Gesundheit heute

Huntington-Krankheit

Huntington-Krankheit (Chorea Huntington, früher erblicher Veitstanz): Genetisch bedingte Nervenerkrankung, die mit fortschreitenden Bewegungsstörungen wie Grimassieren und anderen überschießenden Bewegungen sowie geistigem Verfall einhergeht und nach 15–20 Jahren zum Tode führt. Je nachdem, welche Bewegungsstörungen dominieren, wird zwischen der choreatischen und der selteneren akinetisch-rigiden Form unterschieden.

Gegen die Ursache der Chorea Huntington gibt es keine Medikamente. Die Therapie der Erkrankung erschöpft sich in symptomatischer Behandlung einzelner Beschwerden wie z. B. der begleitenden Depression und dem Versuch, die Überbewegungen auszubremsen. Begleitend können Physiotherapie, Ergotherapie und eventuell eine Psychotherapie das Leiden der Patienten lindern.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Persönlichkeitsveränderungen, z. B. Reizbarkeit, Enthemmung, Pflichtvernachlässigung, Depression, Antriebslosigkeit
  • Einsetzen der Krankheitszeichen meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr
  • Sprech- und Schluckschwierigkeiten
  • Choreatische Form: Plötzliche unwillkürliche Bewegungen, plötzlich einschießende "Überbewegungen" (Hyperkinesien), Gangstörungen und erhöhte Fallneigung
  • Geistiger Abbau bis zur Demenz
  • Gewichtverlust aufgrund eines erhöhten Grundumsatzes
  • Schluckstörungen.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben genannte Bewegungsstörungen auftreten.

Die Erkrankung

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Huntington-Krankheit ist ein Gendefekt auf Chromosom 4. Dieser Defekt im sogenannten Huntington-Gen führt dazu, dass das Huntington-Protein falsch produziert wird. Das fehlerhafte Protein hat toxische Effekte, es löst den Untergang von Nervenzellen aus und damit auch die klinischen Beschwerden wie Bewegungsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und geistigen Abbau.

Der Defekt im Huntington-Gen kann zwar prinzipiell wie jeder andere Gendefekt neu entstehen, in 97 % der Fälle ist er jedoch autosomal-dominant vererbt. Danach haben Kinder eines Betroffenen ein 50%iges Erkrankungsrisiko, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Dagegen besteht (praktisch) kein Risiko, wenn die Eltern gesund sind.

Verlauf

Etwa ab dem mittleren Erwachsenenalter kommt es zu Abbauprozessen im Gehirn, die zwar bestimmte Gehirnanteile bevorzugt befallen, letztlich aber das gesamte Gehirn betreffen. Erstes Symptom ist meist eine Wesensveränderung wie eine erhöhte Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen. Im weiteren Verlauf bildet sich dann das Vollbild der Erkrankung mit den typischen, choreatischen Bewegungen aus. Dazu gehören zunächst vor allem die plötzlich einschießenden "Überbewegungen" (Hyperkinesien) im Gesicht und an den Armen, wie Grimassieren und Klavierspielerbewegungen. Später kommen häufig Wortkargheit, Schluckstörungen mit Gewichtsabnahme und eine Demenz dazu. Die Krankheit schreitet unaufhaltsam fort und endet nach 15–20 Jahren tödlich.

Diagnosesicherung

Die typischen Bewegungsstörungen lenken den Verdacht auf eine Chorea Huntington. Der Arzt nimmt eine gründliche neurologische Untersuchung vor und ermittelt den Beschwerdegrad der Störungen mithilfe einer Diagnose-Skala (Unified Huntington´s Disease Rating Scale). Ebenfalls untersucht und dokumentiert werden psychiatrische Beeinträchtigungen wie Persönlichkeitsveränderungen, Depressionen und Zwänge sowie die psychoneurologischen Beschwerden wie Gedächtnisstörungen und Abnahme des Sprachflusses.

Seit 1993 kann der ursächliche Gendefekt in einer Blutprobe nachgewiesen werden. Es handelt sich um krankhafte Veränderungen eines bestimmten Abschnitts der DNS. Je öfter dieser Genabschnitt wiederholt vorhanden ist, desto früher (Lebensalter) und desto schwerer bricht die Krankheit aus. Um diesen Gentest durchzuführen sind ein Aufklärungsgespräch und die schriftliche Einwilligung des Patienten erforderlich.

Lehnt der Patient einen Gentest ab, versuchen die Ärzte mit verschiedenen apparativen Untersuchungen wie dem CT, dem Kernspin oder der Positronenemissions-Tomografie (FDG-PET) die Diagnose zu unterstützen oder andere Ursachen (siehe Differenzialdiagnosen) für die Bewegungsstörungen auszuschließen.

Differenzialdiagnosen. Bewegungsstörungen nach Art der Chorea Huntington treten auch bei anderen Erkrankungen auf, z. B. nach einem Schlaganfall, bei Hyperthyreose oder Morbus Wilson und als sogenannte Spätdyskinesien als medikamentöse Nebenwirkung bei der Therapie mit Neuroleptika.

Behandlung

Eine Therapie gibt es bis heute nicht, die Beschwerden können nur durch Medikamente, Physiotherapie und Logopädie gelindert werden. Viele Erkrankte sind depressiv, die Selbsttötungsrate ist erhöht, eine engmaschige psychologische Betreuung daher unverzichtbar.

Zur symptomatischen Behandlung stehen folgende Wirkstoffe und Verfahren zur Verfügung:

  • Gegen überschießende Bewegungen (Hyperkinesien) verordnen die Ärzte meist Tiaprid und Tetrabenazin. Tetrabenazin soll effektiver sein als Tiaprid, hat aber ein ungünstigeres Nebenwirkungsprofil (es soll Depressionen, Benommenheit und Schlafstörungen verursachen und die Suizidalität erhöhen). Deshalb leiten die Ärzte die Therapie meist mit Tiaprid ein, bei Verschlechterung verordnen sie Tetrabenazin (evtl auch in Kombination mit Tiaprid). Zahlreiche weitere Wirkstoffe sind in der Erprobung, mit z. T. widersprüchlichen Ergebnissen. Bleiben Medikamente wirkungslos, kann unter Umständen die tiefe Hirnstimulation helfen. Auch sie wird in Studien getestet, eine abschließende Beurteilung steht noch aus.
  • Bei Depressionen verordnen die Ärzte vor allem Antidepressiva vom Typ SSRI, bei gleichzeitigen Schlafstörungen auch Mirtazapin.
  • Gegen Zwangssymptome können Antidepressiva vom Typ SSRI, Antipsychotika oder Clomipramin helfen, evtl. auch psychotherapeutische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen.
  • Psychosen und Wahnvorstellungen erfordern häufig den Einsatz von Antipsychotika wie Olanzapin, Clozapin oder Haloperidol.
  • Leichte Schlafstörungen behandelt man mit Mirtazapin oder Hydroxycin. Im Spätstadium, wenn ein mögliches Abhängigkeitsrisiko vernachlässigt werden kann, auch mit Benzodiazepinen sowie Zolpidem oder Zopiclon.

Gentest bei Verwandten von Erkrankten

Mithilfe des prädiktiven Gentests können Verwandte von Erkrankten herausfinden, ob sie ebenfalls von dem Gendefekt betroffen sind. Doch es stellt sich die Frage, welche Bürde größer ist – die der Ungewissheit, die immer noch Hoffnung lässt, oder die des Wissens darum, dass es bis heute keine wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeit gibt? Nicht wenige (eventuell) Betroffene lehnen aus diesem Grund jegliche Diagnostik ab.

Alle anderen lassen sich am besten in einem Huntington-Zentrum beraten, wobei die strengen ethischen Richtlinien für die Anwendung des Gentests (z. B. absolute Freiwilligkeit, Mindestalter 18 Jahre) nur ein Bestandteil der Beratung sind. Die Entscheidung abnehmen kann allerdings auch die beste Beratung nicht.

Prognose

Die Krankheit ist nicht heilbar, sie führt nach etwa 15–20 Jahren zum Tode. Häufige Todesursachen sind Pneumonie und Suizid.

Ihr Apotheker empfiehlt

Die voranschreitende Erkrankung ist für die Patienten selbst und für ihre Angehörigen eine große Belastung. Es gilt, Strategien für den Alltag zu entwickeln und alle möglichen Hilfsangebote wahrzunehmen. Dabei unterstützen sowohl Huntington-Selbsthilfegruppen (Deutsche Huntington-Hilfe (www.dhh-ev.de), Schweizerische Huntington Vereinigung (www.shv.ch), Österreichische Huntington-Hilfe (www.huntington.at), aber auch die Krankenkassen. Einige wichtige Maßnahmen sind:

  • Kümmern Sie sich als Angehöriger frühzeitig um Behandlungen wie Logopädie, Ergotherapie und Krankengymnastik.
  • Lassen Sie sich beraten, welche Pflegeunterstützung und welche Hilfsmittel Ihnen zustehen! Es gibt spezielle Rollstühle und Betten für Chorea-Patienten, außerdem brauchen viele Patienten auch einen Sturzhelm.
  • Sorgen Sie dafür, dass der Huntington-Patient eine Patienten- und Betreuungsverfügung frühzeitig, d. h. noch im Besitz seiner vollen geistigen Kräfte, aufsetzt. Nur so sind seine diesbezüglichen Wünsche rechtskräftig und können (und müssen) von allen berücksichtigt werden.

Tipps zur Ernährung von Huntington-Patienten

Für Huntington-Patienten ist das Essen nicht nur ein Genuss, sondern auch mehr als notwendig. Bei einer Gewichtsabnahme droht die Verschlechterung der Krankheit.

  • Ausreichend Kalorien. Achten Sie auf eine gute und ausreichende Ernährung! Huntington-Patienten haben einen erhöhten Grundumsatz (bis zu 6000 kcal/Tag).
  • 6–8 Mahlzeiten. Günstig sind 3 Hauptmahlzeiten am Tag, dazu kommen Zwischenspeisen, eventuell auch mit hochkalorischer Flüssignahrung.
  • Süßes ist erlaubt. Neben der gesunden Vollwertkost braucht der Huntington-Patient auch Zucker, da Zuckermangel beim Untergang der Hirnzellen eine Rolle spielt.
  • Weiche Kost. Huntington-Patienten ermüden oft schnell beim Kauen. Hier hilft weiche Kost, wie weiche Kartoffeln, gegartes Gemüse, weiches Obst.
  • Verschlucken vermeiden. Auch bei Schluckstörungen hilft weiche Kost. Achten Sie aber darauf, dass diese nicht zu flüssig ist: Schreiben Sie mit dem Stiel eines Holzlöffels eine 8 auf die Oberfläche des Nahrungsmittels. Ist sie deutlich sichtbar bevor sie verschwindet, stimmt die Konsistenz. Bei zu flüssiger Nahrung drohen das Verschlucken und die Gefahr, dass die Nahrung in der Lunge landet und eine Lungenentzündung auslöst.
  • Vorsicht mit Alkohol! Alkohol kann die Beschwerden verschlimmern und sollte deshalb vermieden werden.
  • Schnabeltasse & Co. Nutzen Sie frühzeitig Esshilfen wie Schiebelöffel und Schnabeltassen. Ist die Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich, braucht der Patient eine Magensonde, z. B. eine PEG.

Weiterführende Informationen

https://www.huntington-hilfe.de Deutsche Huntington-Hilfe e. V., Duisburg: Informative Internetseite einer Selbsthilfeorganisation von Betroffenen, Ärzten und Pflegekräften.

https://www.dgn.org/leitlinien/3498-2017-chorea-morbus-huntington

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Verkürzen Albträume das Leben?

Nächtliche Horrortrips belasten den Organismus ähnlich stark wie ein im Wachzustand erlebter Stress.

Verkürzen Albträume das Leben?

Nächtliche Horrortrips

Wer mehr als einmal die Woche von Albträumen heimgesucht wird, lebt gefährlich. Denn dann steigt das Risiko, vor dem 70. Geburtstag zu sterben.

Stressiger Fall ins Bodenlose

Albträume sind Träume, die von intensiven negativen Gefühlen geprägt sind. Beim Fall ins Bodenlose, der Flucht vor einer Gefahr oder dem Erleben des Todes einer geliebten Person schüttet der Körper ein Maximum an Stresshormonen aus. Es kommt zu Herzrasen, Schwitzen und schneller Atmung, und der Betroffene erwacht.

Albträume setzen den Körper also schwer unter Stress. Kommt das immer wieder vor, könnte durch die jeweilige Cortisolausschüttung die zelluläre Alterung vorangetrieben werden. Ob häufige Albträume dadurch das Altern beschleunigen und das Risiko für vorzeitiges Sterben erhöhen, haben britische Forscher*innen untersucht.

Risiko für frühen Tod verdreifacht

Sie analysierten sechs Studien mit rund 186000 Menschen, in denen Albträume miterfasst worden waren. Von rund 87000 Personen lagen Langzeitdaten über bis zu 19 Jahren vor. 174 davon verstarben verfrüht, also vor ihrem 70. Lebensjahr. Menschen mit mindestens einem Albtraum pro Woche hatten ein dreimal so hohes Risiko für einen frühen Tod als Menschen, die weniger als einmal im Monat schlecht träumten, berechneten die Forschenden.

Biologische Alterung beschleunigt

Bei etwa 1000 Studienteilnehmenden war mittels Bluttests das biologische Alter erfasst worden. Dabei zeigte sich, dass diejenigen mit häufigen nächtlichen Horrortrips tatsächlich biologisch älter waren als ihr wahres kalendarisches Alter. Das könnte erklären, warum Menschen mit häufigen Albträumen früher sterben, sagten die Forschenden.

In welchem Maß Albträume zum beschleunigten Altern und einem vorzeitigen Tod beitragen, muss weiter untersucht werden. Es gibt erste Studien, in denen schlafspezifische Psychotherapien gegen Albträume das biologische Altern wieder normalisieren konnten. Ob dies tatsächlich gelingt, müssen größere Studien bestätigen.

Horrorfilme besser meiden

In jedem Fall können Menschen mit häufigen Albträumen etwas dagegen tun: Die Studienautor*innen empfehlen, Horrorfilme vor dem Einschlafen zu meiden. Außerdem hilft erwiesenermaßen die kognitive Verhaltenstherapie gegen nächtliche Horrortrips.

Quelle: Springer Medizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Olena Holubova / Alamy / Alamy Stock Photos