Gesundheit heute

Der Weg zur Diagnose in der Psychiatrie

Die Diagnose psychischer Erkrankungen stützt sich zunächst vor allem auf Gespräche, die das Erleben und Empfinden des Patienten erforschen (der Arzt sagt explorieren). In Ergänzung nutzt der Therapeut Beobachtungen beim Patienten, Fragebögen und psychologische Tests.

An der Art und Weise, wie der Patient spricht, wie lebhaft oder gehemmt seine Sprache, Mimik und Gestik ist, kann der erfahrene Arzt, Psychiater oder Psychotherapeut bereits eine erste Verdachtsdiagnose aufstellen. Um jedoch zu einer genauen Diagnose zu kommen, muss er den Patienten gezielt befragen. Dabei ist er besonders darauf angewiesen, dass der Patient seine Probleme offen beschreibt, und dass das Gespräch nicht unter Zeitdruck steht.

Klärung körperlicher Ursachen. Da fast alle psychiatrischen Symptome auch körperlich oder organisch bedingt sein können, wird der Arzt oder Psychiater spezifische internistische und neurologische Untersuchungen durchführen oder anordnen, um organische Ursachen zu erkennen oder auszuschließen:

  • Laboruntersuchungen zum Nachweis von z. B. Stoffwechsel- oder Hormonstörungen
  • Ein EEG, um andere neurologische Krankheitsursachen auszuschließen
  • Kernspin oder CT vom Kopf, um Hirntumore oder Entzündungen auszuschließen.

Psychopathologischer Befund und Diagnosestellung. Besonderes Gewicht in der Psychiatrie hat die Anamnese, die Krankengeschichte des Patienten. Diese erlaubt dem Psychiater, die persönliche Geschichte des Betroffenen aus dessen Sicht kennenzulernen, was ein wesentlicher Baustein für eine korrekte Diagnose ist.

Dazu der folgende Fall: Frau Schumann, 27, wurde nach einem Selbstmordversuch mit dem Notarzt in die psychiatrische Akutklinik gebracht. Weil sie stark alkoholisiert war, war ein vernünftiges Gespräch mit dem Therapeuten nicht möglich. Sie wurde in die Suchtstation eingewiesen und erhielt Medikamente zur Beruhigung und für den Alkoholentzug. 24 Stunden später erfolgte der zweite Anamneseversuch; die behandelnde Ärztin erfuhr im Gespräch mit der Frau, dass ihr Verlobter vor fünf Tagen einen schweren Unfall hatte, 300 km entfernt in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, und die Patientin kein Geld für die Bahnfahrkarte hatte, um ihren Verlobten zu besuchen. Ein Jahr zuvor war ihre Mutter durch einen Tumor ums Leben gekommen. Die Ärztin stoppte aufgrund dieser Erkenntnisse aus der Anamnese die medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka und führte vier einstündige Therapiegespräche durch. Nach zehn Tagen konnte sie die Patientin entlassen und an einen niedergelassenen Psychotherapeuten zur ambulanten Weiterbehandlung verweisen.

Das Gespräch mit den Angehörigen

Oft bittet der Arzt oder Psychotherapeut auch die Angehörigen zu einem Gespräch oder telefoniert mit ihnen. Er holt dafür nach Möglichkeit vorher die Zustimmung des Patienten ein.

Zum einen möchte der Therapeut erfahren, wie sich die seelischen Beschwerden im Alltag und in der Familie auswirken; zum anderen benötigt er Informationen, an die sich der Patient vielleicht nicht erinnern oder die er selbst schlecht einschätzen kann. Da aber Angehörige oft selbst Rat und Hilfe benötigen, kann es auch erforderlich sein, ihnen ein vertrauliches Gespräch „unter vier Augen“ anzubieten.

Gespräche mit Angehörigen dienen auch dazu, bei stationären Behandlungen die Entlassung vorzubereiten. Hierbei können den Angehörigen auch notwendige Kenntnisse im Umgang mit der Erkrankung vermittelt werden (Psychoedukation). Dies ist besonders bei Abhängigkeiten, aber auch bei Essstörungen wie der Magersucht wichtig, damit die Angehörigen aufhören, ungewollt krankhaftes Verhalten zu unterstützen.

Tests und Fragebögen

Es gibt eine ganze Reihe von so genannten standardisierten psychologischen Tests und Fragebögen, die der Therapeut zur Diagnosestellung nutzen kann. Einige Fragebögen erfassen eher allgemeine Symptome wie Ängste, depressive Stimmung, psychotische Symptome und Aggression. Andere sind spezifischer wie etwa Fragebögen zu Alkoholkonsum oder Essstörungen. Die Fragebögen werden oft auch am Ende der Behandlung erneut eingesetzt, um den Therapieerfolg zu prüfen und Veränderungen zu dokumentieren.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Yoga und Joggen gegen Depressionen

Yoga kann Depressionen lindern - vorausgesetzt, man betreibt es intensiv.

Yoga und Joggen gegen Depressionen

Sport als Stimmungsmacher

Sport hilft gegen Depressionen. Am meisten trifft das offenbar für Joggen, Kraftsport und Yoga zu. Dabei gilt: Je intensiver trainiert wird, desto besser.

Rund 4 Millionen Deutsche erkrankt

Depressionen sind weit verbreitet und werden offenbar immer häufiger: Für Deutschland schätzt die WHO die Zahl der Menschen mit der Erkrankung auf über vier Millionen. Weltweit sollen etwa 322 Millionen Menschen unter Depressionen leiden. Das sind etwa 4,4% der Weltbevölkerung und 18% mehr als noch vor zehn Jahren.

Zur Behandlung von Depressionen werden vor allem Medikamente und Psychotherapien eingesetzt. Ergänzend zur klassischen Therapie raten die Leitlinien zu Lebensstiländerungen, allen voran zu mehr Bewegung. Welcher Sport am besten gegen Depressionen hilft, wird jedoch unterschiedlich bewertet.

5 Sportarten mit antidepressiven Effekten

Ein Forscherteam ging jetzt dieser Frage nach und untersuchte den Effekt von Bewegung bei schweren Depressionen. Eingeschlossen in ihre Meta-Analyse wurden 218 Studien mit über 14.000 Teilnehmenden. Dabei kam heraus, dass fünf Sportarten schwere Depressionen moderat besserten.

Die stärkste antidepressive Wirkung hatten Joggen oder Gehen, gefolgt von Yoga, Krafttraining, Ausdauerübungen und Tai Chi oder Qigong. Außerdem zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Kurve: Je intensiver eine Sportart ausgeübt wurde, desto besser wirkte sie. Der Effekt war zudem unabhängig von der Ausprägung der Depression und davon, ob die Patient*innen unter weiteren Erkrankungen litten.

Yoga und Krafttraining waren bei den Studienteilnehmer*innen am beliebtesten, sie wurden am seltensten wieder abgebrochen. Tanzen führte sogar zu einer starken Linderung der Depressionen. Allerdings war die Anzahl der Tanzenden nur gering und es handelte sich ausschließlich um Frauen – was keinen eindeutigen Schluss auf die Wirkung des Tanzsports auf Depressionen zulässt.

Neben klassischer Therapie Sport treiben

Bewegung ist eine wirksame Waffe gegen Depressionen, fassen die Studienautor*innen zusammen. Vor allem gilt dies für intensiv ausgeübtes Joggen und Gehen, Krafttraining und Yoga. Sie raten depressiven Menschen, neben der klassischen antidepressiven Therapie eine der genannten Sportarten auszuüben.

Quelle: British Medical Journal

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Alla Azarnikova