Gesundheit heute

Vulvodynie

Vulvodynie: Chronische Schmerzzustände im Bereich des äußeren Geschlechtsorgans der Frau, für die keine erkennbaren Ursachen gefunden werden können. Die Schmerzen sind zumeist Dauerschmerzen und betreffen diffus die gesamte Vulva (häufig) oder nur eine bestimmte Stelle (seltener). Betroffen sind in der Regel junge Frauen. Behandlungsstrategien, die Linderung verschaffen, gibt es mehrere, eine Heilung ist jedoch derzeit nicht möglich.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Juckreiz und brennende Schmerzen oft über die gesamte Haut vom Schamhügel bis zum After, manchmal auch die Scheide mit einschließend
  • Druck- und Zugbelastung sowie Berührung am äußeren Geschlechtsorgan sind so unangenehm, dass auf Unterwäsche verzichtet wird und eventuell schon Gehen und längeres Sitzen als Belastung empfunden wird
  • Geschlechtsverkehr ist schmerzhaft bis praktisch unmöglich, wird er praktiziert, erreichen die Beschwerden danach ein Maximum
  • Fahrradfahren ist schmerzhaft oder unmöglich
  • Tampons einzuführen ist unmöglich
  • Schmerzen beim Wasserlassen und Blut im Urin treten auf
  • Rauheitsgefühl sowie das Gefühl, auf einem Ball zu sitzen
  • Schmerz kann oft nicht genau lokalisiert werden
  • Bauchschmerzen, Blähbauch, Verstopfung und Durchfall (Reizdarmsyndrom) werden als Belastung empfunden
  • Teilweise treten auch Sensibilitätsstörungen auf.

Wann zum Frauenarzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • Juckreiz und brennende Schmerzen sowie extreme Schmerzen bei Berührung des äußeren Genitals ohne bekannte Ursache auftreten.

Die Erkrankung

Die Vulvodynie betrifft nach Studienergebnissen über 5 % der Frauen mindestens einmal im Leben, wobei die Schmerzen individuell sehr unterschiedlich sein können. Ob es sich um eine Krankheit handelt oder nicht vielmehr um ein komplexes Beschwerdebild, ist umstritten. Tendenziell wird die Vulvodynie aber inzwischen als eigene Erkrankung im Schnittpunkt zwischen Gynäkologie, Dermatologie und Psychosomatik anerkannt. Trotzdem wissen viele Haus-, Haut- und Frauenärzte nichts von dieser Erkrankung – und so wundert es nicht, dass Betroffene oft viele Arztbesuche brauchen, bis ihr Beschwerdebild richtig gedeutet wird.

Unstrittig ist die häufige Verbindung der Vulvodynie mit anderen funktionellen Erkrankungen wie der Fibromyalgie oder – am häufigsten – der interstitiellen Zystitis (IC).

Ursachen

Auch wenn die Ursache für die Vulvodynie noch nicht genau geklärt ist, weiß man, dass mehrere Faktoren an ihrer Entstehung beteiligt sind. Derzeit geht man von folgenden (Teil-)Ursachen aus:

  • Genetische Veranlagung
  • Schwache Beckenbodenmuskulatur oder Krämpfe der Muskulatur im Beckenbereich
  • Komplizierte vaginale Geburt(en) in der Vorgeschichte
  • Schädigung von Nerven im Beckenbereich
  • Störungen der Schmerzverarbeitung, zumal die Vulvodynie oft in Kombination mit anderen Schmerzsyndromen wie Interstitielle Zystitis oder Fibromyalgie auftritt
  • Überempfindlichkeit gegen Bestandteile der eigenen Vaginalflora (z. B. gegen Candida albicans)
  • Vaginale Hauterkrankungen wie Pilzinfektionen, Feigwarzen oder Hautreizungen durch Intimpflegemittel oder Seife.

Diagnosesicherung

Die Vulvodynie ist eine Ausschlussdiagnose, da es z. B. keine sichtbaren Veränderungen gibt und allenfalls eine Rötung zu sehen bzw. eine berührungsempfindliche Stelle im Bereich der Vulva feststellbar ist. Das heißt, dass der Arzt zuerst alle anderen infrage kommenden Erkrankungen ausschließen muss. Dies sind in erster Linie eine chronische Adnexitis, Hauterkrankungen des äußeren Geschlechtsorgans, z. B. eine Weißfleckenkrankheit, Pilzerkrankung, aber auch eine psychische Erkrankung wie eine Depression.

Außer einer genauen gynäkologischen Untersuchung kann es auch notwendig sein, Gewebeproben zu entnehmen, um andere, für die Schmerzen verantwortliche, Erkrankungen auszuschließen.

Behandlung

Pharmakotherapie

Da die Heilung nicht möglich ist, ist das Behandlungsziel die Symptomkontrolle. Hierbei sind nicht nur der Gynäkologe, sondern auch der Schmerztherapeut involviert. Für die Therapie gibt es noch keine allgemein anerkannten Grundsätze. Als Behandlungen kommen infrage:

  • Schmerzmittel (NSAR, Opioide, Lokalanästhesie beispielsweise mit Lidocain)
  • Antidepressiva mit schmerzlindernder Eigenschaft wie Amitriptylin.
  • Injektionen mit Botulinumtoxin bei langandauernden, auf Medikamente nicht ansprechenden Schmerzen
  • Antikonvulsiva (z. B. Pregabalin) zur Herabsetzung der Empfindsamkeit für den Schmerz-/Juckreiz
  • Muskelrelaxanzien (setzen die Muskelspannung herab)
  • Medikamente, die bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden, wie Gabapentin und Carbamazepin
  • Behandlung der begleitenden Erkrankungen, also des Reizdarms oder einer chronischen Pilzinfektion der Scheide.

Operative Behandlung

Nur in Ausnahmefällen, wenn die Patientin dies nach längerer erfolgloser Therapie wünscht, kommt eine chirurgische Entfernung der betroffenen Stelle in Betracht (Vestibulektomie).

Prognose

Zwar gelingt es oft, die Beschwerden zu lindern, allerdings sind Rückfälle häufig, und wie erwähnt ist eine wirkliche Heilung die Ausnahme.

Ihr Apotheker empfiehlt

Die Therapie der Vulvodynie ist anstrengend. Als Erstes sollten Sie einen Arzt suchen, der nicht nur Sie versteht, sondern auch die Krankheit (und es muss auch kein Gynäkologe sein). Als Zweites sollten Sie selbst die Erkrankung verstehen lernen und als Drittes den verschiedenen Therapiemethoden Zeit lassen, zu wirken.

Was Sie selbst tun können

Allgemeinmaßnahmen. Ausdauersport, Yoga oder Muskelrelaxation nach Jacobson tragen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes bei.

Hygiene. Verwenden Sie keine Seife, Parfüm oder Intimspülungen, um den Bereich nicht zu reizen.

Beckenbodentraining. Der Wert eines guten und über viele Monate praktizierten Beckenbodentrainings kann gar nicht überschätzt werden. Lassen Sie sich aber mindestens drei Monate Zeit, bis Sie eine Wirkung erwarten. Bei entsprechenden Beschwerden gibt es einige Stunden Beckenbodentraining häufig sogar auf Rezept, das bei einem Physiotherapeuten gegen geringe Selbstbeteiligung eingelöst werden kann. Aber auch viele Volkshochschulen oder Sportstudios bieten Beckenbodentraining in (kostengünstigen) Kursen an. Trotzdem sollte das Training nicht auf die wenigen Übungsstunden unter fachlicher Anleitung beschränkt bleiben, sondern auch regelmäßig zu Hause durchgeführt und ein fester Bestandteil des Tagesablaufes werden.

Übungen für zu Hause:

  • Unterbrechen Sie beim Wasserlassen bewusst für einige Sekunden den Harnstrahl, indem Sie die entsprechenden Muskeln anspannen – dies sind die Muskeln des Beckenbodens. Wiederholen Sie diese Übung mehrmals täglich.
  • Führen Sie das Anspannen der Beckenbodenmuskulatur auch im Sitzen am Schreibtisch, in der Bahn oder im Auto durch. Halten Sie die Spannung 10 Sekunden lang, dann lassen Sie wieder locker – mehrmals pro Tag und mindestens 10-mal. Stellen Sie sich dabei vor, Sie ziehen einen Lift über mehrere Etagen Ihres Beckenbodens hoch und lassen ihn dann langsam wieder absinken.
  • Legen Sie sich auf den Rücken und stellen Sie die Füße bei leicht gebeugten Knien auf. Atmen Sie ein, spannen Sie Ihre Bauch- und Beckenbodenmuskeln an und heben Sie ganz langsam das Gesäß an, bis Oberschenkel und Bauch eine Linie bilden. Die Schultern und der Kopf bleiben dabei locker am Boden liegen. Halten Sie die Spannung 10 Sekunden lang, atmen Sie aus und senken Sie dabei das Gesäß wieder ganz langsam. Wiederholen Sie die Übung 5-mal.
  • Steigerung: Klemmen Sie sich ein kleines Kissen zwischen die Knie und führen Sie dann die vorherige Übung wie beschrieben aus, nur pressen Sie dabei noch das Kissen zusammen. Das verstärkt die Anspannung der Beckenbodenmuskulatur.
  • Setzen Sie sich auf einen Gymnastikball und rollen Sie das Becken vor und zurück, um die vorderen und hinteren Anteile der Beckenbodenmuskulatur zu erspüren.

Stressreduzierung. Daten deuten darauf hin, dass betroffene Frauen mehr unter Stress und Angst leiden als gesunde. Da chronischer Stress die Symptome verschlimmern kann, tragen Entspannungstechniken wie Meditation und Autogenes Training oder Yoga dazu bei, diesen Zyklus zu durchbrechen.

Warme Sitzbäder. Warme Bäder mit Bittersalz können beruhigend wirken.

Eispackungen (Coldpack). Die Anwendung von Eispackungen an der Vulva für 10–15 Minuten alle vier bis sechs Stunden lindern das Brennen.

Kleidung. Weite Hosen und Unterhosen wie Boxershorts bringen oft eine Linderung.

Sex. Für alle betroffenen Frauen ist Geschlechtsverkehr ein schwieriges Thema – ihn zu praktizieren bedeutet heftigste Qualen, ihn aber dauerhaft zu vermeiden stürzt die Betroffenen ebenso ins Unglück. Hier ist Fantasie gefragt: Manchmal helfen Gleitcremes, manchmal (Partner-)Masturbation ohne Vaginalverkehr, manchmal auch nur viel Geduld, manchmal dann auch wieder eine längere Pause. Gelingt es, den Teufelskreis aus Verzicht und Schmerz zu durchbrechen, können wieder praktizierter Sex und Zärtlichkeit nicht nur die Beziehung, sondern auch die Erkrankung sehr positiv beeinflussen, wie Betroffene berichten.

Komplementärtherapie

Viele andere, insbesondere naturheilkundliche, Therapieangebote werden angepriesen. Ihr Nutzen hängt vom Einzelfall ab, gerade aber bei der Vulvodynie gilt: Probieren ist besser als Studieren. Zu erwägen sind:

  • Nicht medikamentöse Schmerztherapien wie Massagen, Wärme- und Kälteanwendungen
  • Biofeedback-Übungen zur Entspannung der Beckenbodenmuskulatur
  • Akupunktur
  • Umstellung der Ernährung auf mediterrane Vollwertkost, diätetische Maßnahmen wie das Vermeiden von glutamathaltigen Lebensmitteln
  • Osteopathie
  • Entspannungstherapien wie Autogenes Training oder Muskelrelaxation nach Jacobson
  • Yoga

Lebensführung


Sehr sinnvoll ist es, das Leben "in Ordnung" zu bringen. Ist es der Job, der chronisch Stress mit sich bringt, lohnt es sich, nach Alternativen zu suchen oder Teilzeit zu beantragen. Gleiches gilt für das private Umfeld.

Von: Dr. med. Astrid Waskowiak, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Beschreibung“, „Symptome und Leitbeschwerden“, „Wann zum Frauenarzt“, „Die Erkrankung“, „Diagnosesicherung“, „Behandlung“, „Prognose“ und „Ihre Apotheke empfiehlt“: Dagmar Fernholz
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Heiß und kalt gegen den Schmerz

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize

Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?

Therapie mit Tradition

Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

  • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
  • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
  • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

  • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
  • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
  • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

Wo kommt Wärme zum Einsatz?

Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

  • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
  • Rotlicht und Fangopackungen
  • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
  • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

Was Kälte alles kann

Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

  • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
  • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
  • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
  • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / FotoHelin / Alamy Stock Photos