Gesundheit heute

Thrombangiitis obliterans

Thrombangiitis obliterans (Buerger-Syndrom, Endangiitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger): Schubweise verlaufende Entzündung der mittleren und kleinen Arterien und Venen der Gliedmaßen. Die nachfolgenden Durchblutungsstörungen führen zunächst zu Missempfindungen und Kälteempfindlichkeit an Füßen oder Händen, später kommen Schmerzen, Geschwüre und Gewebenekrosen hinzu. Betroffen sind meist Männer unter 40, zu 95 % starke Raucher. Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist der sofortige Verzicht auf Tabak. Daneben werden zur Verbesserung der Durchblutung Medikamente oder gefäßchirurgische Maßnahmen eingesetzt. Langfristig müssen etwa drei Viertel der Betroffenen mit einer oder sogar mehreren Amputationen von Fingergliedern, Zehen oder Teilen des Fußes rechnen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Missempfindungen und Kältegefühl an Zehen, Füßen, Fingern oder Händen
  • Raynaud-Symptomatik
  • Belastungsabhängige Schmerzen an der Fußsohle oder in der Hohlhand
  • Schlecht heilende Geschwüre an Händen und Füßen.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die Thrombangiitis obliterans ist eine chronische Gefäßerkrankung, bei der es in kleinen und mittelgroßen Arterien oder Venen schubweise zu segmentalen Entzündungen der Gefäßwände kommt. In den betroffenen Abschnitten bilden sich leicht Blutgerinnsel (Thromben), die das Gefäß verengen oder sogar ganz verschließen.

Aufgrund der reduzierten oder komplett unterbundenen Durchblutung wird das hinter dem Thrombus liegende Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dadurch kommt es in den Füßen oder Händen zu Schmerzen bei Bewegung. Kleine Wunden können nicht mehr richtig abheilen und es entwickeln sich Geschwüre. Im schlimmsten Fall stirbt das Gewebe komplett ab und die Finger oder Zehen werden schwarz.

Epidemiologie

Die Thrombangiitis obliterans ist in Europa und den USA eher selten. Man rechnet, dass nur bis zu 5 % der Patient*innen mit einem Arterienverschluss daran erkrankt sind. In Osteuropa, im Mittleren und Fernen Osten ist die Thrombangiitis viel häufiger: Dort sind bis zu 80 % der Patient*innen mit Gefäßverschlüssen davon betroffen.

Männer erkranken zudem deutlich häufiger an der Thrombangiitis obliterans als Frauen. Der Altersgipfel bei Erkrankung liegt zwischen 35 und 45 Jahren.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache dieser Gefäßentzündung (Vaskulitis) ist bisher nicht bekannt. Es gibt Vermutungen, dass autoimmune Reaktionen dahinterstecken. Manche Fachleute gehen auch von Infektionen aus. Die starken Unterschiede in der weltweiten Verteilung sprechen dafür, dass die genetische Veranlagung eine Rolle spielt.

Entscheidend für die Entwicklung der Erkrankung ist offenbar der Tabakkonsum, und zwar in jeder Form. Der Reiz der Tabakinhaltsstoffe auf die Gefäßwände wird von vielen Fachleuten als ein Trigger angesehen, der bei entsprechend veranlagten Menschen die chronische Entzündung auslöst. Als weiterer Risikofaktor gilt das männliche Geschlecht: Bei gleichem Rauchkonsum sind Männer weitaus häufiger von einer Thrombangiitis obliterans betroffen als Frauen.

Klinik und Verlauf

Die Beschwerden beginnen häufig mit dem Gefühl von Brennen, Kribbeln oder Taubheit an Unterschenkeln und Füßen, seltener auch an Unterarmen oder Armen. So gut wie immer sind beide Beine bzw. Arme betroffen, manchmal auch alle vier Gliedmaßen zusammen. Weiterhin sind Finger und Zehen der Betroffenen oft besonders kälteempfindlich, jede Zweite entwickelt ein Raynaud-Syndrom. In relativ kurzer Zeit entstehen Geschwüre, die schlecht heilen, und es kommt zu bewegungsabhängigen Schmerzen in Füßen oder Händen.

Im weiteren Verlauf werden die Zehen oder Fingerspitzen oft blau und schmerzen auch in Ruhe stark. Meist bilden sich weitere Geschwüre aus, die sich leicht mit Pilzen oder Bakterien infizieren. In diesem Stadium droht das Gewebe komplett abzusterben und es kommt zum Verlust von Zehen oder Fingerkuppen.

Manchmal entzünden sich auch die oberflächlichen Venen. Dies zeigt sich durch eine strangförmige Rötung und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Gefäßes.

Komplikationen

Bei stark ausgeprägten Beschwerden entwickeln die Betroffenen Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit. Manche nehmen auch ungewollt deutlich an Gewicht ab. In einigen Fällen leiden die Patient*innen zusätzlich unter ausgeprägten Muskel- oder Gelenkschmerzen.

Diagnosesicherung

Oft gibt schon die Krankengeschichte Hinweise auf eine Thrombangiitis obliterans. Verdächtig sind Missempfindungen oder bewegungsabhängige Schmerzen an Fußsohle oder Hohlhand – vor allem, wenn die Betroffene raucht und zwischen 30 und 40 Jahren alt ist.

Bei der klinischen Untersuchung achtet die Ärzt*in vor allem auf kleine Geschwüre oder schlecht heilende Wunden an den Fingern oder Zehen. Zur Überprüfung der Durchblutung dienen folgende Tests und Untersuchungen:

  • Pulsstatus erheben. Dazu misst die Ärzt*in alle erreichbaren Pulse an den Gliedmaßen, in den Leisten und am Hals.
  • Ratschow-Lagerungsprobe. Dabei liegt die Patient*in auf dem Rücken, hebt die Beine und lässt die Füße zwei Minuten kreisen. Bei Durchblutungsstörungen blasst das Bein ab. Außerdem braucht der Fuß nach dem Aufsitzen und Herabhängenlassen länger als 5 Sekunden, um sich wieder mit Blut zu füllen – was man an der Rötung erkennt.
  • Allen-Test. Beim Allen-Test wird die Durchblutung der Hand geprüft. Während die Ärzt*in die zuführenden Arterien abdrückt, öffnet und schließt die Patient*in die Hand und diese blasst ab. Werden die Arterien nicht mehr abgedrückt, muss die normale Farbe der Hand schlagartig zurückkommen. Bei Durchblutungsstörungen verzögert sich dies.

Untermauert wird die Diagnose durch bildgebende Verfahren. Dazu ist nicht immer eine Angiografie (d. h. eine röntgenologische Untersuchung der Gefäße mit Kontrastmittel) nötig. Oft lassen sich die typischen Befunde auch im Ultraschall (Farbduplexsonografie), vor allem aber mit einer kontrastverstärkten Magnetresonanztomografie (MR-Angiografie) nachweisen. Für die Erkrankung sprechen u. a. ein abschnittsweiser Befall der Arterien und scharf begrenzte Gefäßverschlüsse. Ganz wichtig ist zudem, dass die nicht entzündeten Gefäßabschnitte glattwandig sind, d. h. dass keine allgemeine Arteriosklerose vorliegt (das spräche gegen eine Thrombangiitis obliterans).

Eine 100%ige Diagnose liefert jedoch nur die Biopsie. Die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem betroffenen Gefäß ist allerdings riskant, weil dadurch die ohnehin schon kritische Durchblutung noch mehr gefährdet wird. Deshalb stellt man die Diagnose in der Gesamtschau. Dafür gibt es verschiedene Scoring-Systeme, die die unterschiedlichen Befunde bepunkten. In jedem Fall dürfen für die Diagnose keine anderen Gründe für die Gefäßverschlüsse vorliegen.

Differenzialdiagnosen. Gefäßverschlüsse kommen bei zahlreichen Erkrankungen vor. Sie alle müssen für die Diagnose der Thrombangiitis obliterans ausgeschlossen werden. Die wichtigsten sind die Arteriosklerose, eine diabetische Angiopathie, Thromboembolien und rheumatisch bedingte Vaskulitiden.

Behandlung

Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Durchblutung und dadurch das Vermeiden von (weiteren) Amputationen. Grundvoraussetzung dafür ist die Tabakentwöhnung: Die Patient*in darf in Zukunft weder aktiv noch passiv rauchen. Auch wenn es schwierig ist, diese Maßnahme umzusetzen, sollte die Ärzt*in immer wieder darauf dringen. Denn schon allein der Tabakverzicht senkt Studien zufolge das Amputationsrisiko.

Der Nutzen der weiteren therapeutischen Maßnahmen wird unterschiedlich bewertet. Da die zugrundeliegenden Mechanismen nicht geklärt sind, gibt es keinen heilenden Therapieansatz. Folgende Optionen setzt man einzeln oder auch kombiniert ein:

  • Prostanoide. Diese Wirkstoffe (v. a. das Prostazyklinanalogon Iloprost) erweitern die Gefäße und werden über drei bis vier Wochen täglich direkt in die Vene verabreicht.
  • Endothel-Rezeptor-Antagonisten und Kalziumkanalblocker. Sie erweitern ebenfalls die Gefäße und werden als Tabletten eingenommen.
  • Schmerzmittel. Bei leichteren Schmerzen reichen oft nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen aus. Starke Schmerzen müssen meist mit Opioiden behandelt werden.
  • Blutverdünnung. Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel) oder orale Antikoagulanzien sollen die Blutgerinnung vermindern und die Bildung von Thromben verhindern.
  • Sympathektomie. Dabei durchtrennt die Operateur*in diejenigen sympathischen Nervenfasern, die in der betroffenen Region die Arterien eng stellen. Auf diese Weise fördert man die Weitstellung der Gefäße und die Durchblutung.
  • Rückenmarkstimulation. Ähnlich wie die Sympathektomie wirkt ein eingepflanzter Nervenschrittmacher. Über Nervenimpulse sorgt er durch Abschalten der sympathischen Nervenfasern für eine Erweiterung der Gefäße.
  • Stammzelltherapie. Dieses Verfahren stimuliert die Wundheilung bei chronischen Wunden.
  • Immunadsorption. Dieses eher selten eingesetzte Verfahren ist eine Art Blutwäsche. Dabei soll die Erkrankung durch das Entfernen von Immunzellen aus dem Blut gelindert werden.

Gefäßchirurgische Verfahren und Amputation

Im Falle eines Gefäßverschlusses kann die Chirurg*in mit verschiedenen Techniken versuchen, die Arterie wieder zu öffnen. Bei einem akuten Verschluss gelingt es manchmal, den Thrombus oder Embolus mithilfe eines Katheters zu entfernen oder mit einem Medikament aufzulösen. Bei chronischen Verschlüssen oder Verengungen kann ein Bypass, also eine Umgehung des verschlossenen Gebiets, angelegt werden. Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der gefäßchirurgischen Maßnahmen nicht sehr hoch.

Wenn sich das Gewebe nicht mehr retten lässt, steht die Amputation der betroffenen Gliedmaße an. Häufig reicht eine Minoramputation, d. h. es muss nur eine Zehe oder nur der Teil eines Fingers oder des Vorfußes entfernt werden.

Prognose

Die Lebenserwartung wird durch eine Thrombangiitis obliterans nicht vermindert. Die meisten Betroffenen müssen jedoch im Verlauf mit Amputationen rechnen. Diese Amputationen können die Erwerbsfähigkeit, das soziale Leben und damit die Lebensqualität der Patient*innen erheblich einschränken.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Nikotinentwöhnung. Die allerwichtigste Maßnahme ist der Tabakverzicht. Da auch Passivrauchen eine Thrombangiitis vorantreibt, sollten rauchende Familienmitglieder ebenfalls mit dem Konsum aufhören. Nikotinersatzprodukte wie Pflaster, Kaugummis und Sprays oder verschreibungspflichtige Medikamente können dabei helfen. Die besten Ergebnisse werden mit strukturierten und psychologisch geführten Gruppenentwöhnungsprogrammen erzielt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet zur Unterstützung ein kostenloses Ausstiegsprogramm an (Link zum Zugang unter "Weiterführende Informationen").

Schutz vor Kälte. Nässe und Kälte stressen und verengen die Gefäße zusätzlich. Hände und Füße sollten deshalb immer möglichst warm und trocken gehalten werden.

Verletzungen vermeiden. Betroffene sollten darauf achten, dass es an Fingern oder Zehen gar nicht erst zu Verletzungen kommt. Besondere Vorsicht geboten ist z. B. bei der Nagelpflege. Wenn möglich, sollten Mani- und Pediküre professionell durchgeführt werden. Wunden an Händen und Füßen sind sofort zu desinfizieren und gut zu beobachten. Im Fall einer Infektion muss man unverzüglich die Ärzt*in aufsuchen, da schwer heilende Geschwüre und der Verlust von Gewebe drohen.

Passendes Schuhwerk. Wichtig sind gut passende Schuhe, die die Füße vor Druck schützen. Dadurch lassen sich Geschwüre verhindern. In manchen Fällen ist es sinnvoll, sich orthopädisches Schuhwerk anpassen zu lassen.

Weiterführende Informationen

Das Ausstiegsprogramm der BZgA für Raucher findet sich hier.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Heiß und kalt gegen den Schmerz

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize

Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?

Therapie mit Tradition

Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

  • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
  • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
  • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

  • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
  • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
  • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

Wo kommt Wärme zum Einsatz?

Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

  • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
  • Rotlicht und Fangopackungen
  • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
  • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

Was Kälte alles kann

Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

  • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
  • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
  • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
  • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / FotoHelin / Alamy Stock Photos