Gesundheit heute

Menière-Krankheit

Menière-Krankheit (Morbus Menière): Meist einseitig auftretende Erkrankung des Innenohrs mit anfallsartiger Beschwerde: Trias von (Dreh–)Schwindel mit Übelkeit, zeitweise auftretender Hörminderung und chronischem Tinnitus.

Die Krankheit gilt als "überdiagnostiziert", weil die Diagnose oft zu Unrecht auch bei anderen Formen von Schwindel gestellt wird.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Anfallsartiger, über Stunden anhaltender Drehschwindel mit Übelkeit und evtl. Erbrechen
  • Zeitweise auftretende Hörminderung (auch Doppelthören)
  • Dauerhaft vorhandener, aber unterschiedlich intensiver Tinnitus.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben beschriebene Schwindelattacken zusammen mit einseitiger Hörminderung und/oder Tinnitus auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Verantwortlich für die Beschwerden ist vermutlich eine Druckerhöhung im Innenohr, ausgelöst durch eine Überproduktion und/oder einen geminderten Abtransport von Endolymphe. Dadurch entstehen ungünstige Bedingungen für die Sinneszellen des Hör- und Gleichgewichtsorgans, die für die Hörminderung und Ohrgeräusche sorgen.

Als Ursache für die Schwindelattacken wird zudem ein druckbedingter Riss in der Reissner-Membran diskutiert; diese hauchdünne Wand trennt im Innenohr normalerweise die Endo- von der Perilymphe. Durch einen Riss könnten sich die Elektrolyte beider Lymphflüssigkeiten mischen und den Schwindel auslösen.

Verlauf

Der Krankheitsverlauf variiert individuell stark. Die Spannbreite reicht von wenigen Anfällen mit anschließender dauerhafter Beschwerdefreiheit bis hin zu immer stärker werdenden Anfällen mit zunehmender Schwerhörigkeit oder sogar Ertaubung (ausgebrannte Menière-Krankheit).

Diagnosesicherung

Die Diagnose stellt der Arzt vor allem aufgrund der Schilderungen des Patienten. Das Tonaudiogramm weist im Anfangsstadium typischerweise einen Hörverlust bei tiefen Frequenzen nach, später sind alle Frequenzen betroffen. Das Sprachverständnis ist im Vergleich besonders stark gestört (Sprachaudiogramm).

Behandlung

Da die genauen Hintergründe der Menière-Krankheit unbekannt sind, existiert keine gezielte Therapie.

Pharmakotherapie

Bei akuten Beschwerden stehen Bettruhe und Medikamente gegen Übelkeit, Erbrechen und Schwindel (Dimenhydrinat, z. B. in Vertigo-Vomex® oder Sulpirid, z. B. in Sulpirid AL) im Mittelpunkt der Behandlung.

Vorbeugend. Zur Anfallsprophylaxe empfehlen die medizinischen Fachgesellschaften die mehrmonatige Einnahme von Betahistin (z. B. Vasomotal® oder Aequamen®forte) um den Endolymphdruck zu reduzieren. In den ersten Wochen klagen Patienten dabei mitunter über leichten Durchfall oder eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut. Bei schweren und häufigen Attacken (monatlich oder häufiger) verordnet der Arzt oft ein niedrig dosiertes Diuretikum wie z. B. Hydrochlorothiazid, Triamteren oder Furosemid. Beide medikamentösen Behandlungsansätze sind leider nicht immer wirksam.

Operative Behandlung

Ein weiteres Behandlungsverfahren ist die Betäubung des Gleichgewichtssinns in einer Labyrinthanästhesie. Durch einen kleinen Schnitt im Trommelfell gibt der Arzt ein Betäubungsmittel in die Paukenhöhle, das sich von dort in Richtung Innenohr ausbreitet und den Gleichgewichtssinn betäubt. Die weitgehende Ausschaltung des Gleichgewichtssinns reduziert für Jahre die Schwindelanfälle oder verhindert sie sogar völlig, bei Bedarf kann der Eingriff wiederholt werden.

Sakkotomie. Um die Schwindelanfälle zu stoppen, kommt in schweren Fällen alternativ eine Operation in Betracht, die nur in spezialisierten HNO-Kliniken durchgeführt wird. Bei der Sakkotomie entfernt der Operateur etwas Knochen um den Hautsack herum, der die Endolymphe enthält. So kann sich der Hautsack bei Bedarf dehnen und die gefürchteten Schwindelanfälle bleiben aus. Auch das Hörvermögen verbessert sich oft dadurch oder es verschlechtert sich zumindest nicht weiter. In den letzten Jahren wurden die Erfolge dieses Eingriffs jedoch zunehmend angezweifelt.

Weitere Verfahren

Nur in seltenen Fällen unternimmt der Arzt weitere Schritte wie die absichtliche Zerstörung des Gleichgewichtsnervs (Nervus vestibularis). Dieser kann durch ototoxische Medikamente wie Gentamicin zerstört oder bei einer speziellen Operation, der Vestibularis-Neurektomie, durchtrennt werden. Wie eine aktuelle Studie zeigt, profitieren Patienten nach einer einseitigen Vestibularis-Neurektomie von der Einnahme von Betahistin. Dieses Medikament verkürzt die Erholungszeit nach dem Eingriff um mehr als einen Monat. Nachteil der Behandlungsmethoden: Sie können das Fortschreiten der Erkrankung nicht aufhalten. Bei beiden Verfahren droht durch den Eingriff eine weitere Hörverschlechterung oder sogar die Ertaubung.

Verhaltenstherapie und Entspannungstraining. Da die anfallsartig einsetzenden Schwindelanfälle bei Betroffenen heftige Angstgefühle erzeugen, kommt es zu krankheitsverstärkenden Konditionierungsvorgängen: Dadurch lösen immer harmlosere Situationen Menière-Schwindelattacken aus. Die Ärzte sprechen vom reaktiv psychogenen Schwindel. Diese können sich ausweiten zu einer manifesten Angststörung oder monatelang bestehenden depressiven Störung.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, haben sich zwei Verfahren etabliert:

  • Vestibuläre Rehabilitation: Mithilfe dieser evidenzbasierten Therapie trainieren Betroffene unter Anleitung eines Physiotherapeuten das erkrankte Gleichgewichtsorgan. Dabei führen Patienten komplexe Übungen durch, die Schwindel erzeugen, um das Gleichgewichtssystem ausreichend zu fordern. Das Gehirn soll dabei lernen die fehlerhaften Informationen des Gleichgewichtsorgans mit Hilfe anderer Sinneseindrücke – wie z. B. das Sehen – zu kompensieren. Ziel ist es auch, das Gleichgewichtsorgan an den Schwindel zu gewöhnen, womit die Schwindelsymptome allmählich abnehmen und das Gleichgewichtsorgan wieder belastbarer wird. Viele erlangen damit Selbstvertrauen und Sicherheit zurück.
  • Bestehen zugleich ängstliche oder perfektionsorientierte Persönlichkeitszüge, können Entspannungstechniken wie Autogenes Training; Yoga oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen helfen, den reaktiven psychogenen Schwindels unter Kontrolle zu bringen.

Prognose

Der Krankheitsverlauf der Menière-Krankheit variiert sehr stark und ist daher kaum vorhersehbar. Manche Betroffene erleiden nur eine oder wenige Attacken, in den meisten Fällen kommt es jedoch zu mehr oder minder häufigen Wiederholungen. Bei einer Erkrankungsdauer von 5 Jahren hat die Hälfte der Patienten Attacken auf beiden Seiten. In schweren Fällen verschlimmert sich die Hörminderung bis hin zur Ertaubung.

Ihr Apotheker empfiehlt

Medikamente

Hat Ihnen der Arzt zur akuten Anfallsbekämpfung ein Anti-Schwindelmedikament wie Dimenhydrinat (z. B. VomexA®) verschrieben, tragen Sie es immer bei sich, um bei einer akuten Schwindelattacke sofort reagieren zu können.

Betahistin (z. B. Vasomotal® oder Aequamen®forte) wird häufig zur Langzeitprophylaxe verordnet. Um Ihren Magen zu schonen, nehmen Sie dieses Medikament am besten nach dem Essen ein.

Komplementärmedizin

Körpertraining. Zwar erholt sich nach einem akuten Menière-Anfall das Gleichgewichtssystem in der Regel wieder, nach häufigeren Anfällen bzw. in fortgeschrittenen Stadien gilt dies jedoch nur bedingt. Ein intensives Körpertraining, z. B. mit Feldenkrais-Übungen hilft, mögliche Ausfälle im Gleichgewichtsnetzwerk zu verbessern.

Akupunktur. Es liegen Einzelbeobachtungen vor, wonach Häufigkeit und Intensität der Schwindelanfälle durch Akupunktur gelindert werden konnten.

Homöopathie. Eventuell lindert innerhalb der Homöopathie eine individuell abgestimmte Konstitutionstherapie die Symptome. Häufig eingesetzte homöopathische Mittel bei der Menière-Krankheit sind z. B. Acidum salicylicum, China, Sulfur oder Tabacum.

Entspannungsverfahren. In den beschwerdefreien Phasen tragen Autogenes Training und andere Entspannungsverfahren mit dazu bei, die seelische Belastung durch die Krankheit und die Angst vor einem erneuten Anfall besser zu bewältigen.

Prävention

An erster Stelle steht das Ausschalten aller bekannten Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen. Deshalb sollte jeder, der unter Bluthochdruck und/oder erhöhtem Cholesterinspiegel leidet, die von seinem Arzt empfohlenen medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen einhalten. Verzichten Sie außerdem auf Rauchen und übermäßigen Alkoholgenuss und versuchen Sie, Stress abzubauen. Auch regelmäßiger moderater Ausdauersport wie Joggen, Radfahren und Nordic Walking ist empfehlenswert.

In manchen Fällen hilft aus ungeklärten Gründen eine salzarme Diät, die Anzahl der Schwindelanfälle zu reduzieren.

Weiterführende Informationen

  • H. Schaaf: Morbus Menière: Schwindel, Hörverlust, Tinnitus: Eine psychosomatisch orientierte Darstellung. Springer, 2017.
  • K.-F. Hamann: Schwindel. 200 Fragen und Antworten. Zuckschwerdt, 2017. Zeigt, welche Erkrankungen sich hinter der Beschwerde "Schwindel" verbergen können und wie sie behandelt werden.

Von: Prof. Dr. med. Gerhard Grevers; Dr. Ute Koch; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektion "Ihre Apotheke empfiehlt" und "Weiterführende Informationen": Dr. med. Sonja Kempinski
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Raus aus der Nasenspray-Sucht

Menschen mit Nasenspray-Abhängigkeit müssen ihr Nasenspray mehrfach am Tag benutzen.

Raus aus der Nasenspray-Sucht

Freiheit für die Nase

Mit Nasenspray bekommt man verstopfte Nasen ruckzuck wieder frei. Die Sache hat allerdings einen Haken: Wer das Spray zu lange benutzt, kann davon abhängig werden. Wie lässt sich das vermeiden und, vor allem, was kann man tun, wenn es dazu gekommen ist?

Wirkstoffe verengen die Blutgefäße

Abschwellende Nasensprays sind hocheffektiv. Mit den Wirkstoffen Xylometazolin oder Oxymetazolin verengen sie die Blutgefäße in der Nase. Dadurch schwellen die Schleimhäute ab, und die Nasenatmung wird wieder möglich.

So weit, so gut. Wäre da nicht das Problem mit der Abhängigkeit. Denn werden abschwellende Nasensprays länger als eine Woche angewendet, können sich die Schleimhäute an die gefäßverengenden Wirkstoffe gewöhnen. Es kommt zu einer dauerhaften Schwellung, die Rhinitis medicamentosa genannt wird. Für eine freie Nase müssen die Betroffenen dann immer häufiger sprayen. Neben der körperlichen Abhängigkeit droht die psychische Sucht: Ist das Nasenspray einmal nicht zur Hand, kommt es zu Panik und Angstgefühlen.

Um dies zu vermeiden, hilft Vorbeugung. Das bedeutet, abschwellende Nasensprays nicht länger als sieben Tage lang anzuwenden. Außerdem raten Expert*innen dazu, ein konservierungsmittelfreies Präparat zu nehmen. Denn Konservierungsmittel wie Benzalkoniumchlorid können die Nasenschleimhaut reizen und die Schwellung noch verstärken.

Kalter Entzug oder Ein-Loch-Methode

Wenn es zu einer Nasenspray-Abhängigkeit gekommen ist, gibt es prinzipiell drei Wege aus der Sucht. Dabei ist es sinnvoll, sich ärztlich beraten zu lassen.

  • Kalter Entzug. Das Nasenspray plötzlich komplett abzusetzen, erfordert sehr viel Willenskraft. Am ehesten gelingt dies in der Anfangsphase der Nasenspray-Sucht. Leider klappt der kalte Entzug in vielen Fällen nicht.
  • Kontinuierliches Ausschleichen. Eine sanftere Variante, um vom Nasenspray loszukommen, ist das langsame Ausschleichen. Dabei benutzt man das Spray immer seltener. Hilfreich ist, dazu eine Art Tagebuch zu führen, also jedes Sprayen zu notieren.
  • Ein-Loch-Methode. Dieses Vorgehen ist eine Form des kontinuierlichen Ausschleichens. Man entscheidet sich für ein Nasenloch, das weiterhin mit dem Spray behandelt wird und die Nasenatmung aufrechterhält. Das andere Nasenloch wird nicht gesprayt und auf diese Weise entwöhnt. Wenn das gut klappt, kann man nach einigen Tagen oder Wochen das Nasenspray auch im zweiten Nasenloch reduzieren und schließlich komplett absetzen.

Bei allen Varianten des Entzugs können unterstützende Maßnahmen helfen. Dazu gehört z. B., dexpanthenolhaltige Nasensalben auf die Nasenschleimhäute zu schmieren oder Nasensprays auf Meerwasserbasis zu verwenden. Auch Kortison-Nasensprays können bei der Entwöhnung helfen. Sie dämmen die Entzündung in der Nasenschleimhaut ein und führen damit zu deren Abschwellen.

Oft wird im Internet empfohlen, auf niedrig dosiertes Nasenspray für Kinder umzusteigen. Expert*innen zufolge ist das keine Option. Denn auch die geringere Dosierung kann Erwachsene in der Abhängigkeit halten.

Auf gefäßverengende Wirkstoffe verzichten

Insgesamt braucht man für die Entwöhnung viel Geduld. In manchen Fällen dauert es bis zu einem Jahr, bis die Betroffenen von ihrer Rhinitis medicamentosa genesen sind. Und wer einmal unter der Nasenspray-Sucht gelitten hat, sollte in Zukunft auf gefäßverengende, abschwellende Nasensprays verzichten. Zu groß ist die Gefahr, dass auch bei kurzer Nutzung die Abhängigkeit wieder einsetzt.

Quelle: pta heute, Deutsche Apotheker Zeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Iurii Maksymiv / Alamy / Alamy Stock Photos