Gesundheit heute
Hilfe für Betroffene und Angehörige bei psychischen Erkrankungen
Angehörige, Partner oder enge Freunde von psychisch Kranken sind von der Erkrankung meist in erheblichem Maß mitbetroffen. Das Leiden verändert auch deren Leben und Alltag, sodass sie nicht selten selbst professionelle Unterstützung benötigen. Angehörige sind aber auch wichtige Hilfspersonen und Gesprächspartner für den Therapeuten während einer psychotherapeutisch-psychiatrischen Behandlung und zudem sehr gefordert, wenn ein Patient nach einer stationären Behandlung wieder nach Hause zurückkehrt.
Die Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen löst bei vielen Angehörigen Ängste aus. Häufig wird in den Familien die Erkrankung verdrängt oder beschönigt. Äußerungen wie „Das wird schon wieder!“, „Stell’ Dich nicht so an!“ oder „Ach, das ist doch nicht so schlimm!“ fassen Betroffene aber leicht als Zurückweisung und Unverständnis auf. Hilfreicher ist, dem kranken Familienmitglied oder Freund Zeit zu geben, über seine Probleme und seine Sicht der Dinge zu sprechen und ihm zuzuhören. Angehörige sollten erst einmal Verständnis und Geduld für den Erkrankten aufbringen: Ernst gemeintes Nachfragen und das kurzfristige Zurückstellen der eigenen Alltagsprobleme helfen dem Patienten mehr als wohlgemeinte Standardratschläge.
Wenn sich der psychische Zustand des Betroffenen nicht bessert, haben Angehörige oder auch enge Freunde die Verantwortung, professionelle Unterstützung hinzuzuziehen. Das bedeutet, den Kranken zu ermutigen und zu motivieren, zu einem Arzt, Psychotherapeuten oder einer Beratungsstelle zu gehen und ihn eventuell dorthin zu begleiten.
Falls dies nicht gelingt, sollten sich die Angehörigen selbst bei diesen Stellen Hilfe holen und sich beraten lassen, was zu tun ist.
Auch nach einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung kommt den Angehörigen eine bedeutende Rolle im Umgang mit dem Patienten zu. Denn über die Hälfte der Erkrankten, die in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt wurden, wohnt nach der Entlassung wieder bei der Familie. Deshalb müssen Angehörige gut über die erforderlichen Weiterbehandlungsmaßnahmen informiert sein und rechtzeitig erkennen können, ob es sich bei bestimmten Symptomen um Nebenwirkungen von Medikamenten oder aber um eine Verschlechterung des Krankheitsbilds handelt. Angehörige haben zudem oft große Probleme einzuschätzen, was sie dem Erkrankten an Aktivität und Eigenständigkeit abverlangen können und laufen Gefahr, ihn im Alltag entweder zu unter- oder zu überfordern.
Voraussetzung für den richtigen Umgang mit einer psychischen Erkrankung ist deshalb das Wissen um die Erkrankung. Untersuchungen zeigen, dass die Unterstützung gut informierter Angehöriger die Rückfallquote bei ehemaligen Psychiatriepatienten um etwa 25 % senken kann. Dies hat dazu geführt, dass man heute nicht nur für Patienten, sondern auch für Angehörige verstärkt die so genannte Psychoedukation anbietet.
Psychoedukation und Selbsthilfe
Psychoedukation: Patienten und Angehörige werden durch Schulungen und Informationsmaterial in die Lage versetzt, mit der Erkrankung und dem Patienten besser umzugehen.
Psychoedukation kommt für alle chronischen psychischen Erkrankungen sowie bei Erkrankungen mit psychischen Aspekten wie z. B. Neurodermitis oder Asthma in Frage.
Die meisten Erfahrungen und Erfolge mit Psychoedukation für Patienten und Angehörige gibt es bei Psychosen und Depressionen. Hier spielt die Psychoedukation eine bedeutende Rolle, da über diese Formen der Erkrankung in der Gesellschaft immer noch zu wenig bekannt ist und Patienten und Angehörige – neben der Belastung durch die Krankheitsfolgen – auch noch mit Vorurteilen und Ablehnung zu kämpfen haben.
Psychoedukation wird in Einzelgesprächen durchgeführt, in denen der Psychiater oder Psychotherapeut Patienten und Angehörigen die Ursachen, den Verlauf und die Therapie der Erkrankung erklärt. Ziel ist dabei, Sicherheit im Umgang mit der Gabe der Medikamente zu vermitteln, die Selbsthilfemöglichkeiten zu stärken und sich anbahnende Verschlechterungen oder Krisen frühzeitig zu erkennen.
Gute Erfahrungen macht man aber auch mit psychoedukativen Gruppen. Die meisten psychiatrischen Kliniken bieten diese mittlerweile regulär an und laden Angehörige dazu ein. Das Gruppenangebot wird teilweise auch nach der Klinikentlassung ambulant weitergeführt. Falls Psychoedukation bisher noch nicht stattgefunden hat, lohnt es sich immer, Ärzte oder Therapeuten nach entsprechenden Angeboten zu fragen.
In Selbsthilfegruppen tauschen Betroffene und Angehörige ihre Erfahrungen aus und erleben, dass sie mit ihrer Krankheit und den damit verbundenen Problemen nicht alleine sind. Die Teilnehmer lernen voneinander und unterstützen sich in Krisensituationen. Im Sinn der Psychoedukation bestehen oft auch Schulungsangebote durch Fachleute. Adressen von Selbsthilfegruppen in der Nähe vermitteln die Selbsthilfeverbände, aber auch der Hausarzt, Psychiater oder Psychotherapeut.
Weiterführende Informationen
- www.bapk.de – Bundesverband der Angehörigen Psychisch Kranker (BApK, Bonn): Als Mitglied des Psychiatrienetzwerks bietet diese Internetseite zahlreiche Rubriken, Beratungskontakte und Auskünfte zu Diagnosen und Therapiemöglichkeiten.
- www.bpe-online.de – Bundesverband Psychiatrie- Erfahrener (BPE, Bochum): Bietet weitere Adressen von Selbsthilfegruppen und -verbänden, die sich speziell mit einer bestimmten psychiatrischen Erkrankung beschäftigen.

ADHS kann die Schulkarriere und das Berufsleben der Betroffenen stark beeinflussen.
Wie ADHS-Medikamente langfristig helfen
Weniger Suizide, seltener krank
ADHS-Medikamente wirken einerseits, indem sie akute Beschwerden lindern. Sie haben darüber hinaus aber auch langfristig einen positiven Einfluss auf das Leben der Betroffenen, wie neue Daten zeigen. So senken einige von ihnen das Risiko für Klinikaufenthalte und Selbstmordversuche.
Langfristige Effekte bisher wenig bekannt
Wer heute unter einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leidet, hat mehrere medikamentöse Behandlungsoptionen: So stehen stimulierende (Amphetaminderivate und Methylphenidat) und nicht-stimulierende Wirkstoffe (Atomoxetin) zur Verfügung. Sie können die übermäßige Aktivität lindern und das Konzentrationsvermögen bessern. Bisher war aber unklar, ob diese Medikamente auch einen positiven Einfluss auf die Gesamtsituation der Erkrankten haben, zum Beispiel auf das (spätere) Arbeitsleben. Zudem gab es die Hypothese, dass stimulierende Medikamente womöglich das Risiko für Suizidversuche erhöhen.
Eine schwedische Arbeitsgruppe hat sich dieser Fragen angenommen und die Krankheitsdaten von allen Personen in Schweden analysiert, die mit der Diagnose ADHS registriert waren. 71% der Patient*innen waren jünger als 30 Jahre, 55% männlich. Auf häufigsten nahmen sie Methylphenidat ein, gefolgt von Lisdexamphetamin und Atomoxetin.
Weniger Klinikaufenthalte
Ein Viertel der ADHS-Patient*innen musste im Laufe der Erkrankung in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden. Im Vergleich zu denjenigen, die gar keine Medikamente einnahmen, verringerte Atomoxetin das Risiko für eine Klinikaufnahme um 26%. Methylphenidat tat dies um 7%, Lisdexamphetamin um 12%. Wurden mehrere Präparate kombiniert, sank das Risiko um 15%.
Von den zu Beginn der Studie arbeitsfähigen Erkrankten wurden 30% über die Jahre krankgeschrieben oder verrentet. Im Vergleich zu Personen ohne Medikation reduzierte Atomoxetin dieses Risiko um 15%. Bei Menschen unter 30 Jahren verringerte auch Methylphenidat die Wahrscheinlichkeit, arbeitsunfähig zu werden, und zwar um 12%. Alle anderen Medikamente zeigten keinen Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit. Wurden mehrere ADHS-Präparate kombiniert, stieg das Risiko für Krankschreibungen und Verrentung dagegen an.
Suizide verringert
ADHS-Betroffene haben auch ein erhöhtes Risiko für Suzide und Suizidversuche. In dieser Untersuchung wurde bei 5% der ADHS-Patient*innen ein solches suizidales Verhalten festgestellt. Amphetamine reduzierten das Risiko für Suizide und Suizidversuche um 30%, Methylphenidat um 8%. Atomoxetin dagegen erhöhte es um 20%. Das könnte nach Einschätzung der Studienautor*innen jedoch ein Artefakt, also ein Verzerrungseffekt, sein. Da Atomoxetin keine stimulierende Wirkung hat, wurde es womöglich bevorzugt bei Patien*innten mit ohnehin erhöhtem Suizidrisiko eingesetzt.
Quelle: Springer Medizin