Gesundheit heute
Reizdarm
Reizdarm (Reizdarmsyndrom, RDS, Irritable Bowel Syndrome, Reizkolon, Colon irritabile oder früher auch spastisches Kolon genannt): Häufige funktionelle Darmstörung ohne erkennbare organische Ursache mit Bauchschmerzen, Blähungen, evtl. auch Durchfall und/oder Verstopfung. Der Reizdarm tritt besonders häufig bei den 20- bis 40-Jährigen auf. In Deutschland sind 15 % der Bevölkerung betroffen; jede zweite Patient*in mit Magen-Darm-Beschwerden leidet an einem Reizdarm, Frauen doppelt so häufig wie Männer.
Auch wenn die Erkrankung medizinisch gesehen harmlos ist, beeinträchtigen die Beschwerden die Lebensqualität erheblich. Sind die auslösenden Faktoren bekannt und weitgehend vermeidbar, ist eine Besserung möglich; eine Heilung ist aber nicht zu erwarten.
Symptome und Leitbeschwerden
- Diffuse Bauchschmerzen
- Druckgefühl im Unterbauch sowie im rechten oder linken Oberbauch
- Völlegefühl, rumorende Darmgeräusche und Blähbauch
- Gehäufte (mehr als drei pro Tag) oder verminderte Stuhlentleerungen (weniger als drei pro Woche)
- Veränderte Stuhlbeschaffenheit (vor allem harter Stuhl, kleinere harte Kotsteine, Schleimauflagerungen)
- Gefühl der unvollständigen Darmentleerung.
Wann zum Arzt
In den nächsten Tagen, wenn
- immer wieder Schmerzen im Bauch auftreten.
Sofort, bei
- quälenden Bauchschmerzen und Fieber.
Die Erkrankung
Klinik
Viele Menschen leiden ständig oder in kurzen Abständen unter einer Kombination verschiedener Darmstörungen, die nicht durch organische Veränderungen erklärbar sind und die Ärzt*innen unter dem Begriff „Reizdarm“ zusammenfassen. Dabei kommt es zu krampfartigen, ziehenden oder stechenden Schmerzen im gesamten Bauch sowie zu Druckgefühl im Unterbauch oder Oberbauch, die jedoch meist nicht in der Nacht auftreten. Weitere Beschwerden sind Blähungen, Verstopfung, Durchfall, auch können sich Verstopfung und Durchfall abwechseln. Der Stuhl ist entweder hart bzw. wird – wie bei Schafen – in kleinen harten Kotsteinen ausgeschieden. Er kann auch breiig bis flüssig sein, manchmal ist heller Schleim beigemengt. Bei einigen Betroffenen lassen die Beschwerden nach dem Stuhlgang nach, andere haben das Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung.
Definition. Nach internationalen Richtlinien besteht ein Reizdarm, wenn innerhalb der letzten 12 Monate mindestens 12 Wochen lang, aber nicht unbedingt andauernd, Bauchschmerzen auftraten, die sich mit dem Stuhlgang besserten und/oder wenn der Beginn der Bauchschmerzen mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz und/oder der Stuhlhäufigkeit einherging.
Ursachen und Risikofaktoren
Warum ein Darm gereizt reagiert, ist trotz umfangreichen Forschungen nicht eindeutig geklärt. Verschiedene funktionelle Veränderungen beeinflussen allein oder in Kombination die Funktion des Darms bei Reizdarmpatient*innen:
- Die Schleimhaut von Reizdarmpatient*innen bildet neueren Forschungen zufolge verstärkt die Botenstoffe Histamin und Serotonin oder reagiert auf diese übersensibel. Dadurch gelangen permanent Nervenreize an das Gehirn, was den Entzündungsprozess offenbar fördert und aufrechterhält.
- Reizdarmpatient*innen reagieren bereits auf eine Dehnung des Darms mit Schmerzen, die bei Gesunden keine Beschwerden hervorruft. Als Ursache hierfür vermuten die Ärzt*innen eine gestörte Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung im Gehirn.
- Darüber hinaus ist die Beweglichkeit des Darms entweder beschleunigt oder verzögert.
- In bis zu 25 % der Fälle geht der Entwicklung eines Reizdarms eine Darminfektion mit Durchfällen voraus.
- Im Gegensatz zu einer gesunden Darmschleimhaut ist die Darmschleimhaut von Reizdarmpatient*innen wahrscheinlich durchlässiger. Auf diese Weise ist eine wichtige Schutz- und Barrierefunktion vermindert.
- In den Darmwänden selbst sind bei Reizdarmpatient*innen vermehrt Zellen nachweisbar, die eigentlich verantwortlich für die Immunabwehr sind. Bei Fehlfunktionen lösen sie Entzündungsreaktionen aus.
- Außerdem führt eine Kohlenhydratunverträglichkeit sehr häufig zum Reizdarm, etwa bei Milchzuckerunverträglichkeit und Unverträglichkeit von Fruktose. Viele Betroffene vertragen auch andere Nahrungsbestandteile nicht; außerdem werden die Beschwerden durch Genuss von Kaffee, Zigaretten und Alkohol oft verschlimmert.
Psychische Faktoren wie Stress oder Ärger können die Beschwerden verschlimmern. Auch scheinen depressive Störungen bei der Entwicklung und Ausprägung der Beschwerden von Bedeutung zu sein. Allerdings sollte beachtet werden, dass depressive Symptome sowohl Ursache als auch Folge von Darmbeschwerden sind.
Auch nach Infektionen verschlimmern sich die Reizdarmbeschwerden häufig.
Mitunter wird auch von der Schulmedizin ein Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Mikroorganismen im Darm (Dysbiose) für die Entstehung oder Aufrechterhaltung eines Reizdarms verantwortlich gemacht. Diese Theorie und die darauf basierenden Therapievorschläge halten in der Praxis aber nur selten, was sie versprechen, weswegen die Kosten der aufwändigen mikrobiologischen Untersuchung auf eine Dysbiose von den Kassen nicht übernommen werden. Auch die Vermutung, dass die Besiedlung des Dickdarms mit Candidapilzen eine Ursache der Beschwerden ist, wurde nicht bestätigt.
Diagnosesicherung
Manche Ärzt*innen können die Diagnose „Reizdarm“ oft schon aufgrund des Beschwerdebildes stellen. Wichtiges Merkmal ist z. B., dass die Beschwerden nachts nicht auftreten und der Betroffene kein Gewicht verloren hat. In jedem Fall wird die Ärzt*in andere ernste Krankheiten der Verdauungsorgane wie z. B. eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder Darmkrebs durch eine Tastuntersuchung des Enddarms, Stuhluntersuchungen, eine Darmspiegelung und eventuell mit anderen bildgebenden Verfahren (z. B. Bauchultraschall) ausschließen. In Einzelfällen sind weitere spezielle Untersuchungen erforderlich, wie ein Laktosetoleranz-Test bei Verdacht auf Milchzuckerunverträglichkeit. Wichtig ist, die Patient*in, die oft eine schwere Krankheit als Ursache der Beschwerden befürchtet, über die Ungefährlichkeit der Symptome aufzuklären.
Differenzialdiagnosen. Neben den oben genannten Erkrankungen kommen Reizdarm-ähnliche Beschwerden auch häufig bei gynäkologischen Erkrankungen wie beispielsweise der Endometriose oder dem Eierstockkrebs vor.
Behandlung
Schmerzen. Bei leichten Schmerzen helfen Selbsthilfemaßnahmen, bei starken Schmerzen Antidepressiva, die durch Erhöhung der Schmerzschwelle den Schmerz lindern.
Krämpfe. Die Wirksamkeit krampflösender Medikamente wie Butylscopolamin (Buscopan®) ist nicht belegt; im Einzelfall können sie aber hilfreich sein. Aufgrund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen dürfen sie jedoch nicht auf Dauer eingesetzt werden.
Verstopfung. Hier sollten zunächst Basismaßnahmen (siehe Verstopfung) versucht werden. Starke Abführmittel sind wegen der Gewöhnungsgefahr nur notfallmäßig zu empfehlen (z. B. als Microklist).
Durchfall. In Einzelfällen und kurzfristig (z. B. bei Reisen, Geschäftsterminen) ist der Wirkstoff Loperamid eine Option (z. B. Imodium®), der die Darmpassage verlangsamt.
Blähungen. Gegen Blähungen wird oft die Einnahme entblähender Medikamente, wie z. B. Simeticon (SAB simplex®, Lefax®) empfohlen. Leider zeigen diese Medikamente bei vielen Betroffenen keine Wirkung.
Der aktuelle Forschungsstand legt zudem nahe, dass Reizdarmpatient*innen von einer Behandlung mit Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren profitieren.
Psychische Erkrankung. Besteht zugleich eine seelische Erkrankung, insbesondere eine Depression oder Angststörung, hat deren Behandlung z. B. im Rahmen einer Psychotherapie hohe Priorität. Ist diese erfolgreich oder lassen sich zugrunde liegende Konflikte lösen, ist eine deutliche Besserung auch der Reizdarmbeschwerden zu erwarten.
Prognose
Ein Reizdarm ist per se harmlos, schränkt die Lebensqualität aber häufig stark ein. Eine Heilung ist selten bis nie zu erwarten, aber es gibt viele Maßnahmen, um die Symptome in den Griff zu bekommen.
Ihr Apotheker empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Die Grundempfehlung für die Selbsthilfe ist, herauszufinden, welche Lebenssituationen, Nahrungsmittel oder Verhaltensweisen Ihre Beschwerden verstärken, und diese künftig zu meiden.
Low FODMAP-Diät. Manchen Reizdarmpatienten hilft eine spezielle Diät, bei der die Aufnahme fermentierbarer Zucker (Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole) reduziert wird. Dadurch wird die Gärung im Darm reduziert und es entstehen weniger darmreizende Gase. Zu den Nahrungsmitteln, die reich an solchen Zuckern sind und daher gemieden werden sollen, gehören z. B. Kohl, Zwiebeln, Nektarinen und Linsen (FODMAP-reiche Lebensmittel).
Probiotika. Starten Sie doch mal einen Versuch mit probiotischen Nahrungs- oder Arzneimitteln. Auch wenn die Dysbiose-Hypothese in puncto Reizdarm unterschiedlich bewertet und eine teure mikrobiologische Diagnostik nicht empfohlen wird, können Bifidobakterien oder Lactobazillus-Stämme einen gereizten Darm oftmals beruhigen.
Entspannungsverfahren. Stress und Anspannungen verstärken Reizdarmsymptome oft oder lösen sie sogar aus. Eine bewährte Gegenmaßnahme ist das regelmäßige Ausüben von Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen
Komplementärmedizin
Pflanzenheilkunde. Da die Stuhlkonsistenz oft wechselt, sollte nur dann ein entsprechendes Arzneimittel eingenommen werden, wenn das Leitsymptom akut über mehrere Tage hinweg besteht. Welche Mittel hier im Einzelnen infrage kommen, wird bei der Verstopfung und beim Durchfall beschrieben. Bei krampfartigen Schmerzen und Blähungen haben sich Kümmelöl oder Pfefferminzöl (z. B. kombiniert in Enteroplant® -Kapseln) bewährt. Die Wirkung von Pfefferminzöl und indischen Flohsamen gegen diese Beschwerden ist in einer klinischen Studie belegt. Flohsamen sind leichte pflanzliche Abführmittel, die auch Schmerzen lindern.
Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt eine individuell abgestimmte Konstitutionstherapie.
Akupunktur. Es liegt eine Reihe von Erfahrungsberichten vor, nach denen ein Reizdarm mithilfe der Akupunktur gelindert werden konnte; erste Studien scheinen dies zu bestätigen.
Hypnose. Ziel der Hypnose ist es, dass die Darmmuskulatur sich entspannt. Nach einigen Sitzungen erlernt der Patient Selbsthypnosetechniken, die zu Hause regelmäßig durchgeführt werden. Erste Erfahrungen mit der Methode zeigen einen positiven Effekt gerade bei solchen Patienten, die auf Medikamente nicht gut ansprechen.
Weiterführende Informationen
- T. Schleip; G. Hoffbauer: Reizdarm. Was wirklich dahinter steckt. Gräfe & Unzer, 2001. Schulmedizinisch orientierter Ratgeber zum Thema Reizdarm, mit vorbildlicher Beschreibung der Erkrankung.
- W. Kruis; A. Iburg: Reizdarm – Endlich Ruhe im Bauch durch richtige Ernährung. Trias, 2004. Praxisorientierter, detaillierter Ratgeber mit vielen differenzierten Vorschlägen zu einer optimal angepassten Ernährung bei Reizdarmbeschwerden.
- https://www.fodmaps.de/fodmap-liste/ . Website mit Informationen zur lowFODMAP-Diät und einer ausführlichen Liste, welche Lebensmittel reich bzw. arm an FODMAPs sind.

Bei einer Magen-Darm-Grippe bleibt das stille Örtchen oft lange besetzt.
Was tun bei Magen-Darm-Grippe?
Vorbeugen und Beschwerden lindern
Magen-Darm-Infektionen sind nicht nur unangenehm. Vor allem bei Kindern und älteren Menschen können sie durch starke Flüssigkeitsverluste bedrohlich werden. Flüssigkeit wieder auffüllen ist deshalb oberstes Gebot. Ebenso gilt es, penible Hygienemaßnahmen einzuhalten - damit sich nicht das ganze Umfeld ansteckt. Und in manchen Fällen geht’s auch nicht ohne Antibiotika.
Übler Angriff auf den Darm
Bei einer Magen-Darm-Infektion (auch Magen-Darm-Grippe oder Gastroenteritis genannt) handelt es sich um eine akute Entzündung des Verdauungstrakts, die meist durch Viren oder Bakterien ausgelöst wird. Um die Erreger wieder auszuscheiden, reagiert der Körper mit typischen Beschwerden. Dazu gehören Übelkeit und Erbrechen, Durchfall und krampfartige Bauchschmerzen durch vermehrte Darmbewegungen. Bei manchen Infektionen kommt es zusätzlich zu Fieber, weil auch das Immunsystem gegen die Krankheitskeime kämpft.
Viele Erreger greifen den Darm direkt an und verstärken den Durchfall. So bilden Keime wie Escherichia coli oder das Cholerabakterium Giftstoffe (Enterotoxine), die die Darmschleimhaut zu einer vermehrten Wasserabgabe stimulieren. Andere Bakterien dringen in die Darmzellen ein und lösen dort eine Entzündung aus. Noroviren und Rotaviren sind wiederum bekannt dafür, dass sie die Flüssigkeitsaufnahme vom Darm in den Körper hemmen, was ebenfalls zu wässrigem Durchfall führt.
Die Beschwerden beginnen oft gleichzeitig, halten aber unterschiedlich lang an. So dauert die Phase des Erbrechens meist nur ein bis drei Tage. Der Durchfall klingt dagegen oft erst nach fünf bis sieben Tagen ab.Je länger er dauert, desto wahrscheinlicher sind Bakterien die Ursache – insbesondere, wenn Betroffene auch unter Fieber leiden.
Hinweis: Nicht nur Viren und Bakterien verursachen akute Magen-Darm-Beschwerden. Auch Vergiftungen, unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Lebensmittelunverträglichkeiten können ein Auslöser sein.
Wie steckt man sich an?
Es gibt verschiedene Wege, über die man sich eine Magen-Darm-Infektion einfangen kann. Der wichtigste und häufigste Übertragungsweg ist die fäkal-orale Schmierinfektion. Dabei gelangen Erreger aus dem Stuhl in den Mund eines Gesunden und infizieren ihn. Dies kann auf unterschiedliche Arten passieren:
- Direkte fäkal-orale Übertragung: Beim Toilettengang können die Hände mit Stuhl und darin vorhandenen Krankheitskeimen in Kontakt kommen. Werden die Hände nach der Toilette nicht gründlich gewaschen, können die Keime durch Händeschütteln oder einfaches Anfassen anderer Menschen auf diese übertragen werden. Vor allem bei engem Kontakt durch das Toben oder Spielen im Kindergarten ist diese Übertragung häufig.
- Indirekte fäkal-orale Übertragung: Über ungewaschene Hände gelangen Stuhlkeime auch an Türgriffe, Wasserhähne oder andere Gegenstände. Dort können sie einige Zeit überleben. Werden die kontaminierten Gegenstände berührt, können die Keime ebenfalls ins Gesicht und den Mund gesunder Personen gelangen und dort eine Infektion auslösen.
Manche Magen-Darm-Keime verbreiten sich wie Erkältungsviren auch über eine Tröpfcheninfektion. Insbesondere trifft dies auf das Norovirus zu. Muss die infizierte Person schwallartig erbrechen, geraten mit Viren belastete Tröpfchen als Aerosole in die Luft. Durch das Einatmen kann es ebenfalls zu einer Magen-Darm-Infektion kommen.
Hinweis: Eine weitere Infektionsmöglichkeit sind Lebensmittel oder Trinkwasser, die mit fäkalen Durchfallerregern kontaminiert sind. Das passiert z. B. wenn infizierte Menschen mit ungewaschenen Händen Lebensmittel anfassen. Durch keimbelastete Abwässer in Badeseen kann es auch beim Verschlucken des Wassers zu einer Magen-Darm-Infektion kommen. Manchmal werden auch Trinkwasserquellen durch Abwässer verunreinigt.
Die häufigsten Übeltäter sind Viren
Magen-Darm-Infektionen werden vor allem durch Viren verursacht. Dabei sind Noroviren und Rotaviren die mit Abstand häufigsten Durchfallerreger. Das liegt daran, dass sie hoch ansteckend sind und sich leicht fäkal-oral verbreiten. Und zwar sowohl über direkte und indirekte Schmierinfektionen und Tröpfcheninfektion (Norovirus), als auch über verunreinigte Lebensmittel. Für eine Ansteckung reichen schon 10 bis 100 Viruspartikel aus. Infektionen sind ganzjährig möglich, wobei Noroviren vor allem von Oktober bis März, Rotaviren von Januar bis April ihr Unwesen treiben.
Diese „Winter-Gastroenteritiden“ treten bei Menschen jeden Alters auf. Rotavirus-Infektionen belasten allerdings Säuglinge und Kleinkindern besonders stark. Das liegt daran, dass sich die Antikörper gegen das Virus erst nach mehreren Infektionen ausgebildet haben. Im frühen Erwachsenenalter verlaufen diese Infektionen dann oft weniger schwer. Bei alten Menschen drohen dagegen wie bei Säuglingen ausgeprägte Flüssigkeitsverluste und eine Dehydratation.
Hinweis: Wichtig bei Rota- und Noroviren: Die Infizierten scheiden die Erreger nicht nur während der akuten Durchfallerkrankung aus, sondern auch noch danach. Nach einer Infektion mit Noroviren sind die Betroffenen noch 7 bis 14 Tagen nach dem letzten Durchfall ansteckend, nach Rotavirus-Infektion etwa acht Tage.
Bakterielle Infektionen eher im Sommer
Bakterielle Magen-Darm-Infektionen sind seltener als virale. Sie werden insbesondere über kontaminierte Lebensmittel übertragen. Häufig handelt es sich dabei um rohe Eier oder nicht ausreichend erhitztes Fleisch. Eine Quelle für bakterielle Infektionen ist auch nicht erhitzte Rohmilch. Oft handelt es sich dabei um Salmonellen und Campylobacter. Diese Keime verursachen das ganze Jahr über Magen-Darm-Infektionen, ein Erkrankungsgipfel zeigt sich im Sommer/Spätsommer. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Hohe Temperaturen im Sommer begünstigen die Vermehrung von Salmonellen in Lebensmitteln.
- Campylobacter ist in den Sommermonaten häufiger in den Tierbeständen (z. B. in Geflügel) vorhanden.
- Unzureichende Kühlung von Lebensmitteln während eines Picknicks oder beim Grillen begünstigen die Vermehrung von Keimen.
- Die Grillsaison führt zu einem erhöhten Verzehr von nicht durchgebratenem Fleisch.
Die Bakterien lösen ähnliche Symptome aus wie Viren: Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall. Manchmal tritt Fieber auf, bei einigen Erregern kommt es zu blutigem Stuhl. Nach einer Magen-Darm-Infektion mit bakteriellen Keimen sind die Genesenen meist noch länger ansteckend als nach einer Virusinfektion. Bei Salmonellen und Campylobacter geht man bei Erwachsenen von bis zu vier Wochen Ausscheidungszeit aus. Kinder unter fünf Jahren scheiden die Bakterien häufig noch länger aus, bei Salmonellen oft mehr als sieben Wochen.
Hinweis: Bakterielle Magen-Darm-Infektionen haben eine weitere Besonderheit. In seltenen Fällen können sie zu Komplikationen an Herz, Lunge oder Gehirn führen. Vor allem Campylobacter löst manchmal auch Gelenkentzündungen oder eine sehr seltene Nervenerkrankung, das Guillain-Barré-Syndrom, aus.
Wann muss der Magen-Darm-Infekt zur Ärzt*in?
Zum Glück laufen Magen-Darm-Infekte meist glimpflich ab. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bessern sich bei Schonung und ausreichender Flüssigkeitsaufnahme schnell, und auch die Bauchschmerzen verschwinden wieder. In manchen Fällen sollte jedoch eine Ärzt*in hinzugezogen werden. Dies gilt z. B. bei
- länger anhaltenden Beschwerden,
- hohem Fieber und blutigem Stuhl,
- ausgeprägten Kreislaufprobleme sowie bei
- Muskelkrämpfen, starker Schläfrigkeit oder Verwirrtheit.
Mit Kindern sollte man in die Arztpraxis, wenn sich Zeichen der Austrocknung zeigen. Dazu gehören trockene Schleimhäute, eingesunkene Augen und eine verringerte Hautspannung. Die Hautspannung prüft man, indem man eine Hautfalte vorsichtig anhebt und wieder loslässt. Bei verminderter Hautspannung bleibt die Falte für einige Sekunde stehen, was ein Zeichnen für Austrocknung ist. Weiter Warnzeichensind eine anhaltende Trink- und Nahrungsverweigerung, starke Bauchschmerzen und eine verminderte Aufmerksamkeit.
Flüssigkeit auffüllen ist die oberste Devise
Aufgrund von Durchfall und Erbrechen verliert der Körper reichlich Flüssigkeit und Elektrolyte. Das wichtigste ist, diese zu ersetzen. Bei sehr mildem Verlauf eignen sich verdünnte Säfte und Salzstangen oder Hühnerbrühe. Cola-Getränke sind für die Rehydrierung ungeeignet, da sie viel zu viel Zucker enthalten.
Bei stärkeren Beschwerden oder Anzeichen einer Austrocknung (Dehydratation) sind Rehydratationslösungen zum Trinken hilfreich. In der Apotheke gibt es dafür verschiedene Präparate, die sich in ihrer Zusammensetzung minimal unterscheiden. Falls keine fertige Trinklösung zur Verfügung steht, kann man nach WHO-Vorgaben auch selbst eine mischen. Sie besteht aus
- 1 Liter Mineralwasser,
- 250 ml Orangensaft,
- ¾ Teelöffel Kochsalz und
- 4 Teelöffeln Zucker.
Tipp: Auf Essen muss man bei Magen-Darm-Infektionen nicht verzichten. Wer möchte, kann eine ballaststoffarme und fettreduzierte Kost zu sich nehmen. Dazu gehören z. B. gekochte Kartoffeln, Nudeln oder Suppen.
Was tun gegen Durchfall und Erbrechen?
Gegen ausgeprägten Durchfall hilft die kurzfristige Gabe von Loperamid. Eingenommen werden soll der Wirkstoff allerdings nur bei Magen-Darm-Infektionen ohne Fieber und blutigem Stuhl. Bei Kindern wird von der Gabe abgeraten, da Loperamid bei ihnen einen Darmverschluss auslösen kann.
Kinder mit starkem Durchfall können neben der erforderlichen Flüssigkeit den Wirkstoff Racecadotril erhalten. Dieses Granulat reduziert die Flüssigkeitsausscheidung in den Darm und soll dadurch das Risiko für eine Austrocknung verringern.
Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen werden nur noch in speziellen Fällen empfohlen. Vor allem bei Kindern raten Expert*innen von den oft verabreichten Dimenhydrinat-haltigen Präparaten ab. Zum einen sedieren diese, so dass die Kinder oft noch weniger trinken. Außerdem kann es bei Kindern unter drei Jahren durch Dimenhydrinat zu Krampfanfällen kommen.
Als Alternative steht Ingwer zur Verfügung. Ingwer gilt laut Leitlinie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene als wirksam und sicher. Er kann als Tee oder in Kapseln eingenommen werden.
Eine Alternative bei sehr schwerem Erbrechen ist das verschreibungspflichtige Ondansetron. Dieses Medikament wird üblicherweise gegen starke Übelkeit und Erbrechen bei Krebstherapie verordnet. Mögliche Nebenwirkungen sind Herzrhythmusstörungen. Für Erwachsene mit schwerem Erbrechen ist zudem Metoclopramid eine Option. Für Kinder wird der Wirkstoff nicht empfohlen, weil er bei ihnen vermehrt zu neurologischen Störungen wie Bewegungsverlangsamung, unwillkürliche Bewegungen und Steifheit führt.
Hinweis: Vor allem im Internet findet man häufig den Tipp, bei Durchfall Probiotika einzunehmen. Laut Leitlinie gibt es für deren Wirksamkeit bei Magen-Darm-Infektionen allerdings keinen wissenschaftlichen Beleg.
Wann müssen Antibiotika ran?
In den allermeisten Fällen verschwinden akute Magen-Darm-Infektionen von selbst wieder. Der Organismus wird also – unterstützt durch Schonung und Flüssigkeitsgabe – nach einigen Tagen allein mit der Infektion fertig.
In den meisten Fällen ist es auch sinnlos, Antibiotika gegen die Keime einzusetzen. Grund ist, dass die Mehrzahl der Erkrankungen durch Viren ausgelöst wird. Selbst beim Verdacht auf eine bakterielle Ursache verschreibt die Ärzt*in nicht automatisch ein Antibiotikum. Denn auch dann heilt die Erkrankung meist rasch von selbst aus. Zudem können Antibiotika die natürliche Darmflora schädigen und das Risiko für Komplikationen erhöhen.
Anders sieht es aus, wenn die Patient*in blutige Durchfälle hat oder der Krankheitsverlauf schwer ist. Auch bei Risikogruppen wie älteren Menschen, immungeschwächten Personen oder Patient*innen mit schweren Grunderkrankungen ist man achtsam. In diesen Fällen wird der Stuhl auf den genauen Erreger untersucht. Weist man Bakterien nach, verordnet die Ärzt*in das passende Antibiotikum.
A und O: Hygienemaßnahmen
Das Ansteckungsrisiko bei Magen-Darm-Infektionen ist hoch. Das gilt ganz besonders für die häufigsten Auslöser, die Noro- und die Rotaviren. Aber auch allen anderen Erregern sollte die Ausbreitung so schwer wie möglich gemacht werden. Dazu trägt eine penible Hygiene bei. Im Erkrankungsfall sind folgende Maßnahmen erforderlich:
- Händehygiene: Nach dem Toilettengang, vor der Zubereitung von Speisen und vor dem Essen Hände gründlich waschen. Zwischendurch auch immer mal wieder die Hände desinfizieren.
- Desinfektion von Oberflächen: Türgriffe, Armaturen und andere häufig berührte Gegenstände sollten regelmäßig desinfiziert werden.
- Reinigung von Textilien und Geschirr: Bettwäsche, Handtücher und Waschlappen bei mindestens 60° C waschen, Gleiches gilt für Unterwäsche und Schlafkleidung. Geschirr im Geschirrspüler bei hoher Temperatur reinigen.
- Abtrennung kranker Personen: Wenn möglich, sollten Erkrankte eine eigene Toilette und einen eigenen Schlafraum nutzen. Der Kontakt zu anderen ist während der Ausscheidungsphase zu reduzieren. Erkrankte und Genesene, die noch Erreger ausscheiden, sollten keine Speisen für andere zubereiten und die Küche generell besser meiden.
Hinweis: Bei einigen Magen-Darm-Infektionen dürfen betroffene Kinder unter sechs Jahren frühestens 48 Stunden nach Abklingen von Durchfall oder Erbrechen wieder in den Kindergarten oder in die Schule. Genauere Informationen dazu gibt es auf der Webseite des Robert Koch-Instituts.
Vorbeugen ist besser als Durchfall
Magen-Darm-Infektionen durch Viren lässt sich durch eine konsequente Hygiene teilweise vorbeugen. Am wichtigsten ist das Händewaschen nach der Toilette und vor dem Essen.
Gegen eine Infektion mit Rotaviren gibt es eine Impfung. Sie wird allen Säuglingen ab dem Alter von sechs Wochen empfohlen. Geimpft wird je nach Präparat zwei oder drei Mal, die Impfserie sollte bis spätestens im Alter von 24 bzw. 32 Wochen abgeschlossen sein. Spätere Impfungen erhöhen bei Kindern das Risiko für einen Darmverschluss. Gegen Noroviren gibt es bisher noch keinen Impfstoff.
Eine gute Hygiene schützt auch vor bakteriellen Infektionen. In der Küche sollten Schneidebretter und Arbeitsflächen immer sorgfältig mit heißem Wasser und Spülmittel gereinigt werden, insbesondere nach dem Umgang mit rohem Geflügel oder rohem Fleisch. Auch die Lagerung von Lebensmitteln ist bedeutsam: Rohes Fleisch und Eier müssen getrennt von verzehrbereiten Speisen gelagert werden. Dadurch lässt sich eine Übertragung von Keimen auf das Essen vermeiden.
Um etwaige krankheitserregenden Keime zu vernichten, sind manche Lebensmittel vor dem Verzehr zu erhitzen. Dazu gehören insbesondere Rohmilch, Fleisch, Fisch und Eier. Fleisch sollte deshalb nicht halbroh (blutige Steaks!) konsumiert, sondern immer ausreichend gebraten oder erhitzt werden. Gleiches gilt für Eier und eihaltige Speisen.
Tipp: Ein Fleischthermometer hilft dabei, die tatsächliche Innentemperatur in Fleisch oder Geflügel zu ermitteln. Erst Temperaturen über 70° C töten Erreger sicher ab.
Quellen: Leitlinie Gastrointestinale Infektionen, RKI, DAZ online