Gesundheit heute

Kopfläuse

Kopfläuse (Pediculi capitis): Parasitenbefall, von dem überwiegend Kinder im Vor- und Grundschulalter betroffen sind.

Kopfläuse zählen zur häufigsten Erkrankung mit Parasiten im Kindesalter. Fast alle Kinder werden einmal oder mehrmals von Kopfläusen heimgesucht, insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten. Medizinisch sind die Tierchen harmlos, im Gegensatz zu den hierzulande nur in sozialen Brennpunkten (wie Obdachlosenquartieren) vorkommenden Kleiderläusen übertragen Kopfläuse keine Krankheiten.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Starker Juckreiz sowie rötliche Hautveränderungen am Kopf, v. a. hinter den Ohren, an den Schläfen und am Hinterkopf sowie im Nacken
  • Kratzbedingte Entzündungen und offene Stellen der Kopfhaut
  • Weißliche, schuppenähnliche Nissen (Läuseeier) an den Haaren, v. a. nahe der Kopfhaut
  • Evtl. Geschwollene Lymphknoten.

Wann zum Kinderarzt

Am nächsten Tag, wenn

  • eine erste Lausbehandlung auch durch Selbsthilfemaßnahmen (siehe "Was Sie als Eltern tun können") erfolglos bleibt.
  • Ihr Kind unter 3 Jahre alt ist und Kopfläuse hat.

Heute noch, wenn

  • Sie nicht sicher sind, ob es sich um Läuse handelt.
  • Ihr Kind sehr viele Läuse hat oder die Kopfhaut aufgekratzt und entzündet ist.
  • Sie selbst Läuse haben und dazu entweder schwanger sind oder stillen.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Übertragung

Kopfläuse sind 1–4 mm groß und überleben nur im menschlichen Kopfhaar. Dort ernähren sie sich ausschließlich vom Blut der Kopfhaut, indem sie ihren Stechrüssel zum Blutsaugen mehrmals täglich in die Kopfhaut einstechen. Durch die Absonderung von Speichel wird die Blutgerinnung verhindert. Die Einstiche verursachen den oft bei Lausbefall auftretenden Juckreiz.

Die Weibchen legen ungefähr einen Monat lang bis zu 10 Eier täglich und kleben diese samt der sie umgebenden Eihülle mithilfe eines wasserunlöslichen Klebstoffs als sogenannte Nisse an das Haar, und zwar etwa 3–4 mm von der Kopfhaut entfernt. Weibchen produzieren im Laufe ihres Lebens zwischen 200 und 300 Eier. Nach 7–10 Tagen schlüpfen die Larven aus; nach weiteren 7–10 Tagen legen diese selbst wieder Eier ab.

Findet die Laus z. B. wegen zu niedriger Temperaturen keine Nahrung mehr, werden nach ca. 2 Tagen keine entwicklungsfähigen Eier mehr produziert; sie trocknet dann nach einigen Tagen aus.

Wenn das Haar wächst, wandern die Nissen mit dem Haar immer weiter von der Kopfhaut weg – das hilft, alte Nissen, die auch bei einer erfolgreichen Läusebehandlung manchmal verbleiben, von frischen Nissen zu unterscheiden: Während letztere immer nahe an der Kopfhaut sitzen, kleben die alten Nissen am Haar weiter außen. Es gilt: Aus Nissen, die weiter als 1 cm von der Kopfhaut entfernt sind, schlüpfen keine neuen Läuse mehr.

Klinik

Durch das Kratzen entstehen nässende Hautentzündungen, teilweise mit gelblichen Krusten. Zusätzlich schwellen teilweise auch die Lymphknoten hinter den Ohren und im Nacken an.

Risikofaktoren

Kopfläuse werden meist von Mensch zu Mensch durch engen Kontakt übertragen. Die Tierchen können zwar weder fliegen noch springen, sind aber schnelle Läufer. Stecken also die lieben Kleinen die Köpfe zusammen, und dies tun v. a. Kindergarten- und Grundschulkinder, so wandern die Läuse mühelos und unbemerkt von Kopf zu Kopf.

Seltener ist die indirekte Übertragung z. B. über Mützen, Kapuzen, Kuscheltiere, Nackenstützen oder Kämme.

Kopfläuse haben nichts mit mangelnder Hygiene zu tun – auch gewaschene Haare sind für Läuse attraktiv. Dass sich Kinder immer wieder anstecken und die Läuse aus manchen Kindergartengruppen einfach nicht wegzukriegen sind, hat in der Regel damit zu tun, dass sie oft nicht ausreichend behandelt werden.

Komplikationen

Durch das Kratzen entstehen nässende Wunden an der Kopfhaut, die sich leicht entzünden und eine gelbliche Kruste zeigen (Ekzem). Durch die Entzündung schwellen bisweilen auch die Lymphknoten hinter den Ohren und im Nacken an.

Haarausfall. Ein starker Kopflausbefall verursacht in seltenen Fällen, dass die Haare vorübergehend ausfallen.

Diagnosesicherung

Symptome wie Juckreiz an typischen Stellen verweisen bereits auf die Diagnose (sog. Blickdiagnose). Ansonsten sucht die Ärzt*in die Haare in Nähe der Kopfhaut strähnchenweise auf die weißlichen Nissen ab. Am besten geht dies bei hellem Licht mit einer Lupe. Die Läuse sind zwar auch mit bloßem Auge sichtbar, aber deutlich schwerer zu finden, da sie sich sehr schnell bewegen.

Behandlung

Um Kopfläuse loszuwerden, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Mechanische Entfernung mit einem speziellen Läusekamm (siehe Was Sie als Eltern tun können)
  • Mittel mit Insektengift (siehe unten)
  • Mittel auf Silikonbasis (siehe Ihr Apotheker empfiehlt)
  • Mittel auf pflanzlicher Basis (siehe Ihr Apotheker empfiehlt).

Konservative Behandlung

Wird die Ärzt*in fündig, verordnet sie ein Mittel (siehe unten) zur Läuseabtötung. Bei stark gereizter Kopfhaut empfiehlt er möglicherweise eine pflegende Creme zum Einreiben der Kopfhaut, eine Heilsalbe oder auch ein Weidenrindenshampoo. In schweren Fällen hilft eine kortisonhaltige Hautcreme, um die Entzündungsreaktion zurückzudrängen.

Leidet Ihr Kind durch das Jucken und Kratzen stark, verschreibt die Ärzt*in womöglich Antihistaminika für die Nacht. Haben Bakterien zu schweren Hautentzündungen geführt, ist ein Antibiotikum nötig.

Das Robert Koch-Institut empfiehlt folgende Vorgehensweise für die Bekämpfung von Läusen:

  • 1. Tag: Sofortige Behandlung mit einem Arzneimittel (Insektizid). Anschließend Haare mit Haarpflegespülung waschen und mit einem Nissen- oder Läusekamm nass auskämmen.
  • 5. Tag: Haare erneut spülen und gründlich nass auskämmen, um nachgeschlüpfte Larven zu entfernen. Dadurch werden auch sehr spät geschlüpfte Larven entfernt.
  • 8., 9. oder 10. Tag: Weitere Behandlung mit dem Insektizid, um spät geschlüpfte Larven abzutöten. Anschließend die Haare nass mit einer Pflegespülung waschen und auskämmen.
  • 13. und 17. Tag: Kontrolluntersuchung durch gründliches nasses Auskämmen.

Kinder mit Kopfläusen dürfen in vielen Einrichtungen so lange nicht in Kindergarten oder Schule, bis die Ärzt*in oder das Gesundheitsamt bescheinigt haben, dass die Läuse verschwunden sind.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie als Eltern tun können

Informieren. Benachrichtigen Sie als Erstes den Kindergarten oder die Schule sowie die Eltern befreundeter Kinder. Denn die Läusebehandlung ist eine Gemeinschaftsangelegenheit. Ziehen einzelne Eltern im Kindergarten nicht mit, gewinnen die Läuse die Oberhand (ist leider in manchen Einrichtungen inzwischen eher die Regel als die Ausnahme).

Entlausen der Umgebung. Da Läuse mind. 1–2 Tage auch ohne Kopfhaut überleben, muss immer auch die Umgebung mitbehandelt werden:

  • Die gesamte Wäsche, die das Kind in der letzten Zeit getragen hat, ebenso Handtücher, Bettwäsche und waschbare Stofftiere, werden bei mind. 60 °C in der Waschmaschine gewaschen oder möglichst heiß in den Trockner gegeben. Bei dieser Temperatur überlebt keine Laus.
  • Kämme, Bürsten Haarspangen, -reifen und -gummis werden 10 Minuten in mind. 60 °C heißes Seifenwasser gelegt und anschließend gründlich gereinigt.
  • Gegenstände, die diese Hitze nicht vertragen, werden in einem dicht verschlossenen Plastiksack 2 Tage tiefgefroren.
  • Bei ganz empfindlichen Teilen, die weder Hitze noch Kälte vertragen, werden die Läuse ausgehungert. Den Gegenstand in einen Plastiksack geben, gut verschließen und 4 Wochen bei Zimmertemperatur lagern, ohne ihn zu öffnen.
  • Zur Behandlung der Wohnung (z. B. Sofas) reicht gründliches Saugen.
  • Zweckmäßig ist es, die Fingernägel des betroffenen Kinds gleich zu Beginn kurz zu schneiden, damit es juckende Hautstellen nicht weiter aufkratzt.
  • Jedes Familienmitglied sollte während der Behandlung eine eigenen Bürste oder Kamm benutzen.
  • Der Einsatz von Desinfektionsmitteln oder Insektizidsprays wird ausdrücklich nicht empfohlen.

Nachkontrollen. Da kein Kopflausmittel zu 100% zuverlässig wirkt, ist eine Nachkontrolle und Wiederholungsbehandlung unerlässlich. Aber auch um Behandlungsversager und Wiederansteckung möglichst früh zu entdecken, werden die Häupter der Lieben jeden Tag auf Lausbefall untersucht, zumindest solange, bis die Epidemie im Kindergarten oder in der Schule abgeklungen ist.

Geeignete Medikamente

Leider heißt Läusetherapie auch heute noch in aller Regel chemische" Behandlung – mit all ihren Nachteilen: Immer öfter wird etwa beobachtet, dass Läuse unempfindlich (resistent) gegen das angewendete Mittel werden – auch gegen die heute gängigen Pyrethroide. Und immer stärker kommen auch die möglichen Nebenwirkungen in die Diskussion [B14].

  • Pyrethrum-Extrakt. Aus bestimmten Chrysanthemenarten wird der Pyrethrum-Extrakt (Goldgeist® forte) hergestellt, der für Läuse ein Muskel- und Nervengift enthält. Eine bekannte Nebenwirkung ist eine meist leichte Hautreizung. Die Lösung wird Strähne für Strähne in die ausgekämmten und trockenen (!) Haare massiert. Das Mittel muss 30–60 Minuten einwirken. Auch größeren Kindern sollte man dabei helfen, da wirklich jedes Haar mit dem öligen Extrakt erreicht werden muss. Weil es die Nissen nicht zuverlässig abtötet, muss die Behandlung nach 8–10 Tagen wiederholt werden, um evtl. noch geschlüpfte Larven zu töten.
  • Pyrethroide. Sie sind Verwandte des Pyrethrum-Extrakts. Das in InfectoPedicul® enthaltene Permethrin wird nicht so schnell abgebaut wie der Pyrethrum-Extrakt. Der Wirkstoff bleibt an den Haaren haften und tötet somit 3 Tage lang auch noch ausschlüpfende Larven. Die Behandlung muss nach 8–10 Tagen wiederholt werden.
  • Jacutin® N (nur als Spray erhältlich) ist eine Kombination aus den Wirkstoffen Allethrin und Piperonylbutoxid und ähnelt daher den Pyrethroiden. Allerdings ist von Sprays generell abzuraten, da die Inhaltsstoffe evtl. versehentlich eingeatmet werden.

Hinweis: Läusemittel müssen genau nach Beipackzettel verwendet werden. Wendet man sie etwa auf zu nassem Haar an, so werden sie verdünnt und wirken nicht. Aus demselben Grund verbietet sich eine ungleichmäßige Verteilung oder eine zu sparsame Verwendung.

Komplementärmedizin

Im Zeitalter immer häufiger auftretender Resistenzen gegen die klassischen Insektizide sind die komplementärmedizinischen Methoden durchaus eine Überlegung wert – gerade für kleinere Kinder. Das Problem ist, dass ihre Wirksamkeit weit weniger gut bewiesen ist und dass sie zudem oft weitaus intensiver angewendet werden müssen – oft mehrmals am Tag und mehrere Tage hintereinander.

Hinweis: Alternativ bedeutet nicht unbedingt harmlos. Von den meisten alternativen Präparaten liegen keine Untersuchungen über eventuelle Nebenwirkungen vor.

  • Studien zeigen, dass allein schon das nasse Auskämmen mit Haarpflegespülung und Läusekamm alle 3-4 Tage in über 50 % der Fälle zur effektiven Entlausung führt. Da immer ein paar Läuse in den Haaren verbleiben, empfehlen Fachleute das Auskämmen nicht als alleinige Behandlung, sondern nur ergänzend zur Behandlung mit Insektiziden.
  • Präparate aus dem indischen Neembaum bieten einen interessanten Ansatz: Sie hemmen die Bildung des Chitinpanzers der Laus. Da bisher nur einige wenige Studien über die Wirksamkeit und über die Nebenwirkungen dieses natürlichen Insektizids vorliegen, sind neemhaltige Produkte nur als Medizinprodukte in Apotheken erhältlich; diese werden im Gegensatz zu Arzneiprodukten nicht ärztlich verordnet. Zu diesen Mitteln zählen z.B. Niemolind® oder das Neem-Extrakt FT-Shampoo®.
  • Ein anderer Ansatz besteht im Besprühen der Haare mit  (nicht giftigem) Dimeticon, einer öligen Lösung, die auf dem Kunststoff Silikon basiert. Dieser hierzulande z. B. unter den Handelsnamen NYDA®L oder Etopril® verfügbare Entschäumer (oft bei Babykoliken gegen Blähungen verordnet) macht Läusen die Atmung unmöglich, indem er ihre Atemöffnung verschließt [B13]. Allerdings sind silikonhaltige Mittel leicht entflammbar. Deshalb sollten behandelte Kinder während der gesamten Anwendung bis zum Ausspülen keinesfalls in die Nähe offener Flammen oder eines Haarföns kommen.
  • Auch manche ätherische Öle, z. B. Lavendel- oder Teebaumöl, besitzen eine gewisse Anti-Laus-Wirkung, die unseres Erachtens aber nicht zuverlässig ist. Zum Teil sollen diese Öle sogar die Kopfhaut schädigen.
  • Produkte auf der Basis von Soja- oder Kokosöl (z. B. Aesculo Gel L® oder Mosquito Läuseshampoo®) sollen die Läuse ersticken, indem sie sie mit einem Ölfilm überziehen.
  • Vielversprechend ist die in England entwickelte Methode des "bug busting", eine Behandlung mit Haar-Conditioner und einem besonders feinen Läusekamm: Der Kopf wird an 4 Tagen innerhalb von 2 Wochen mit gewöhnlicher Haarspülung eingerieben und dann mit einem sehr feinen Läusekamm ausgekämmt. In England ist hierzu ein spezielles Kit mit verschiedenen Nissenkämmen verfügbar, hierzulande muss improvisiert werden.
  • Eine möglicherweise revolutionäre Behandlung stellt ein in den USA entwickelter spezieller Haarfön mit einem auf das Gebläse aufgesetzten Kamm dar. Diese Läuseföne sind noch nicht ausreichend getestet, um zuverlässige Aussage über ihre Wirksamkeit zu machen. Wichtig: Ein regulärer Haarfön oder eine Trockenhaube sind zur Behandlung von Läusen nicht geeignet (ebenso wie Läuse auch nicht in der Sauna verenden).
  • Die Wirksamkeit von elektrischen Kämmen wurde bisher nicht bewiesen, es besteht außerdem die Gefahr, dass sie die Kopfhaut schädigen.
  • Eine lähmende Wirkung auf die Läuse soll auch Essigwasser haben, das aus einem Teil Haushaltsessig und zwei Teilen warmem Wasser gemischt wird. Das Wasser soll 10 Minuten auf dem Haar einwirken, danach werden die Haare nass mit dem Läusekamm ausgekämmt. Der Kamm wird anschließend in heißem Essigwasser gereinigt.
  • Essiglösungen sollen auch helfen, die Nissen leichter zu lösen. Dazu werden die Haare vorher in einer Essigmischung gespült, die aus einem handelsüblichen 5%igen Haushaltsessig 1:1 mit Wasser verdünnt wird.
  • Als weiteres wirksames Hausmittel gilt Olivenöl, das angewärmt großzügig auf Haar und Kopfhaut gebracht wird. Über das eingeölte Haar werden eine Duschhaube sowie ein Handtuch gewickelt. Die Packung wirkt dann über Nacht. Anschließend wird das Haar mit dem Läusekamm ausgekämmt und mit einem herkömmlichen Shampoo gewaschen.

Prävention

Einen generellen Schutz – gerade für Kinder – gibt es nicht. Auch normales Haarewaschen nützt leider nicht gegen Läuse. Manche Eltern haben aber gute Erfahrungen mit einem Weidenrindenshampoo gemacht, das die Haare vor Lausbefall schützen soll. Von der früher oft empfohlenen Kurzhaarfrisur oder sogar Glatze nimmt man mittlerweile Abstand, da diese Radikalkur gerade für Kinder eine große Belastung dargestellt.

Die beste Prävention besteht darin, nachfolgende Fehler zu vermeiden – dann überleben weder Eier noch Larven oder Läuse:

  • Zu kurze Einwirkzeiten der Kopflausmittel
  • Zu sparsames Ausbringen des Mittels
  • Eine ungleichmäßige Verteilung des Mittels
  • Eine zu starke Verdünnung des Mittels in triefend nassem Haar
  • Keine Wiederholungsbehandlung
  • Eine zu frühe oder zu späte Wiederholungsbehandlung.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Beschreibung“, „Symptome und Beschwerden“, „Wann zum Kinderarzt“, „Die Erkrankung“, „Diagnosesicherung“, „Behandlung“ und „Ihre Apotheke empfiehlt“: Dagmar Fernholz
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Wunden bei Kindern sicher behandeln

Kleine Wunden lassen sich bei Kindern mit den richtigen Hausmitteln meist gut verarzten.

Wunden bei Kindern sicher behandeln

Hilfe, es blutet!

Stürze und kleine Verletzungen sind bei aktiven Kindern alltäglich. Meist kommt es nur zu harmlosen blauen Flecken, Abschürfungen oder kleinen Wunden. Die lassen sich mit dem nötigen Know-How und einer gut ausgestatteten Hausapotheke gut behandeln. Wichtig ist aber zu wissen, wann das Kind bei einer Verletzung zur Ärzt*in muss – und was bei Verbrennungen tun ist.

Mehr Stürze, weniger Folgen

Hinfallen gehört zu den häufigsten Alltagsereignissen bei Kindern. Kleinkinder fallen besonders oft: Obwohl sie noch wacklig und unsicher auf den Beinen sind, wollen sie alles ausprobieren und lassen sich von nichts aufhalten. Auch ihre Körperproportionen bringen sie leichter zu Fall: Weil ihr Kopf etwa 25% des Körpergewichts ausmacht, liegt ihr Schwerpunkt höher als bei Erwachsenen. Dadurch ist der Körper instabiler und sie verlieren leichter ihr Gleichgewicht.

Kinder stürzen zwar viel häufiger als Erwachsene – ihr Körper kann dies aber deutlich besser verkraften. Das gilt besonders für die Wundheilung. Die ist bei gesunden Kindern durch ihre höhere Stoffwechselrate schneller und effektiver als bei den Großen. Deshalb verlaufen alle drei Wundheilungsphasen besser: 

  • Blutstillung und Entzündungsphase: Als erstes wird durch Blutplättchen (Thrombozyten) und die Blutgerinnung ein schützender Schorf gebildet und die Blutung gestillt. Anschließend wandern spezielle Blutzellen ein und beseitigen eingedrungene Bakterien und abgestorbenes Gewebe.
  • Proliferative Phase: Ab dem zweiten Tag beginnt der Körper, die Gewebeverluste wieder aufzufüllen. Dafür bildet er neues Bindegewebe, insbesondere Kollagen, das von speziellen Hautzellen (Fibroblasten) produziert wird. Auch diese Kollagenproduktion läuft bei Kindern meist effektiver ab als im Erwachsenenalter. 
  • Reparative Phase: Ab Tag 5, also noch parallel zur proliferativen Phase, baut der Körper das neu gebildete Gewebe um. Dadurch wird die Wunde immer kleiner und stabiler. In diesem Stadium können sich sichtbare Narben entwickeln. Das Risiko für ausgeprägte Narben ist bei Kindern wiederum geringer als bei Erwachsenen. Die reparative Phase dauert etwa bis zu vier Wochen, dann ist die Wunde meist vollständig verheilt.

Hinweis: Wunden von Kindern infizieren sich seltener als Wunden von Erwachsenen. Dass liegt u.a. daran, dass gerade in den ersten Lebensjahren die Produktion und die Aktivität der Immunzellen besonders hoch ist. So gut ausgerüstet kann das Immunsystem besonders schnell und effektiv auf eingedrungene Keime reagieren.

Wann muss das gestürzte Kind in die Arztpraxis?

Zum Glück sind Stürze im Kindesalter meist leicht und haben deshalb nur harmlose Folgen. Abschürfungen, blaue Flecken und kleine Wunden kann man deshalb recht gut selbst versorgen. Rat und die erforderlichen Produkte gibt es in der Apotheke.

In einigen Fällen ist es allerdings unabdingbar, mit dem gestürzten Kind eine Arztpraxis aufzusuchen, z. B. bei 

  • Stürzen aus mehr als 1,5 m Höhe 
  • stark blutenden Wunden
  • Flüssigkeits- oder Blutaustritt aus Nase oder Ohren 
  • Bewusstlosigkeit (auch kurze) nach dem Sturz 
  • Erbrechen, Schläfrigkeit, Trinkunlust nach dem Sturz 
  • Krampfanfällen oder Muskelzuckungen
  • Schielen oder Sehstörungen

Kälte und Cremes bei blauen Flecken

Wenn durch eine Prellung, einen Stoß oder einen Schlag Gefäße verletzt werden, sammelt sich unter der Haut Blut an. Es kommt zu einem blauen Fleck, auch Hämatom genannt. Sie heilen – besonders bei Kindern – meist schnell ab. Der frische Fleck ist erst rot, dann wird er durch die Gerinnung blauviolett. Im Rahmen der Aufräumarbeiten im Gewebe bauen die Fresszellen den Blutfarbstoff ab. Je nach Abbauprodukt verändert der Fleck seine Farbe von braun-schwarz über dunkelgrün bis gelb-braun.

Blaue Flecken tun vor allem zu Beginn sehr weh. Kälte hilft dagegen am besten und sorgt dafür, dass Schwellungen nicht noch größer werden. Gekühlt werden sollte möglichst rasch und für mehrere Minuten. Achtung: Um den Kreislauf nicht zu stark zu belasten, darf dies bei Kleinkindern nur punktuell, also an der betroffenen Stelle, und feucht-kühl passieren.

Dazu eignet sich ein mit kühlem Wasser angefeuchteter Waschlappen oder eine im Kühlschrank (!) gelagerte Kalt-Warm-Kompresse. Für unterwegs sind Sofort-Kühl-Kompressen zum Knicken praktisch. Tiefgekühlte Coolpacks sind ungeeignet für Kleinkinder, ebenso Eissprays – sie können ihre besonders empfindliche und dünne Haut und die dicht darunter liegenden Nerven schädigen und zu schmerzhaften Erfrierungen führen.

Ist der Schmerz abgeklungen, können Gele mit Arnika-Extrakt die Abheilung unterstützen. Manche Eltern haben auch gute Erfahrungen mit homöopathischen Cremes gemacht. Bei Kindern ab acht Jahren darf man blaue Flecken auch mit Schmerzsalben mit Beinwell-Fluidextrakt behandeln.

Hinweis: Die klassischen Schmerzgele auf der Basis von Diclofenac oder Ibuprofen sind erst für Jugendliche ab 14 Jahren zugelassen und für jüngere Kinder nicht geeignet.

Blutende Wunden und Schürfwunden sicher versorgen

Bei stark blutenden Wunden muss die Blutung schnell gestoppt werden. Erst legt man eine sterile Kompresse auf, wenn nötig, muss ein Druckverband angelegt werden. Dazu kann man eine Verbandrolle verwenden. Diese packt man aus und legt sie auf die Kompresse, um sie dann mit einer zweiten Verbandrolle zu umwickeln und zu fixieren. So versorgt muss das Kind in eine Arztpraxis oder eine Notfallambulanz gebracht werden.

Oberflächliche, leichte Blutungen und Schürfwunden können selbst behandelt werden. In jedem Fall ist eine gute Wundreinigung wichtig. Dabei ist es wichtig, die Wunde gut mit Wasser oder steriler Kochsalzlösung zu spülen. Bei kleinen oberflächlichen Schürfwunden ist eine Desinfektion meist überflüssig. Schon das Spülen verringert die Infektionsgefahr. Zudem reinigt sich die Wunde selbst, indem sie Wundsekret bildet.

Anders sieht das bei tieferen Wunden aus. Sie können auch nach dem Spülen noch Schmutz und Keime enthalten und sollten desinfiziert werden. Gleiches gilt für Wunden, die mit Erde oder Tierkot in Kontakt geraten sind – sie sollte man ebenfalls desinfizieren.

Auch für Kinder geeignete Antiseptika sind die Wirkstoffe Octenidin, Povidon-Iod, Polihexanid und Chlorhexidin. Entsprechende Präparate und die dazugehörende Beratung gibt es in der Apotheke.

Tipp: Für das Säubern von leicht blutenden Wunden eignen sich bei Kindern besonders dunkle Tücher. Darauf fällt das rote Blut weniger auf, und das Kind bekommt weniger Angst.

Wundheilung fördern

Die nicht mehr blutende Wunde wird wie bei Erwachsenen nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung behandelt. Dazu kann man entweder feuchtes Wundgel oder Hydrokolloidpflaster verwenden.

Feuchte Wundgele brennen nicht auf der Wunde, spenden Feuchtigkeit für die Heilung und haben einen angenehm kühlenden Effekt. Sie müssen mehrmals täglich aufgetragen werden. Zum Schutz vor Verunreinigung, Reibung durch die Kleidung oder Herumkratzen klebt man ein Pflaster darüber. Der Wechsel des Pflasters kann sehr schmerzhaft sein. Um das Lösen des Pflasters zu erleichtern, gibt es zwei Wege: 

  • Sterile Kochsalzlösung zwischen den Rand des Pflasters und die Haut tröpfeln. 
  • Auf die Klebefläche des Pflasters ölgetränkte Wattepads auflegen und einwirken lassen.

Hydrokolloidpflaster sind die Alternative zu Wundgel und Pflaster. Sie bestehen aus wasserdichtem Material und versorgen die Wunde mit Feuchtigkeit. Außerdem polstern sie diese ab und schützen vor Reibung und Druck. Um sie beim Spielen zu sichern, kann man darüber täglich eine selbstklebende Binde anlegen. Das schützt auch davor, dass Schmutz unter den Rändern eindringt. Hydrokolloidpflaster bleiben bis zu sieben Tage auf der Wunde – das mehrmals tägliche Pflasterwechsel entfällt also.

Narbengele mit Silikon können bei ausgedehnten Schürfwunden die Abheilung verbessern. Sie dürfen erst aufgetragen werden, wenn kein Schorf mehr vorhanden ist. Man trägt sie zweimal täglich vorsichtig auf. Bitte nicht einmassieren – sonst bildet sich der nötige Silikonfilm nicht. Spezielle Präparate gibt es in der Apotheke schon für Babys ab drei Monaten.

Hinweis: Bei Verletzungen sollte immer der im Auge behalten werden, ob die Tetanusimpfung aufgefrischt werden muss. Grundimmunisiert wird meist mit 2, 4 und 11 Monaten. Danach wird die Impfung mit 5 bis 6 Jahren, später alle zehn Jahre wiederholt. Ist der Impfstatus nicht bekannt, wird das Kind wie ungeimpft behandelt und erhält eine Tetanusimpfung.

Achtung Verbrennungsgefahr

Auch Verbrennungen gehören zu den häufigen Verletzungen im Kindesalter. Typisch sind Unfälle am Herd oder mit dem Wasserkocher. Im Sommer gibt es neben dem Grillen noch zwei weitere typische Verbrennungsmöglichkeiten: 

  • Im Gartenschlauch stehendes Wasser kann durch die Sonne extrem heiß werden und Verbrühungen verursachen. 
  • Metallteile an Klettergerüsten und Rutschen können sich so aufheizen, dass es zu Kontaktverbrennungen an Po, Händen und Füßen kommt.

Bei einer Verbrennung muss sofort gehandelt werden. Ist ein größerer Bereich als der Handteller (des Kindes) betroffen, muss sofort der Notruf gewählt werden. Bereits ab 8% verbrannter Haut besteht bei Kindern Lebensgefahr. Zusätzlich gilt für alle Verbrennungen: 

  1. Bei verbrannten oder verbrühten Kindern sollte so schnell wie möglich die Kleidung entfernt werden. Das gilt allerdings nur, wenn diese nicht mit der Haut verklebt ist. Ist das der Fall, muss die Kleidung mitgekühlt werden. Denn je länger die heißen Textilien an der Haut bleiben, desto größer wird der Hautschaden. 
  2. Brandwunde 10 bis 15 Minuten mit handwarmem Wasser kühlen. Ausnahme: Nicht gekühlt werden großflächige Verletzungen wie z. B. der Rumpf – es droht sonst die Gefahr, dass die Körperkerntemperatur nicht mehr gehalten werden kann. Auch Neugeborene und Säuglinge sollen nicht gekühlt werden.
  3. Nach dem Kühlen kleinere Brandwunden steril abdecken, bei größeren Wunden ein sauberes Tuch verwenden. 
  4. Keinesfalls Hausmittel auftragen (Mehl, Salben, Puder)! Säuglinge und Kleinkinder sollen bei jeder Art von Verbrennung zur Ärzt*in. Das Gleiche gilt, wenn es zu Verbrennungen im Gesicht, an den Händen, Füßen oder Genitalien gekommen ist.

Bei älteren Kindern können leichte, sehr kleinflächige Brandwunden zuhause behandelt werden. Brandblasen darf man dabei nicht aufstechen. Einerseits, weil sie die Wunde vor Verunreinigungen schützt. Außerdem bildet sich unter der Brandblase ein feuchtes Milieu, das die Heilung fördert. Zudem schmerzen geöffnete Brandblasen besonders stark.

Auch geschlossene Brandwunden schmerzen. Dagegen helfen Hydrokolloidpflaster oder Blasenpflaster, die besonders dick sind. Speziell abkühlende Wundgele gibt es auch für Kinder.

Tipp: Haben Windelkinder einen Unfall mit heißen Flüssigkeiten, muss unbedingt die Windel ausgezogen und geprüft werden. Denn das heiße Wasser kann sich darin sammeln und zu Verbrühungen am Po oder an den Geschlechtsorganen führen.

Gut gerüstet für den Notfall

Wer Kinder hat, sollte auf kleine Verletzungen gut vorbereitet sein. Es ist ratsam, folgende Produkte in der Hausapotheke vorrätig zu haben:  Ampullen mit steriler Kochsalzlösung

  • Wunddesinfektionsmittel 
  • sterile Kompressen
  • Wundgel 
  • klassische Kinderpflaster 
  • Mullbinden
  • Pinzette

Für Eltern ist es ratsam, die genannten Produkte in eine kleine Tasche zu packen und unterwegs immer dabei zu haben. So ist man beim Spazierengehen, auf dem Spielplatz und bei anderen Outdoor-Aktivitäten gut gerüstet.

Tipp: Es gibt auch Fertigsets zu Kaufen. So haben z. B. Expert*innen von der Universitätsklinik Bonn ein Erste-Hilfe-Set für Kinder entwickelt, das zusätzlich einen Notfallratgeber enthält (Dr. Till Kindernotfallbox-Tasche®).

Quellen: Steinbrück C, DAZ 2023; 31: 34-36, www. Paulinchen.de, www.kinderaerzte-im-netz.de, www.kindernotfall-bonn.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Tanya Yatsenko