Gesundheit heute

Antiphospholipid-Syndrom

Antiphospholipidsyndrom (APS, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom): Autoimmunerkrankung mit erhöhter Gerinnungsneigung, die zu wiederkehrenden Thrombosen und Embolien führt, bei Schwangeren auch zu Fehlgeburten. Auslöser sind die im Blut nachweisbaren Antiphospholipid-Antikörper. Frauen erkranken fünfmal häufiger als Männer, oft im mittleren Lebensalter. Der Verlauf der Erkrankung ist variabel, angefangen von einer einmaligen geringfügigen Venenthrombose bis hin zu tödlichen Lungenembolien oder Schlaganfällen. Behandelt wird das APS vor allem mit gerinnungshemmenden Medikamenten. Unter einer gut eingestellten Therapie ist die Lebenserwartung annähernd normal.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Schwellung eines Beins mit ziehendem Schmerz (tiefe Beinvenenthrombose)
  • Plötzliche Atemnot mit stechendem atemabhängigem Schmerz in der Brust (Lungenembolie)
  • Plötzliche Lähmung einer Körperseite oder Sprachstörungen bei jungen Menschen (Schlaganfall)
  • Baumartig verzweigte bläuliche Hautzeichnung, kleine Einblutungen unter den Finger- oder Zehennägeln
  • Wiederholte Spontanaborte vor der 12. Schwangerschaftswoche oder Fehlgeburten in den letzten beiden Dritteln der Schwangerschaft.

Wann in die Arztpraxis

Sofort den Notdienst rufen bei

  • plötzlicher Lähmung, Sprachstörungen, plötzlicher Atemnot mit stechenden Brustschmerzen.

Am gleichen Tag bei

  • Schwellung eines Beines mit ziehenden Schmerzen.

Demnächst, wenn

  • ein Kinderwunsch besteht und es zu einer oder mehreren Fehlgeburten gekommen ist
  • bläuliche Gefäßzeichnungen auf der Haut auftreten.

Die Erkrankung

Beim Antiphospholipid-Syndrom handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das heißt, dass der Körper Antikörper gegen eigene Strukturen bildet. Im Fall des APS sind dies Antikörper gegen Phospholipide.

Noch unklar ist, warum diese Antikörper zur Bildung von Blutgerinnseln führen. Man vermutet, dass sie u. a. mit einem Eiweiß reagieren, das an der Blutgerinnung beteiligt ist. Wenn die Gerinnsel Blutgefäße verschließen, kommt es zu Thrombosen und Embolien. Ist eine Frau schwanger, können die Gerinnsel die Blutversorgung der Plazenta stören und so eine Fehlgeburt auslösen.

Ursachen und Formen

Auch die Frage, warum und wie sich die Antiphospholipid-Antikörper im Körper bilden, ist noch nicht geklärt. In manchen Fällen scheint eine andere Krankheit der Auslöser dafür zu sein, dann handelt es sich um ein sekundäres APS. Am häufigsten ist das beim systemischen Lupus erythematodes der Fall. Aber auch Patient*innen mit einer rheumatoiden Arthritis, Krebserkrankung oder einer Infektion wie Hepatitis B oder AIDS können ein sekundäres APS entwickeln. Manchmal lösen Medikamente die Antikörperbildung aus, Beispiele sind Östrogene und Chlopromazin.

Bei der Hälfte aller Patient*innen lässt sich keine zugrundeliegende Erkrankung finden. Dann spricht man von einem primären, idiopathischen APS.

Klinik

Thrombosen können beim APS sowohl in Venen als auch in Arterien auftreten. Am häufigsten sind Beinvenenthrombosen und Lungenembolien, seltener bilden sich Venenthrombosen in Armen, Nieren, Leber und den Augenvenen. Durch die Thrombosen werden die Organe in ihrer Funktion eingeschränkt, es kommt zum Beispiel zu Nieren- oder Leberversagen, im Fall des Auges zu Sehstörungen bis hin zur Blindheit.

Arterielle Thrombosen entstehen vor allem in den Arterien des Gehirns und führen zu Schlaganfällen, selten auch zu Krampfanfällen, Migräne oder Demenz.

Eine weitere schwerwiegende Folge der erhöhten Thromboseneigung ist die Verstopfung der Gefäße, die in der Schwangerschaft die Plazenta versorgen. Dadurch kommt es vermehrt zu Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburten, Frühgeburten und Präeklampsie.

Komplikationen

Eine besonders gefährliche Komplikation ist das katastrophale APS, kurz CAPS genannt. Es tritt bei etwa 1 % der APS-Patient*innen auf und ist lebensbedrohlich. Dabei entstehen innerhalb kürzester Zeit massenhaft Thrombosen in mehreren Organsystemen (vor allem Lunge, Herz und Niere). Die betroffenen Organe werden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und arbeiten nicht mehr richtig. Weil sich an den falschen Stellen Blutgerinnsel bilden, erschöpft sich außerdem das Gerinnungssystem. Es hat nicht mehr genug Kapazität für die physiologische Blutgerinnung und es drohen innere Blutungen. Dies und das Multiorganversagen führen trotz Intensivtherapie in jedem dritten Fall zum Tod.

Diagnosesicherung

Wenn aufgrund von Thrombosen oder Schwangerschaftskomplikationen der Verdacht auf ein APS besteht, lässt die Ärzt*in im Labor verschiedene Blutgerinnungswerte und das Blutbild untersuchen. Verdächtig sind eine Thrombozytopenie (also wenige Blutplättchen) und, als Hinweis auf die gestörte Blutgerinnung, ein verminderter Quick-Wert und eine verlängerte PTT (partielle Thromboplastinzeit).

Beweisend für das APS ist der Nachweis mindestens eines der drei im Blut vorkommenden Antiphospholipid-Antikörper:

  • Lupus-Antikoagulans
  • Anti-Cardiolipin-Antikörper
  • Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper.

Weil deren Bestimmung störanfällig ist, gibt es für die Diagnose strenge Kriterien. So müssen die Antikörper im Abstand von zwölf Wochen mindestens zwei Mal positiv sein. Außerdem sollen verschiedene Testsysteme verwendet werden.

Differenzialdiagnose. Auszuschließen sind bei der Diagnose alle anderen Krankheitsbilder, die mit einer vermehrten Gerinnung verbunden sind. Dazu gehören der Mangel an Faktor II, Antithrombin III oder Protein S. Auch Krebs- und Nierenerkrankungen oder die Homocysteinämie können mit einer vermehrten Gerinnung einhergehen. Thrombosefördernd sind zudem Hormoneinnahmen (z. B. im Rahmen der Verhütung) oder das Rauchen.

Behandlung

Bei der Behandlung muss zwischen einem akuten Ereignis und der Vorbeugung von Thrombosen und Schwangerschaftskomplikationen unterschieden werden. Akute Beinvenenthrombosen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte werden entsprechend therapiert (siehe dort).

Ob und welche gerinnungshemmende Therapie APS-Patient*innen vorbeugend benötigen, hängt nicht nur von den Antikörperwerten ab. Ein wichtiges Kriterium ist auch, ob schon eine arterielle oder venöse Thrombose stattgefunden hat oder ob es zu Schwangerschaftskomplikationen gekommen ist.

Primärprophylaxe. Bei manchen Patient*innen werden im Rahmen anderer Blutuntersuchungen zufällig Antiphospholipid-Antikörper gefunden, klinische Ereignisse wie Thrombose oder Fehlgeburt haben sie jedoch (noch) nicht erlebt. Ob diese Antikörperträger*innen eine vorbeugende gerinnungshemmende Therapie benötigen, ist umstritten. Wenn, dann verordnen die Ärzt*innen meist niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS). Zusätzlich hilft ein gesunder Lebensstil, um weitere thrombosefördernde Risikofaktoren zu reduzieren (siehe unten, Ihre Apotheke empfiehlt).

Sekundärprophylaxe. Nach jedem APS-bedingten Ereignis empfehlen die Leitlinien eine Sekundärprophylaxe mit einer gerinnungshemmenden Therapie. Sekundärprophylaxe bedeutet, nach einem stattgehabten Ereignis das nächste zu verhüten. Diese Vorbeugung wird an das Rezidivrisiko und die jeweilige Thrombose angepasst. Ein besonders hohes Risiko für ein erneutes Ereignis haben z. B. triple-positive Patient*innen. Das sind diejenigen, die alle drei Antiphospholipid-Antikörper im Blut aufweisen.

Nach einer Thrombose kommt meist eine dauerhafte Blutgerinnungshemmung mit einem Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon oder Warfarin) zum Einsatz. Ob der Gerinnungshemmer abgesetzt werden kann, wenn im Blut keine Antiphospholipid-Antikörper mehr nachweisbar sind, ist umstritten. Im Zweifel entscheidet die Ärzt*in dies gemeinsam mit der Patient*in nach dem individuellen Risikoprofil.

Im Spezialfall einer arteriellen Thrombose verordnen die Ärzt*innen häufig zusätzlich ASS.

Hinweis: Die zur Gerinnungshemmung ebenfalls eingesetzten direkten Antikoagulantien (DOAK, z. B. Dabigatran) sollen bei APS-Patient*innen nicht verwendet werden. Sie scheinen das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen zu begünstigen.

Prophylaxe in der Schwangerschaft

Schwangere APS-Patientinnen haben ein hohes Risiko, Fehlgeburten oder eine Präeklampsie zu erleiden. Um diesen Schwangerschaftskomplikationen vorzubeugen, benötigen sie eine zuverlässige Blutgerinnungshemmung.

Vitamin-K-Antagonisten sind dafür nicht geeignet. Weil sie teratogen sind, also dem ungeborenen Kind schaden, dürfen sie weder kurz vor noch während einer Schwangerschaft verabreicht werden. Stattdessen empfiehlt man APS-Patientinnen mit Kinderwunsch zunächst ASS. Kommt es zu einer Schwangerschaft, erhält die werdende Mutter zusätzlich Heparin. Der Gerinnungshemmer muss bis zur sechsten Woche nach der Geburt täglich unter die Haut gespritzt werden.

APS-Expert*innen empfehlen ihren schwangeren Patientinnen meist, zusätzlich zur Vorbeugung mit Heparin auch ASS weiter einzunehmen. Allerdings nur über die ersten zwei Schwangerschaftsdrittel hinweg. Danach muss der Wirkstoff abgesetzt werden, weil er zum vorzeitigen Verschluss einer wichtigen Gefäßverbindung zwischen Aorta und Lungenschlagader des ungeborenen Kindes (Ductus botalli) führen kann.

Prognose

Unter Behandlung ist die Prognose gut und die Lebenserwartung des primären APS kaum verkürzt. Bei den sekundären Formen kommt es darauf an, welche Grunderkrankung vorliegt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Gerinnungshemmer richtig einsetzen. Damit die Blutgerinnung zuverlässig gehemmt wird, müssen die Vitamin-K-Antagonisten täglich zur gleichen Zeit eingenommen werden. Auch die wöchentliche Kontrolle des Gerinnungswertes ist wichtig. Den sog. INR (International Normalized Ratio)-Wert kann man mit einem kleinen Messgerät und etwas Blut aus der Fingerbeere gut selbst bestimmen. Liegt er außerhalb des therapeutischen Bereichs, nimmt man Kontakt mit der Hausärzt*in auf, um die Dosierung gegebenenfalls anzupassen.

Ernährung beachten. Viele Nahrungsmittel enthalten Vitamin K und können deshalb die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten abschwächen. Dazu gehören z. B. Spinat, Brokkoli, Kichererbsen, Fenchel, Schnittlauch und Erbsen. Verzichten muss man deshalb auf das Gemüse nicht – man sollte jedoch jede Woche ungefähr die gleiche Menge davon zu sich nehmen. Bedacht werden muss zudem, dass die Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten von Alkohol verstärkt und von Grapefruitsaft geschwächt werden kann.

Bewegen und Gewicht kontrollieren. Es gibt einige Maßnahmen, mit denen man selbst Thrombosen vorbeugen kann. Zur Sicherheit bespricht man sich jedoch vorher mit seiner Hausärzt*in, denn nicht alle sind für jede geeignet. Bewegung ist wichtig, um das Blut in Schwung zu bringen, günstig sind vor allem Radfahren, Schwimmen und Spazierengehen. Auch Treppensteigen statt Liftfahren freut die Beinvenen. Außerdem sollte man Übergewicht vermeiden bzw. reduzieren und ausreichend trinken. Wer im Beruf viel stehen muss, dem helfen oft Thrombosestrümpfe.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Heiß und kalt gegen den Schmerz

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize

Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?

Therapie mit Tradition

Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

  • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
  • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
  • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

  • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
  • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
  • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

Wo kommt Wärme zum Einsatz?

Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

  • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
  • Rotlicht und Fangopackungen
  • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
  • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

Was Kälte alles kann

Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

  • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
  • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
  • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
  • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / FotoHelin / Alamy Stock Photos