Gesundheit heute

Fibromyalgie

Fibromyalgie (Fibromyalgie-Syndrom, somatoforme Schmerzstörung, Faser-Muskel-Schmerzsyndrom): Erkrankung mit chronischen Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen, meist verbunden mit vegetativen Beschwerden wie Schlafstörungen oder Magen-Darm-Problemen. In Industrieländern sind 2–4 % der Bevölkerung betroffen, zu etwa 90 % Frauen, meist ab dem 4. Lebensjahrzehnt. Die Fibromyalgie ist gutartig, sie führt z. B. nicht zu Schäden an Organen, Gelenken oder Geweben und reduziert auch die Lebenserwartung nicht. Weil die starken Schmerzen vielen Patient*innen das Leben diktieren, schränkt die Fibromyalgie die Lebensqualität oft erheblich ein. Die Behandlung ist schwierig und besteht vor allem aus nicht-medikamentösen Maßnahmen. In den meisten Fällen haben die Betroffenen auch nach jahrelanger Behandlung weiter Beschwerden.

Leitbeschwerden und Symptome

  • Auf alle Körperregionen verteilte Schmerzen der Muskeln, Sehnen und Gelenke (oft als schwerer Muskelkater erlebt), meist in Ruhe schlimmer als bei Aktivität
  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • Vermehrte körperliche und geistige Erschöpfung
  • Reizüberempfindlichkeit, innere Unruhe
  • Taubheitsgefühle in Händen, Füßen, Gesicht oder an anderen Körperstellen
  • Magen-Darm-Probleme (Durchfall, Verstopfung)
  • Herzrasen, Luftnot Schweißneigung.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die Fibromyalgie ist als Erkrankung schwer zu fassen. Da sich weder konkrete Ursachen noch konkrete Schäden (z. B. in Gelenken oder Muskeln) finden lassen, ordnen Expert*innen sie als funktionelles somatisches Syndrom ein. Das bedeutet, dass die Patient*innen körperliche (somatische) Beschwerden haben, diese aber nicht auf Gewebe- oder Organschäden beruhen.

Auch deshalb werden Patient*innen mit Fibromyalgie oft nicht ernst genommen. Manchmal unterstellt man ihnen sogar, sich die Schmerzen und die weiteren Beschwerden nur einzubilden - was eine zusätzliche schwere Belastung für die Betroffenen ist. Die Erkrankung ist jedoch seit über 30 Jahren anerkannt und in der internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt.

Die Fibromyalgie ist relativ häufig. Zwei von 100 Erwachsenen sollen in den westlichen Industriestaaten darunter leiden. Wenn die Diagnose inzwischen auch mehr und mehr bei Männern gestellt wird, überwiegt der Frauenanteil bei der Fibromyalgie deutlich.

Ursachen

Dreh- und Angelpunkt bei der Fibromyalgie ist eine gestörte Schmerzverarbeitung. Manche Expert*innen vermuten, dass die Veränderung von Botenstoffen im Gehirn eine Rolle spielt, vor allem von Serotonin. Dieser auch als Glückshormon bekannte zentrale Botenstoff steht mit der Schmerzempfindung im Zusammenhang und soll bei Fibromyalgie-Patient*innen schneller abgebaut werden als bei Menschen ohne diese Erkrankung. Eine weitere Annahme ist, dass Fibromyalgie-Patient*innen eine verringerte Hautinnervation aufweisen, wobei ihre schmerzleitenden Nerven jedoch überaktiv sein sollen.

Unklar ist, wie es zu der gestörten Schmerzwahrnehmung kommt. Viele Auslöser werden diskutiert, darunter Infekte, eine Fehlregulation des Immunsystems, Muskelverspannungen sowie Depressionen und psychische Belastungen. Weil die Erkrankung in manchen Familien gehäuft vorkommt, geht man auch von einer genetischen Veranlagung aus.

Insgesamt gibt es aber noch kein überzeugendes medizinisches Modell, das die Ursache der Probleme erklärt. Expert*innen halten deshalb ein Zusammenspiel vieler Faktoren für wahrscheinlich.

Die Fibromyalgie kann auch sekundär auftreten, d.h. infolge einer anderen Erkrankung. Beispiele dafür sind rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, bösartige Neubildungen oder auch Infekte. Vor allem wenn sich die ersten Beschwerden der Erkrankung bei Patient*innen über 60 Jahren zeigen, muss man an eine solche sekundäre Fibromyalgie denken und die Grunderkrankung suchen.

Klinik

Das Fibromyalgie-Syndrom beginnt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und entwickelt sich über einen langen Zeitraum. Die chronischen, diffusen Schmerzen an Muskeln und Sehnenansätzen werden oft wie bei einem Muskelkater beschrieben. Sie treten häufig zunächst am Rücken auf und breiten sich dann auf Arme und Beine aus.

Begleitet werden die Schmerzen von Erschöpfung und Schlafproblemen. Als Folge kommt es zu Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und Leistungsminderung. Diese drei Beschwerden werden oft als Fibro Fog bezeichnet. Häufig liegt eine vegetative Symptomatik vor. Die Patient*innen haben Herzklopfen, schwitzen vermehrt und sind von Mundtrockenheit geplagt.

Die weiteren Begleitbeschwerden sind individuell verschieden ausgeprägt. Viele Patient*innen klagen über Reizdarmprobleme (Durchfall, Blähungen) und eine Reizblase mit Dranginkontinenz. Migräne und Spannungskopfschmerzen sind ebenfalls häufig. Etwa ein Drittel der Betroffenen leidet unter Depressionen, viele auch an Angststörungen.

Diagnosesicherung

Für die Ärzt*in steht bei der Diagnose das Patient*innengespräch im Vordergrund. Wegweisend für ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Art der Schilderung. Fibromyalgie-Patient*innen leiden stark unter ihrer Krankheit, was in der angespannten oder gedrückten Art zum Ausdruck kommt, mit der sie ihre Beschwerden schildern. Sie empfinden die Schmerzen viel eher als unerträglich als die meisten Patient*innen mit z. B. rheumatoider Arthritis.

Wichtigstes Kriterium der Fibromyalgie sind chronische Schmerzen für länger als drei Monate an Armen und Beinen beider Körperhälften sowie am Rumpf, die sich von keiner anderen Erkrankung erklären lassen. Zur Beschreibung der Schmerzen füllt die Patient*in meist einen Fragebogen aus oder kreuzt an einem Körperschema die Stellen an, an denen die Schmerzen auftreten. Auch für die psychischen und vegetativen Beschwerden wird häufig ein standardisierter Fragebogen herangezogen.

Bei der körperlichen Untersuchung prüft die Ärzt*in die Druckschmerzhaftigkeit am ganzen Körper, vor allem an den Sehnenansätzen. Früher verlangte die Fibromyalgie-Diagnose die Schmerzhaftigkeit an mindestens 11 von 18 sogenannten Tender Points (Druckpunkte, siehe Abbildung). Die Anwendung dieses Kriteriums ist allerdings problematisch, weil die Druckstärke schwer zu objektivieren ist und die Ärzt*in sich auf Patientenangaben über die Schmerzstärke verlassen muss. Heute ist für die Diagnose eine bestimmte Anzahl von Tender Points nicht mehr erforderlich. Stattdessen werden Schmerzen in mehr als sieben von 19 Schmerzregionen gefordert.

Mithilfe von Laboruntersuchungen lässt sich eine Fibromyalgie nicht nachweisen. Das Labor ist allerdings wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen. Dazu bestimmt die Ärzt*in in der Regel Blutbild und Entzündungswerte, die Schilddrüsenhormone, die Kreatininkinase und das Kalzium im Blut.

Die Krankengeschichte, die körperliche Untersuchung und der Ausschluss einer anderen Ursache für die Beschwerden durch das Labor genügt der erfahrenen Ärzt*in, um die Diagnose zu stellen. Bei Verdacht auf eine zugrundeliegende neurologische, orthopädische oder rheumatologische Erkrankung wird eine Fachärzt*in hinzugezogen und eine vertiefte Diagnostik eingeleitet.

Differenzialdiagnosen. Auszuschließen sind z. B. Muskelerkrankungen (Myopathien), die Hypothyreose sowie die Hyperkalzämie. Auch die Einnahme von Statinen oder ein Vitamin-D-Mangel können Muskelschmerzen wie die bei Fibromyalgie auslösen. Besonders schwierig ist die Abgrenzung zu den entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Diese können eine sekundäre Fibromyalgie auslösen oder begleiten, aber auch selbst ähnliche Beschwerden verursachen.

Behandlung

Die Fibromyalgie ist beim momentanen Stand der Forschung nicht heilbar. Die Behandlung zielt darauf, die Beschwerden zu lindern, die Funktionsfähigkeit im Alltag zu erhalten und die Lebensqualität zu bewahren bzw. zu verbessern.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Grundlage der Fibromyalgie-Therapie sind regelmäßige körperliche Bewegung, niedrig dosiertes Krafttraining und Mind-Body-Verfahren. Empfohlen werden in der Leitlinie beispielsweise

  • niedrig dosiertes Ausdauertraining, dreimal pro Woche für 30 bis 40 Minuten (z. B. Walking, Aquajogging, Schwimmen oder Radfahren)
  • Wasser- und Trockengymnastik, Funktionstraining
  • niedrig dosiertes Krafttraining kombiniert mit Dehnübungen
  • Maßnahmen zur Entspannung der Muskulatur: Wärmeanwendungen, krankengymnastische Dehnübungen, Anleitung für Übungsprogramme zu Hause
  • Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
  • Tai Chi, Qi-Gong oder Yoga.

Den größten Effekt erreicht man mit einer multimodalen Therapie, d.h. mit der Kombination aus Ausdauertraining und Entspannungsübungen. Nach drei bis sechs Monaten sollten Patient*in und Ärzt*in gemeinsam überprüfen, ob die gewählten Maßnahmen Erfolg zeigen. Ist dies der Fall, sollten diese dauerhaft fortgeführt werden.

Andernfalls ist der Wechsel auf ein anderes Verfahren, die Gabe von Medikamenten und/oder eine psychologische Unterstützung zu überlegen. Die besten Erfahrungen wurden dabei mit kognitiver Verhaltenstherapie gemacht.

Pharmakotherapie

Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) wirken bei der Fibromyalgie nicht, können aber zu erheblichen Nebenwirkungen (Magengeschwür, Blutbildveränderungen) führen. Deshalb sollen sie gegen Fibromyalgie-bedingte Schmerzen nicht eingenommen werden. Ebenfalls ohne Wirknachweis sind muskelentspannende Medikamente, Cannabis, Kortison oder örtliche Betäubungsmittel.

Stattdessen empfehlen die Leitlinien Wirkstoffe aus der Gruppe der Antidepressiva (Amitryptilin, Duloxetin, Fluoxetin), der Neuroleptika (Quetiapin) und der Antikonvulsiva (Pregabalin).

Mittel der ersten Wahl ist Amitryptilin. Leidet die Patient*in gleichzeitig unter Depressionen oder einer Angststörung, wird Duloxetin empfohlen. Die anderen Wirkstoffe kommen zum Einsatz, wenn Amitryptilin bzw. Duloxetin nicht vertragen werden.

Ob ein Medikament wirkt, lässt sich in der Regel erst vier Wochen nach Beginn der Einnahme sagen. In der Zeit davor ist es wichtig, auf eventuelle Nebenwirkungen zu achten und diese der Ärzt*in mitzuteilen. Ist nach vier Wochen kein Nutzen erkennbar (d. h. die Beschwerden werden nicht reduziert oder die Nebenwirkungen sind zu ausgeprägt), sollte das Präparat abgesetzt werden und gegebenenfalls ein anderes ausprobiert werden.

Oft wird nach etwa einem halben Jahr der Wirkstoff probeweise abgesetzt.

Prognose

Die Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung, die schwer zu behandeln ist. Auch wenn alle therapeutischen Register gezogen werden, hat die Mehrzahl der Betroffenen weiterhin Beschwerden. Doch viele Erkrankte können lernen, damit zu leben und sich ihre Lebensqualität zu erhalten.

Für die Prognose ist es wichtig zu wissen, dass die Fibromyalgie eine gutartige Erkrankung ist. Gewebe und Organe werden durch sie nicht geschädigt, und sie verkürzt auch die Lebenserwartung nicht.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Bei der Fibromyalgie sind die Betroffenen im Umgang mit ihrer Erkrankung vor allem selbst gefordert. Auf diesem Grundgedanken aufbauend haben sich die folgenden Regeln zur Selbsthilfe und Lebensführung bewährt:

Die Krankheit anerkennen. Die wichtigste Erkenntnis lautet: Sie selbst sind Ihre beste Therapeut*in. Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen und Medikamente können Sie unterstützen, aber den Schlüssel zu einem möglichst schmerzfreien Leben haben Sie selbst in der Hand.

Seien Sie realistisch in Ihren Erwartungen an Schul- oder Komplementärmedizin. Fibromyalgie-Patient*innen neigen nicht selten zum Doctorhopping, also einem häufigen, oft kostspieligen Arzt- und Therapiewechsel, profitieren aber fast nie davon.

Richten Sie sich darauf ein, dass die Fibromyalgie Sie zwar über viele Jahre begleitet, aber nicht „auffrisst. Betrachten Sie die Erkrankung z. B. wie ein lästiges Tier, das Sie zwar auf Schritt und Tritt begleitet, welches aber keine Macht über Sie besitzt.

Lernen Sie sich zu beobachten: Was verstärkt die Schmerzen (z. B. Schlafmangel oder zuviel Schlaf), was lindert mehr (z. B. ein Glas Wein am Abend), wie wirken Medikamente oder eine Fastenkur?

Negativfaktoren abstellen. Versuchen Sie, Negativfaktoren in Ihrem Leben abzustellen. Überlegen Sie, was dazu zählt, und was Sie mit Ihrer Energie und Lebenskraft tun können, um unguten Stress aus Ihrem Leben zu verbannen.

Wenn Sie Ihren Beruf nur noch als Last empfinden und an einen Rentenantrag denken, überlegen Sie, ob Sie das wirklich zufriedener machen würde. Viele Ärzt*innen haben erlebt, dass Fibromyalgie-Patient*innen nach der Frühverrentung erst recht Probleme haben, da sie sich nur noch auf ihre Beschwerden konzentrieren.

Komplementärmedizin

Meditation. Anspannung und Leidensdruck abzubauen, aber auch Schmerzen und Beeinträchtigungen besser anzunehmen, ist das Ziel verschiedener Meditationstechniken. Es liegen eine Reihe positiver Erfahrungsberichte von Fibromyalgie-Patient*innen vor, wonach regelmäßig ausgeübte Meditation langfristig zu einer Linderung der Beschwerden und damit zu einer Steigerung der Lebensqualität führt – dies wird inzwischen auch durch verschiedene Studien belegt.

Akupunktur. Ob Akupunktur langfristig eine Verbesserung der Symptome bewirkt, wird derzeit in verschiedenen Studien geprüft. Da es sich bei der Fibromyalgie um ein komplexes Krankheitsbild handelt, befürworten die meisten Therapeut*innen ein individuell abgestimmtes Vorgehen, bei dem die zu nadelnden Punkte erst nach eingehender Anamnese festgelegt werden. Nach Meinung der deutschen Leitlinien kann jedoch ein Versuch mit Akupunktur erwogen werden.

Andere Verfahren. Da es gegen die Fibromyalgie-Beschwerden „die eine Maßnahme nicht gibt und die leitliniengemäßen Ansätze nicht immer erfolgreich sind, gibt es eine Vielzahl weiterer Angebote. Die allermeisten davon werden aufgrund mangelnder Wirksamkeit nicht empfohlen. Dazu gehören z. B. die TENS, die hyperbare Sauerstofftherapie, die Lasertherapie und die Magnetfeldtherapie. Auch von Reiki oder Nahrungsergänzungsmitteln raten die Expert*innen ab.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt
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Was Männerknochen stabil hält

Die Milch macht`s - auch im Kampf gegen die männliche Osteoporose.

Was Männerknochen stabil hält

Osteoporose vorbeugen

Osteoporose ist kein reines Frauenproblem. Auch Männerknochen werden mürbe – und das meist mit drastischeren Folgen als bei Frauen. Lesen Sie hier, wann auch Männer an eine Osteoporose denken sollten und wie das Vorbeugen gelingt.

Später Bruch mit schweren Folgen

Eigentlich sind Männer in Sachen Knochenstabilität klar im Vorteil: Denn bei Ihnen ist die sogenannte „Knochenmasse“ in aller Regel prinzipiell höher als bei Frauen. Hinzu kommt, dass Männer keine Menopause durchmachen – also die Phase, in der Frauen hormonell bedingt am schnellsten und am meisten Knochenmasse verlieren. Doch auch bei Männern gilt: Nach dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Knochenmasse kontinuierlich ab. Und zwar so stark, dasswahrscheinlich jeder zehnte Mann über 65 von Osteoporose betroffen ist.

Bei Männern reduziert sich die Knochenmasse allerdings eher schleichend. Deshalb kommt es bei im Vergleich zu Frauen meist erst viel später zu osteoporotischen Knochenbrüchen. Weil die betroffenen Männer dann aber schon sehr alt sind, stecken sie den Bruch deutlich schlechter weg als die vergleichsweise früher betroffenen Frauen. So zeigen Studien, dass über ein Drittel der Männer mit Hüftfraktur im ersten Jahr nach dem Trauma verstirbt. Und diejenigen, die überleben, kommen oft nicht mehr richtig auf die Beine.

Warum Männerknochen brechen

Und noch einen weiteren Unterschied zur „weiblichen“ Osteoporose gibt es. Frauen leiden in den meisten Fällen unter einer primären Osteoporose. Dazu zählt die Osteoporose auf Grund des altersbedingten Knochenabbaus und die postmenopausale Osteoporose. Die primäre Osteoporose wird begünstigt durch falsche Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel.

Bei Männern hingegen ist die Osteoporose meist – in zwei Drittel der Fälle -sekundär, d.h., der Auslöser sind andere Erkrankungen wie z. B.

  • Hormonstörungen wie Hypogonadismus, Schilddrüsenüberfunktion oder Hyperparathareoidismus
  • rheumatische Erkrankungen
  • Diabetes, chronische Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • alkoholische Lebererkankung, Alkoholismus.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann zu einer sekundären Osteoporose führen. Besonders häufig ist dies bei Glukokortikoiden der Fall. Hier kommt es manchmal schon nach drei Monaten Glukokortikoidtherapie zu einer verringerten Knochendichte. Ebenfalls begünstigt wird die Osteoporose durch Arzneimittel gegen männliche Geschlechtshormone, die beim Prostatakrebs verschrieben werden. Weitere knochengefährdende Arzneimittel sind Protonenpumpeninhibitoren zur Behandlung von Magengeschwüren, bestimmte Antidepressiva (SSRI), Insulinsensitizer zur Behandlung des Diabetes mellitus oder Antiepileptika und Immunsuppressiva.

Tipp: Mit Hilfe eines Online-Tests kann man das eigene Osteoporose-Risiko abschätzen. Wer dabei mehr als fünf Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte das Thema Osteoporose bei der behandelnden Ärzt*in ansprechen.

Obacht bei Rückenschmerzen im Alter!

Leider ist es für Männer oft gar nicht so leicht, eine Osteoporose zu erkennen. Erst spät stellen sich Rückenschmerzen ein, z. B., wenn es durch den Knochenschwund zu Wirbelkörperbrüchen gekommen ist. Häufig wird eine Osteoporose auch dann entdeckt, wenn sich der Betroffene bei einem leichten Sturz Arm, Bein oder Hüfte bricht.

b aufgrund von Rückenschmerzen oder zur Abklärung eines verdächtigen Knochenbruchs: Diagnostiziert wird die Osteoporose mit bildgebenden Verfahren. Die Knochendichtemessung (Dual X-ray-Absorptiometry, kurz DEXA) gibt Auskunft über die Qualität des Knochens. Gemessen wird an der Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Oberschenkelknochen. Das Ergebnis ist der T-Wert, der die sogenannte Knochenmineraldichte widerspiegelt. Ausschlaggebend für die Diagnose ist der niedrigste der drei ermittelten Werte. Ein T-Wert ≤2,5 gilt nach Vorgaben der WHO als Osteoporose. Bei Werten zwischen -1 und -2,5 handelt es sich um eine Osteopenie, die Vorstufe der Osteoporose.

Neben der Knochendichtemessung helfen beim Verdacht auf Osteoporose auch konventionelle Röntgenaufnahmen. Sie zeigen auf, ob es schon zu osteoporotischen Veränderungen oder unbemerkten Brüchen an den Wirbelkörpern gekommen ist. Im Zweifel wird auch eine Kernspinuntersuchung herangezogen, da diese Veränderungen im Knochen noch deutlicher darstellt.

Blutuntersuchungen gehören beim Abklären einer Osteoporose ebenfalls dazu. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, wie es mit dem Kalzium- und dem Vitamin-D-Haushalt aussieht. Die Bestimmung von Hormonen, Nieren- und Leberwerten lässt zwischen einer primären und einer sekundären Osteoporose unterscheiden und die Ursache für eine zugrundeliegende Erkrankung erkennen.

Kalzium, Vitamin D und Osteoporosemedikamente

Basis für die Knochengesundheit ist seine ausreichende Versorgung mit Kalzium (siehe unten). Ob neben der Ernährung eine zusätzliche Kalziumgabe in Form von Tabletten erforderlich ist, entscheidet die Ärzt*in. Das gleiche gilt für Vitamin D. Je nachdem wie hoch die Vitamin-D-Werte im Blut sind sind, rät die Ärzt*in zur Einnahme von Vitamin-D-Tabletten. Empfohlen wird dabei meist eine Tagesdosis von 800 bis 2000 IE (Internationale Einheiten).

Spezielle Osteoporosemedikamente verbessern die Knochendichte und beugen damit Knochenbrüchen vor. Es gibt zwei Wirkansätze: Antiresorptive Substanzen wie Bisphosphonate oder Denosumab hemmen den Knochenabbau. Osteoanabole Wirkstoffe wie das Parathormon-Analogon Teriparatid fördern den Knochenaufbau Ihr Einsatz hängt von der gemessenen Knochendichte und dem Alter ab. Je älter der Patient ist, desto früher sollte damit begonnen werden. Nach den Leitlinien sollen Männer unter 50 Jahren bei einem T-Wert ≤ -4,0 spezifische Osteoporosemedikamente erhalten, 75-jährige Männern dagegen schon bei einem T-Wert ≤ -2,0.

  • Bisphosphonate wie Alendronat hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Zellen und beugen nachgewiesenermaßen Knochenbrüchen vor. Ist noch kein osteoporotischer Knochenbruch aufgetreten, empfehlen Expert*innen die Einnahme für drei Jahre. Nach dem Absetzen geht man davon aus, dass der Knochen eine geraume Zeit stabil bleibt. Um dies zu überwachen sind regelmäßige Knochendichtemessungen erforderlich. Bisphoshonate können zu Magen-Darm-Unverträglichkeiten bis hin zu Magen- und Speiseröhrengeschwüren führen. Damit es dazu nicht kommt gelten folgende Einnahmeregeln:
    • Tabletten immer morgens auf nüchternem Magen und in aufrechter Position einnehmen.
    • Dazu ein großes Glas Leitungswasser trinken.
    • Das Frühstück frühestens eine halbe Stunde später einnehmen (bei anderen Bisphosphonaten wie Etidronat muss man sogar zwei Stunden nüchtern bleiben).
    • Frühestens 30 Minuten nach Einnahme des Wirkstoffs wieder hinlegen.
    • Um die Aufnahme der Wirkstoffe zu gewährleisten sind andere Medikamente nur mit größerem zeitlichen Abstand einzunehmen. Entscheidend dafür sind die Hinweise im Beipackzettel des jeweiligen Bisphosphonats.

  • Denosumab. Ein weiterer Hemmstoff des Knochenabbaus ist der Antikörper Denosumab. Er ist speziell zugelassen für Männer mit Prostatakrebs, die sich einer Hormonablationstherapie unterziehen (also künstlich den Testosteronspiegel gesenkt bekommen) und dadurch ein erhöhtes Osteoporose- und Knochenbruchrisiko haben. Er wird alle sechs Monate unter die Haut gespritzt.
  • Teriparatid. Für Männer mit besonders ausgeprägter Osteoporose und hohem Knochenbruchrisiko steht auch noch ein knochenaufbauender Wirkstoff zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Analogon des körpereigenen Parathormons mit Namen Teriparatid. Es darf 24 Monate lang verabreicht werden, danach wird eine Therapie mit knochenabbauhemmenden Substanzen angeschlossen.

Insgesamt haben spezifische Osteoporosemedikamente eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, weshalb sie meist nur für einen gewissen Zeitraum eingesetzt werden.

Hinweis: Bei der sekundären Osteoporose ist die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung essenziell, damit sich der Knochen erholen kann. Ist die Ursache des Knochenabbaus ein Medikament, muss die Ärzt*in prüfen, ob man dieses vielleicht absetzen oder austauschen kann.

Gezielt turnen und ins Korsett

Zum Behandlungskonzept bei Osteoporose gehören auch physiotherapeutische Maßnahmen. Denn nur durch gezielte Übungen lässt sich die Beweglichkeit erhalten oder wiederherzustellen. Durch die Belastung bessern sich auch der Knochenstoffwechsel und der Aufbau von Knochensubstanz. Ein spezielles Gang- und Standtraining soll zudem Stürzen vorbeugen.

Vor allem nach osteoporosebedingten Wirbelkörperbrüchen bekommt die Patient*in häufig ein modernes Stützkorsett verschrieben. Je nach Variante richten sie den Körper auf, geben Halt und fördern die aktive Korrektur der Wirbelsäule. Dadurch werden nicht nur die Schmerzen gelindert. Das Korsett ermöglicht auch, die Mobilität zu erhalten und Stürze zu verhindern.

Hinweis: Männer sind im Alter häufig weniger autark als Frauen. Für sie sind daher Rehabilitationsmaßnahmen besonders wichtig, um ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit zu gewinnen oder bewahren.

Gesunder Lebensstil beugt vor

Vor einer Osteoporose ist niemand gefeit, denn älter wird jeder und weitere Risikofaktoren dafür gibt es viele. Mit einem gesunden Lebensstil kann man aber zumindest der primären Osteoporose vorbeugen:

  • Körperlich aktiv bleiben. Bewegung hält nicht nur den Knochen stark, sondern auch die ihn stützenden und führenden Muskeln, Sehnen und Bänder. Am besten ist es, täglich zu trainieren. Schon dreißig Minuten flottes Spazierengehen, Joggen oder Walken bringen den Stoffwechsel auf Trab und fördern damit auch die Versorgung des Knochens mit den nötigen aufbauenden Substanzen. Wer zusätzlich Muskelkraft und Koordination trainiert, beugt zudem Stürzen und damit Knochenbrüchen vor. Viele Fitnessstudios bieten spezielle Programme gegen Osteoporose an. Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob diese die Kosten oder zumindest einen Teil davon übernimmt.
  • Knochenfreundlich ernähren. Eine gesunde Ernährung ist das A und O für den Knochenaufbau. Empfohlen wird die Aufnahme von 1000 bis 1500 mg Kalzium pro Tag. Gut geeignet sind Milch, Käse und Joghurt, aber auch Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse. Eine Scheibe Emmentaler (30 g) enthält beispielsweise etwa 330 mg Kalzium, ein Glas Milch oder Kefir 240 mg. Spitzenreiter bei den Gemüsen sind gegarter Blattspinat (310 mg Kalzium pro 210-g-Portion) und gegarter Grünkohl (280 mg/160 g). Andere wichtige Substanzen wie Folsäure, Kalium und Vitamin B12 sind in einer gesunden Mischkost meist ohnehin ausreichend erhalten.
  • Untergewicht vermeiden. Untergewicht ist ein Risikofaktor für die Osteoporose. Außerdem ist eine Gewichtsabnahme im Alter oft mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden. Der ideale Body Mass Index liegt zwischen 20 und 25.
  • Raus an die frische Luft! Sonnenlicht fördert die Bildung von Vitamin D, das im Körper zu Calcitriol umgebaut wird. Calcitriol ist wiederum notwendig, damit Kalzium über den Darm aufgenommen und in den Knochen eingebaut wird. Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor, ist nach ärztlichem Rat die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten zu erwägen.
  • Rauchen und Alkohol vermeiden. Rauchen verengt die Blutgefäße und verschlechtert dadurch die Versorgung der Knochen mit Nährstoffen. In der Folge ist der Knochenaufbau gestört und es entwickelt sich leichter eine Osteoporose. Auch übermäßiger Alkoholkonsum reduziert die Knochendichte: Alkohol hemmt die knochenaufbauenden Zellen und hat negative Wirkungen auf den Vitamin-D-Stoffwechsel.

Hinweis: Kalzium ist essenziell für die Knochen. Zuviel Kalzium ist aber auch nicht gesund. Bei einer täglichen Zufuhr über 1500 mg wird das Mineral über die Niere wieder ausgeschieden. Ist die Nierenfunktion gestört, lagert sich das im Organismus angesammelte Kalzium in Gefäßen und Geweben ab und trägt zur Verkalkung bei.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 35, S. 4, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Maples Images/Shutterstock.com