Gesundheit heute

Karpaltunnelsyndrom

Karpaltunnelsyndrom (KTS, CTS): Häufigstes Nervenengpasssyndrom mit Schmerzen und Empfindungsstörungen an Daumeninnenseite, Zeige-, Mittel- und anteilig am Ringfinger. Die Symptome entstehen durch Einengung des vom Unterarm zu Hand und Fingern ziehenden Mittelnervs (Medianusnerv); Engstelle ist der Karpaltunnel an der Beugeseite des Handgelenks, der aus den Handwurzelknochen und dem darüber gespannten Band (Retinaculum flexorum) gebildet wird. Etwa 10 % aller Menschen über 40 Jahren leiden an der Erkrankung, Frauen 3 bis 4-mal so oft wie Männer. In 80 % der Fälle sind beide Hände betroffen. Bei leichten Beschwerden reichen manchmal konservative Maßnahmen wie das nächtliche Tragen einer Schiene oder die (kurzfristige) Gabe von Kortison. Ansonsten besteht die Behandlung in der offenen oder endoskopischen operativen Spaltung des Retinakulums. Die Beschwerden verschwinden anschließend in den meisten Fällen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Dumpfe Schmerzen, Brennen, Kribbeln oder Pelzigkeitsgefühl (wie "eingeschlafen”), Steifigkeits- und Schwellungsgefühl, v. a. an den Endgliedern des Zeige- und Mittelfingers, manchmal auch an Daumen und Ringfinger
  • Gelegentlich Beschwerden an der gesamten Beugeseite der Hand, auch mit Ausstrahlung bis in den Oberarm oder die Schulter
  • Vor allem nachts Beschwerden; Aufwachen aufgrund der Beschwerden
  • Besserung der Beschwerden durch Schütteln und Massieren der Hand
  • Verschlimmerung der Beschwerden durch extreme Beugung oder Überstreckung im Handgelenk
  • Später Rückbildung der Daumenmuskulatur.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • Gefühlsstörungen oder Schmerzen in Hand oder Fingern länger als nur einige Tage anhalten.

Die Erkrankung

Der Mittelnerv (Medianusnerv, Nervus medianus) ist einer der drei Hauptnerven des Arms und so dick wie eine Kugelschreibermine. Vom Rückenmark im Halsbereich kommend zieht er über die Ellenbeuge und die Beugeseite des Unterarms bis in die Hand. Er steuert verschiedene Muskeln, die für die Beugung von Hand und Fingern zuständig sind. Außerdem leitet er Empfindungen von den Endgliedern des Zeige- und Mittelfingers, teilweise auch von Daumen und Ringfinger, zum Gehirn.

Krankheitsentstehung und Verlauf

Am Handgelenk verläuft der Mittelnerv zusammen mit den Sehnen der fingerbeugenden Muskeln durch eine anatomische Engstelle, den Karpaltunnel. Er befindet sich zwischen den Handwurzelknochen und einem straffen Band, dem Retinaculum flexorum, das den Knochen wie eine Brücke überspannt. Normalerweise hat der Nerv in diesem Bereich ausreichend Platz. Schwillt das Band oder das Gewebe im Karpaltunnel jedoch an, wird es zu eng. Das passiert etwa durch Überlastung, eine chronische Entzündung, z. B. eine rheumatoide Arthritis, im letzten Drittel der Schwangerschaft durch vermehrte Wassereinlagerung oder nach einem Knochenbruch. Der Nerv gerät dann unter Druck und quittiert dies mit einer Funktionsstörung. Zuerst kommt es zu Empfindungsstörungen und Schmerzen, später auch zu einer Schwäche der Fingermuskeln. Nach längerer Krankheitsdauer entstehen Schwierigkeiten beim Abspreizen des Daumens, später oft auch bei der Beugung des Zeige- und Mittelfingers. Gleichzeitig fällt auf, dass der Daumenballen dünner wird, weil Muskulatur abgebaut wird.

Häufigkeit, Ursachen und Risikofaktoren

Das Karpaltunnelsyndrom ist das häufigste Nervendrucksyndrom, es kommt bei bis zu 10 % der Bevölkerung vor. Frauen leiden 3 bis 4-mal häufiger als Männer darunter, das typische Erkrankungsalter liegt zwischen 40 und 70 Jahren.

In 90 % der Fälle lässt sich keine direkte Ursache für die Erkrankung ermitteln. Gelegentlich finden sich lokale Ursachen, z. B.

  • ein Ganglion
  • ein fehlverheilter Bruch im Bereich des Handgelenks, Handwurzelbruch
  • eine Verrenkung der Handwurzelknochen
  • eine Handgelenksarthrose
  • eine chronische Sehnenscheidenentzündung.

Als Risikofaktoren gelten familiäre Veranlagung, Übergewicht, Schwangerschaft, Dialysepflicht, Rheumatoide Arthritis sowie endokrine Erkrankungen wie z. B. Schilddrüsenstörungen und Diabetes mellitus.

Karpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit

Auch monotone Arbeitsabläufe im Beruf, zum Beispiel stundenlanges Halten handgeführter Motorsägen und Steinbohrer begünstigen langfristig das Entstehen eines Karpaltunnelsyndroms. 2015 wurde das Karpaltunnelsyndrom deshalb in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Menschen mit berufsbedingtem Karpaltunnelsyndrom haben damit einen Anspruch auf Überprüfung ihres Falles durch die gesetzliche Unfallversicherung. Stuft diese die Erkrankung als berufsbedingt ein, erhält der Betroffene weitreichende Leistungsansprüche.

Diagnosesicherung

Die oben beschriebenen Beschwerden und ein auslösbarer Druckschmerz über der Beugeseite des Handgelenks lassen ein Karpaltunnelsyndrom vermuten. Zwei einfache Tests erhärten den Verdacht:

  • Phalen-Test. Hier winkelt die Patient*in die Hand für eine Minute maximal an. Kommt es danach zu Gefühlsausfällen im Bereich der Finger (zum Beispiel beim Bestreichen der Haut mit einer Nadel oder einem Wattebausch), ist dies ein Zeichen für ein Karpaltunnelsyndrom.
  • Hoffmann-Tinel-Zeichen. Dabei wird der Karpaltunnel beklopft (z. B. mit den Fingern oder einem Reflexhämmerchen). Kommt es dadurch zu Schmerzen oder elektrisierenden Missempfindungen in den betroffenen Fingern, ist das Zeichen positiv.

Für den endgültigen Beweis ist die Neurolog*in zuständig. Um andere Nervenschädigungen, etwa im Bereich der Halswirbelsäule, auszuschließen, misst man die Nervenleitgeschwindigkeit des Mittelnervs, wobei zum Vergleich immer die Gegenseite mitbestimmt wird. Im Zweifel ist auch eine elektromyografische Untersuchung (EMG) der Daumenmuskulatur hilfreich. Ein Kernspin ist nur notwendig, wenn es Anhaltspunkte für (extrem rare) Tumoren in diesem Bereich gibt.

Differenzialdiagnosen. Der Mittelnerv kann auch durch Verletzungen, wie z. B. bei Knochenbrüchen des Arms, geschädigt werden. Muskelschwund am Daumenballen ist auch ein Symptom der Rhizarthrose. Weitere häufige Differenzialdiagnosen sind Polyneuropathien oder zervikale Radikulopathien, also Nervendrucksyndrome durch Engpässe aufgrund knöcherner Veränderungen an der Halswirbelsäule.

Behandlung

Die Therapie umfasst in leichteren Fällen verschiedene konservative Maßnahmen:

  • Nächtliche Schonung des Handgelenks mit einer gepolsterten Schiene, die das Handgelenk in Streckstellung hält. Das ist nötig, weil in der Nacht die Hand oft unwillentlich abknickt und sich der Karpaltunnel dadurch zusätzlich verengt
  • Tagsüber Tragen der Schiene oder Handgelenksmanschette, wenn sie bei der Arbeit nicht hinderlich ist
  • Kortisontabletten, zunächst 20 mg über 2 Wochen, danach 10 mg für weitere 2 Wochen, aufgrund der Nebenwirkungen jedoch nicht länger als 4 Wochen.
  • Injektion von Kortison (z. B. Methylprednisolon) in den Karpaltunnel (bis zu 3-mal). Häufigere Spritzen werden nicht empfohlen, da Kortison langfristig zum Abbau von Gewebe führt.

Schwere Fälle erfordern eine (zumeist ambulante) operative Behandlung, d. h. die Spaltung des den Karpaltunnel überspannenden Bandes. Dabei durchtrennt die Ärzt*in das Retinakulum entweder offen (über einen Längsschnitt an der Beugeseite der Hand) oder im Rahmen einer Gelenkspiegelung. Die endoskopische Operation führt zu geringeren Narbenbeschwerden, ermöglicht aber nicht immer die vollständige Spaltung des Retinakulums. Zudem ist das Risiko für Verletzungen von Sehnen, Nerven und Gefäßen etwas höher. Nach der Operation lassen die Beschwerden rasch nach. Eine anschließende Ruhigstellung ist nicht zwingend notwendig. Im Gegenteil: Schon am ersten postoperativen Tag sollten die Finger bereits wieder aktiv bewegt werden, um Schwellungen und Fingersteife vorzubeugen. Die Normalisierung der Handfunktion lässt sich durch gezielte physiotherapeutische Übungen beschleunigen.

Behandlungskomplikationen

  • Während des Eingriffs sind Verletzungen von Nerven oder Gefäßen möglich, die sofort mikrochirurgisch versorgt werden müssen. Manchmal kommt es nach der Operation zur Einblutung in den Karpaltunnel oder zu einer Wundinfektion, was ebenfalls eine sofortige Revisions-Operation erforderlich macht.
  • Eine weitere Komplikation ist der postoperative Schnappfinger durch Verletzung oder Einklemmung einer Sehnenscheide. Auch dies wird durch einen weiteren Eingriff korrigiert.
  • Wie bei allen operativen Eingriffen am Handgelenk droht außerdem ein Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS, auch Sudeck-Erkrankung genannt). Außerdem können Bewegungseinschränkungen zurückbleiben.

Prognose

Die Operation bessert bei 80 % der Patient*innen die Beschwerden deutlich. Wurde jedoch erst sehr spät, d. h. mehr als 3 Jahre nach Beginn der Beschwerden operiert, können lebenslange Einschränkungen, vor allem Taubheitsgefühle, bestehen bleiben.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Monotone Anstrengung vermeiden. Meiden Sie, wann immer möglich, übermäßige Anstrengungen der Hände. Gefährlich sind insbesondere Tätigkeiten, bei denen die Hände längere Zeit im Handgelenk gestreckt oder gebeugt sind, z. B. Fahrradfahren.

Ergonomisch arbeiten. Wenn Sie beruflich viel an einer Tastatur arbeiten, achten Sie auf einen einen ergonomisch gestalteten Arbeitsplatz. Dies beinhaltet z. B. ergonomische Tastaturen, ein Auflagepolster vor der Tastatur, eine größere oder vertikal funktionierende PC-Maus oder einen Touchscreen.

Pausen machen. Gönnen Sie Ihren Händen regelmäßige Pausen, um sich zu erholen. Es reicht aus, kurz aufzustehen und die Hände locker zu bewegen.

Hände abbrausen. Nach Tätigkeiten, die das Handgelenk belasten, helfen kurze kalte bis lauwarme Wassergüsse, die mit einer Brause von den Händen zum Unterarm geführt werden.

Ausschütteln. Wenn Sie nachts mit eingeschlafener Hand aufwachen, lassen sich die Beschwerden meist mit kräftigem "Ausschütteln" in den Griff bekommen.

Komplementärmedizin

Bei mäßigen Beschwerden bzw. im Anfangsstadium können Magnettherapie, Akupunktur und Ultraschallwellen einen Versuch wert sein. Verlangt das Krankheitsbild nach einer Operation, sind sie jedoch keine Alternative.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. med. Michael Bedall in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Zweitmeinung zur Hüftprothese

Das Einpflanzen einer künstlichen Hüfte und ihre Funktion werden häufig an Modellen aus Kunststoff erklärt.

Zweitmeinung zur Hüftprothese

Seit 2024 möglich

Bei ausgeprägter Arthrose wird oft das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks empfohlen. Doch viele Betroffene sind unsicher, ob das wirklich die beste Maßnahme ist. Seit 2024 gibt´s Entscheidungshilfe: Wer eine Hüftprothese bekommen soll, kann sich auf Kassenkosten eine zweite Meinung dazu einholen.

Wenn nichts anderes mehr hilft

In Deutschland werden pro Jahr etwa 240 000 künstliche Hüftgelenke (Hüftendoprothese) eingesetzt. In etwa 75% wird der Gelenkersatz aufgrund von Arthrose nötig. Empfohlen wird eine neue Hüfte nur dann, wenn alle anderen Maßnahmen zur Behandlung der Arthrose ausgeschöpft sind. Dazu gehören schmerz- und entzündungshemmende Medikamente, Krankengymnastik, Physiotherapie und die Anpassung der Belastung.

Es ist nicht ganz einfach, bei einer Hüftgelenksarthrose den besten Zeitpunkt für das Einsetzen einer Endoprothese zu finden. Operiert man zu spät, kann das Ergebnis darunter leiden. Z.B. wenn das Gelenk schon zu eingesteift war, um durch die Prothese die volle Bewegung zurückzuerlangen. Oder wenn sich das Schmerzgedächtnis nicht „löschen“ lässt, Schmerzen also trotz reibungslos funktionierender neuer Hüfte weiter bestehen bleiben. In seltenen Fällen ist vielleicht auch der Gelenkersatz gar nicht die richtige Entscheidung für die Betroffene.

Anspruch auf eine qualifizierte zweite Meinung

Auch wenn die behandelnde Ärzt*in nach bestem Wissen und Gewissen zum Hüftersatz rät – oft bleibt bei den Betroffenen eine gewisse Unsicherheit zurück. Da hilft eine neue Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GbA). Danach haben gesetzlich Krankenversicherte in Zukunft das Recht, sich eine zweite Meinung einzuholen, wenn ihnen ein Hüftgelenksersatz oder der Austausch ihrer Hüftprothese empfohlen wird. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse.

Ärzt*innen für die Zweitmeinung findet man im Netz

Die Zweitmeinung gibt es von speziell qualifizierte Fachärzt*innen, im Fall der Hüftgelenksprothese z.B. aus dem Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie. Sie beraten die Patient*innen darüber, ob der geplante Eingriff medizinisch notwendig ist und ob es eventuell doch Behandlungsalternativen gibt.

Zweitmeinungsberechtigte Ärzt*innen findet man im Internet unter www.116117.de/zweitmeinung. Auch die Krankenkassen beraten darüber, wer in der Nähe eine Zweitmeinung abgeben darf. Zu welchem der ermächtigten Fachleute man schließlich geht, entscheidet die Betroffene dann selbst.

Quellen: GbA, Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Cavan Images / R.Maghdessian