Gesundheit heute
Osteomalazie
Osteomalazie (Knochenerweichung): Knochenerkrankung infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen seine Stabilität verliert. Ihre Ursache ist meist ein Vitamin-D-Mangel. Zu den Beschwerden gehören Knochenschmerzen und Muskelschwäche bis hin zu Gehstörungen. In ausgeprägten Fällen verformen sich die Knochen, außerdem drohen Ermüdungsbrüche an Becken und Steißbein. Behandelt wird die Osteomalazie mit Vitamin D und Kalzium. Bei Fehlstellungen oder Brüchen sind manchmal orthopädische Hilfsmittel oder korrigierende Operationen erforderlich.
Hinweis: Die Knochenerweichung durch Vitamin-D-Mangel im Kindesalter wird Rachitis genannt. Näheres dazu siehe dort.
Symptome und Leitbeschwerden
- Knochenschmerzen, die sich beim Anspannen von Muskeln verstärken
- Muskelschwäche
- Gehstörungen
- verformte Rippen, X- oder O-Beine (bei Erwachsenen selten).
Wann in die Arztpraxis
Demnächst, bei
- Knochen- oder Muskelschmerzen ohne erklärbare Ursache.
Die Erkrankung
Krankheitsentstehung
Knochen setzen sich zusammen aus Knochenzellen und Knochengewebe, das von den Knochenzellen gebildet wird. Damit das Knochengewebe fest und stabil wird, müssen u. a. Kalzium und Phosphat eingelagert werden. Dieser Prozess wird Mineralisation genannt und von Hormonen gesteuert.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei Vitamin D. Das wird entweder unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, also UV-Licht, in der Haut gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Damit es auch wirkt, durchläuft es im Körper noch verschiedene Aktivierungsprozesse. Vitamin D fördert die Mineralisation auf zwei Arten:
- Es steigert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm, sorgt also dafür, dass mehr Vitamin D aus der Nahrung im Körper ankommt.
- Es regt den Einbau von Kalzium und Phosphat in das Knochengewebe an.
Ein gesunder Knochen befindet sich ständig im Auf- und Abbau, dem sogenannten Remodelling. Bei einem Mangel an Vitamin D wird das neu gebildete Knochengewebe allerdings nicht ausreichend mineralisiert. Der Knochen bleibt weich und kann sich verformen. Der geschwächte Knochen bricht auch leichter, vor allem in Belastungszonen wie am Becken oder am Schienbein (sog. Ermüdungsbrüche). Zur Knochenerweichung kann es aber auch unabhängig von Vitamin D kommen. Das ist z. B. bei einem extremen Kalziummangel der Fall oder wenn Phosphat fehlt.
Hinweis: Osteomalazie und Osteoporose haben ähnliche klinische Auswirkungen, unterscheiden sich aber in ihrer Krankheitsentstehung. Bei der Osteomalazie ist die Mineralisation des Knochens und damit der Knochenaufbau gestört. Bei der Osteoporose handelt es sich dagegen um eine Abnahme der normal mineralisierten Knochenmasse durch einen verstärkten Knochenabbau.
Ursachen für die Osteomalazie
Die mit Abstand häufigste Ursache für die Osteomalazie ist der Vitamin-D-Mangel oder Störungen bei der Aktivierung des Vitamins im Vitamin-D-Stoffwechsel, z. B. durch
- mangelndes Sonnenlicht
- zu geringe Aufnahme über die Nahrung
- Dünndarmerkrankungen, bei denen über die erkrankte Darmschleimhaut kein Vitamin D3 aufgenommen werden kann
- Leber- und Nierenerkrankungen, wodurch die Aktivierung des Vitamins zu Calcidiol oder Calcitriol gestört wird.
Ein Mangel an Phosphat kann die nötige Mineralisierung des Knochens ebenfalls verhindern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:
- Zu geringe Phosphataufnahme durch die Ernährung, z. B. bei chronischem Hungern oder Malabsorptionsstörungen des Darms, z. B. Zöliakie oder Morbus Crohn
- Langfristige Einnahme von aluminiumhaltigen Säurebindern (Antazida). Sie binden Phosphat im Verdauungstrakt und führen dazu, dass es vermehrt über den Darm ausgeschieden wird
- Verstärkter Phosphatverlust über die Niere. Dies kommt z. B. bei Nierenerkrankungen oder im Rahmen von Hormonstörungen bei Krebserkrankungen (onkogene Osteomalazie) vor.
Eine weitere Ursache für die Osteomalazie ist ein ausgeprägter Kalziummangel, z. B. ernährungsbedingt (vegane Ernährung) oder aufgrund von Nierenerkrankungen.
Vorkommen
Genaue Zahlen zur Osteomalazie in Deutschland gibt es nicht. Man weiß aber, dass vor allem alte Menschen oft unter einem Vitamin-D-Mangel und dadurch unter einer Knochenerweichung leiden. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder dritte Oberschenkelhalsbruch im Alter einer Osteomalazie zuzuschreiben ist.
Immigrantenosteomalazie
Besonders gefährdet für eine Osteomalazie sind zudem Einwandernde mit dunkler Hautfarbe. Sie brauchen mehr UV-Licht, um in ihrer Haut Vitamin D3 zu bilden, bekommen in den weniger sonnigen Ländern Mittel- und Nordeuropas aber oft zu wenig davon ab. Durch kulturelle Besonderheiten (verhüllende Kleidung, Vermeiden von Aufenthalten im Freien) wird der Mangel an UV noch verstärkt und die Vitamin-D3-Produktion zusätzlich eingeschränkt. Die so entstehende Immigrantenosteomalazie betrifft Untersuchungen zufolge jede zehnte türkische Einwander*in, darunter vor allem Frauen.
Klinik
Die Osteomalazie des Erwachsenen zeichnet sich vor allem durch Knochenschmerzen aus. Sie entstehen u. a. dadurch, dass sich der erweichte Knochen verformt und dadurch die empfindliche Knochenhaut gedehnt wird. Neben den Knochenschmerzen leiden die Patient*innen durch den Mangel an Kalzium auch unter Muskelschwäche, die bis zu Problemen beim Gehen führen können.
Bei Osteomalazie kommt es auch leicht zu Insuffizienzfrakturen. Das sind Knochenbrüche, die bei gestörter Knochenstruktur schon unter normaler Belastung entstehen. Betroffen sind dabei vor allem das Steißbein und der Beckenbereich, aber auch der Vorfuß und das Schienbein.
Diagnosesicherung
Unklare Knochenschmerzen, Muskelschwäche oder Ermüdungsbrüche lassen schnell an eine Störung des Knochenstoffwechsels denken. Labor und bildgebende Diagnostik helfen dabei, diese zu differenzieren.
Labordiagnostik
Im Labor untersucht werden dabei Urin und Blut. Dort lassen sich Abweichungen bei der Messung von Kalzium, Phosphat und Vitamin D finden. Im Blut ist zudem die alkalische Phosphatase (AP) erhöht. Das ist ein Enzym, das am Knochenaufbau beteiligt ist.
Bildgebende Verfahren und Biopsie
Im Röntgenbild zeigen sich bei einer Osteomalazie frühzeitig typische Veränderungen. Dabei handelt es sich um sogenannte Looser-Zonen. Darunter versteht man bandförmige Aufhellungen im Knochen als Zeichen für die nicht verkalkte/mineralisierte Knochensubstanz. In sehr seltenen Fällen (z. B. bei einem Verdacht auf eine nierenbedingte Osteomalazie) entnimmt die Ärzt*in eine Probe aus dem Knochengewebe und lässt diese unter dem Mikroskop untersuchen. (Biopsie).
Ermüdungsbrüche sind im normalen Röntgenbild oft nicht gut zu erkennen. Um sie aufzuspüren, setzt man eher die Knochenszintigrafie. Eine Knochendichtemessung hilft dagegen kaum weiter, weil diese die Osteomalazie nicht von der Osteoporose unterscheiden kann.
Differenzialdiagnose. Abgegrenzt werden muss die Osteomalazie vor allem gegenüber der Osteoporose.
Behandlung
Die Behandlung der Osteomalazie hängt von ihrer Ursache ab. Bei einem Mangel an Vitamin D3 bekommt die Patient*in Vitamin-D3-Präparate als Tabletten, Kapseln oder Tropfen zur täglichen Einnahme. Ist die Vitamin-D-Aufnahme über die Darmschleimhaut gestört – z. B. bei chronischen Darmerkrankungen – kann das Vitamin auch über Spritzen in den Muskel zugeführt werden. Liegt der Osteomalazie eine gestörte Aktivierung des D3-Vitamins zugrunde, muss Calcitriol, also die bereits aktivierte Form des Vitamins, verabreicht werden. Damit das Vitamin wirken kann, muss sich die Patient*in während der Therapie kalziumreich ernähren, oft verordnet die Ärzt*in auch zusätzlich Kalziumtabletten.
Bei einer Osteomalazie aufgrund von erhöhtem Phosphatverlust wird das Phosphat durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzt.
Orthopädische Behandlungen
Ermüdungsbrüche können meist konservativ therapiert werden. Eine komplette Ruhigstellung der betroffenen Gliedmaße ist selten nötig, meist reicht es, Belastungen zu vermindern. Dabei helfen Orthesen und Unterarm-Gehstützen. Heilt der Knochen innerhalb von sechs Monaten nicht vollständig, muss operiert werden. Dazu gibt es je nach Befund verschiedene Verfahren:
- Eine verzögerte Heilung lässt sich durch das Anbohren des betroffenen Knochens stimulieren.
- Liegen mehrere Knochenbruchstücke vor, muss die Chirurg*in diese mittels Platten oder Schrauben verbinden und stabilisieren (Osteosynthese).
- Manchmal bildet sich bei der Heilung zu viel neuer Knochen aus. Dieses Gewebe (Kallus genannt) muss dann vom Chirurgen abgetragen werden.
Prognose
Wenn die Osteomalazie früh erkannt und behandelt wird, ist die Prognose gut.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Körperliche Schonung. In der Heilungsphase einer Osteomalazie sollten sich die Betroffenen etwas schonen. Solange der Knochen noch nicht nachgehärtet ist, drohen sonst (weitere) Brüche.
Kontrollierte Bewegung. Sport sollte immer nur in Rücksprache mit der behandelnden Orthopäd*in erfolgen. Eine speziell angepasste Physiotherapie hilft, die Muskeln zu stärken, ohne den Knochen zu gefährden.
Prävention
Sonnenlicht. Zur Vorbeugung einer Osteomalazie ist es ratsam, sich regelmäßig dem Sonnenlicht auszusetzen. Dazu muss man nicht stundenlang sonnenbaden, es reicht, wenn Hände, Arme und Gesicht täglich 15 Minuten UV-Licht abbekommen.
Ernährung. Auf dem Speiseplan sollten Vitamin-D-reiche Nahrungsmittel stehen. Dazu gehören Hering, Lachs und Sardinen. Auch Lebertran, Eigelb und viele Speisepilze enthalten das Vitamin.
Vitamin-D-Präparate. Menschen, die sich kaum im Freien aufhalten, Senior*innen und dunkelhäutigen Personen wird die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten empfohlen. Das sollte jedoch nur in Absprache mit der behandelnden Ärzt*in und nach Überprüfung der Vitamin-D-Werte im Blut erfolgen. Denn auch wenn eine Überdosierung mit Vitamin D selten ist, kann sie vorkommen. Sie macht sich durch Erbrechen und Übelkeit bemerkbar, langfristig drohen Nierenschäden.

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.
Heiß und kalt gegen den Schmerz
Therapeutische Temperaturreize
Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?
Therapie mit Tradition
Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.
Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.
Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.
TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme
Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.
Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:
- Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
- Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
- Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.
Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:
- Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
- Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
- Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.
Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.
Wo kommt Wärme zum Einsatz?
Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von
- Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
- Rotlicht und Fangopackungen
- Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
- Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil
Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.
Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.
Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.
Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.
Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.
Was Kälte alles kann
Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere
- Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
- Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
- Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
- Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.
Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.
Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.
Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.
Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.
Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.
Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.
Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.
Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.
Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.
Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157