Gesundheit heute

Hypophysenvorderlappen-Unterfunktion

Hypophysenvorderlappen-Unterfunktion (HVL-Insuffizienz, Hypopituitarismus): Verringerte oder komplett ausgefallene Produktion und Ausschüttung der Steuerhormone aus dem Hypophysenvorderlappen. Diese Hormone regulieren u. a. die Bildung der Geschlechtshormone, der Nebennierenrindenhormone und der Schilddrüsenhormone. In der Folge kommt es bei der Unterfunktion zum Beispiel zu Wachstumsminderung, Libidoverlust, Antriebslosigkeit und Verschwinden der Intimbehaarung. Die Ursache ist häufig ein Hypophysentumor, dann leiden die Betroffenen neben den Beschwerden des Hormonmangels zusätzlich unter Kopfschmerzen oder Sehstörungen. Der Hormonmangel ist durch die Gabe von Hormonen gut behandelbar, unbehandelt aber lebensgefährlich.

Symptome und Leitbeschwerden

Die Beschwerden richten sich danach, welche der Steuerhormone des Hypophysenvorderlappens ausgefallen sind:

  • Wachstumsminderung (Ausfall von Somatotropin)
  • Libidoverlust, Ausbleiben der Monatsblutung, Ausfall der Schambehaarung und der Haare in der Achselhöhle, Schwinden der Augenbrauen (Ausfall von LH/FSH)
  • Müdigkeit, niedriger Blutdruck, Übelkeit (Nebennierenrindeninsuffizienz durch Ausfall von ACTH)
  • Apathie, Schwäche, Antriebslosigkeit, Haarausfall (Schilddrüsenunterfunktion durch Ausfall von TSH)
  • Gestörte Muttermilchproduktion bei stillenden Frauen (Ausfall von Prolaktin)
  • Kopfschmerzen und Sehstörungen durch erhöhten Druck im Gehirn und auf den Sehnerv durch einen wachsenden Tumor.

Wann in die Arztpraxis

Am gleichen Tag bei

  • starken Kopfschmerzen und Sehstörungen.

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden ohne erkennbare Ursache auftreten.

Die Erkrankung

Die Hypophyse ist eine kleine Drüse, die sich im Gehirn unterhalb des Hypothalamus befindet. Wegen ihrer Lage wird sie auch Hirnanhangsdrüse genannt. Sie besteht aus einem Vorder- und einem Hinterlappen. Der Hinterlappen speichert zwei im Hypothalamus gebildete Hormone (Oxytocin und Vasopressin) und gibt diese bei Bedarf frei.

Der Vorderlappen produziert eine Vielzahl von Hormonen und gibt diese dann ins Blut ab. Diese Steuerhormone regulieren untergeordnete Hormondrüsen oder den Stoffwechsel direkt:

  • Somatotropin stimuliert das Längenwachstum, fördert die Bildung von Eiweißen und das Wachstum von Gewebe.
  • Luteinisierendes Hormon (LH) reguliert den Menstruationszyklus und stimuliert die Östrogenproduktion der Frau. Beim Mann stimuliert es die Produktion von Testosteron.
  • Follikelstimulierendes Hormon (FSH) regt die Follikelbildung in den Eierstöcken an, bei Männern fördert es die Produktion der Spermien.
  • Schilddrüsenstimulierendes Hormon (Thyrotropin, TSH) fördert in der Schilddrüse die Bildung von Thyroxin und Trijodthyronin, den Schilddrüsenhormonen.
  • ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) regt die Nebennierenrinde dazu an, Cortisol zu bilden und auszuschütten.
  • Prolaktin stimuliert das Wachstum der Brustdrüsen und die Milchbildung.
  • Melanozytenstimulierendes Hormon (MSH) steigert die Melaninbildung in den Melanozyten der Haut an und fördert so die Pigmentierung, also die Einlagerung vom dunklen Farbstoff Melanin in die Haut.

Zu einer Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens kommt es, wenn das hormonproduzierende Gewebe geschädigt oder zerstört wird. Die häufigste Ursache dafür ist ein Tumor, z. B. ein Meningeom oder ein Prolaktinom. Aber auch Verletzungen der Hypophyse durch einen Unfall oder im Rahmen einer Operation können den Vorderlappen schädigen. Weitere Ursachen sind Gefäßveränderungen, Entzündungen (z. B. bei Tuberkulose) oder autoimmune Erkrankungen. Auch bei einem starken Blutverlust während der Geburt kann es zum Absterben von Hypophysengewebe kommen und sich das seltene Sheehan-Syndrom entwickeln.

Klinik

Ist ein Hypophysentumor die Ursache, beginnt die Erkrankung meist mit Kopfschmerzen oder Sehstörungen. Sie entstehen dadurch, dass der anwachsende Tumor auf das Gehirn und die Sehnerven drückt. Zu Hormonmangelstörungen kommt es erst, wenn etwa 80 % des Hypophysenvorderlappens zerstört sind. Dabei fallen die Steuerhormone häufig in einer bestimmten Reihenfolge aus:

Zuerst ist meist Somatotropin betroffen. Bei Kindern kommt es durch dessen Fehlen zu Wachstumsminderung, Erwachsene entwickeln Störungen des Fett- und Proteinstoffwechsels und Osteoporose.

Als nächstes fallen häufig LH und FSH aus. Dies führt zu

  • Libidoverlust
  • Ausbleiben der Monatsblutung
  • Ausfall der Scham- und Achselhaare
  • Verschwinden der seitlichen Augenbrauen.

Erst spät macht sich das Fehlen der anderen Steuerhormone bemerkbar. Zeichen dafür sind

  • niedriger Blutdruck, Kraft- und Antriebslosigkeit, Übelkeit und Erbrechen durch die Nebennierenrindeninsuffizienz (ACTH-Mangel)
  • Hautblässe aufgrund eines Mangels an MSH
  • Antriebslosigkeit, trockene Haut und Haare, Verstopfung durch die Schilddrüsenunterfunktion (TSH-Mangel)
  • Ausfall der Milchproduktion bei stillenden Frauen (Prolaktin-Mangel).

Gibt die Hypophyse gar keine Hormone mehr ins Blut ab, droht ein Koma mit Atem- und Kreislaufstörungen, Unterkühlung, Unterzucker und Bewusstlosigkeit.

Hinweis: Manche Hypophysentumoren sind hormonell aktiv. Das bedeutet, dass eines der Steuerhormone übermäßig produziert wird. Wird z. B. bei einem Somatotropinom zuviel Wachstumshormon (Somatotropin) gebildet und ausgeschüttet, vergrößern sich bei Erwachsenen Schädel, Hände und Füße (Akromegalie). Die anderen hormonbildenden Zellen werden dabei oft verdrängt, wodurch es zu Unterfunktionen kommt.

Diagnosesicherung

Wenn die Beschwerden der Patient*in auf einen Hormonmangel hinweisen, überprüft die Ärzt*in zunächst die Hormonspiegel im Blut. Sind diese zu niedrig, kann das sowohl an der untergeordneten Drüse (also zum Beispiel bei Östrogen-Mangel an den Eierstöcken) oder am Hypophysenvorderlappen liegen. Zur Unterscheidung misst man das entsprechende Steuerhormon – im Fall des Östrogenmangels das LH. Ist dies ebenfalls zu niedrig, liegt der Östrogenmangel nicht an den Eierstöcken, sondern am übergeordneten Hypophysenvorderlappen.

Stimulationstests. In der Regel bestimmt man bei einem Verdacht auf eine Hypophysenvorderlappen-Unterfunktion alle Steuerhormone. Einige dieser Hypophysenhormone werden jedoch in bestimmten zeitlichen Rhythmen freigesetzt. Das bedeutet, dass sie nicht permanent in gleicher Höhe im Blut nachweisbar sind – niedrige Werte also auch normal sein können. Um zu erkennen, ob die Hypophyse geschädigt ist oder nicht, bedient sich die Ärzt*in passender Stimulationstests.

Einer dieser Tests ist der Insulin-Hypoglykämietest. Die Patient*in bekommt unter ärztlicher Aufsicht so viel Insulin verabreicht, dass der Blutzucker stark absinkt. Niedriger Blutzucker ist für die Hypophyse ein Reiz, sowohl ACTH als auch Somatotropin auszuschütten. Wenn die Werte dieser Steuerhormone im Blut trotz des niedrigen Blutzuckers nicht über einen Grenzwert ansteigen, gilt die Unterfunktion der entsprechenden Hypophysenvorderlappenanteile als erwiesen.

Bildgebung. Bei einer nachgewiesenen Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens muss im nächsten Schritt nach der Ursache gesucht werden. Am häufigsten handelt es sich dabei um einen Tumor, manchmal auch um eine Hirnblutung. Beides lässt sich sehr gut mithilfe einer MRT-Aufnahme des Schädels nachweisen.

Stehen seltenere Ursachen für die Erkrankung im Raum, wird mit den entsprechenden Untersuchungsmethoden danach gefahndet. Neben bildgebenden Verfahren spielen dann zum Nachweis von Entzündungen und Autoimmunprozessen auch Laboruntersuchungen eine Rolle.

Behandlung

Bei einer Hypophysenvorderlappen-Unterfunktion müssen die ausgefallenen Hormone meist lebenslang ersetzt werden (Hormonersatztherapie). Je nach fehlendem Hormon und Patientenwunsch sind verschiedene Verabreichungsarten möglich.

Geschlechtshormone: Testosteron kann als Gel auf die Haut aufgetragen oder in den Muskel gespritzt werden. Östrogene und Gestagene werden als Tabletten, Gele oder Pflaster verabreicht. Bei Kinderwunsch muss bei betroffenen Frauen der Eisprung stimuliert werden, bei Männern die Spermienproduktion. Dazu spritzt man täglich die Steuerhormone LH und FSH, manchmal erfolgt dies auch über eine Hormonpumpe.

Schilddrüsenhormone: Wie bei anderen Formen der Hypothyreose wird das fehlende Schilddrüsenhormon meist mit Levothyroxintabletten zugeführt.

Cortisol: Zum Ausgleich des Cortisolmangels dient Hydrocortison in Tablettenform. Für den Notfall sollten Betroffene ein Notfallset mit Hydrocortisonampullen zum Spritzen dabei haben und für eine Eigeninjektion geschult sein.

Somatotropin: Bei Erwachsenen ist ein Ersatz des fehlenden Hormons meist nicht nötig. Bei Kindern wird durch tägliches Spritzen unter die Haut (Subkutanspritzen) der Mangel ausgeglichen, um Kleinwuchs zu vermeiden.

Operation

Die Behandlung eines Hypophysentumors hängt von seiner Größe und seiner Lage ab. Kleine Tumoren, die nicht zu einer übermäßigen Ausschüttung eines der Steuerhormone führen, überwacht man sorgfältig mit bildgebenden Verfahren. Sobald der Tumor wächst oder auf den Sehnerv drückt, wird er entfernt. Dies geschieht durch eine Operation oder durch Bestrahlung.

Prognose

Wenn frühzeitig sämtliche fehlenden Hormone ersetzt werden und die Therapie gut überwacht wird, kann die Patient*in ein normales Leben mit normaler Lebenserwartung führen. Die weitere Prognose hängt davon ab, ob und welche Erkrankung der Hypophyse zugrunde liegt und wie gut sich diese behandeln lässt. Hypophysenadenome lassen sich meist gut entfernen, sodass die Prognose ebenfalls gut ist.

Ihre Apotheke empfiehlt

Notfallausweis mitführen. Patient*innen mit einem Cortisolmangel bekommen in der Regel einen entsprechenden Notfallausweis. Das ist wichtig, damit bei Unfällen oder anderen Notfällen die behandelnden Ärzt*innen erkennen, dass der Betroffene unter einer Nebenniereninsuffizienz mit Cortisolmangel leidet.

Ärzte informieren. Über eine Hormonersatztherapie mit Hydrocortison müssen alle behandelnden Ärzt*innen informiert sein. Die wichtigsten Krankenunterlagen sollten deshalb immer zu ärztlichen Kontakten mitgebracht werden. Sind Operationen, zahnärztliche Eingriffe oder eine Darmspiegelung geplant, muss die Hydrocortison-Dosis daran angepasst werden.

Weiterführende Informationen

Für Patient*innen mit Hypophysenerkrankungen und deren Angehörige gibt es das "Netzwerk für Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen, e. V.". Es bietet Informationen, einen Newsletter und Kontakt zu zahlreichen Regionalgruppen.

Von: Kristine Raether-Buscham, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Abnehmen mit Nachhilfe

Medikamente können Menschen mit starkem Übergewicht das Abnehmen erleichtern.

Abnehmen mit Nachhilfe

Von Formuladiät bis Spritze

Theoretisch ist Abnehmen ganz einfach: Man muss nur mehr Kalorien verbrauchen, als man aufnimmt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Vielen Menschen mit Übergewicht gelingt es trotz aller Anstrengung nicht, dauerhaft Gewicht zu verlieren. Dann sind Medikamente eine Option. Doch was leisten sie – und wo lauern Gefahren?

Gefährliches Fett

Fast jede zweite Frau und mehr als die Hälfte der Männer in Deutschland sind übergewichtig. Übergewicht ist definiert als ein Body-Mass-Index > 25 kg/m2. Ab 30 gilt man als stark übergewichtig oder adipös. Für die Berechnung des BMIs gibt es eine Formel, noch einfach geht es mit entsprechenden Tabellen oder BMI-Rechnern im Netz.

Starkes Übergewicht ist ein Gesundheitsrisiko, denn es begünstigt viele Krankheiten. Dazu gehören u.a. der Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Deshalb raten Expert*innen spätestens bei einem BMI über 30 zum Abnehmen. Menschen mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 sollten eine Gewichtsreduktion anstreben, wenn sie gleichzeitig unter übergewichtsbedingten Erkrankungen leiden oder vermehrtes Bauchfett haben.

Hinweis: Das Fett, das sich im Bauchraum um die inneren Organe anlagert, gilt als besonders riskant. Es produziert zahlreiche entzündungsfördernde Botenstoffe, die krankmachende Prozesse antreiben.

Abnehmen – aber wie?

Grundsätzlich wird Übergewichtigen zunächst empfohlen, ihren Lebensstil zu überprüfen und zu optimieren. Dazu gehört, sich mehr zu bewegen und sich gesund und kalorienreduziert zu ernähren. In der aktuellen Adipositas-Leitlinie heißt es, dass ein Kaloriendefizit von 500-600 kcal sinnvoll ist. Das bedeutet, dass man 500 bis 600 kcal weniger zu sich nehmen soll, als der Körper mit Grundumsatz und Leistungsumsatz verbraucht. Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die der Körper in völliger Ruhe zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen benötigt, während der Leistungsumsatz die zusätzliche Energie beschreibt, die durch körperliche Aktivität, Arbeit oder Sport verbraucht wird.

Spart man täglich diese Menge an Kalorien ein, nimmt man in den ersten drei Monaten pro Woche etwa 0,5 kg ab. Danach wehrt sich der Körper und stellt auf einen Energiesparmodus um. Dann heißt es erstmal durchhalten und nicht in alte Ernährungsgewohnheiten zurückfallen. Mit der Zeit geht es dann mit der Gewichtsabnahme wieder weiter.

Die zweite Säule für die Gewichtsreduktion ist Bewegung. Am besten ist es, täglich 30 bis 60 Minuten körperlich aktiv zu sein. Empfohlen werden Walking, Joggen, Schwimmen und Fahrradfahren, idealerweise mit moderatem Krafttraining. Insgesamt gilt: Jeder Schritt ist besser als keiner. Dazu gehört auch, statt mit dem Lift zu fahren die Treppe zu benutzen oder eine Haltestelle auch mal zu laufen.

Hinweis: Für die kalorienreduzierte Ernährung werden drei Kostformen empfohlen: Die Ernährung nach den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die mediterrane Kost oder eine vegetarische Lebensweise.

Fasten und Mahlzeitenersatz

Hilfreich beim Abnehmen kann auch Intervallfasten sein. Dabei wird zwischen zwei Strategien unterschieden: Dem 2:5-Fasten mit zwei Fastentagen pro Woche und der täglichen Fastenpause von 16 Stunden (16:8-Methode). Intervallfasten fördert nicht nur das Abspecken. Es hat auch positive Auswirkungen auf den Zucker- und Fettstoffwechsel und auf die Leber. Wer unter chronischen Krankheiten oder niedrigem Blutdruck leidet, sollte das Fasten mit der Hausärzt*in absprechen.

Eine weitere beliebte Methode zum Abnehmen ist der Mahlzeitenersatz durch Formuladiäten. Die industriell gefertigten Nährstoffgemische werden meist mit Wasser oder Milch angerührt. Sie helfen vor allem beim Einstieg in den Prozess des Abnehmens. Dabei werden zu Beginn zwei Mahlzeiten, später nur noch eine durch ein geeignetes Produkt ersetzt. Formuladiäten haben den Vorteil, dass sie trotz Kalorienreduktion alle lebensnotwendigen Nährstoffe mitliefern. Wichtig: Auch Formuladiäten sollten von chronisch Kranken nicht auf eigene Faust durchgeführt werden. Denn bei ihnen können durch schnelles Abnehmen Gesundheitsrisiken auftreten. Zur Sicherheit ist vorher eine Ärzt*in zu konsultieren.

Hinweis: Sowohl das Intervallfasten als auch die Formuladiät sollten wie alle Abspeckstrategien in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, d. h. von einer Ernährungsoptimierung und mehr Bewegung begleitet werden.

Rezeptfreie Hilfe aus der Apotheke

Es gibt zahlreiche rezeptfreie Produkte, die beim Abnehmen unterstützend wirken.

  • Quellmittel binden Flüssigkeit im Magen und vermitteln ein künstliches Sättigungsgefühl. Damit es nicht zu Blähungen, Verdauungsproblemen und Verstopfung kommt, muss man unbedingt ausreichend trinken. Quellmittel gibt es als spezielle Produkte, aber auch Leinsamen und Flohsamenschalen können große Mengen an Flüssigkeit binden.
  • Fettbinder binden die aufgenommenen Fette im Darm und verhindern so deren Aufnahme ins Blut. Stattdessen werden die Fette dann über den Stuhl ausgeschieden. Dadurch kann es allerdings zu Verdauungsbeschwerden kommen, auch ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen ist möglich.
  • Orlistat ist ein sogenannter Fettblocker. Er hemmt im Darm die Enzyme, die die aufgenommenen Fette spalten (Lipasen). Dadurch können die Fette nicht über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Auf diese Weise wird etwa ein Drittel der mit der Nahrung zugeführten Fette mit dem Stuhl unverdaut ausgeschieden. Auch durch den Fettblocker kann es zu Verdauungsstörungen wie Blähungen und Bauchschmerzen kommen. Insbesondere ist das der Fall, wenn die Mahlzeit mehr als 15 g Fett beinhaltet. Deshalb sollten die Mahlzeiten auch mit der Einnahme von Orlistat so fettarm wie möglich ausfallen. Orlistat ist für Menschen über 18 Jahren geeignet, die einen BMI über 28 aufweisen. In der Wirkstärke von 60 mg kann es rezeptfrei in der Apotheke erworben werden. Vorsicht ist bei Menschen geboten, die regelmäßig Medikamente einnehmen. Sie sollten vor der Einnahme ihre Ärzt*in aufsuchen. Vor allem bei Blutdruckmitteln und Antidiabetika muss häufig die Dosis angepasst werden.

Hinweis: Zum Abnehmen werden im Internet oft Fettburner empfohlen. Sie sollen die Fettverbrennung ankurbeln. Wissenschaftlich belegt ist diese Wirkung jedoch nicht.

Medikamente zum Abspecken

Viele Menschen schaffen es nicht, mit den genannten Maßnahmen ausreichend abzunehmen. Denn die Gewichtsreduktion ist nicht nur eine Frage der Disziplin. Es gibt etliche Faktoren, die beim Abnehmen stören. So reagiert der Körper auf die Kalorienreduktion oft kontraproduktiv: Er senkt seinen Grundumsatz und steigert den Appetit. Stress, Depression oder Angststörungen können zudem das Essverhalten stark beeinflussen und Abnehmversuche zunichtemachen. Dazu kommt die Umwelt, die permanent mit hochkalorischen, oft ungesunden Lebensmitteln lockt – sei es im Supermarkt oder bei geselligen Anlässen. Und schlussendlich ist es für viele nicht leicht, Sport und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.

Um den komplexen Prozess des Abnehmens zu unterstützen, gibt es inzwischen einige verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie sind zur Behandlung der Adipositas (BMI über 30) bzw. bei Übergewicht (BMI 25 bis 29,9) plus begleitenden Risikofaktoren zugelassen und werden zusätzlich zu Ernährungsumstellung und Bewegung verordnet.

Orlistat 120 mg. In der Dosierung von 120 mg ist der Fettblocker verschreibungspflichtig. Die Substanz wird dreimal täglich zu den fetthaltigen Mahlzeiten eingenommen. Aufgrund der doppelt so hohen Dosierung wie beim rezeptfreien Präparat muss vermehrt auf Nebenwirkungen geachtet werden, weshalb bei der Therapie eine ärztliche Überwachung vorgeschrieben ist. Zu erwarten ist ein Gewichtsverlust von etwa 5-7% des Gesamtgewichts.

GLP-1-Analoga. Diese Wirkstoffe imitieren die Wirkung des körpereigenen Darmhormons Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1). Bei erhöhtem Blutzucker stimulieren sie die Insulinausschüttung und hemmen die Freisetzung des Hormons Glukagon, das den Blutzucker erhöht. Außerdem verzögern sie die Entleerung des Magens. Dadurch steigt das Sättigungsgefühl und der Appetit sinkt. Durch diese Wirkprinzipien unterstützen sie nicht nur die Blutzuckerkontrolle (wofür sie zunächst entwickelt wurden). Sie fördern auch eine Gewichtsabnahme.

GLP-1-Analoga werden unter die Haut gespritzt. Das muss sein: Da es sich bei ihnen um Peptide (Eiweiße) handelt, würden sie bei oraler Aufnahme als Tabletten im Magen-Darm-Trakt verdaut werden und ihre Wirksamkeit verlieren. Zur Behandlung der Adipositas sind zwei GLP-1-Analoga zugelassen. Das ältere, Liraglutid, wird täglich gespritzt. Mit ihm ist eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 8-10% des Gesamtgewichts erreichbar. Das seit 2022 erhältliche Semaglutid spritzt man einmal pro Woche. Es soll zu einer Abnahme von etwa 15-17% führen.

Die häufigsten Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga betreffen den Magen-Darm-Trakt. Sehr oft kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung sowie Bauchschmerzen. Auch über Kopfschmerzen und Schwindel wird berichtet. Neben diesen Beschwerden sind sehr selten auch schwerwiegende Nebenwirkungen möglich. Dazu gehören u. a. der Darmverschluss, die Entzündung der Bauchspeicheldrüse und eine Magenlähmung. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, die GLP-1-Analoga spritzen, ihren Körper gut beobachten und bei Gesundheitsproblemen frühzeitig ihre Ärzt*in aufsuchen.

Hinweis: Diskutiert wurde auch, dass unter GLP-1-Analoga Suizidgedanken und Suizide vermehrt auftreten. In aktuellen Studien konnte ein Zusammenhang bisher nicht bestätigt werden.

Mit dualem Agonisten noch mehr Gewicht verlieren

GLP-1-Analoga wirken im Darm an einem bestimmten Rezeptor, am GLP-1-Rezeptor. Seit einiger Zeit ist in Deutschland ein dualer Agonist zugelassen: Tirzepatid bindet sowohl am GLP1-Rezeptor als auch am Rezeptor für das „Glukoseabhängige insulinotrope Peptid“, kurz GIP. GIP fördert die Insulinausschüttung und beeinflusst das Appetit- und Sättigungszentrum im Gehirn.

Durch die Wirkung auf GLP1- und GIP-Rezeptoren entfaltet Tirzepatid bei der Blutzuckerregulierung und bei der Gewichtsreduktion stärkere Effekte als Liraglutid und Semaglutid. Neue Untersuchung zeigen zudem, dass Tirzepatid bei adipösen Patient*innen mit Herzschwäche das Risiko für einen Herz-Kreislauf-bedingten Tod und das Fortschreiten der Herzschwäche senkt.

Durch den doppelten Ansatz kommt es zu einer noch stärkeren Gewichtsreduktion. Man geht davon aus, dass Betroffene bei korrekter Verwendung bis zu 31% ihres Gesamtgewichts verlieren können. Wie Semaglutid wird auch Tirzepatid einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt. Und ebenso wie die beiden GLP1-Analoga sollte auch Tirzepatid nicht allein, sondern im Rahmen einer Gesamtkonzepts inklusive Ernährungsumstellung und mehr Bewegung eingesetzt werden.

Auch bei Tirzepatid kommt es sehr häufig zu Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich. Eine langsame Steigerung der Dosis – unter ärztlicher Aufsicht! – kann die Therapie verträglicher machen. Typisch sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall, selten kann es zu einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung kommen. Obwohl Tirzepatid effektiver ist als GLP1-Analoga, scheinen entsprechende Beschwerden nicht häufiger oder stärker aufzutreten.

Hinweis: Übergewichtige müssen bisher die Kosten für eine Gewichtsreduktionstherapie mit GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga aus eigener Tasche bezahlen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese Wirkstoffe nur, wenn sie zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes verschrieben werden.

Ozempic-Babys als Nebenwirkung

Seit geraumer Zeit geistert der Begriff der sogenannten „Ozempic-Babys“ durch das Internet. Damit werden ungeplante Schwangerschaften bei Frauen bezeichnet, die mit GLP1-Analoga behandelt werden (Ozempic ist der Warenname von Semaglutid zur Therapie von Typ-2-Diabetes). Prinzipiell ist dies bei allen GLP1-Analoga, auch bei GLP1/GIP-Analoga möglich.

Zwei Ursachen werden dafür diskutiert: Übergewichtige oder adipöse Frauen haben häufig hormonelle Störungen, die die Fruchtbarkeit verschlechtern. Durch die Gewichtsabnahme kann sich der Hormonhaushalt wieder normalisieren und die Empfängnisbereitschaft verbessert werden.

Ein weiterer Grund für ungeplante Schwangerschaften ist die Beeinträchtigung von oralen Verhütungsmitteln. Nebenwirkungen der GLP1-Analoga-Therapie wie Erbrechen und Durchfall können die Aufnahme der „Pille“ im Darm beeinträchtigen und damit die Verhütung unwirksam machen.

Kommt es unter der Therapie mit GLP-1- oder GLP1/GIP-Analoga zu einer Empfängnis, soll die Behandlung abgebrochen werden. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht erforderlich: In bisherigen Studien war die Rate schwerer Geburtsfehler bei Frauen, die unter GLP-1-Analoga schwanger wurden, nicht höher als bei Frauen mit Typ-2-Diabetes oder Übergewicht. Eine engmaschige Betreuung der werdenden Mutter wird jedoch angeraten.

Hinweis: Von der Einnahme von GLP1-Analoga und GLP1/GIP-Analoga wird in der Schwangerschaft prinzipiell abgeraten, da es noch keine ausreichenden Daten zur Sicherheit gibt. Die Hersteller weisen darauf hin, dass bei einer Therapie mit diesen Wirkstoffen eine sichere Verhütung dringend erforderlich ist. Pillenanwender*innen werden zusätzliche Verhütungsmaßnahmen empfohlen.

Wunschgewicht mit Abnehmspritze erreicht – und nun?

Ist mithilfe von GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga das Ziel erreicht, stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Wird die Spritze einfach abgesetzt, droht die Gefahr, dass ein Großteil des verlorenen Gewichts innerhalb eines Jahres wieder zugenommen wird.

Das liegt daran, dass die Spritze das Sättigungsgefühl und den Appetit reguliert. Ohne die Wirkstoffe bleibt die schnelle Sättigung aus, die Betroffenen essen wieder mehr und die Pfunde sammeln sich erneut an. Die meisten Menschen müssen diese Medikamente deshalb langfristig – evtl. sogar ein Leben lang – anwenden, um den Effekt aufrecht zu erhalten.

Ein Absetzen nach Erreichen des Wunschgewichts ist jedoch nicht ausgeschlossen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewichtsreduktion mit GLP1- und GIP-Analoga in eine übergreifende Strategie integriert wurde. Das bedeutet, dass die Übergewichtigen während der Therapie ihren Lebensstil optimieren müssen: Für langfristige Effekte ohne den weiteren Einsatz der Wirkstoffe ist es zwingend erforderlich, die Ernährung dauerhaft anzupassen und täglich körperlich aktiv zu sein.

Folgende Kriterien sollten für ein Absetzen von GLP1/GIP-Analoga erfüllt sein: 

  • Stabil gehaltenes Gewicht über mindestens sechs Monate, 
  • regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens 150 Minuten / Woche),
  • kontinuierliche gesunde Ernährung, die nicht als Diät gesehen wird, 
  • stabiles Essverhalten ohne Heißhungerphasen, kein Essen aufgrund von Stress und eine 
  • stabile Psyche.

In diesen Fällen kann unter engmaschiger ärztlicher Betreuung ein Absetzen versucht werden. Wichtig ist, dass dieses nicht abrupt, sondern schrittweise geschieht. Empfohlen wird häufig auch eine begleitende Verhaltens- oder Ernährungstherapie. Sollte es trotzdem zu Heißhungerattacken oder eine Gewichtszunahme von mehr als 2-3 kg in kurzer Zeit kommen, heißt es Gegensteuern. Gleiches gilt, wenn die Motivation zu Sport und Bewegung absinkt. Für diese Fälle ist nach Rücksprache mit der Ärzt*in gegebenenfalls eine erneute Aufnahme der Therapie erforderlich.

Quellen: pta heute, Gelbe Liste, Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Aida López