Gesundheit heute

Porphyrie

Porphyrien: Seltene, meist angeborene Stoffwechselerkrankungen mit Ansammlung verschiedener Zwischenprodukte, die bei der Bildung des roten Blutfarbstoffs entstehen. Diese Zwischenprodukte heißen Porphyrine. Je nach Form der Erkrankung lagern sich die Porphyrine in verschiedenen Organen ab und verursachen so unterschiedlichste Symptome: von Bauchkoliken über Bluthochdruck und Herzrasen bis hin zu Hautveränderungen, psychischen und neurologischen Beschwerden. Die häufigsten Porphyrie-Formen sind die akute intermittierende Porphyrie und die chronisch-hepatische Porphyrie. Behandelt werden Porphyrien im akuten Anfall mit Infusionen sowie mit Medikamenten gegen die jeweiligen Beschwerden, z. B. mit Schmerzmitteln oder Herzmedikamenten. Sowohl bei akuten als auch bei chronischen Formen müssen Betroffene die Auslöser und Risikofaktoren kennen und lebenslang meiden, da Porphyrien nicht heilbar sind.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Krampfartige Bauchschmerzen
  • Herzrasen, Unruhe
  • Bewusstseinsstörungen, Empfindungsstörungen
  • Starke Lichtempfindlichkeit der Haut mit Blasenbildung, Hautrissen und Wundheilungsstörungen.

Wann in die Arztpraxis

Am selben Tag, wenn plötzliche starke Bauchschmerzen oder Herzrasen ohne erkennbare Ursache auftreten.

In den nächsten Tagen bei den oben beschriebenen Hautveränderungen nach Sonnenlichteinwirkung.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Das Eisen des roten Blutfarbstoffs ist an Porphyrin (ein ringförmiges Molekül) gebunden, beide zusammen werden als Häm bezeichnet. Ist durch ein Enzymdefekt die Porphyrinbildung gestört, wird dessen Produktion stark angekurbelt, da nur so ausreichend roter Blutfarbstoff hergestellt werden kann.

Die im Überschuss produzierten atypischen und inkompletten Porphyrine werden nicht nur mit dem Urin ausgeschieden, sondern reichern sich auch im Gewebe an, v. a. in Haut, Knochen, Knorpel, Leber und Nervengewebe, und wirken dort toxisch.

Ursachen und Risikofaktoren

Wird der Körper in einem akuten Schub mit Porphyrinen überschwemmt, kommt es zu einem akuten Porphyrie-Anfall. Auslöser dafür können zahlreiche Faktoren sein. Auch die chronischen Formen der Porphyrie werden durch Risikofaktoren verschlimmert.

Zu den auslösenden Faktoren zählen u. a.

  • Alkohol
  • Medikamente, z. B. verschiedene Schlaf- und Beruhigungsmittel, Hormonpräparate, Antiepileptika, Sulfonamid-Antibiotika
  • Hunger, Flüssigkeitsverlust
  • hormonelle Schwankungen
  • Operationen
  • emotionaler Stress
  • Infektionskrankheiten.

Klinik, Verlauf und Komplikationen

Unterschieden werden hepatische (Leber-) oder erythropoetische (Blutbildungs-) Porphyrien sowie akute oder chronische und kutane (Haut-) oder nicht-kutane Formen.

Akute intermittierende Porphyrie. Die angeborene akute intermittierende Porphyrie zeigt sich anfallsartig mit krampfartigen, teilweise unerträglich starken Bauchschmerzen, die auch begleitet sein können von Fieber, Übelkeit und Erbrechen sowie Verstopfung (oder selten von Durchfall). Den Erkrankten wird deshalb oft der Blinddarm entfernt, weil die Symptomatik sehr gut zu einer Blinddarmentzündung passt. Weitere Symptome sind Unruhe mit Herzrasen, Bluthochdruck und manchmal Herzstolpern (Herzrhythmusstörungen). Betroffene leiden mitunter auch an Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Antriebsschwäche bis hin zu Depressionen und Bewusstseinsstörungen. Diese Symptome können schon vor dem akuten Anfall auftreten. Bei schweren Anfällen zeigen sich auch neurologische Störungen, z. B. Bewusstseinsstörungen, Muskelschwäche, Zittern, Empfindungsstörungen, Krampfanfälle oder Lähmungen. Die Muskelschwäche und Lähmungen beginnen meist an Schultern und Armen und können bis auf die Atemmuskeln übergreifen. Dann kommt es zur Atemnot.

Chronisch-hepatische Porphyrie. Die chronisch-hepatische Porphyrie wird auch als Porphyria cutanea tarda bezeichnet, weil sie v. a. die Haut betrifft (cutanea = an der Haut). Sie tritt meist sporadisch (also nicht erblich) auf, nur etwa 20 % der Fälle sind angeboren. Ab dem mittleren Erwachsenenalter – bei der angeborenen Form früher – wird die Haut sehr lichtempfindlich. Es bilden sich blutige Blasen, v. a. an den Handrücken, an den Armen und im Gesicht, also an Körperstellen, die vermehrt der Sonne ausgesetzt sind. Die Blasen reißen ein, verschorfen und heilen lange nicht ab. Insgesamt wird die Haut sehr verletzlich und heilt nur schwer. Die Sonneneinstrahlung kann auch Juckreiz, Schwellungen und Rötungen hervorrufen und den Haarwuchs verstärken. Manchmal bilden sich Flecken auf der Haut. Bei dieser Erkrankungsform kann die Leber geschädigt werden, insbesondere wenn Alkoholkonsum, die Einnahme von Östrogenen oder eine Hepatis-Infektion hinzukommen.

Neben diesen beiden häufigsten Formen der Porphyrie gibt es weitere, seltenere Formen, z. B.:

Die dritthäufigste Porphyrie ist die erythropoetische Protoporphyrie. Die Erkrankung ist erblich, beginnt bereits in der Kindheit und verursacht Juckreiz, Brennen und Rötungen der Haut nach Sonnenlichteinstrahlung sowie Gallensteine. Manchmal schädigt diese Porphyrie-Form auch die Leber.

Bei der hereditären Koproporphyrie haben die Patient*innen sowohl akute Symptome wie bei der akuten intermittierenden Porphyrie, als auch chronische Hautveränderungen wie bei der chronisch hepatischen Porphyrie.

Die kongenitale erythropoetische Porphyrie ist eine sehr seltene, aber besonders schwere Form der Porphyrie. Die Betroffenen leiden an einer extremen Lichtempfindlichkeit mit brennenden, auf der Haut aufsitzenden Blutblasen. Sie müssen das Sonnenlicht unbedingt meiden. Zusätzlich zeigen sie eine Blutarmut (Anämie) mit blasser Haut und Schleimhaut. Die Zähne sind typisch braunrot verfärbt (Erythrodontie). In schweren Fällen kommt es auch zu Missbildungen. Nase, Ohren und Finger können durch zu viel Sonnenlichteinwirkung verkrüppeln. Lippen, Zahnfleisch und Gaumen können schrumpfen, wodurch die Zähne hervortreten.

Übrigens: Wer beim Lesen dieser Beschreibung ein Bild von Graf Dracula im Kopf hatte – ein extrem lichtscheues Wesen mit blassem Gesicht, hervorstehenden, blutigen Zähnen und Blutstropfen auf Händen und Gesicht, als hätte es gerade Blut getrunken – mit dem ist nicht nur die Fantasie durchgegangen. Der berühmte Vampir Graf Dracula ist zwar eine erfundene Romanfigur, jedoch können die Mythen, Legenden und Geschichten, die sich um die Vampirwelt ranken, durchaus auf Betroffene dieser seltenen Porphyrie-Form zurückzuführen sein. Dazu passt auch, dass die im Knoblauch enthaltenen Schwefelverbindungen zu den Faktoren gehören, die diese spezielle Erkrankungsform verschlimmern, denn sie verstärken den Abbau des Blutfarbstoffs.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung

  • Bei Verdacht auf eine Porphyrie wird eine Urinprobe untersucht. Die übermäßig gebildeten Porphyrine werden nämlich nicht nur im Gewebe abgelagert, sondern auch vermehrt mit dem Urin ausgeschieden und lassen sich dort nachweisen.
  • Bei einigen Porphyrie-Formen färbt sich der Urin durch Sonneneinstrahlung rot und fluoresziert sogar unter einer Schwarzlichtlampe. Das ist aber nur ein "erster Hinweis".
  • Zum exakten Nachweis der Porphyrie und zur Bestimmung der Porphyrie-Form werden die erhöhten Porphyrine sowie verschiedene Porphyrinvorläufer im Urin und manchmal auch im Stuhl nachgewiesen, z. B. Porphobilinogen und δ-Aminolävulinsäure bei der akuten intermittierenden Porphyrie.
  • Sind diese Werte erhöht, schließen sich genetische Untersuchungen an, die den entsprechenden Enzymdefekt im Porphyrinstoffwechsel aufdecken.

Differenzialdiagnosen

Es gibt auch andere Ursachen für eine Erhöhung der Porphyrine im Urin. Hierzu zählen z. B. Blut-, Leber- und Infektionskrankheiten, hoher Alkoholkonsum, Vergiftungen mit bestimmten Substanzen wie Blei und Benzol oder ein erheblicher Hungerzustand. Man bezeichnet die Porphyrinerhöhung im Urin dann als sekundäre Porphyrinurie. Diese sekundäre Porphyrinurie ist oft der Grund, warum die Diagnose einer Porphyrie falsch gestellt wird.

Behandlung

Ein akuter Porphyrie-Anfall ist oft so schwer, dass die Patient*in auf einer Intensivstation mit Infusionen behandelt werden muss. Zusätzlich werden gezielt die einzelnen Beschwerden gelindert, z. B. mit Herzmedikamenten, schmerzstillenden und krampflösenden Medikamenten und Arzneimitteln gegen Übelkeit.

Bei der chronischen hepatischen Porphyrie wird Chloroquin und bei der erythropoetischen Protoporphyrie Cholestyramin verordnet. Diese beiden Medikamente fördern die Ausscheidung der Porphyrine.

Bei der chronischen hepatischen Porphyrie wird zudem durch Aderlässe versucht, die Leber zu entlasten. Durch diese gezielte Blutentnahme wird die Konzentration von Eisen und den Porphyrinen im Blut gesenkt.

Gegen die akute intermittierende Porphyrie gibt es ein regelmäßig einzunehmendes Medikament (Givosiran), das die Anfallshäufigkeit senken kann, indem es in der Leber die Bildung der Porphyrinvorläufer Porphobilinogen und δ-Aminolävulinsäure unterdrückt.

Bei allen Porphyrie-Formen ist wichtig, die auslösenden Faktoren zu kennen und möglichst zu meiden. Allem voran sollte auf Alkohol und Hormonpräparate (z. B. der Antibabypille) verzichtet werden. Chronische Infektionen wie Hepatitis C müssen behandelt werden und alle Medikamente, die die Beschwerden verschlimmern, dürfen nicht eingenommen werden. Bei den Porphyrie-Formen mit Lichtempfindlichkeit ist auf ausreichenden Sonnenschutz zu achten und direkte starke Sonneneinstrahlung möglichst zu vermeiden.

Bei einer Leberschädigung sind alle lebertoxischen und eisenhaltigen Medikamente tabu. Eine fortgeschrittene Leberschädigung erfordert eine Lebertransplantation.

Bei besonders schweren Erkrankungsverläufen wird auch eine Stammzelltransplantation in Betracht gezogen. Das heißt, dass die kranken körpereigenen Stammzellen im Knochenmark zunächst durch eine Chemotherapie vollständig zerstört werden und anschließend gesunde Stammzellen eines Spenders übertragen werden.

Prognose

Die Prognose hängt von der Form der Porphyrie ab. Bei der akuten intermittierenden Porphyrie und der chronischen hepatischen Porphyrie sind die Aussichten gut, wenn die Auslöser gemieden werden.

Auch bei der hereditären Koproporphyrie und der erythropoetischen Protoporphyrie kann das Fortschreiten der Erkrankung durch Meiden der Auslöser meist verhindert werden.

Treten bei der erythropoetischen Protoporphyrie oder der chronischen hepatischen Porphyrie auch Leberschädigungen auf, verschlechtert sich die Prognose.

Bei der kongenitalen erythropoetischen Porphyrie ist die Prognose ungünstig, weil die Anämie die Lebenserwartung begrenzt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Notfallausweis. Lassen Sie sich von ihrer Arztpraxis einen Notfallausweis ausstellen, aus dem auch die "sicheren" und die "gefährlichen" Medikamente hervorgehen. So gelingt es Ihnen zuverlässig, alle anfallsauslösenden Medikamente zu vermeiden.

Sonnenschutz. Tragen Sie dichtgewebte, locker sitzende Kleidung sowie Hüte und geschlossene Schuhe. Sonnenschutzmittel mit Zinkoxid bieten einen gewissen Lichtschutz. Noch besser geeignet sind spezielle Sunblocker, die lichtundurchlässig sind (Dundee-Creme). Lassen Sie sich in ihrer Arztpraxis oder Apotheke dazu beraten.

Vitamin D. Betroffene, die Sonnenlicht meiden, sollten regelmäßig ihren Vitamin-D-Spiegel im Blut bestimmen lassen und Vitamin-D-Präparate einnehmen, um einem Vitaminmangel vorzubeugen.

Weiterführende Informationen

International Porphyria Network

Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm
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Vitamin D senkt Krebssterberate

Sonne und Supplemente sorgen beide für einen ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegel im Blut.

Vitamin D senkt Krebssterberate

Nicht nur Knochenschutz

Vitamin D schützt nicht nur vor Osteoporose. Es verhindert auch Krebstodesfälle. Wieviele das bei einer Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D wären, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum vorgerechnet.

Krebssterberate um 13 % gesenkt

Große Studien konnten zeigen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Sterberaten an Krebs um etwa 13 % senkt. Der Effekt zeigt sich zum Beispiel in Ländern, die ihre Lebensmittel mit Vitamin D anreichern. Anhand der Daten von 34 europäischen Ländern haben Wissenschaftler*innen vom Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ nun errechnet, wie sich eine generelle Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D auswirkt.

Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis: In den Ländern, in denen dies erlaubt ist, werden pro Jahr 27.000 Krebstodesfälle vermieden. Würden alle 34 Länder Lebensmittel mit ausreichend Vitamin D versehen, ließen sich pro Jahr sogar 130.000 krebsbedingte Todesfälle verhindern, rechnen die Wissenschaftler*innen vom DKFZ vor.

Anreicherung in Deutschland nur mit Ausnahmegenehmigung

Nach EU-Recht ist die Zugabe von Vitamin D zu Lebensmitteln (z. B. Joghurt oder Streichfett) seit 2006 erlaubt. In Deutschland findet man nur relativ wenige angereicherte Produkte in den Regalen der Supermärkte. Das liegt daran, dass die D-Anreicherung hier grundsätzlich verboten ist – es sei denn, die Produkte haben eine Ausnahmegenehmigung (oder der Hersteller setzt sich darüber aufgrund des EU-Rechts hinweg).

Um die Vorteile einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung zu genießen, braucht es zum Glück keine angereicherten Lebensmittel. Ein großer Teil des Vitamin D wird durch Einfluss von Sonnenlicht in der Haut gebildet. Dafür genügt es, Hände, Arme und Gesicht zwei bis dreimal die Woche für etwa zwölf Minuten ungeschützt der Sonne auszusetzen. 10 bis 20% der nötigen Menge wird bei normaler Mischkost über die Nahrung aufgenommen (Eier, Speisepilze, Innereien, fetter Seefisch).

Beim Mangel helfen Supplemente

Im Winter hingegen gelingt es vielen Menschen nicht, ihren Vitamin-D-Bedarf zu decken. Auch alte Menschen und Personen, die selten im Freien sind oder sich einseitig ernähren, haben häufig einen Vitamin-D-Mangel. In diesem Fall helfen Nahrungsergänzungsmittel. Präparate mit Tagesdosen zwischen 10 bis 25 Mikrogramm sind apothekenpflichtig, solche mit einer Tagesdosis sogar verschreibungspflichtig. Wieviel man Vitamin D man einnehmen sollte, bespricht man aber sowieso am besten mit der Hausärzt*in. Denn Überdosierungen sind gefährlich, sie können zu Herzrhythmusstörungen oder Nierensteinen führen.

Quellen: DKFZ, RKI, SWR

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: FotoHelin/shutterstock.com