Gesundheit heute
Polymyositis und Dermatomyositis
Polymyositis (PM): Seltene entzündliche Autoimmunerkrankung der Muskulatur. Sie zeigt sich vor allem an Oberarmen, Schultergürtel, Hüfte und Oberschenkeln mit fortschreitender Muskelschwäche und muskelkaterartigen Schmerzen. Oft kommt es zu Abgeschlagenheit und Fieber, zusätzlich können auch Herz, Lunge und Gelenke beteiligt sein.
Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr und betrifft Frauen häufiger als Männer. Behandelt wird zunächst mit Kortison, im weiteren Verlauf kommen antirheumatische Wirkstoffe dazu. Die Prognose ist individuell sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, ob innere Organe betroffen sind.
Dermatomyositis (DM): Polymyositis mit Beteiligung der Haut an lichtexponierten Körperstellen. Die Hautveränderungen erscheinen oft lila, weshalb die Erkrankung auch Lilakrankheit genannt wird. Im Alter ist die Dermatomyositis häufig mit einer Tumorerkrankung assoziiert.
Symptome und Leitbeschwerden
- Muskelkaterartige Schmerzen
- Schwierigkeiten beim Aufstehen, Hinsetzen und beim Treppensteigen
- Probleme beim Armheben, Kämmen, Zähneputzen
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber, Gewichtsverlust
- Schwierigkeiten beim Schlucken.
Bei Dermatomyositis zusätzlich:
- Rötliche Schwellung der Oberlider
- Schuppende, entzündliche Hautrötungen, typischerweise von violetter Farbe, in Gesicht oder Ausschnitt
- Schuppende Hautrötungen über den Streckseiten der Fingergrund- und Mittelgelenke, an Ellenbogen, Knie und Knöchel (Gottron-Papeln)
- Hautverhärtungen, Pigmentstörungen und Schleimhautentzündungen.
Wann in die Arztpraxis
Demnächst, wenn
- oben genannte Beschwerden oder Hautveränderungen auftreten.
Die Erkrankung
Poly- und Dermatomyositis sind Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper aufgrund eines fehlgesteuerten Immunsystems körpereigene Strukturen angreift. Dadurch kommt es bei beiden Erkrankungen zur großflächigen Entzündung und dann zum Zerfall von Muskelfasern. Je nach Ausmaß sind weitere Gewebe wie Gelenke und innere Organe betroffen, bei der Dermatomyositis im Besonderen die Haut.
Die Ursache dieser Autoimmunkrankheiten ist unbekannt. Diskutiert werden eine genetische Veranlagung und verschiedene Viren. Bei manchen Betroffenen löst ein völlig anderer Mechanismus, nämlich Krebs (als paraneoplastische Symptome) die Krankheit aus. Bei der Dermatomyositis ist dies häufiger der Fall als bei der Polymyositis.
Klinik
Oft beginnen sowohl Poly- als auch Dermatomyositis schleichend mit unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Fieber oder Gewichtsverlust. Nach drei bis sechs Monaten machen sich zunehmend Muskelschmerzen bemerkbar, später auch Muskelschwäche und schließlich Lähmungen. Die Erkrankten haben z. B. Probleme, die Arme zu heben und sich die Haare zu kämmen. Oft fallen das Treppensteigen und das Aufstehen von einem Stuhl schwer. Bei Beteiligung der Speiseröhrenmuskulatur kommt es zu Schluckstörungen.
Bei der Dermatomyositis entwickeln sich um die Augenlider herum die typischen, lilafarbenen Hautveränderungen , auch heliotropes Erythem genannt. An den Streckseiten der Finger finden sich die ebenfalls typischen Gottron-Papeln. Dabei handelt es sich um lila-rötliche, flache Hautknötchen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Hautveränderungen, wie z. B.
- Gebiete mit verstärkter oder abgeschwächter Pigmentierung
- derbe, verkalkte Hautareale
- erweiterte Hautgefäße
- flächige rote Erytheme um den Hals herum und im oberen Brustbereich
- pistolenholsterförmige rot-violette Bereiche am seitlichen Oberschenkel.
In unterschiedlichem Ausmaß sind auch die Gelenke und innere Organe von der Autoimmunerkrankung betroffen:
- Vor allem an Händen oder Knien sind die Gelenke geschwollen und schmerzen.
- Am Herzen kann es zu Herzschwäche, Rhythmusstörungen und Entzündungen der Herzkranzgefäße kommen.
- Bei jeder zehnten Patient*in ist auch die Lunge betroffen, meist in Form einer Lungenfibrose. Die Beschwerden sind trockener Husten und Luftnot.
Verlauf
Der Verlauf der Erkrankung lässt sich nicht vorhersagen. Bei manchen Patient*innen bessern sich die Beschwerden unter den Medikamenten oder die Krankheitsaktivität kommt immerhin zu einem Stillstand. Bei anderen schreitet die Myositis schubweise fort. Sind Herz oder Lunge beteiligt, führt häufig das Organversagen zum Tod.
Bei der Dermatomyositis sind Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bekannt. Dazu gehören männliches Geschlecht, hohes Alter und eine Tumorerkrankung.
Komplikationen
Komplikationen ergeben sich z. B. dann, wenn die die Speiseröhre oder andere wichtige Organe betroffen sind. Schluckstörungen können so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen mit einer Sonde ernährt werden müssen. Durch die muskuläre Schwäche der Speiseröhrensphinkter können Speiseteile in die Luftröhre und die Lunge gelangen (Aspiration). Befällt die Erkrankung die Atemmuskulatur, drohen Atemstörungen.
Eine Herzbeteiligung kann zu Herzversagen, die Lungenbeteiligung zum Versagen der Lungenfunktion führen.
Diagnosesicherung
Meist suchen die Betroffenen die Arztpraxis aufgrund der Muskelschwäche auf. Bei der klinischen Untersuchung stellt die Ärzt*in dann eine symmetrische Schwächung der Schulter und/oder Beckengürtelmuskulatur fest. Handelt es sich um eine Dermatomyositis, fallen die entsprechenden Hautveränderungen auf. Zum Nachweis der Diagnose dienen verschiedene Untersuchungsmethoden:
Blutuntersuchungen
Muskelenzyme. Durch den Zerfall der Muskulatur sind die Muskelenzyme im Blut erhöht, allen voran die Kreatinkinase. Weiterhin steigen im Blut die Werte von Myoglobin, Aspartat-Aminotransferase und Laktatdehydrogenase an.
Entzündungswerte. Als Zeichen der entzündlichen Vorgänge sind Blutsenkungsgeschwindigkeit und CRP erhöht, meist auch die Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose).
Autoantikörper. Etwa die Hälfte der Patient*innen weist erhöhte antinukleäre Antikörper (ANA) auf. Diese kommen allerdings auch bei anderen Autoimmunerkrankungen vor. Spezifisch für Polymyositis und Dermatomyositis sind dagegen Mi-2-Antikörper und Anti-Jo-1-Antikörper. Nachweisbar sind diese beiden Autoantikörper allerdings nur bei bis zu 30 % der Betroffenen.
Technische Verfahren
Bildgebung. Mit dem Ultraschall und der Kernspintomografie lassen sich Muskelschwellungen und Unregelmäßigkeiten der Muskelfasern gut erkennen.
Elektromyografie. Die Aktivität eines Muskels überprüft die Ärzt*in mithilfe der Elektromyografie (EMG). Betroffene Muskeln weisen darin eine veränderte elektrische Aktivität als Zeichen der Entzündung auf.
Muskelbiopsie. Entscheidend für die Diagnose ist die Muskelbiopsie. Darin finden sich abgestorbene Muskelfasern und eine hohe Anzahl von Immunzellen (T-Lymphozyten).
Spezialuntersuchungen zum Nachweis von Organmanifestationen. Mit Röntgen und Lungenfunktionsprüfungen weist die Ärzt*in eine Lungenbeteiligung nach. Bei Schluckproblemen kommen Ösophagus-Breischluck und Ösophagus-Manometrie zum Einsatz. Das Herz wird in der Regel mit EKG und Herzecho kontrolliert.
Tumorsuche
Weil die Polymyositis und im Besonderen die Dermatomyositis bei älteren Patient*innen oft mit Tumoren vergesellschaftet sind, muss die Ärzt*in bei bestätigter Diagnose nach einem bösartigen Tumor fahnden. Dazu gehören neben der gründlichen körperlichen Untersuchung u. a. das Röntgen von Lunge und Brustkorb, eine Koloskopie und die Ultraschalluntersuchung der inneren Organe. Bei Frauen kommen noch eine Mammografie und eine gynäkologische Untersuchung dazu.
Differenzialdiagnosen. Muskelschwäche und -schmerzen sind auch die Hauptbeschwerden bei zahlreichen anderen muskulären Erkrankungen. Dazu gehören die Polymyalgia rheumatica, die Myasthenie und medikamenteninduzierte Muskelerkrankungen, z. B. durch die Einnahme von Statinen. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose ist die Einschlusskörpermyositis.
Behandlung
Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Muskelkraft, die Verminderung der entzündlichen Vorgänge und die Vermeidung von Komplikationen.
Akuttherapie. Basis der medikamentösen Behandlung ist Kortison (z. B. Prednisolon), das zunächst hochdosiert verabreicht wird. Bessern sich die Beschwerden, reduziert die Ärzt*in die Kortisondosis schrittweise. Dabei orientiert man sich an den Muskelenzymen, die die Aktivität der Krankheit gut widerspiegeln. Ist die Erkrankung schon im Akutstadium schwer oder sind Organe beteiligt, kommen gleich Immunglobuline oder Immunsuppressiva zum Einsatz.
Langzeittherapie. Die Langzeittherapie besteht aus einer niedrig dosierten Kortisondosis und einem Immunsuppressivum (z. B. Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder Methotrexat) für den Zeitraum von ein bis drei Jahren.
Spricht die Erkrankung auf die Behandlung nicht an, empfehlen die Leitlinien Wirkstoffe wie Rituximab, Tacrolimus (vor allem bei Lungenbeteiligung) und Cyclophosphamid. Eine weitere Therapieoption bei Therapieresistenz sind intravenös verabreichte, hoch dosierte Immunglobuline (IVIG).
Operation. Ist die Erkrankung mit einem Tumor assoziiert, führt häufig dessen Entfernung zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden.
Behandlung von Schluckstörungen
Schluckstörungen sind bei Poly- und Dermatomyositis häufig und schränken die Lebensqualität der Betroffenen stark ein. Zur Behandlung gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Logopädie. Dabei stärkt man die Sprech- und Schluckmuskulatur mithilfe bestimmter Übungen.
- IVIG. Intravenös verabreichte Immunglobuline haben einen positiven Einfluss auf die Speiseröhrenmuskulatur.
- Botulinumtoxin-Injektionen. Mit der Injektion von Botulinumtoxin (Botox, bekannt zur Behandlung von Mimikfalten) lässt sich die Muskulatur der Speiseröhre entspannen und das Schlucken erleichtern.
- Myotomie und Ballondilatation. Bei diesen Verfahren wird die Speiseröhre von innen durch einen Schlauch behandelt (Endoskopie). Mithilfe der Ballondilatation dehnt man sie vorsichtig auf, bei der Myotomie durchtrennt die Chirurg*in gezielt bestimmte Muskelschichten.
Lassen sich die Schluckstörungen mit keiner der Methoden beherrschen, legen die Ärzt*innen eine Magensonde durch die Bauchwand (PEG-Sonde).
Physiotherapie
In der Akutphase ist körperliche Anstrengung verboten, häufig ist sogar Bettruhe erforderlich. Um die Gelenke beweglich zu halten, werden zunächst nur passive Übungen durch die Krankengymnast*in durchgeführt. Ist die Krankheitsaktivität unter Kontrolle, stehen aktive Übungen an. Sie dienen dazu, die Kraft der betroffenen Muskeln zu erhalten bzw. zu verbessern.
Prognose
Der Verlauf der Polymyositis ist sehr variabel, die Erkrankung kann unter Therapie sowohl zum Stillstand kommen als auch weiter fortschreiten.
Bei der Dermatomyositis ist die Prognose eher schlecht. Etwa ein Viertel der Betroffenen leidet langfristig unter Muskelschwäche und einer daraus folgenden Behinderung. In den ersten zwei Jahren nach Diagnose versterben etwa 30 % der Patient*innen, vor allem an den häufig zugrundeliegenden Tumorerkrankungen.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Körperlich schonen. In der akuten Phase der Erkrankung belastet körperliche Aktivität die Muskulatur zusätzlich. Deshalb sollte man sich während akuter Schübe schonen und eine verordnete Bettruhe unbedingt einhalten.
Muskelkraft trainieren. Außerhalb der akuten Phasen gilt es, die verbleibende Muskelkraft zu erhalten oder sogar zu verbessern. Mithilfe der Physiotherapie sollten entsprechende Übungen erlernt und regelmäßig durchgeführt werden.
Kontrolluntersuchungen wahrnehmen. Bei chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen ist es wichtig, dass die Ärzt*in die Medikamente regelmäßig an die Krankheitsaktivität anpasst. Außerdem müssen bei einigen der verordneten Wirkstoffe immer wieder das Blutbild und andere Laborwerte kontrolliert werden.
Vor UV-Strahlung schützen. Sonnenlicht verschlimmert die Hautveränderungen bei Dermatomyositis. Deshalb sollten Betroffene starke Sonneneinstrahlung unbedingt meiden und sich im Freien durch entsprechende Kleidung und Sonnencreme vor UV-Strahlung schützen.
Weiterführende Informationen
Die Myositis-Gruppe der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. bietet auf ihrer Webseite Informationen, Veranstaltungstipps und Hilfe zur Selbsthilfe für Betroffene.

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.
Heiß und kalt gegen den Schmerz
Therapeutische Temperaturreize
Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?
Therapie mit Tradition
Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.
Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.
Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.
TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme
Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.
Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:
- Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
- Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
- Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.
Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:
- Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
- Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
- Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.
Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.
Wo kommt Wärme zum Einsatz?
Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von
- Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
- Rotlicht und Fangopackungen
- Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
- Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil
Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.
Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.
Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.
Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.
Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.
Was Kälte alles kann
Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere
- Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
- Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
- Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
- Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.
Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.
Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.
Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.
Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.
Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.
Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.
Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.
Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.
Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.
Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157