Gesundheit heute
Hyperurikämie und Gicht
Hyperurikämie: Anhäufung von Abbauprodukten des Purinstoffwechsels mit erhöhtem Harnsäurespiegel im Blut als Folge; betrifft vor allem Männer zwischen 40 und 60 Jahren. Überernährung, fleischbetonte Kost und eine erbliche Veranlagung fördern die Ausbildung einer Hyperurikämie, aber auch eine Chemotherapie bei Krebs kommt als Auslöser in Frage. Unbehandelt droht der Übergang zur Gicht.
Gicht (Urikopathie, Arthritis urica, Arthropathica urica): Zunächst akute, sodann chronisch werdende Gelenkentzündung aufgrund von Harnsäurekristallen (Urat), die wegen eines dauerhaft erhöhten Harnsäurespiegels auskristallisieren, von weißen Blutkörperchen aufgenommen werden, und sich in den Gelenkspalten ablagern. Die Gicht beginnt zunächst an einem Gelenk (Monoarthritis) mit einem akuten Gichtanfall. Dieser ist hochschmerzhaft, aber relativ gut behandelbar. Etwa 3 % der Männer und weniger als 1 % der Frauen erleiden einmal im Leben einen akuten Gichtanfall, beim Mann meist mit etwa 40 Jahren, bei Frauen zwischen 60–70 Jahren. Wird der zugrunde liegende erhöhte Harnsäurespiegel nicht durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten und/oder Medikamente beseitigt, droht – auch nach beschwerdefreien Jahren – der Übergang zur chronischen Gicht. Sie ist gekennzeichnet von Gichtanfällen in immer kürzeren Abständen, unwiderruflicher Zerstörung der befallenen Gelenke, Gichtknoten an Knochen und inneren Organen, insbesondere der Ausbildung von Nierensteinen oder einer chronischen Gichtniere.
Leitbeschwerden
Akuter Gichtanfall:
- Meist nachts auftretende unerträgliche Schmerzen, Schwellung, Überwärmung und Rötung des Großzehengrundgelenks, seltener auch des Kniegelenks und anderer Gelenke
- Starke Berührungsempfindlichkeit (die Bettdecke ist zu schwer)
- Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl (erhöhter Puls, Kopfschmerzen und Erbrechen)
Chronische Gicht:
- Ständige Gelenkschmerzen und Beschwerden an Großzehengrund-, Mittelfuß-, Ellenbogen-, Finger- und Kniegelenken, aber auch an Schulter und Wirbelsäule
- Sichtbare oder tastbare kleine Knötchen an der Haut (Gichtknoten, z. B. Ohrmuschel), aber auch an Sehnenansätzen, Sehnenscheiden und Schleimbeuteln.
Die Erkrankung
Werden Purine (Bausteine des Erbmaterials DNS) abgebaut, fällt als Endprodukt Harnsäure an, die normalerweise hauptsächlich über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden wird.
Hyperurikämie. Ist das Gleichgewicht zwischen Harnsäurezufuhr zu Ungunsten der -ausscheidung gestört, erhöht sich der Harnsäurespiegel im Blut, was der Mediziner als Hyperurikämie bezeichnet. Einer primären Hyperurikämie (mehr als 95 % der Gichtkranken) liegt eine angeborene Störung der Harnsäureausscheidung zu Grunde, seltener eine vermehrte körpereigene Harnsäurebildung aufgrund von Enzymdefekten im Purinstoffwechsel. Eine sekundäre Hyperurikämie ist ebenfalls Folge vermehrter Harnsäureproduktion, verminderter Harnsäureausscheidung oder einer Kombination aus beidem. Sie kommt z. B. als Folge des verstärkten Zellauf- und Zellabbaus bei Blutkrankheiten oder bei Nierenschäden vor.
Risikofaktoren. Zu einem Überangebot an Harnsäure im Blut kommt es durch sehr purinreiche Nahrung, schwere Muskelarbeit, den Abbau von Muskelmasse oder durch vermehrten Alkoholgenuss (vor allem Bier). Als Auslöser werden auch körperliche Anstrengung, Stress, Wetterwechsel, Operationen und Infektionen diskutiert. Seltener ist ein vermehrter Abbau von Zellen für den erhöhten Harnsäurespiegel verantwortlich, wenn bei einer Krebsbehandlung Tumorgewebe großflächig zerfällt, z. B. durch Strahlen- oder Chemotherapie.
Akuter Gichtanfall. Liegt der Harnsäurespiegel über einem kritischen Wert, bilden sich aus dem Zuviel an Harnsäure Kristalle (Harnsäuresteine = Urate, ausgefällte Harnsäure). Sie werden in den Gelenken abgelagert und es kommt langsam aber stetig zur Ausbildung der Gicht. Im akuten Gichtanfall wandern weiße Blutkörperchen in das Gelenk und fressen die Harnsäurekristalle auf. Durch eine Vielzahl von dadurch angelockten Entzündungsstoffen wird eine heftige Entzündungsreaktion in Gang gesetzt. Selbst eine leichte Berührung mit der Bettdecke oder durch Strümpfe wird als unerträglich schmerzhaft empfunden. Ausgelöst wird ein akuter Gichtanfall häufig durch Ess- und Alkoholexzesse, aber auch durch Fasten. Insbesondere dann, wenn Fasten durch den Genuss von eisgekühlten Getränken unterbrochen wird.
Tritt die Erkrankung zum ersten Mal auf, so ist meist eines der beiden Großzehengrundgelenke betroffen, seltener ein Kniegelenk.
Chronische Gicht. Sie ist gekennzeichnet durch einen Wechsel von akuten Gichtanfällen und beschwerdefreien Zeiträumen. Es kommt zur Zerstörung der Gelenke, begleitet von einer Verformung der Gelenke und Fehlstellungen von Zehen und Fingern. Häufig werden zusätzlich Gichtknoten (Gichttophi) sichtbar, die auf eine vermehrte Ablagerung von Harnsäuresteinen – auch in Knochen und Weichteilen – zurückzuführen sind.
Nierenbeteiligung. Die Hyperurikämie kann auch die Nieren schädigen, wenn Harnsäure in den Nieren auskristallisiert. Aus den Harnsäurekristallen bilden sich Harnsäuresteine, eine Form von Nierensteinen, und schließlich die chronische Gichtniere mit chronischem Nierenversagen.
Davon abzugrenzen ist die akute Schädigung der Nieren durch Harnsäure, die akute Uratnephropathie: Harnsäure wird massiv im Nierengewebe ausgefällt, und es kommt plötzlich zu einem akuten Nierenversagen. Gleiches passiert, wenn hochkonzentrierter saurer Urin gebildet wird – rückführbar auf eine zu geringe Trinkmenge.
Das macht der Arzt
Diagnosesicherung. Ein akuter Gichtanfall ist so charakteristisch, dass der Arzt ihn schon beim Anblick des betroffenen Gelenks erkennt (Blickdiagnose). Der Arzt entnimmt Blut, denn ein erhöhter Harnsäurespiegel im Blut bestätigt die Diagnose. Aus weiteren Blutwerten beurteilt er den Krankheitsverlauf und prüft die Nierenfunktion.
Selten ist eine bakterielle Gelenksentzündung mit Eiteransammlung (Abszess) schwer von einem Gichtanfall abzugrenzen, dann ist zur weiteren Klärung eine Punktion des Gelenks zur Entnahme von Gelenkflüssigkeit (Punktat) notwendig. Nur beim akuten Gichtanfall finden sich im Gelenkpunktat Harnsäurekristalle, die innerhalb von weißen Blutkörperchen liegen.
Therapie. Ziel der Behandlung ist eine dauerhafte Senkung der Harnsäurewerte auf etwa 5,5 mg/dl.
Therapie der Hyperurikämie. Wenn nur die Harnsäurewerte erhöht sind (zwischen 8,5 und 9 mg/dl), also kein akuter Gichtanfall vorliegt, wird meist auf Medikamente verzichtet. Der Patient ist angehalten, seine Lebensgewohnheiten umzustellen (purinarme Ernährung). Ausnahme ist die Hyperurikämie infolge einer Chemotherapie, denn es besteht die Gefahr des Tumor-Lyse-Syndroms: Dabei übersteigt die Menge an freigesetzten Zellbestandteilen im Blut durch den Zerfall des Tumors die Ausscheidungskapazität der Nieren. Mineralstoffentgleisungen und metabolische Störungen sind die Folge; da es eine Notfallsituation ist, ist rasches Handeln gefragt. Hier werden meist Medikamente verordnet.
Therapie des Gichtanfalls. Bei Harnsäurewerten über 9 mg/dl und gleichzeitigem Auftreten von Gichtanfällen oder Nierensteinen ist neben der Ernährungsumstellung eine medikamentöse Behandlung erforderlich. Vor allem anderen steht zunächst die Behandlung der sehr starken Schmerzen mit Schmerzmitteln (NSAR).
Die Harnsäuresteine der Niere medikamentös zu entfernen gelingt bei zwei Dritteln der Patienten in Form einer medikamentösen Steinentfernung über mehrere Monate hinweg.
Um den akuten Gichtanfall zu behandeln, werden Prednisolon und/oder nichtsteroidale Antiphlogistika eingesetzt. Colchicin (aus der Herbstzeitlose gewonnenes Zellgift, z. B. Colchicum-Dispert®) kommt aufgrund seiner Nebenwirkungen nur als Mittel zweiter Wahl zum Einsatz. Wirken orale Medikemente nicht ausreichend, kann alternativ Kortison ins Gelenk gespritzt werden (intraartikuläre Gelenkinjektion). Dabei besteht allerdings eine erhöhte Infektionsgefahr, weshalb diese Maßnahme nur in Ausnahmefällen angewendet wird.
Medikamentöse Vorbeugung. Ist der akute Gichtanfall behandelt, muss weiteren Anfällen vorgebeugt werden. Hierfür stehen zwei Arzneimittelgruppen zur Verfügung:
- Urikostatika wie beispielsweise Allopurinol (Zyloric®): Sie sorgen dafür, dass weniger Purine im Stoffwechsel anfallen und hemmen damit die Bildung von zu viel Harnsäure; sie sind Mittel der ersten Wahl.
- Urikosurika wie beispielsweise Benzbromaron und Probenecid (Probenecid Weimer®): Sie fördern die Harnsäureausscheidung über die Niere. Weil Gichtkranke oft geschädigte Nieren haben, sind Urikosurika aber riskant.
Prognose
Für die Gicht ist die Prognose abhängig von Therapie, Krankheitsverlauf und Zeitpunkt der Entdeckung, denn je früher sie diagnostiziert wird, desto besser sind die Aussichten – z. B. im Stadium einer beginnenden Hyperurikämie. Wenn die Erkrankung bereits einen chronischen Verlauf mit Veränderungen an den Gelenken genommen hat, drohen massive Bewegungseinschränkungen (Invalidität), bei Nierenschäden gar die Notwendigkeit einer Dialyse.
Selbsthilfe
- Halten Sie das betroffene Gelenk im akuten Anfall ruhig und lindern Sie die Schmerzen mit kühlenden Umschlägen (z. B. mit Alkohol).
- Vermeiden Sie extreme Ernährungssituationen wie Fastenkuren oder Völlerei, denn dadurch erhöht sich der Harnsäurespiegel noch weiter.
- Verzichten Sie auf Alkohol (v. a. Bier) und purinreiche Nahrungsmittel (vorwiegend innere Organe, Leber, Niere), besonders wenn ein erhöhter Harnsäurespiegel bei einer Routineuntersuchung gemessen wurde.
- Zu Beginn der purinarmen Diät ist es sinnvoll, Fleisch oder Fischportionen abzuwiegen, da man die Portionsgröße meist unterschätzt.
- Trinken Sie ausreichend, mindestens zwei Liter pro Tag. So beugen Sie einer Schwächung der Nieren vor, da die Harnsäure besser ausgeschieden wird.
Komplementärmedizin
Im akuten Gichtanfall vermögen komplementärmedizinische Maßnahmen wenig auszurichten.
Kälteanwendungen. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie helfen Kälteanwendungen, die Schmerzen zu lindern. Empfohlen werden z. B. kalte Bäder oder Eisbeutel, die in ein Leintuch gewickelt und auf die betroffene Stelle gelegt werden.
Homöopathie. Bei manchen Gichtpatienten hat sich die Einnahme von Mittel der Homöopathie bewährt, z. B. Bryonia oder Belladonna.
Die physikalische Therapie bei der chronischen Gicht orientiert sich an den Maßnahmen, die auch bei der Rheumatoiden Arthritis angewendet werden (Selbsthilfe).
Wärmeanwendungen. Bei chronischer Gicht unterstützen Wärmeanwendungen wie Schwitzkuren, Fangopackungen oder Moorbäder die therapeutischen Standardmaßnahmen.
Weiterführende Informationen
- www.ernaehrung.de – Internetseite des Instituts für Ernährungsinformation (DEBInet, Freudenstadt): Zum Suchwort Gicht werden Informationen zur Krankheit, zu den Medikamenten sowie zahlreiche Ernährungstipps geboten. Unter www.ernaehrung.de/tipps/gicht/harnsaeure.pdf gibt es die Tabelle mit den Harnsäuregehalten zahlreicher Lebensmittel kostenlos zum Herunterladen. Sehr hilfreich und übersichtlich.
- E. Hund-Wissner; G. Wolfram: Köstlich essen bei Gicht. Endlich niedrige Harnsäurewerte. Vom Snack bis zum Festtagsmenü: 130 abwechslungsreiche Rezepte. Trias, 2006. Wer Probleme mit einem erhöhten Harnsäurespiegel hat, braucht deswegen keine Spezialdiät oder auf Köstlichkeiten zu verzichten, wie dieser Ratgeber eindrucksvoll beweist.

Medikamente können Menschen mit starkem Übergewicht das Abnehmen erleichtern.
Abnehmen mit Nachhilfe
Von Formuladiät bis Spritze
Theoretisch ist Abnehmen ganz einfach: Man muss nur mehr Kalorien verbrauchen, als man aufnimmt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Vielen Menschen mit Übergewicht gelingt es trotz aller Anstrengung nicht, dauerhaft Gewicht zu verlieren. Dann sind Medikamente eine Option. Doch was leisten sie – und wo lauern Gefahren?
Gefährliches Fett
Fast jede zweite Frau und mehr als die Hälfte der Männer in Deutschland sind übergewichtig. Übergewicht ist definiert als ein Body-Mass-Index > 25 kg/m2. Ab 30 gilt man als stark übergewichtig oder adipös. Für die Berechnung des BMIs gibt es eine Formel, noch einfach geht es mit entsprechenden Tabellen oder BMI-Rechnern im Netz.
Starkes Übergewicht ist ein Gesundheitsrisiko, denn es begünstigt viele Krankheiten. Dazu gehören u.a. der Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Deshalb raten Expert*innen spätestens bei einem BMI über 30 zum Abnehmen. Menschen mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 sollten eine Gewichtsreduktion anstreben, wenn sie gleichzeitig unter übergewichtsbedingten Erkrankungen leiden oder vermehrtes Bauchfett haben.
Hinweis: Das Fett, das sich im Bauchraum um die inneren Organe anlagert, gilt als besonders riskant. Es produziert zahlreiche entzündungsfördernde Botenstoffe, die krankmachende Prozesse antreiben.
Abnehmen – aber wie?
Grundsätzlich wird Übergewichtigen zunächst empfohlen, ihren Lebensstil zu überprüfen und zu optimieren. Dazu gehört, sich mehr zu bewegen und sich gesund und kalorienreduziert zu ernähren. In der aktuellen Adipositas-Leitlinie heißt es, dass ein Kaloriendefizit von 500-600 kcal sinnvoll ist. Das bedeutet, dass man 500 bis 600 kcal weniger zu sich nehmen soll, als der Körper mit Grundumsatz und Leistungsumsatz verbraucht. Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die der Körper in völliger Ruhe zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen benötigt, während der Leistungsumsatz die zusätzliche Energie beschreibt, die durch körperliche Aktivität, Arbeit oder Sport verbraucht wird.
Spart man täglich diese Menge an Kalorien ein, nimmt man in den ersten drei Monaten pro Woche etwa 0,5 kg ab. Danach wehrt sich der Körper und stellt auf einen Energiesparmodus um. Dann heißt es erstmal durchhalten und nicht in alte Ernährungsgewohnheiten zurückfallen. Mit der Zeit geht es dann mit der Gewichtsabnahme wieder weiter.
Die zweite Säule für die Gewichtsreduktion ist Bewegung. Am besten ist es, täglich 30 bis 60 Minuten körperlich aktiv zu sein. Empfohlen werden Walking, Joggen, Schwimmen und Fahrradfahren, idealerweise mit moderatem Krafttraining. Insgesamt gilt: Jeder Schritt ist besser als keiner. Dazu gehört auch, statt mit dem Lift zu fahren die Treppe zu benutzen oder eine Haltestelle auch mal zu laufen.
Hinweis: Für die kalorienreduzierte Ernährung werden drei Kostformen empfohlen: Die Ernährung nach den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die mediterrane Kost oder eine vegetarische Lebensweise.
Fasten und Mahlzeitenersatz
Hilfreich beim Abnehmen kann auch Intervallfasten sein. Dabei wird zwischen zwei Strategien unterschieden: Dem 2:5-Fasten mit zwei Fastentagen pro Woche und der täglichen Fastenpause von 16 Stunden (16:8-Methode). Intervallfasten fördert nicht nur das Abspecken. Es hat auch positive Auswirkungen auf den Zucker- und Fettstoffwechsel und auf die Leber. Wer unter chronischen Krankheiten oder niedrigem Blutdruck leidet, sollte das Fasten mit der Hausärzt*in absprechen.
Eine weitere beliebte Methode zum Abnehmen ist der Mahlzeitenersatz durch Formuladiäten. Die industriell gefertigten Nährstoffgemische werden meist mit Wasser oder Milch angerührt. Sie helfen vor allem beim Einstieg in den Prozess des Abnehmens. Dabei werden zu Beginn zwei Mahlzeiten, später nur noch eine durch ein geeignetes Produkt ersetzt. Formuladiäten haben den Vorteil, dass sie trotz Kalorienreduktion alle lebensnotwendigen Nährstoffe mitliefern. Wichtig: Auch Formuladiäten sollten von chronisch Kranken nicht auf eigene Faust durchgeführt werden. Denn bei ihnen können durch schnelles Abnehmen Gesundheitsrisiken auftreten. Zur Sicherheit ist vorher eine Ärzt*in zu konsultieren.
Hinweis: Sowohl das Intervallfasten als auch die Formuladiät sollten wie alle Abspeckstrategien in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, d. h. von einer Ernährungsoptimierung und mehr Bewegung begleitet werden.
Rezeptfreie Hilfe aus der Apotheke
Es gibt zahlreiche rezeptfreie Produkte, die beim Abnehmen unterstützend wirken.
- Quellmittel binden Flüssigkeit im Magen und vermitteln ein künstliches Sättigungsgefühl. Damit es nicht zu Blähungen, Verdauungsproblemen und Verstopfung kommt, muss man unbedingt ausreichend trinken. Quellmittel gibt es als spezielle Produkte, aber auch Leinsamen und Flohsamenschalen können große Mengen an Flüssigkeit binden.
- Fettbinder binden die aufgenommenen Fette im Darm und verhindern so deren Aufnahme ins Blut. Stattdessen werden die Fette dann über den Stuhl ausgeschieden. Dadurch kann es allerdings zu Verdauungsbeschwerden kommen, auch ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen ist möglich.
- Orlistat ist ein sogenannter Fettblocker. Er hemmt im Darm die Enzyme, die die aufgenommenen Fette spalten (Lipasen). Dadurch können die Fette nicht über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Auf diese Weise wird etwa ein Drittel der mit der Nahrung zugeführten Fette mit dem Stuhl unverdaut ausgeschieden. Auch durch den Fettblocker kann es zu Verdauungsstörungen wie Blähungen und Bauchschmerzen kommen. Insbesondere ist das der Fall, wenn die Mahlzeit mehr als 15 g Fett beinhaltet. Deshalb sollten die Mahlzeiten auch mit der Einnahme von Orlistat so fettarm wie möglich ausfallen. Orlistat ist für Menschen über 18 Jahren geeignet, die einen BMI über 28 aufweisen. In der Wirkstärke von 60 mg kann es rezeptfrei in der Apotheke erworben werden. Vorsicht ist bei Menschen geboten, die regelmäßig Medikamente einnehmen. Sie sollten vor der Einnahme ihre Ärzt*in aufsuchen. Vor allem bei Blutdruckmitteln und Antidiabetika muss häufig die Dosis angepasst werden.
Hinweis: Zum Abnehmen werden im Internet oft Fettburner empfohlen. Sie sollen die Fettverbrennung ankurbeln. Wissenschaftlich belegt ist diese Wirkung jedoch nicht.
Medikamente zum Abspecken
Viele Menschen schaffen es nicht, mit den genannten Maßnahmen ausreichend abzunehmen. Denn die Gewichtsreduktion ist nicht nur eine Frage der Disziplin. Es gibt etliche Faktoren, die beim Abnehmen stören. So reagiert der Körper auf die Kalorienreduktion oft kontraproduktiv: Er senkt seinen Grundumsatz und steigert den Appetit. Stress, Depression oder Angststörungen können zudem das Essverhalten stark beeinflussen und Abnehmversuche zunichtemachen. Dazu kommt die Umwelt, die permanent mit hochkalorischen, oft ungesunden Lebensmitteln lockt – sei es im Supermarkt oder bei geselligen Anlässen. Und schlussendlich ist es für viele nicht leicht, Sport und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.
Um den komplexen Prozess des Abnehmens zu unterstützen, gibt es inzwischen einige verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie sind zur Behandlung der Adipositas (BMI über 30) bzw. bei Übergewicht (BMI 25 bis 29,9) plus begleitenden Risikofaktoren zugelassen und werden zusätzlich zu Ernährungsumstellung und Bewegung verordnet.
Orlistat 120 mg. In der Dosierung von 120 mg ist der Fettblocker verschreibungspflichtig. Die Substanz wird dreimal täglich zu den fetthaltigen Mahlzeiten eingenommen. Aufgrund der doppelt so hohen Dosierung wie beim rezeptfreien Präparat muss vermehrt auf Nebenwirkungen geachtet werden, weshalb bei der Therapie eine ärztliche Überwachung vorgeschrieben ist. Zu erwarten ist ein Gewichtsverlust von etwa 5-7% des Gesamtgewichts.
GLP-1-Analoga. Diese Wirkstoffe imitieren die Wirkung des körpereigenen Darmhormons Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1). Bei erhöhtem Blutzucker stimulieren sie die Insulinausschüttung und hemmen die Freisetzung des Hormons Glukagon, das den Blutzucker erhöht. Außerdem verzögern sie die Entleerung des Magens. Dadurch steigt das Sättigungsgefühl und der Appetit sinkt. Durch diese Wirkprinzipien unterstützen sie nicht nur die Blutzuckerkontrolle (wofür sie zunächst entwickelt wurden). Sie fördern auch eine Gewichtsabnahme.
GLP-1-Analoga werden unter die Haut gespritzt. Das muss sein: Da es sich bei ihnen um Peptide (Eiweiße) handelt, würden sie bei oraler Aufnahme als Tabletten im Magen-Darm-Trakt verdaut werden und ihre Wirksamkeit verlieren. Zur Behandlung der Adipositas sind zwei GLP-1-Analoga zugelassen. Das ältere, Liraglutid, wird täglich gespritzt. Mit ihm ist eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 8-10% des Gesamtgewichts erreichbar. Das seit 2022 erhältliche Semaglutid spritzt man einmal pro Woche. Es soll zu einer Abnahme von etwa 15-17% führen.
Die häufigsten Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga betreffen den Magen-Darm-Trakt. Sehr oft kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung sowie Bauchschmerzen. Auch über Kopfschmerzen und Schwindel wird berichtet. Neben diesen Beschwerden sind sehr selten auch schwerwiegende Nebenwirkungen möglich. Dazu gehören u. a. der Darmverschluss, die Entzündung der Bauchspeicheldrüse und eine Magenlähmung. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, die GLP-1-Analoga spritzen, ihren Körper gut beobachten und bei Gesundheitsproblemen frühzeitig ihre Ärzt*in aufsuchen.
Hinweis: Diskutiert wurde auch, dass unter GLP-1-Analoga Suizidgedanken und Suizide vermehrt auftreten. In aktuellen Studien konnte ein Zusammenhang bisher nicht bestätigt werden.
Mit dualem Agonisten noch mehr Gewicht verlieren
GLP-1-Analoga wirken im Darm an einem bestimmten Rezeptor, am GLP-1-Rezeptor. Seit einiger Zeit ist in Deutschland ein dualer Agonist zugelassen: Tirzepatid bindet sowohl am GLP1-Rezeptor als auch am Rezeptor für das „Glukoseabhängige insulinotrope Peptid“, kurz GIP. GIP fördert die Insulinausschüttung und beeinflusst das Appetit- und Sättigungszentrum im Gehirn.
Durch die Wirkung auf GLP1- und GIP-Rezeptoren entfaltet Tirzepatid bei der Blutzuckerregulierung und bei der Gewichtsreduktion stärkere Effekte als Liraglutid und Semaglutid. Neue Untersuchung zeigen zudem, dass Tirzepatid bei adipösen Patient*innen mit Herzschwäche das Risiko für einen Herz-Kreislauf-bedingten Tod und das Fortschreiten der Herzschwäche senkt.
Durch den doppelten Ansatz kommt es zu einer noch stärkeren Gewichtsreduktion. Man geht davon aus, dass Betroffene bei korrekter Verwendung bis zu 31% ihres Gesamtgewichts verlieren können. Wie Semaglutid wird auch Tirzepatid einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt. Und ebenso wie die beiden GLP1-Analoga sollte auch Tirzepatid nicht allein, sondern im Rahmen einer Gesamtkonzepts inklusive Ernährungsumstellung und mehr Bewegung eingesetzt werden.
Auch bei Tirzepatid kommt es sehr häufig zu Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich. Eine langsame Steigerung der Dosis – unter ärztlicher Aufsicht! – kann die Therapie verträglicher machen. Typisch sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall, selten kann es zu einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung kommen. Obwohl Tirzepatid effektiver ist als GLP1-Analoga, scheinen entsprechende Beschwerden nicht häufiger oder stärker aufzutreten.
Hinweis: Übergewichtige müssen bisher die Kosten für eine Gewichtsreduktionstherapie mit GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga aus eigener Tasche bezahlen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese Wirkstoffe nur, wenn sie zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes verschrieben werden.
Ozempic-Babys als Nebenwirkung
Seit geraumer Zeit geistert der Begriff der sogenannten „Ozempic-Babys“ durch das Internet. Damit werden ungeplante Schwangerschaften bei Frauen bezeichnet, die mit GLP1-Analoga behandelt werden (Ozempic ist der Warenname von Semaglutid zur Therapie von Typ-2-Diabetes). Prinzipiell ist dies bei allen GLP1-Analoga, auch bei GLP1/GIP-Analoga möglich.
Zwei Ursachen werden dafür diskutiert: Übergewichtige oder adipöse Frauen haben häufig hormonelle Störungen, die die Fruchtbarkeit verschlechtern. Durch die Gewichtsabnahme kann sich der Hormonhaushalt wieder normalisieren und die Empfängnisbereitschaft verbessert werden.
Ein weiterer Grund für ungeplante Schwangerschaften ist die Beeinträchtigung von oralen Verhütungsmitteln. Nebenwirkungen der GLP1-Analoga-Therapie wie Erbrechen und Durchfall können die Aufnahme der „Pille“ im Darm beeinträchtigen und damit die Verhütung unwirksam machen.
Kommt es unter der Therapie mit GLP-1- oder GLP1/GIP-Analoga zu einer Empfängnis, soll die Behandlung abgebrochen werden. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht erforderlich: In bisherigen Studien war die Rate schwerer Geburtsfehler bei Frauen, die unter GLP-1-Analoga schwanger wurden, nicht höher als bei Frauen mit Typ-2-Diabetes oder Übergewicht. Eine engmaschige Betreuung der werdenden Mutter wird jedoch angeraten.
Hinweis: Von der Einnahme von GLP1-Analoga und GLP1/GIP-Analoga wird in der Schwangerschaft prinzipiell abgeraten, da es noch keine ausreichenden Daten zur Sicherheit gibt. Die Hersteller weisen darauf hin, dass bei einer Therapie mit diesen Wirkstoffen eine sichere Verhütung dringend erforderlich ist. Pillenanwender*innen werden zusätzliche Verhütungsmaßnahmen empfohlen.
Wunschgewicht mit Abnehmspritze erreicht – und nun?
Ist mithilfe von GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga das Ziel erreicht, stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Wird die Spritze einfach abgesetzt, droht die Gefahr, dass ein Großteil des verlorenen Gewichts innerhalb eines Jahres wieder zugenommen wird.
Das liegt daran, dass die Spritze das Sättigungsgefühl und den Appetit reguliert. Ohne die Wirkstoffe bleibt die schnelle Sättigung aus, die Betroffenen essen wieder mehr und die Pfunde sammeln sich erneut an. Die meisten Menschen müssen diese Medikamente deshalb langfristig – evtl. sogar ein Leben lang – anwenden, um den Effekt aufrecht zu erhalten.
Ein Absetzen nach Erreichen des Wunschgewichts ist jedoch nicht ausgeschlossen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewichtsreduktion mit GLP1- und GIP-Analoga in eine übergreifende Strategie integriert wurde. Das bedeutet, dass die Übergewichtigen während der Therapie ihren Lebensstil optimieren müssen: Für langfristige Effekte ohne den weiteren Einsatz der Wirkstoffe ist es zwingend erforderlich, die Ernährung dauerhaft anzupassen und täglich körperlich aktiv zu sein.
Folgende Kriterien sollten für ein Absetzen von GLP1/GIP-Analoga erfüllt sein:
- Stabil gehaltenes Gewicht über mindestens sechs Monate,
- regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens 150 Minuten / Woche),
- kontinuierliche gesunde Ernährung, die nicht als Diät gesehen wird,
- stabiles Essverhalten ohne Heißhungerphasen, kein Essen aufgrund von Stress und eine
- stabile Psyche.
In diesen Fällen kann unter engmaschiger ärztlicher Betreuung ein Absetzen versucht werden. Wichtig ist, dass dieses nicht abrupt, sondern schrittweise geschieht. Empfohlen wird häufig auch eine begleitende Verhaltens- oder Ernährungstherapie. Sollte es trotzdem zu Heißhungerattacken oder eine Gewichtszunahme von mehr als 2-3 kg in kurzer Zeit kommen, heißt es Gegensteuern. Gleiches gilt, wenn die Motivation zu Sport und Bewegung absinkt. Für diese Fälle ist nach Rücksprache mit der Ärzt*in gegebenenfalls eine erneute Aufnahme der Therapie erforderlich.
Quellen: pta heute, Gelbe Liste, Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft