Gesundheit heute
Adnexitis, akute
Akute Adnexitis (Eileiter- und Eierstockentzündung, Salpingoophoritis, [acute] pelvic inflammatory disease, PID): Akute Entzündung von Eileiter (Salpingitis), Eierstock (Oophoritis) und der dazugehörigen Bindegewebsstrukturen (Parametritis), was meist nicht genau auseinanderzuhalten ist, deshalb hat sich der Sammelbegriff Adnexitis eingebürgert. Eine Adnexitis trifft jede 8. sexuell aktive und nicht schwangere Frau, bevorzugt in den ersten sexuell aktiven Jahren. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit der Erkrankung ab. Bei schweren Verläufen und fehlender Therapie muss mit einem Übergang zur chronischen Adnexitis, Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und Eileiterschwangerschaften gerechnet werden.
Symptome und Leitbeschwerden
Die Beschwerden erinnern den Arzt oft an ein Akutes Abdomen (brettharter schmerzhafter Bauch), vor allem dann, wenn kein Ausfluss besteht. Fehldiagnosen sind deshalb möglich. Gab es in den Tagen oder Wochen zuvor ungeschützten Geschlechtsverkehr, sollte dies dem Arzt unaufgefordert mitgeteilt werden.
- Stechende Unterbauchschmerzen, ein- oder beidseitig
- Starkes Krankheitsgefühl
- Fieber
- Gelblich-grüner, übel riechender Ausfluss
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Blutung aus der Scheide (außerhalb der Menstruation, z. B. nach dem Geschlechtsverkehr).
Wann zum Frauenarzt
In den nächsten Tagen, wenn
- immer wiederkehrende, dumpfe Schmerzen im Unterbauch auftreten.
- verfärbter und übel riechender Ausfluss bemerkt wird.
Heute noch, wenn
- plötzlich stechende, starke Schmerzen im Unterbauch mit gleichzeitiger Übelkeit auftreten.
- anhaltende, wechselnd starke Schmerzen im Unterbauch und unregelmäßige Fieberschübe auftreten.
- Stuhlgang oder Wasserlassen stark schmerzen.
Die Erkrankung
Krankheitsentstehung
In den Genitalbereich eindringende Keime werden normalerweise durch das saure Scheidenmilieu (pH-Wert 4,5 – zum Vergleich: der pH-Wert des Blutes beträgt 7,4) an der Vermehrung gehindert. Dieses wird von den Milchsäure produzierenden Döderlein-Bakterien aufrechterhalten. Zusätzlich sorgt ein Schleimpfropf im Gebärmutterhals dafür, dass möglichst wenig Keime in die Gebärmutter eindringen. Während der Monatsblutung und in geringerem Umfang während der fruchtbaren Tage verflüssigt sich der Schleim, und der Schleimpfropf wird durchlässig, sodass dieser Schutzmechanismus außer Kraft gesetzt ist.
Krankheitserreger wie Chlamydien und Gonokokken (Gonorrhö) können dann leicht durch Sexualkontakte in die Gebärmutter eindringen und dort eine Entzündung auslösen. Von hier aus steigen die Keime weiter auf in die Eileiter, die mit einer entzündlichen Schwellung reagieren. Eitriges oder entzündliches Sekret kann die Eileiter vollständig verschließen. Häufig greift in diesem Stadium die Entzündung auch auf die Eierstöcke über, von dort aus kommt es manchmal auch zu einer Bauchfellentzündung.
Abgrenzung. Von diesem typischen Krankheitsmechanismus abzugrenzen sind seltene Fälle einer Adnexitis, die durch Keimverschleppung im Blut verursacht werden, z. B. bei einer fortgeschrittenen Tuberkulose, sowie die lebensgefährliche Adnexitis in den Tagen nach der Geburt. Hier bieten der weit geöffnete Muttermund und der klaffende Gebärmutterhals zusammen mit dem Wochenfluss einen gefährlichen Nährboden für Bakterien. Diese Art der Adnexitis heißt Kindbettfieber. Kommt es zur lebensbedrohlichen Blutvergiftung, spricht man von Puerperalsepsis, früher die Hauptursache für die hohe Müttersterblichkeit.
Ursachen
Die Entzündung wird in aller Regel durch aufsteigende Keime aus dem unteren Genitalbereich verursacht.
Risikofaktoren
- Früh begonnener und ungeschützt praktizierter Geschlechtsverkehr
- Häufig wechselnde Geschlechtspartner
- Sexuell übertragbare Erkrankungen in der Anamnese (auch des Partners)
- Operative Eingriffe wie Ausschabung, Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) oder Einsetzen einer Spirale.
Komplikationen
Eileiterschwangerschaft. Wenn bei einer Adnexitis sehr viel entzündliches Sekret produziert wird, können die Eileiter so stark verkleben, dass kein Eitransport mehr möglich ist. Oft nistet sich das befruchtete Ei dann im Eileiter ein (Eileiterschwangerschaft). Hat eine Patientin einmal eine Adnexitis durchgemacht, steigt das Risiko für eine Eileiterschwangerschaft, da die Beweglichkeit der Flimmerhärchen in den Eileitern vermindert ist. Der Übergang in eine chronische Adnexitis führt durch Verwachsungen oft zum Eileiterverschluss und damit meist zur Unfruchtbarkeit.
Tuboovarialabszess. Breitet sich die Entzündung weiter aus, kommt es zwischen Eileiter und Eierstock häufig zu Verschmelzungen von Gewebe und zur Bildung eines Abszesses (Tuboovarialabszess). Dabei entstehen ausgedehnte Verwachsungen zwischen Gebärmutter, Darm, Bändern und Beckenwand, die die Eileiterfunktionen (Eiaufnahme und -weiterleitung) dauerhaft beeinträchtigen und Ursache einer späteren Unfruchtbarkeit sein können. Ein Abszess kann sich auch im Douglas-Raum, dem tiefsten Punkt des kleinen Beckens zwischen Gebärmutterrückseite und Mastdarm, bilden (Douglas-Abszess) und Auslöser starker Schmerzen beim Stuhlgang sein.
Diagnosesicherung
Vermutet der Arzt eine Adnexitis, macht er einen Scheidenabstrich, mit dem er die Erreger identifiziert. Mit einem Vaginalultraschall sieht er die verdickten Eileiter und entzündlich vergrößerten Eierstöcke und im fortgeschrittenen Stadium die Ansammlung von Flüssigkeit in den Eileitern oder die Entwicklung eines Abszesses. Zudem schließt er so andere Ursachen der Unterbauchschmerzen wie z. B. eine geplatzte Eierstockzyste aus.
Eine Blutuntersuchung dient zur Feststellung der Entzündungszeichen sowie zum Ausschluss einer Schwangerschaft. Letzteres ist wichtig, da die Beschwerden bei einer Adnexitis denen einer Eileiterschwangerschaft ähneln. Die Symptomatik kann auch durch eine Entzündung der Harnwege, Harnblase oder Nieren verursacht sein, weswegen der Arzt den Urin und die Nieren per Ultraschall untersucht.
In schwierigen Fällen ist eine Bauch- oder Beckenspiegelung (Laparoskopie) erforderlich, mit der eine Blinddarmentzündung ausgeschlossen wird und zugleich eine Abstrichentnahme von den Eileitern möglich ist.
Behandlung
Pharmakotherapie
Antibiotika. Eine Adnexitis wird mit Antibiotika in Form einer Antibiotikakombination behandelt. Sie ist gegen die häufigsten Erreger der Erkrankung, Chlamydien und Gonokokken, wirksam, z. B. ein Cefalosporin und ein Tetrazyklin, als Tablette oder bei schlechtem Allgemeinzustand auch als Infusion. Bei Erfolglosigkeit wird auf andere Substanzgruppen wie Gyrasehemmer (z. B. Ofloxazin, Tarivid®) und Metronidazol (z. B. Clont®) gewechselt. Die Behandlung dauert mindestens 10 Tage.
Analgetika. Gegen die starken Schmerzen helfen Schmerzmittel mit antientzündlicher Wirkung (NSAR) wie Diclofenac (Voltaren® 3 x täglich 50 mg als Tablette oder Zäpfchen). In der akuten Krankheitsphase helfen zusätzlich stündliche Kältepackungen oder kühlende Umschläge.
Operative Behandlung
Hat sich ein Douglas-Abszess gebildet, wird er während der Bauchspiegelung punktiert und entleert. Während dieser Operation versucht der Arzt auch, Verklebungen zu lösen, um die Durchgängigkeit der Eileiter wiederherzustellen.
Prognose
Wird mit der Therapie rechtzeitig begonnen und wird sie nicht vorzeitig abgesetzt, heilt die Erkrankung zumeist aus. Bei nicht rechtzeitiger oder nicht adäquater Therapie droht die akute Entzündung der Eileiter in eine chronische Adnexitis überzugehen.
Ihr Apotheker empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Selbsthilfemaßnahmen sollten nicht statt der Behandlung mit Antibiotika eingesetzt werden, sondern ergänzend.
- Ruhe hilft bei akuten Beschwerden und bei Bedarf.
- Kälteanwendungen im akuten Stadium: Kalte Umschläge auf dem Unterbauch lindern den Schmerz und sollen verhindern, dass sich die Entzündung weiter ausbreitet.
- Wärmeanwendungen nach Abklingen der akuten Symptome: Greift die Antibiotikabehandlung und sind die Schmerzen weitgehend abgeklungen, unterstützen feuchtwarme Umschläge die Regeneration des entzündlich veränderten Gewebes.
- Aufbau der Darmflora: Ist die Antibiotikatherapie beendet, kann die Darmflora durch probiotische Joghurts oder probiotische Fertigarzneien (z. B. Mutaflor® Darmtherapeutikum) wieder aufgebaut werden.
Geeignete Medikamente
Eine begleitende Enzymtherapie mit dem Ananasenzym Bromelain in hoher Dosierung (z. B. Bromelain-Pos®) wirkt schmerzlindernd und vor allem entzündungshemmend.
Komplementärmedizin
Komplementärmedizinische Maßnahmen sollten nicht statt der Behandlung mit Antibiotika eingesetzt werden, sondern ergänzend.
Warme Sitzbäder mit Kamille oder jeweils gleichen Anteilen an Frauenmantelkraut, weißen Taubnesselblüten und Schafgarbenkraut, aber auch Bäder mit Moor-Schwefel-Pulver (z. B. Leucona Moor®) lindern Schmerzen und wirken entspannend.
Prävention
Die Übertragung durch Keime kann durch Kondome verhindert werden.
Um eine gegenseitige Ansteckung zu vermeiden, ist der Sexualpartner zu informieren und angehalten, sich ebenfalls behandeln zu lassen.
Bei Frauen unter 25 Jahren zahlt die Krankenkasse seit 2008 einen Abstrich aus dem Muttermund. Seit 2009 wird der Urin kostenfrei auf Chlamydien untersucht.

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.
Heiß und kalt gegen den Schmerz
Therapeutische Temperaturreize
Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?
Therapie mit Tradition
Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.
Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.
Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.
TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme
Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.
Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:
- Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
- Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
- Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.
Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:
- Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
- Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
- Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.
Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.
Wo kommt Wärme zum Einsatz?
Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von
- Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
- Rotlicht und Fangopackungen
- Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
- Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil
Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.
Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.
Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.
Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.
Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.
Was Kälte alles kann
Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere
- Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
- Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
- Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
- Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.
Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.
Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.
Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.
Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.
Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.
Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.
Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.
Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.
Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.
Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157