Gesundheit heute

Zahnfehlstellungen und Kieferfehlstellungen

Zahn- und Kieferfehlstellung: Behandlungsbedürftige Abweichung von der anatomisch optimalen Stellung.

Im idealen Gebiss greifen die Ober- und Unterkieferzähne in einem bestimmten Verhältnis ineinander und bewirken so den richtigen Biss (Okklusion). Die anatomisch optimale Zahnstellung wird vor allem an der Stellung der ersten großen Backenzähne (6-Jahr-Molaren) und der Eckzähne zueinander festgemacht. Des Weiteren sollte ein leichter waagerechter und horizontaler Überbiss vorhanden sein, d. h. die oberen Schneidezähne sollten etwas vor den unteren stehen und diese in der Ruhestellung um 1–2 mm überlagern.

Die Ursachen von Fehlstellungen sind so vielfältig wie die verschiedenen Formen: Mal ist der Kiefer zu klein oder wegen überzähliger Zähne zu eng, mal ist er zu groß oder wegen nicht angelegter Zähne zu weit. Teilweise sind Fehlstellungen einfach angeboren, teilweise durch falsches Verhalten im Kindesalter erworben, z. B. durch Daumenlutschen oder Schnuller tragen. Eine kieferorthopädische Behandlung bringt praktisch immer eine deutliche Besserung. In seltenen Fällen kann eine unbehandelte Kieferfehlstellung im Erwachsenenalter Tinnitus auslösen.

Leitbeschwerden

  • Verschobene, gedrängte oder verdrehte Zähne
  • Übergroße Lücken
  • Probleme beim Kauen oder Beißen
  • Nach vorne, hinten oder seitlich versetzter Unterkiefer
  • Sprachstörungen
  • Lippenschlussprobleme.

Wann zum Arzt

Den Zahnarzt bei Gelegenheit ansprechen, wenn die Zähne eines Kindes sehr schief aussehen oder einzelne Zähne aus der Zahnreihe hervorstehen.

1548_HEN_Rueckbiss_Kreuzbiss_offener_Biss.jpg|Von links nach rechts: Rückbiss, Kreuzbiss und offener Biss am Modell.|[HEN 1548]|Zahnmodell, an dem Zahnfehlstellungen demonstriert werden

Die Erkrankung

Das Gebiss fast jedes Menschen weicht mehr oder weniger deutlich vom Idealgebiss ab. Dennoch formt das Kräftegleichgewicht zwischen Lippen- und Wangenmuskulatur von außen und der Zunge von innen bei den meisten eine gleichmäßige Zahnstellung und einen schönen Zahnbogen. Erst wenn die Abweichungen so stark sind, dass Schäden an den Zähnen oder Kiefergelenken drohen oder eine Beeinträchtigung der Lebensgewohnheiten zu erwarten ist, ist eine kieferorthopädische Behandlung notwendig.

In der Praxis hat kaum ein Mensch das ideale Gebiss – und das ist auch gut so. Gerade die kleinen Abweichungen und Unregelmäßigkeiten sind es, die jedem Einzelnen die individuelle Note verleihen und Teil des Erscheinungsbilds sind. Natürlich kann ein Kieferorthopäde oder Zahnarzt auch kleine Unregelmäßigkeiten korrigieren, falls diese stören. Ob der erforderliche Aufwand zeitlich und finanziell sinnvoll ist, muss jeder für sich entscheiden.

Die häufigsten behandlungsbedürftigen Fehlstellungen sind:

Zahnengstand. Wenn im Kiefer zu wenig Platz für die komplette Zahnreihe ist, stehen die Zähne nicht mehr in Reih und Glied, sondern verdreht oder sogar in zweiter Reihe. Dieser Zahnengstand wird üblicherweise mit einer Dehnplatte behandelt, die den betroffenen Kiefer weitet. In die Dehnplatte sind Schrauben eingearbeitet. In regelmäßigen Abständen stellt der Kieferorthopäde die Schrauben nach, um die Spange zu verbreitern. Dadurch wird das Knochenwachstum angeregt und der Oberkiefer weitet sich mit der Zeit. Dehnplatten sind für den Patienten nicht immer angenehm zu tragen, stellen jedoch eine effektive Behandlungsmöglichkeit dar. Manchmal ist es auch nötig, gesunde Zähne zu ziehen, um auf diese Weise Platz zu schaffen.

Vorbiss und Rückbiss. Wenn die Kiefer unterschiedlich groß sind bzw. der eine deutlich über den anderen ragt, stehen die Zähne in die eine oder andere Richtung falsch zueinander. Ragen die Oberkieferfrontzähne deutlich über die Unterkieferzähne hinaus, spricht man von einem Rückbiss (Distalbiss). Der umgekehrte Fall, bei dem der Unterkiefer vorsteht, heißt Vorbiss (Mesialbiss, Progenie). Beide Fehlstellungen müssen behandelt werden. Ein frühzeitiger Besuch beim Zahnarzt oder Kieferorthopäden ist sinnvoll, da die Behandlung je nach Schwere und Behandlungsziel früh beginnt.

Kreuzbiss. Bei einem Kreuzbiss ragen die Backenzähne des Unterkiefers auf einer oder auf beiden Seiten über die Backenzähne des Oberkiefers hinaus – normalerweise ist der Oberkiefer auf beiden Seiten breiter. Das Ergebnis ist ein schiefer Biss, die Kaufunktion ist aber durchaus gegeben. Auch eine umgekehrte Verzahnung der Schneidezähne (wenn die unteren vor den oberen stehen) kommt vor.

Ob eine Behandlung sinnvoll und notwendig ist, kann erst nach einer Vermessung der Kiefer entschieden werden – wenn, dann sollte sie bereits in der Wachstumsphase (ab 5 oder 6 Jahren) beginnen. Oft findet eine zweite Behandlungsphase gegen Ende des Zahnwechsels (ab 12 Jahren) statt.

Offener Biss. Als offenen Biss bezeichnet man alle Fehlstellungen, bei denen sich die gegenüberliegenden Zähne von Ober- und Unterkiefer nicht überall berühren. In schweren Fällen ist der Kiefer deutlich verformt. Ein offener Biss kommt sowohl seitlich als auch frontal vor, oft stört er die Sprachentwicklung und die Kaufunktion. Bei einem vorne offenen Biss schließen die Lippen manchmal nicht richtig und die Betroffenen leiden wegen ihrer Mundatmung unter häufigen Halsentzündungen.

Ein offener Biss kann z. B. durch Daumenlutschen, zu langen Schnullergebrauch oder falsches Schlucken entstehen. Zur Korrektur sind festsitzende Zahnspangen sowie bei schweren Fällen auch Operationen nötig.

Diastema. Ein Diastema (Frontzahnlücke) ist eine auffällig große Lücke zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. Kinder haben während des Zahnwechsels häufig mehrere Millimeter breite Lücken zwischen den Schneidezähnen, in den meisten Fällen schließen sie sich im Alter von 7–9 Jahren mit dem Durchbruch der seitlichen Schneidezähne wieder. Im Gegensatz zu dieser vorübergehenden Lücke ist ein echtes Diastema erblich bedingt und bildet sich nicht selbst zurück. Es entsteht durch ein zu tief ansetzendes Lippenbändchen an der Innenseite der Lippe, meist im Oberkiefer.

Ob sich die Zahnstellung beim Durchbruch der seitlichen Schneidezähne verbessert, zeigt ein einfacher Test: Der Zahnarzt zieht leicht an der Oberlippe. Wird der Zwischenraum zwischen den mittleren Schneidezähnen weißlich, so ist das Lippenbändchen zu lang und reicht bis in den Gaumen. In diesem Fall wird sich die Lücke nicht von selbst schließen. Bleibt der Bereich jedoch rötlich durchblutet, so verringert sich der Abstand später von selbst.

Bevor er mit der Behandlung beginnt, wartet der Arzt in jedem Fall bis zum Durchbruch der seitlichen Schneidezähne. Bei der Behandlung löst er zunächst in einem kleinen Eingriff unter örtlicher Betäubung das Lippenbändchen und seine in den Gaumen ausstrahlenden Bänder vom Knochen und befestigt sie etwas weiter oben wieder. Die Naht ist 3 Wochen später vollständig verheilt. Diesem kleinen chirurgischen Eingriff folgt der kieferorthopädische Teil der Behandlung: Mithilfe von zwei Klammern werden die Zähne von außen zusammengeschoben. Diese Klammern bilden entweder eine eigene kleine Zahnspange oder sie sind Teil einer größeren festen oder herausnehmbaren Spange. Ein Diastema lässt sich gut behandeln, verschlechtert sich jedoch manchmal nach Behandlungsende wieder.

Das macht der Arzt

Viele Fehlstellungen werden von den Eltern erkannt oder vom Zahnarzt im Rahmen einer Routineuntersuchung entdeckt. Zur genaueren Klärung sind oft eine Röntgenaufnahme, eine Vermessung der Kiefer und eine Beratung durch einen Kieferorthopäden nötig. Der Kieferorthopäde nimmt Abdrücke, nach denen ein Zahntechniker ein Modell des Gebisses herstellt. Um das weitere Kieferwachstum einzuschätzen, wird gelegentlich auch die Handwurzel geröntgt – der Verknöcherungszustand des Gelenks gibt Auskunft über das zu erwartende weitere Wachstum des Kindes (Knochenalter).

Üblicherweise beginnt eine kieferorthopädische Behandlung im Alter von etwa 10–12 Jahren, also kurz vor Ende des Zahnwechsels. Nur bei wenigen Fehlstellungen, z. B. wenn das Wachstum der Kiefer beeinflusst werden soll, ist ein Beginn im Vorschul- oder Grundschulalter sinnvoll. Eltern sollten daher, sobald ihnen eine Fehlstellung auffällt, den Zahnarzt bei der nächsten Untersuchung darauf ansprechen. Häufig müssen sie allerdings noch einige Jahre die weitere Entwicklung des Gebisses abwarten.

Auch wenn viele Eltern auf eine frühe Behandlung drängen, so ist ein zu früher Behandlungsbeginn medizinisch nicht sinnvoll. Viele kleinere Fehlstellungen geben sich während des Zahnwechsels von selbst, andere können zu einem frühen Zeitpunkt noch gar nicht effektiv behandelt werden. Starke Verformungen des Kiefers sind oft nur durch eine Operation behandelbar, sie findet in der Regel erst im Erwachsenenalter statt, wenn das Kieferwachstum abgeschlossen ist.

Von: Dr. med. dent. Gisbert Hennessen; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Mit Zahnseide gegen Schlaganfall

Wer beim Zähneputzen regelmäßig seine Zahnzwischenräume mit Zahnseide reinigt, beugt bakterienbedingten Schäden an den Gefäßen vor.

Mit Zahnseide gegen Schlaganfall

Für Zähne und Gehirn

Um Schlaganfällen vorzubeugen, kann man so einiges tun. Aufs Rauchen verzichten, Übergewicht vermeiden, die Zähne richtig putzen – und dabei regelmäßig Zahnseide verwenden.

Vom Zahnfleisch ins Blut

Das Risiko für einen Schlaganfall wird durch etliche Faktoren erhöht. Einer davon ist schlechte Mundhygiene: Sie führt dazu, dass Zahnbeläge entstehen, in denen sich gefährliche Bakterien einnisten. Diese verursachen nicht nur Karies. Gelangen sie über das Zahnfleisch ins Blut, können sie Entzündungen an den Gefäßen hervorrufen.

Solche Entzündungen begünstigen Gefäßverstopfungen und -verschlüsse, wodurch die Blutversorgung unterbrochen wird und das Gewebe abstirbt. Geschieht dies im Gehirn, handelt es sich um einen sogenannten „ischämischen“ Schlaganfall.

Gute Mundhygiene hilft dabei, Schlaganfällen vorzubeugen. Insbesondere Zahnseide scheint effektiv zu sein. Dies kam bei der Auswertung einer US-amerikanischen Arteriosklerosestudie heraus. Teilgenommen hatten daran mehr als 6000 Männer und Frauen, die zu Studienbeginn zwar Zahnprobleme, aber keinen Schlaganfall in ihrer Vorgeschichte hatten.

22 Prozent weniger Schlaganfälle

In der 25 Jahre dauernden Nachbeobachtungszeit erlitten 434 Personen einen Schlaganfall. Bei den Zahnseide-Verwender*innen war das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall um 22 Prozent niedriger als in der Gruppe ohne Zahnseide.

Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass eine schlechte Mundhygiene mehr als Zähne kosten kann, schreiben die Studienautor*innen. Sie erhoffen sich von den Ergebnissen, dass mehr Menschen regelmäßig und effektiv Zähne und Zahnzwischenräume reinigen – und dabei Zahnseide verwenden.

Das allein reicht für eine Schlaganfallprophylaxe natürlich nicht aus. Mindestens ebenso wichtig ist es,

  • die Blutdruckwerte und die Cholesterinwerte im Blut zu kontrollieren,
  • ausreichend zu schlafen,
  • sich regelmäßig körperlich zu bewegen,
  • aufs Rauchen zu verzichten und
  • Übergewicht zu vermeiden.

Quelle: Medscape

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Peakstock