Gesundheit heute

Long COVID

Long COVID (Post-COVID-Syndrom, Post-COVID): Überbegriff für die gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Die Beschwerden können fast alle Organsysteme betreffen und reichen von Konzentrationsproblemen, anhaltender Erschöpfung und Kurzatmigkeit bis zu Muskelschmerzen und Geschmacksstörungen. Dabei bleiben die Beschwerden der akuten Erkrankung entweder bestehen oder sie treten nach der Genesung neu auf. Um die Definition Long COVID zu erfüllen, müssen die Symptome mindestens vier Wochen lang anhalten. Eine spezifische Therapie gibt es bisher nicht, meist wird symptomatisch behandelt. Einige Betroffene erholen sich innerhalb von Monaten, bei anderen entwickelt sich eine chronische Erkrankung.

Hinweis: Halten die gesundheitlichen Beschwerden länger als drei Monate an, spricht man auch vom Post-COVID-Syndrom oder von Post-COVID.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Anhaltende Erschöpfung (Fatigue)
  • Verschlechterung nach körperlicher oder geistiger Anstrengung (Post-exertionelle Malaise)
  • Brain Fog (Benommenheit), Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • Geruchs- und Geschmacksstörungen
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Kurzatmigkeit
  • Herzrasen und Schwindel beim Aufstehen.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die ersten Long-COVID-Fälle wurden 2020 bekannt, als Menschen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 von länger anhaltenden gesundheitlichen Problemen berichteten. Der Begriff Long COVID wurde von einer Betroffenen auf Twitter geprägt und später von den medizinischen Institutionen übernommen.

Weltweit soll Long COVID bisher bei etwa 400 Millionen Menschen aufgetreten sein (Schätzungen von 2024). In Deutschland entwickeln dem Robert Koch-Institut zufolge 5–10 % der Personen nach einer SARS-CoV-2-Infektion Long COVID.

Krankheitsentstehung

Die Krankheitsmechanismen von Long COVID sind noch unklar. Vermutet wird ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Dazu gehören anhaltende Entzündungsreaktionen, eine Störung des Immunsystems sowie Fehlregulationen des Nervensystems, der Gefäße und des Stoffwechsels.

Neueren Forschungen zufolge soll das Virus bei einigen Betroffenen auch nach der akuten Infektion im Organismus bleiben (persistieren). Möglicherweise werden auch andere, im Körper persistierende Viren (z. B. Herpesviren) durch die Infektion reaktiviert.

Weitere Studien geben Hinweise, dass die Viren die Energieversorgung in den Körperzellen für sich selbst "anzapfen" könnten. Damit ließe sich die ausgeprägte Erschöpfung und die Muskelschwäche gut erklären.

Risikofaktoren

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die das Auftreten von Long COVID begünstigen. Dazu zählen

  • weibliches Geschlecht
  • höheres Alter
  • Rauchen
  • körperliche Inaktivität
  • chronische Vorerkrankungen
  • Angststörungen und Depressionen vor der Infektion.

Auch der Verlauf der akuten COVID-19-Infektion beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, Long COVID zu entwickeln. Erkrankte, die während ihrer Infektion intensivmedizinisch betreut werden mussten und mehr als fünf Symptome hatten, haben ein höheres Risiko für Long COVID als Personen mit mildem Verlauf. Allerdings kann die Erkrankung auch nach leichter oder sogar beschwerdefreier COVID-19-Erkrankung auftreten.

Daneben scheint die Virusvariante eine Rolle zu spielen. Frühe Varianten haben häufiger dazu geführt als die z. B. erst später aufgetretene Omikron-Variante.

Klinik

Long COVID kann eine Vielzahl von Beschwerden auslösen. Sie treten einzeln oder kombiniert über mindestens vier Wochen auf. Über folgende Symptome wird berichtet (Reihenfolge in absteigender Häufigkeit):

  • Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung)
  • Kopfschmerzen
  • Kognitive Einschränkungen (Brain Fog): Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme
  • Haarausfall
  • Kurzatmigkeit (Dyspnoe)
  • Geschmacksverlust (Ageusie) und Geruchsverlust (Anosmie)
  • Schlafstörungen, z. B. unerholsamer Schlaf und Durchschlafprobleme
  • Angstzustände und Depressionen
  • Herzrasen (Palpitationen)
  • Brustschmerzen oder Engegefühl
  • Husten, besonders nach Belastung
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Libidostörungen
  • Schwindel und orthostatische Intoleranz (Herzklopfen und niedriger Blutdruck nach dem Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen)
  • Empfindungsstörungen wie Taubheitsgefühle oder Kribbeln unter der Haut.

Verlauf

Der Verlauf von Long COVID variiert stark. Schon der Beginn unterscheidet sich von Fall zu Fall: Bei einigen bleiben die Beschwerden nach der akuten Infektion bestehen, bei anderen treten sie nach der Genesung Wochen später neu auf.

Auch die Dauer zeigt Unterschiede: Bei manchen Betroffenen halten die Probleme Wochen an und werden dann spontan besser. Viele berichten, dass ein Großteil ihrer Beschwerden nach etwa drei Monaten verschwunden ist. Fieber, Husten und Geruchs- und Geschmacksstörungen bilden sich meist schneller zurück als neurologische Symptome wie Brain Fog und Konzentrationsstörungen.

Einer aktuellen Studie zufolge leiden aber noch gut zwei Drittel der Long-COVID-Erkrankten drei bis 14 Monate nach der Diagnose unter Symptomen.

Es gibt auch Verläufe, bei denen die Beschwerden wellenförmig an- und abschwellen, zeitweise ganz verschwinden und dann wieder neu auftreten. Und bei einigen Erkrankten wird Long COVID chronisch, d. h. es zeigt sich gar keine Besserung.

Komplikationen

In seltenen Fällen kann Long COVID zu schweren Komplikationen führen. Diese schränken nicht nur die Lebensqualität ein, sondern es sind auch dauerhafte Behinderungen möglich. Akut kann es z. B. zu Herzmuskelentzündung, Lungenembolie oder Multi-Organ-Beteiligung mit Befall von Nieren, Leber und Gehirn kommen. Langfristig sind vor allem das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) und Lungenschäden mit strukturellen Veränderungen der Lunge zu nennen.

Diagnosesicherung

Der erste Schritt ist das ausführliche Gespräch zwischen Ärzt*in und Patient*in. Dabei werden der Zeitpunkt der zurückliegenden SARS-CoV-2-Infektion sowie die Art und der Beginn der Beschwerden dokumentiert. Häufig füllen die Betroffenen Fragebögen aus, um die Symptome und ihr Ausmaß systematisch zu erfassen.

Bei der klinischen Untersuchung zeigen die Patient*innen oft eine verringerte Handgreifkraft. Viele leiden unter einer reduzierten Atemeffizienz und einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit. Dies lässt sich durch kontrollierte Anstrengung in einem Belastungstest nachweisen, bei dem der Blutsauerstoff, die Lungenfunktion und die Herzfrequenz ermittelt werden (Spiroergometrie).

Spezifische, beweisende Merkmale für Long COVID gibt es nicht. Deshalb ist die Erkrankung eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, dass für eine Diagnose alle anderen Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen, ausgeschlossen werden müssen. Dies geschieht mithilfe von Laboruntersuchungen, Lungenfunktionstest, kardiologischen Untersuchungen (Blutdruckmessung, EKG) und neurologischen Tests. Auch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT, MRT oder Ultraschall von Organen und Geweben werden herangezogen.

Differenzialdiagnosen. Aufgrund der Vielzahl von möglichen Symptomen gibt es eine ganze Reihe von Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie Long COVID verursachen. Zu den wichtigsten gehören

  • Autoimmunerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis oder der Lupus erythematodes
  • neurologische Erkrankungen wie die Multiple Sklerose
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • andere Post-Infektionssyndrome wie z. B. die unabhängig von COVID-19 auftretende ME/CFS und
  • psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Behandlung

Die Behandlung von Long COVID beruht auf einem multimodalen Ansatz. Je nach Beschwerdebild werden also verschiedene Verfahren miteinander kombiniert. Die Palette umfasst u. a.

  • Atemtherapie und, falls erforderlich, der Einsatz einer Sauerstofftherapie
  • Physiotherapie mit der Motivation zu Bewegung
  • kognitive Rehabilitation wie z. B. Übungen für die Konzentration und das Gedächtnis
  • Geruchstraining bei Geruchsstörung
  • Ergotherapie zur Verbesserung der Selbstständigkeit und der Lebensqualität und
  • psychosoziale Unterstützung und psychosomatische Therapie.

Vor allem in Bezug auf die ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue) müssen die Betroffenen lernen, ihre Energie im Alltag gut einzuschätzen, um Überlastung zu vermeiden. Hilfreich sind dabei Pacing-Techniken (siehe Ihre Apotheke empfiehlt).

Pharmakotherapie

Es gibt für Long COVID noch keine speziellen Arzneimittel. Manchmal werden zur Linderung der Beschwerden Medikamente off-label eingesetzt. Diese sind zwar für Long COVID nicht zugelassen, haben sich aber bei Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden bewährt oder bei einzelnen Long-COVID-Betroffenen als vielversprechend erwiesen.

So können Betablocker oder Ivabradin gegen das Herzrasen bei orthostatischen Problemen helfen. Naltrexon und Bupropion sollen die Fatigue und die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bessern. Gegen Schmerzen sind Pregabalin und Duloxetin eine Option, Aripiprazol wird bei "Brain Fog" eingesetzt.

Weitere innovative, noch in der Erprobung befindliche Therapieansätze sind Probiotika zur Linderung gastrointestinaler Symptome und die intravenöse Gabe von Immunglobulinen. Auch Nikotinpflaster werden bei Long COVID getestet, sie sollen vor allem die neurologischen Symptome lindern.

Vorbeugung

Studien zeigen, dass die Coronaimpfung das Long-COVID-Risiko drastisch reduziert. Zur Vorbeugung sollte man also in puncto Coronaimpfung auf dem neuesten Stand bleiben und die erforderlichen Auffrischungsimpfungen vornehmen lassen.

Bei einer akuten Coronainfektion sind Ruhe und Schonung essenziell. Zu frühe körperliche Überanstrengungen können die Entwicklung von Long COVID begünstigen. Risikopatient*innen kann die Ärzt*in Paxlovid verordnen, damit ein schwerer Verlauf verhindert und damit das Long-COVID-Risiko gesenkt wird.

Prognose

Die Mehrzahl der Betroffenen hat eine gute Prognose, d. h. sie erholen sich im Laufe der Zeit wieder vollständig. Bei einigen wenigen entwickelt sich eine chronische Erkrankung, in seltenen Fällen kommt es durch Komplikationen zu einer dauerhaften Behinderung.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Zunächst ist es wichtig, die von der Ärzt*in empfohlenen Maßnahmen zu befolgen und verordnete Medikamente nach Plan einzunehmen. Zusätzlich sollten Sie Ihren Lebensstil überdenken und optimieren:

Energie-Management und Aktivitätsplanung. Hier helfen sogenannte Pacing-Techniken weiter. Pacing bedeutet, die eigenen Grenzen zu erkennen und Überlastungen zu vermeiden. Planen Sie Ihre Aktivitäten über die Woche hinweg in kleinen, energiesparenden Einheiten. Erledigen Sie nur notwendige Aufgaben, lassen Sie Überflüssiges weg. Vermeiden Sie Multitasking und Überanstrengungen in Form körperlicher, geistiger und emotionaler Belastung.

Ernährung. Stärken Sie Ihren Körper mit einer ausgewogenen, gesunden Kost (z. B. mit der Mittelmeerdiät). Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit über den Tag hinweg verteilt.

Schlafoptimierung. Sorgen Sie dafür, dass Sie gut und ausreichend schlafen. Dabei hilft es, regelmäßige Schlafenszeiten einzuhalten und eine angenehme Schlafumgebung zu schaffen. Am besten ist ein dunkler, kühler Raum mit guter Luftzirkulation.

Bewegung. Besonders hilfreich ist leichtes Widerstandstraining, wie z. B. Yoga oder Pilates, das man langsam steigern kann. Wenn kardiovaskuläres Training (z. B. Radfahren oder Laufen) Sie überanstrengt, lassen Sie dies zunächst weg und halten Sie Rücksprache mit Ihrer Ärzt*in.

Psychische Gesundheit. Lernen Sie Entspannungsübungen und Achtsamkeitstechniken und wenden Sie diese regelmäßig an. Auch wenn Sie oft müde sind – pflegen Sie soziale Kontakte. Suchen Sie Unterstützung in Selbsthilfegruppen und zögern Sie nicht, professionelle Hilfe anzufordern.

Weiterführende Informationen

Quellen:

Von: Dr. med. Sonja Kempinski
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Helfen Nikotinpflaster bei Long-COVID?

Nikotinpflaster helfen bei der Raucherentwöhnung und womöglich auch gegen Long-COVID-Beschwerden.

Helfen Nikotinpflaster bei Long-COVID?

Kampf gegen die Müdigkeit

Eigentlich wurden Nikotinpflaster für die Raucherentwöhnung entwickelt. Doch offenbar haben sie noch andere Qualitäten: Einer aktuellen Studie zufolge helfen sie auch bei Long COVID – zumindest gegen Müdigkeit und kognitive Einbußen.

Jede Zehnte leidet länger

Bis zu 10 Prozent der COVID-19-Infizierten entwickeln anhaltende Gesundheitsbeeinträchtigungen, die unter dem Begriff Long COVID zusammengefasst werden. Dazu gehören insbesondere Müdigkeit, Kurzatmigkeit und kognitive Funktionsstörungen wie eine schlechtere Konzentration. Zur Behandlung werden Reha-Maßnahmen und psychologische Unterstützung eingesetzt, daneben auch Medikamente wie Antidepressiva, Antihistaminika oder Schmerzmittel.

Auch Nikotinpflaster wurden bezüglich ihrer Wirkung auf Long COVID untersucht. Deutsche Forschende der Universitätsmedizin Leipzig haben dafür Long-COVID-Patient*innen über zehn Tage hinweg mit Nikotinpflastern behandelt. Davor und danach füllten die 231 Studienteilnehmenden einen Fragebogen zu ihrem Befinden aus.

Bei drei Viertel der Betroffenen weniger Beschwerden

Die Nikotinzufuhr über die Haut war effektiv: 73% der Studienteilnehmenden zeigten einen deutlichen Rückgang ihrer Beschwerden und fühlten sich nach der Nikotintherapie deutlich besser, berichtet die Arbeitsgruppe.

Doch wie kommt diese Wirkung zustande? Als Auslöser von Long COVID gelten u.a. Proteine des Coronavirus, die bei der Infektion in die Zellen gelangen. Im Gehirn besetzen sie wichtige Rezeptoren und blockieren dadurch die gesunde Kommunikation im Nervensystem. Dies erkläre sehr gut die neurologischen Long-COVID-Beschwerden wie kognitive Einbußen, Müdigkeit und Stimmungsverschlechterung, sagen die Forschenden.

Doch nicht nur Viruspartikel, auch Nikotinmoleküle binden an die genannten Rezeptoren. Dadurch können sie die Viruspartikel regelrecht verdrängen. Nachweisen lässt sich das mit einem speziellen bildgebenden Verfahren, der PET-CT/MRT. Diese Untersuchung wurde bei einer Teilnehmerin der Studie vor und nach der Nikotintherapie durchgeführt.

Viruspartikel vom Rezeptor verdrängt

In den Aufnahmen vor der Therapie waren die Rezeptoren noch mit Viruspartikeln besetzt. Nach der zehntägigen Behandlung mit Nikotinpflastern ließ sich deutlich erkennen, dass das Nikotinmolekül die Rezeptoren von den viralen Proteinen befreit hatte. In der Folge war wieder eine normale Signalübertragung möglich, was die Beschwerden der Patientin deutlich linderte.

Jetzt gilt es, diese Ergebnisse mit weiteren, größeren Studien zu untermauern. Bis dahin können Betroffene versuchen, ihre Symptome mit einer niedrig dosierten Nikotinpflastertherapie zu lindern. Zur Sicherheit suchen sie dafür am besten vorher ärztlichen Rat.

Aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen anzufangen, ist natürlich keine Option, warnen die Forschenden. Die negativen Auswirkungen des Rauchens überwiegen die möglichen positiven Wirkungen des Nikotins bei weitem.

Quellen: ptaheute, Bioelectronic Medicine

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Source / Doug Martin