Gesundheit heute

Haarausfall, androgener und diffuser

Haarausfall, androgener und diffuser
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Haarausfall (Effluvium, Defluvium): Vermehrtes oder verfrühtes Ausfallen der Kopfhaare. Man unterscheidet den androgenen Haarausfall (Alopecia androgenetica), der 90 % der Fälle ausmacht und auch bei Frauen auftritt, vom diffusen Haarausfall (Effluvium diffusum), bei dem sich kein eindeutiger Verlaufstyp erkennen lässt. Misch- und Übergangsformen sind möglich. Abzugrenzen ist der kreisrunde Haarausfall.

Leitbeschwerden

  • Täglicher Verlust von mehr als ~ 100 Haaren über einen längeren Zeitraum
  • Die Dichte der Haare nimmt ab, die Kopfhaut scheint durch.
  • Beim androgenen Haarausfall: Glatzenbildung mit Geheimratsecken, Tonsur („Platte“) und schließlich Haarkranz
  • Beim diffusen Haarausfall: insgesamt lichteres Haar mit meist dünneren Stellen an Stirn und Kopfdecke.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • Der Mann sich durch die verfrühte oder zu schnelle Glatzenbildung belastet fühlt
  • Für Mann oder Frau die Haare zu schnell lichter werden.

Die Erkrankung

Androgener Haarausfall. Beim androgenen Haarausfall wandeln sich unter dem Einfluss männlicher Geschlechtshormone (v. a. Dihydrotestosteron, DHT) die kräftigen Terminalhaare in feinere Vellushaare. Ein Mann mit Haarausfall verfügt über gleich viele Haarbälge wie einer mit vollem Haarschopf, nur dass sich die Wachstumsphase der Haare so sehr verkürzt, dass sie kaum noch sichtbar sind. Später schrumpfen die Haarbälge und verlieren ihre Funktion (Atrophie).

Bei Männern sind Zeitpunkt, Ausbildung und Ausmaß der Glatzenbildung genetisch festgelegt (z. B. Vererbung vom Großvater mütterlicherseits), hängen aber auch von äußeren Faktoren wie der Ernährung ab. Glatzenbildung wird klinisch in vier Stadien eingeteilt. Zunächst entstehen Geheimratsecken (Verlust der Haarfelder an den Schläfen), dann lichtet sich zusätzlich das Haar des Hinterkopfs (Tonsur), woraufhin die kahlen Flächen zusammenfließen, bis schließlich nur noch ein hufeisenförmiger Haarkranz übrig bleibt.

Der androgene Haarausfall kann schubweise schnell voranschreiten, aber auch in jedem Stadium für längere Zeit stoppen oder sogar beendet sein. Da die Haarbälge verkümmern, ist die Wiederherstellung der ursprünglichen Haartracht im Gegensatz zum diffusen Haarausfall nicht möglich.

Diffuser Haarausfall. Meist handelt es sich um einen androgenen Haarausfall, der bei Frauen auftritt. In der Regel ist der vordere Scheitel betroffen, wobei typischerweise an der Stirn ein Streifen von etwa 2 cm unverändert bleibt.

Als Auslöser kommen Medikamente, aber auch Vollnarkosen, Hormonumstellungen wie Schwangerschaften, Pubertät oder Wechseljahre, die Anti-Baby-Pille ebenso wie Störungen der Schilddrüsenfunktion infrage. Nicht zuletzt kann Stress bei dafür empfänglichen Personen zu schubweisem Haarausfall führen.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Mit Trichogramm und Trichoscan gelingt es dem Arzt, das Ausmaß des Haarausfalls objektiv zu beurteilen: Im Trichogramm, auch als klassischer Haarwurzelstatus bezeichnet, werden die Wurzeln von 50–100 ausgezupften Haaren unter dem Mikroskop untersucht und das Verhältnis zwischen wachsenden Haaren und Haaren in der Ruhe- und Übergangsphase ermittelt. Außerdem lassen sich auf diese Weise dystrophische Haare entdecken, also Haare, die infolge von Infektionen, inneren Erkrankungen oder durch Medikamente geschädigt sind. Mindestens 8 Wochen vor der Untersuchung muss auf Dauerwellen etc. verzichtet werden, um das Ergebnis nicht zu verfälschen.

Eine moderne Weiterentwicklung des Trichogramms ist der Trichoscan, den nur spezialisierte Ärzte durchführen. Dabei wird ein Bezirk von etwa 1,3 x 1,3 cm rasiert, nach 3 Tagen mit einem bestimmten Farbstoff gefärbt und vergrößert fotografiert. Aus den verschiedenen Färbungen und der Länge der nachgewachsenen Haare berechnet eine Software die notwendigen Angaben zum Haarstatus.

Bei diffusem Haarausfall muss der Arzt abklären, ob nicht bestimmte Medikamente verantwortlich sein können. So sind beispielsweise das Gichtmittel Allopurinol, blutdrucksenkende Betablocker, blutverdünnende Cumarine oder das Aknemittel Tretinoin als Auslöser bekannt. Auch viele Zytostatika führen zu einem vorübergehenden Ausfall aller Haare, die allerdings nach dem Ende der Chemotherapie wieder nachwachsen.

Vier Laborparameter, die standardmäßig erhoben werden sollten, helfen zusätzlich bei der Basisdiagnose zu diffusem Haarausfall:

  • Hämoglobin-Wert: Eine Anämie beeinträchtigt nicht nur viele Organe, sondern auch die Haarwurzeln.
  • Ferritin-Wert: Auch ohne Anämie kann ein Speichereisenmangel der Grund für diffusen Haarausfall sein. Die kritische Grenze für Haarwuchs liegt bei 40–70 mg Ferritin pro Liter Serum.
  • TSH-Wert
  • Blutsenkung (BSG) oder ein anderer Entzündungsparameter.

Nicht mehr zur Basisdiagnostik gehören:

  • Marker für Autoimmunerkrankungen
  • Syphilis-Serologie
  • Hormondiagnostik. Die Hormonwerte sollten bei Patientinnen überprüft werden, die zusätzlich zum Haarausfall ein männliches Behaarungsmuster zeigen oder deren Zyklus gestört ist. Bei auffälligen Werten sollte ein Endokrinologe zu Rate gezogen werden.

Therapie. Für die medikamentöse Behandlung von Haarausfall stehen zwei gesicherte Wirkstoffe zur Verfügung: Finasterid und Minoxidil.

Jüngere Männer können durch die langfristige Einnahme von täglich 1 mg Finasterid (z. B. Propecia®) den Haarausfall meist stoppen, einige erreichen sogar eine Verdickung der verbliebenen Haare. Die Wirkung setzt in der Regel nach 3–6 Monaten ein. Nachteilig sind jedoch die jahrelange, selbst zu zahlende Einnahme und die noch nicht abschließend beurteilbaren Restrisiken eines Eingriffs in den Hormonhaushalt (der Wirkstoff greift in den Umbau des Testosterons im Haarbalg ein). Daher sind regelmäßige Laborkontrollen erforderlich. Beim Absetzen des Wirkstoffs fallen die Haare aus, die während der Einnahme „zurückgehalten“ wurden. Die Glatzenbildung lässt sich demnach nur verschieben, solange das Medikament eingenommen wird. Bei Männern jenseits des 50. Lebensjahrs ist die Wirkung nicht belegt.

Für Frauen ist der Wirkstoff wegen seiner Nebenwirkungen nicht zugelassen. Nur in Einzelfällen wird er an Universitäts-Hautkliniken bei jüngeren Frauen getestet. Während der Behandlung muss die Betroffene zwingend sicher verhüten, da bei einer Schwangerschaft ein Missbildungsrisiko für das Kind besteht.

Für Männer und Frauen wird Minoxidil (z. B. Regaine® Frauen) als äußerlich anzuwendende Lösung in verschiedener Stärke eingesetzt. Sie wirkt jedoch nicht gegen Geheimratsecken. Minoxidil kann zu lokalen Hautreaktionen führen, einschließlich Angio-Ödem (Schwellung in der Unterhaut): Starke Schwellungen des Gesichts, der Lippen oder des Rachens. Das Angio-Ödem kann sich zu einem Notfall entwickeln. Patienten sollten einen Arzt aufsuchen oder in schweren Fällen den Notarzt verständigen, wenn sie entsprechende Beschwerden nach dem Auftragen des Mittels beobachten.

Bei jüngeren Frauen wird versucht, den Haarausfall mit Östrogenen und Antiandrogenen zu stoppen. Auch hier ist eine konsequente Verhütung zwingend. Oft hilft eine niedrig dosierte Kortisontherapie mit 1–2 Milligramm Kortison pro Tag. Hintergrund ist, dass ein Überwiegen von Androgenen oft auf angeborenen Enzymstörungen beruht, so dass zu wenig Kortison und als ungewollter Nebeneffekt zu viele Androgene produziert werden.

Bei starkem Leidensdruck oder vollständigem Haarverlust kommen eine Transplantation von Eigenhaar oder künstliche Haarteile (Perücken) in Betracht.

Propecia® 1 mg ist verschreibungspflichtig, muss aber selbst bezahlt werden. Wer Geld sparen will, bekommt 5 mg desselben Wirkstoffs als ebenfalls verschreibungspflichtige Proscar®-Tablette für ein Drittel des Preises und kann diese mit einem Tablettenteiler (in Apotheken erhältlich) in 4–5 Tagesdosen aufteilen. Aus medizinischer Sicht besteht dabei kein Risiko. Der positive Einfluss von Finasterid auf das Haarwachstum wurde zunächst als Nebenwirkung von Proscar® entdeckt, erst später kam derselbe Wirkstoff in veränderter Dosis als Propecia® auf den Markt. Von vermeintlich günstigen Angeboten im Internet sollte man jedoch Abstand nehmen.

Von einer Haaranalyse, bei der Haare im Labor auf Spurenelemente oder andere Substanzen hin untersucht werden, ist abzuraten. Das Verfahren ist zwar zum gerichtlichen Nachweis von Drogen oder Giften geeignet, nicht aber als Hilfe bei Haarerkrankungen. Die einzige Ausnahme ist der Nachweis einer sehr seltenen Vergiftung mit den Schwermetallen Blei, Arsen oder Quecksilber, die Haarausfall bewirken können.

Selbsthilfe

Das Angebot an Haarwassern, Haartonika und Wundermitteln aller Art ist groß. Den Beweis für ihre Wirksamkeit sind sie aber meist schuldig geblieben.

Bei diffusem Ausfall hilft jedoch eine konsequente Schonung des Haars. Es empfiehlt sich, milde Shampoos zu verwenden, auf Fönen, Tönungen, Dauerwellen oder Färbung sowie auf Zöpfe oder fest gebundene Pferdeschwänze zu verzichten. Ein stressarmer Lebensstil wie auch die Einnahme der Mineralstoffe Zink, Selen und Eisen (Übersicht Mineralstoffe) können unterstützend wirken.

Komplementärmedizin

Meist kann der androgene Haarausfall nur unzureichend therapiert werden, man sollte also auch von komplementärmedizinischen Maßnahmen nicht allzu viel erwarten. Am ehesten erzielen Akupunktur, Homöopathie und Pflanzenheilkunde Einzeleffekte zur Anregung von (erneutem) Haarwuchs, unterstützend können Kieselerde oder Gelatinekapseln eingenommen werden.

Pflanzenheilkunde. Die Durchblutung der Kopfhaut wird durch Massagen mit Haartonika aus Rosmarin oder Thymol angeregt, enthalten z. B. in Criniton® Lösung. Auch Lavendelöl und Aufgüsse aus Brennnesselblättern können einmassiert werden. Bei androgenem Haarausfall kann die Kopfhaut täglich mit Birkensaft oder Klettenwurzelöl behandelt werden, bei diffusem Haarausfall zusätzlich noch mit Zinnkrautessenz, Arnikatinktur oder Rosmarinöl.

Homöopathie. Sofern der Haarausfall eine Reaktion auf Stress ist, empfiehlt die Homöopathie Acidum phosphoricum, bei Haarausfall infolge einer hormonellen Umstellung Sepia. Bei Haarausfall, gekoppelt mit unreiner Haut, kommt Selenium als homöopathisches Mittel der Wahl infrage.

Weiterführende Informationen

  • www.hairberlin.com – Unter der Rubrik Patienteninfo finden Sie ausführliche Informationen des Kompetenzzentrums für Haare und Haarerkrankungen der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Charité Berlin.

Von: Dr. med. Berthold Gehrke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was steckt hinter Bräunungssucht?

Ob in der Sonne oder im Solarium – unter UV-Einstrahlung werden Endorphine freigesetzt.

Was steckt hinter Bräunungssucht?

Sonnenbaden ohne Ende

Es gibt Menschen, die können gar nicht genug in der Sonne oder im Solarium brutzeln. Nicht immer steckt ein Schönheitsideal dahinter. So manche „Superbräuner*innen“ leiden auch unter einer psychischen Störung, der sogenannten Tanorexie.

Endorphine heben die Laune

Vor etwa 100 Jahren ging es los mit dem Trend: Braun werden galt als schick und war ein Zeichen für Luxus und Freizeit. Mit der zunehmenden Reisefreudigkeit der 60er-Jahre wuchs sich gebräunte Haut immer mehr zum Schönheitsideal aus. Daran hat sich nach wie vor wenig geändert, auch wenn man heute weiß, wie gefährlich UV-Strahlen für die Haut sind.

Doch für manche Menschen ist braun sein mehr als schön sein - sie sind regelrecht süchtig nach UV-Strahlen. Bei einigen erklären Expert*innen das damit, dass beim Sonnenbaden Endorphine ausgeschüttet werden. Diese körpereigenen Botenstoffe lösen Euphorie und Wohlbefinden aus. Bei Gesunden hebt das die Laune, doch in einigen Fällen können die Endorphine zur Entwicklung einer Sucht beitragen.

Wird der Wunsch, sich zu bräunen, zwanghaft, spricht man von einer sogenannten Tanorexie. Bei dieser psychischen Störung nutzen Erkrankte jede Möglichkeit, sich zu bräunen, sei es durch die natürliche Sonne oder im Solarium. Einige helfen auch mit Bräunungstabletten nach und sind vom Scheitel bis zur Fußsohle gefärbt. Rund 250 000 Frauen und Männer in Deutschland sollen von einer Tanorexie betroffen sein, sagt der Psychiater Prof. Bernhard Baune.

Störung der Körperwahrnehmung

Bei der Tanorexie handelt sich wie bei der Magersucht (Anorexie) um eine Störung des Körperschemas: Die eigene Wahrnehmung stimmt nicht mit der Fremdwahrnehmung überein. Betroffene empfinden ihre Haut selbst dann noch als zu blass, wenn sie bereits stark gebräunt ist. Dass ihre Haut dadurch schneller altert und das Hautkrebsrisiko steigt, blenden sie meist aus oder leugnen es.

Eine Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken bringt deshalb meist wenig. Zwar ist es wichtig, die Gefahr von Hautkrebs zu thematisieren. Bei manchen führt auch die Simulation der Hautalterung anhand eigener Fotos zu Entsetzen und einem Umdenken. In der Mehrzahl der Fälle benötigen die Betroffenen jedoch psychotherapeutische Hilfe.

Verhaltenstherapie hilft

Die Behandlung bei Tanorexie orientiert sich an Methoden der Suchttherapie, insbesondere die Verhaltenstherapie wird dazu eingesetzt. Ähnlich wie bei der Magersucht ist es das Ziel, das gestörte Körperbild zu verändern, wodurch auch das Suchtverhalten eingedämmt werden soll.

Wichtig ist dabei, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, meint der Experte. Zwar sollen die Patient*innen lernen, helle Haut als Erfolg zu sehen. Die Therapie darf aber nicht dazu führen, dass sie eine Photophobie entwickeln und gar nicht mehr in die Sonne gehen.

Quelle: Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Jens Brüggemann / Alamy / Alamy Stock Photos