übergießen diese Mischung mit ½ l kochendem Wasser. 10 Minuten ziehen lassen, abseihen und über den Tag verteilt einmal eine Tasse zum Trinken geben. Auch regelmäßige Einreibungen mit Johanniskrautöl wirken ausgleichend. Reiben Sie entweder ein- bis zweimal wöchentlich den ganzen Körper damit ein oder morgens und abends nur Brust und Rücken.

Melisse-Johanniskraut-Tee. Wenn Ihr Kind über längere Zeit schlecht schläft, hilft ein Tee aus Melisse und Johanniskraut. Nehmen Sie dazu jeweils 1 Teelöffel, übergießen die Mischung mit ¼ l kochendem Wasser und lassen alles ziehen. Anschließend abseihen und tagsüber zu trinken geben.

Hopfentee. Übergießen Sie für einen Tee 2 Teelöffel Hopfen mit ½ l kochendem Wasser. Anschließend 5 Minuten ziehen lassen und abseihen. Den Tee evtl. mit Honig versüßen und 1 Stunde vor dem Schlafengehen warm trinken lassen.

Aromatherapie. Hier eignen sich Duftöle aus Orangenblüten, Lavendel, Jasmin und Melisse.

Weiterführende Informationen

  • www.ag-adhs.de – Website der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte (Forchheim), einem Zusammenschluss an ADHS interessierter Kinderärzt*innen.
  • www.adhs-deutschland.de – Website des ADHS Deutschland e.V.: Mit vielfältigen (leider aber nicht immer gut sortierten) Infos.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Beschreibung“, „Symptome und Beschwerden“, „Wann zum Kinderarzt“, „Die Erkrankung“, „Diagnosesicherung“, „Behandlung“, „Prognose“ und „Ihre Apotheke empfiehlt“: Dagmar Fernholz
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Wunden bei Kindern sicher behandeln

Kleine Wunden lassen sich bei Kindern mit den richtigen Hausmitteln meist gut verarzten.

Wunden bei Kindern sicher behandeln

Hilfe, es blutet!

Stürze und kleine Verletzungen sind bei aktiven Kindern alltäglich. Meist kommt es nur zu harmlosen blauen Flecken, Abschürfungen oder kleinen Wunden. Die lassen sich mit dem nötigen Know-How und einer gut ausgestatteten Hausapotheke gut behandeln. Wichtig ist aber zu wissen, wann das Kind bei einer Verletzung zur Ärzt*in muss – und was bei Verbrennungen tun ist.

Mehr Stürze, weniger Folgen

Hinfallen gehört zu den häufigsten Alltagsereignissen bei Kindern. Kleinkinder fallen besonders oft: Obwohl sie noch wacklig und unsicher auf den Beinen sind, wollen sie alles ausprobieren und lassen sich von nichts aufhalten. Auch ihre Körperproportionen bringen sie leichter zu Fall: Weil ihr Kopf etwa 25% des Körpergewichts ausmacht, liegt ihr Schwerpunkt höher als bei Erwachsenen. Dadurch ist der Körper instabiler und sie verlieren leichter ihr Gleichgewicht.

Kinder stürzen zwar viel häufiger als Erwachsene – ihr Körper kann dies aber deutlich besser verkraften. Das gilt besonders für die Wundheilung. Die ist bei gesunden Kindern durch ihre höhere Stoffwechselrate schneller und effektiver als bei den Großen. Deshalb verlaufen alle drei Wundheilungsphasen besser: 

  • Blutstillung und Entzündungsphase: Als erstes wird durch Blutplättchen (Thrombozyten) und die Blutgerinnung ein schützender Schorf gebildet und die Blutung gestillt. Anschließend wandern spezielle Blutzellen ein und beseitigen eingedrungene Bakterien und abgestorbenes Gewebe.
  • Proliferative Phase: Ab dem zweiten Tag beginnt der Körper, die Gewebeverluste wieder aufzufüllen. Dafür bildet er neues Bindegewebe, insbesondere Kollagen, das von speziellen Hautzellen (Fibroblasten) produziert wird. Auch diese Kollagenproduktion läuft bei Kindern meist effektiver ab als im Erwachsenenalter. 
  • Reparative Phase: Ab Tag 5, also noch parallel zur proliferativen Phase, baut der Körper das neu gebildete Gewebe um. Dadurch wird die Wunde immer kleiner und stabiler. In diesem Stadium können sich sichtbare Narben entwickeln. Das Risiko für ausgeprägte Narben ist bei Kindern wiederum geringer als bei Erwachsenen. Die reparative Phase dauert etwa bis zu vier Wochen, dann ist die Wunde meist vollständig verheilt.

Hinweis: Wunden von Kindern infizieren sich seltener als Wunden von Erwachsenen. Dass liegt u.a. daran, dass gerade in den ersten Lebensjahren die Produktion und die Aktivität der Immunzellen besonders hoch ist. So gut ausgerüstet kann das Immunsystem besonders schnell und effektiv auf eingedrungene Keime reagieren.

Wann muss das gestürzte Kind in die Arztpraxis?

Zum Glück sind Stürze im Kindesalter meist leicht und haben deshalb nur harmlose Folgen. Abschürfungen, blaue Flecken und kleine Wunden kann man deshalb recht gut selbst versorgen. Rat und die erforderlichen Produkte gibt es in der Apotheke.

In einigen Fällen ist es allerdings unabdingbar, mit dem gestürzten Kind eine Arztpraxis aufzusuchen, z. B. bei 

  • Stürzen aus mehr als 1,5 m Höhe 
  • stark blutenden Wunden
  • Flüssigkeits- oder Blutaustritt aus Nase oder Ohren 
  • Bewusstlosigkeit (auch kurze) nach dem Sturz 
  • Erbrechen, Schläfrigkeit, Trinkunlust nach dem Sturz 
  • Krampfanfällen oder Muskelzuckungen
  • Schielen oder Sehstörungen

Kälte und Cremes bei blauen Flecken

Wenn durch eine Prellung, einen Stoß oder einen Schlag Gefäße verletzt werden, sammelt sich unter der Haut Blut an. Es kommt zu einem blauen Fleck, auch Hämatom genannt. Sie heilen – besonders bei Kindern – meist schnell ab. Der frische Fleck ist erst rot, dann wird er durch die Gerinnung blauviolett. Im Rahmen der Aufräumarbeiten im Gewebe bauen die Fresszellen den Blutfarbstoff ab. Je nach Abbauprodukt verändert der Fleck seine Farbe von braun-schwarz über dunkelgrün bis gelb-braun.

Blaue Flecken tun vor allem zu Beginn sehr weh. Kälte hilft dagegen am besten und sorgt dafür, dass Schwellungen nicht noch größer werden. Gekühlt werden sollte möglichst rasch und für mehrere Minuten. Achtung: Um den Kreislauf nicht zu stark zu belasten, darf dies bei Kleinkindern nur punktuell, also an der betroffenen Stelle, und feucht-kühl passieren.

Dazu eignet sich ein mit kühlem Wasser angefeuchteter Waschlappen oder eine im Kühlschrank (!) gelagerte Kalt-Warm-Kompresse. Für unterwegs sind Sofort-Kühl-Kompressen zum Knicken praktisch. Tiefgekühlte Coolpacks sind ungeeignet für Kleinkinder, ebenso Eissprays – sie können ihre besonders empfindliche und dünne Haut und die dicht darunter liegenden Nerven schädigen und zu schmerzhaften Erfrierungen führen.

Ist der Schmerz abgeklungen, können Gele mit Arnika-Extrakt die Abheilung unterstützen. Manche Eltern haben auch gute Erfahrungen mit homöopathischen Cremes gemacht. Bei Kindern ab acht Jahren darf man blaue Flecken auch mit Schmerzsalben mit Beinwell-Fluidextrakt behandeln.

Hinweis: Die klassischen Schmerzgele auf der Basis von Diclofenac oder Ibuprofen sind erst für Jugendliche ab 14 Jahren zugelassen und für jüngere Kinder nicht geeignet.

Blutende Wunden und Schürfwunden sicher versorgen

Bei stark blutenden Wunden muss die Blutung schnell gestoppt werden. Erst legt man eine sterile Kompresse auf, wenn nötig, muss ein Druckverband angelegt werden. Dazu kann man eine Verbandrolle verwenden. Diese packt man aus und legt sie auf die Kompresse, um sie dann mit einer zweiten Verbandrolle zu umwickeln und zu fixieren. So versorgt muss das Kind in eine Arztpraxis oder eine Notfallambulanz gebracht werden.

Oberflächliche, leichte Blutungen und Schürfwunden können selbst behandelt werden. In jedem Fall ist eine gute Wundreinigung wichtig. Dabei ist es wichtig, die Wunde gut mit Wasser oder steriler Kochsalzlösung zu spülen. Bei kleinen oberflächlichen Schürfwunden ist eine Desinfektion meist überflüssig. Schon das Spülen verringert die Infektionsgefahr. Zudem reinigt sich die Wunde selbst, indem sie Wundsekret bildet.

Anders sieht das bei tieferen Wunden aus. Sie können auch nach dem Spülen noch Schmutz und Keime enthalten und sollten desinfiziert werden. Gleiches gilt für Wunden, die mit Erde oder Tierkot in Kontakt geraten sind – sie sollte man ebenfalls desinfizieren.

Auch für Kinder geeignete Antiseptika sind die Wirkstoffe Octenidin, Povidon-Iod, Polihexanid und Chlorhexidin. Entsprechende Präparate und die dazugehörende Beratung gibt es in der Apotheke.

Tipp: Für das Säubern von leicht blutenden Wunden eignen sich bei Kindern besonders dunkle Tücher. Darauf fällt das rote Blut weniger auf, und das Kind bekommt weniger Angst.

Wundheilung fördern

Die nicht mehr blutende Wunde wird wie bei Erwachsenen nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung behandelt. Dazu kann man entweder feuchtes Wundgel oder Hydrokolloidpflaster verwenden.

Feuchte Wundgele brennen nicht auf der Wunde, spenden Feuchtigkeit für die Heilung und haben einen angenehm kühlenden Effekt. Sie müssen mehrmals täglich aufgetragen werden. Zum Schutz vor Verunreinigung, Reibung durch die Kleidung oder Herumkratzen klebt man ein Pflaster darüber. Der Wechsel des Pflasters kann sehr schmerzhaft sein. Um das Lösen des Pflasters zu erleichtern, gibt es zwei Wege: 

  • Sterile Kochsalzlösung zwischen den Rand des Pflasters und die Haut tröpfeln. 
  • Auf die Klebefläche des Pflasters ölgetränkte Wattepads auflegen und einwirken lassen.

Hydrokolloidpflaster sind die Alternative zu Wundgel und Pflaster. Sie bestehen aus wasserdichtem Material und versorgen die Wunde mit Feuchtigkeit. Außerdem polstern sie diese ab und schützen vor Reibung und Druck. Um sie beim Spielen zu sichern, kann man darüber täglich eine selbstklebende Binde anlegen. Das schützt auch davor, dass Schmutz unter den Rändern eindringt. Hydrokolloidpflaster bleiben bis zu sieben Tage auf der Wunde – das mehrmals tägliche Pflasterwechsel entfällt also.

Narbengele mit Silikon können bei ausgedehnten Schürfwunden die Abheilung verbessern. Sie dürfen erst aufgetragen werden, wenn kein Schorf mehr vorhanden ist. Man trägt sie zweimal täglich vorsichtig auf. Bitte nicht einmassieren – sonst bildet sich der nötige Silikonfilm nicht. Spezielle Präparate gibt es in der Apotheke schon für Babys ab drei Monaten.

Hinweis: Bei Verletzungen sollte immer der im Auge behalten werden, ob die Tetanusimpfung aufgefrischt werden muss. Grundimmunisiert wird meist mit 2, 4 und 11 Monaten. Danach wird die Impfung mit 5 bis 6 Jahren, später alle zehn Jahre wiederholt. Ist der Impfstatus nicht bekannt, wird das Kind wie ungeimpft behandelt und erhält eine Tetanusimpfung.

Achtung Verbrennungsgefahr

Auch Verbrennungen gehören zu den häufigen Verletzungen im Kindesalter. Typisch sind Unfälle am Herd oder mit dem Wasserkocher. Im Sommer gibt es neben dem Grillen noch zwei weitere typische Verbrennungsmöglichkeiten: 

  • Im Gartenschlauch stehendes Wasser kann durch die Sonne extrem heiß werden und Verbrühungen verursachen. 
  • Metallteile an Klettergerüsten und Rutschen können sich so aufheizen, dass es zu Kontaktverbrennungen an Po, Händen und Füßen kommt.

Bei einer Verbrennung muss sofort gehandelt werden. Ist ein größerer Bereich als der Handteller (des Kindes) betroffen, muss sofort der Notruf gewählt werden. Bereits ab 8% verbrannter Haut besteht bei Kindern Lebensgefahr. Zusätzlich gilt für alle Verbrennungen: 

  1. Bei verbrannten oder verbrühten Kindern sollte so schnell wie möglich die Kleidung entfernt werden. Das gilt allerdings nur, wenn diese nicht mit der Haut verklebt ist. Ist das der Fall, muss die Kleidung mitgekühlt werden. Denn je länger die heißen Textilien an der Haut bleiben, desto größer wird der Hautschaden. 
  2. Brandwunde 10 bis 15 Minuten mit handwarmem Wasser kühlen. Ausnahme: Nicht gekühlt werden großflächige Verletzungen wie z. B. der Rumpf – es droht sonst die Gefahr, dass die Körperkerntemperatur nicht mehr gehalten werden kann. Auch Neugeborene und Säuglinge sollen nicht gekühlt werden.
  3. Nach dem Kühlen kleinere Brandwunden steril abdecken, bei größeren Wunden ein sauberes Tuch verwenden. 
  4. Keinesfalls Hausmittel auftragen (Mehl, Salben, Puder)! Säuglinge und Kleinkinder sollen bei jeder Art von Verbrennung zur Ärzt*in. Das Gleiche gilt, wenn es zu Verbrennungen im Gesicht, an den Händen, Füßen oder Genitalien gekommen ist.

Bei älteren Kindern können leichte, sehr kleinflächige Brandwunden zuhause behandelt werden. Brandblasen darf man dabei nicht aufstechen. Einerseits, weil sie die Wunde vor Verunreinigungen schützt. Außerdem bildet sich unter der Brandblase ein feuchtes Milieu, das die Heilung fördert. Zudem schmerzen geöffnete Brandblasen besonders stark.

Auch geschlossene Brandwunden schmerzen. Dagegen helfen Hydrokolloidpflaster oder Blasenpflaster, die besonders dick sind. Speziell abkühlende Wundgele gibt es auch für Kinder.

Tipp: Haben Windelkinder einen Unfall mit heißen Flüssigkeiten, muss unbedingt die Windel ausgezogen und geprüft werden. Denn das heiße Wasser kann sich darin sammeln und zu Verbrühungen am Po oder an den Geschlechtsorganen führen.

Gut gerüstet für den Notfall

Wer Kinder hat, sollte auf kleine Verletzungen gut vorbereitet sein. Es ist ratsam, folgende Produkte in der Hausapotheke vorrätig zu haben:  Ampullen mit steriler Kochsalzlösung

  • Wunddesinfektionsmittel 
  • sterile Kompressen
  • Wundgel 
  • klassische Kinderpflaster 
  • Mullbinden
  • Pinzette

Für Eltern ist es ratsam, die genannten Produkte in eine kleine Tasche zu packen und unterwegs immer dabei zu haben. So ist man beim Spazierengehen, auf dem Spielplatz und bei anderen Outdoor-Aktivitäten gut gerüstet.

Tipp: Es gibt auch Fertigsets zu Kaufen. So haben z. B. Expert*innen von der Universitätsklinik Bonn ein Erste-Hilfe-Set für Kinder entwickelt, das zusätzlich einen Notfallratgeber enthält (Dr. Till Kindernotfallbox-Tasche®).

Quellen: Steinbrück C, DAZ 2023; 31: 34-36, www. Paulinchen.de, www.kinderaerzte-im-netz.de, www.kindernotfall-bonn.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Tanya Yatsenko