Gesundheit heute

Rachitis

Rachitis (Knochenerweichung, Englische Krankheit): Knochenerkrankung im Kindesalter infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen weich und verformbar wird. Meistens geht die Erkrankung auf einen Vitamin-D-Mangel zurück. Bei Säuglingen zeigt sich eine Rachitis durch Unruhe, Muskelschwäche und Krämpfe. Ältere Kinder entwickeln vor allem Wachstumsstörungen, Knochenverbiegungen wie z. B. O- oder X-Beine und Gehstörungen. Behandelt wird die Rachitis mit Vitamin D und Kalzium. Bei Fehlstellungen sind manchmal orthopädische Hilfsmittel oder korrigierende Operationen erforderlich.

Hinweis: Die Knochenerweichung bei Erwachsenen wird Osteomalazie genannt. Näheres dazu siehe dort.

Symptome und Leitbeschwerden

Säuglinge:

  • Unruhe, Schreckhaftigkeit
  • vermehrtes Schwitzen, vor allem am Hinterkopf
  • schlaffe Muskulatur, eingeschränkte Bewegungen
  • Muskelkrämpfe, epileptische Anfälle.

Kinder:

  • Müdigkeit, Schwäche
  • Muskelschwäche
  • Wachstumsstörungen
  • X- oder O-Beine, Watschelgang durch Verbiegung des Oberschenkelhalses
  • verformte Rippen, verformte Wirbelsäule
  • Knochenschmerzen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben genannte Auffälligkeiten auftreten.

Hinweis: Bei epileptischen Anfällen den Notdienst rufen!

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Der kindliche Knochen ist noch nicht voll ausgebildet und befindet sich bis zur Pubertät im Wachstum. Knochen setzen sich zusammen aus Knochenzellen und Knochengewebe, das von den Knochenzellen gebildet wird. Damit das Knochengewebe fest und stabil wird, müssen u. a. Kalzium und Phosphat eingelagert werden. Dieser Prozess wird Mineralisation genannt und von Hormonen gesteuert.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei Vitamin D. Das wird entweder unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, also UV-Licht, in der Haut gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Damit es wirkt, durchläuft es im Körper noch verschiedene Aktivierungsprozesse. Vitamin D fördert die Mineralisation auf zwei Arten:

  • Es steigert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm, sorgt also dafür, dass mehr Vitamin D aus der Nahrung im Körper ankommt.
  • Es regt den Einbau von Kalzium und Phosphat in das Knochengewebe an.

Bei einem Mangel an Vitamin D wird das neu gebildete Knochengewebe nicht ausreichend mineralisiert. Der Knochen bleibt weich und kann sich verformen. Der geschwächte Knochen bricht auch leichter, vor allem in Belastungszonen wie am Becken oder am Schienbein (sog. Ermüdungsbrüche).

Zur Knochenerweichung kann es aber auch unabhängig von Vitamin D kommen. Das ist z. B. bei einem extremen Kalziummangel der Fall oder wenn Phosphat fehlt.

Ursachen

Die häufigste Ursache für eine Rachitis ist ein Vitamin-D-Mangel oder eine Störung der Aktivierungsprozesse des Vitamins, ausgelöst durch

  • ungenügende Sonneneinstrahlung (z. B. klimatisch bedingt, durch verhüllende Kleidung oder überwiegendem Aufenthalt in Innenräumen, verstärkt bei dunkler Hautfarbe)
  • zu geringe Aufnahme über die Nahrung (vegane Ernährung)
  • Dünndarmerkrankungen, bei denen über die erkrankte Darmschleimhaut kein Vitamin D3 aufgenommen werden kann
  • Leber- und Nierenerkrankungen, wodurch die Aktivierung des Vitamins zu Calcidiol oder Calcitriol gestört wird.

Ein Mangel an Phosphat kann die nötige Mineralisierung des Knochens ebenfalls verhindern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:

  • Zu geringe Phosphataufnahme durch die Ernährung, z. B. bei chronischem Hungern oder Malabsorptionsstörungen des Darms wie Zöliakie oder Morbus Crohn
  • Verstärkter Phosphatverlust über die Niere. Dies kommt z. B. bei Nierenerkrankungen oder im Rahmen genetisch vererbter Störungen des Phosphatstoffwechsels vor. Die häufigste davon ist die hypophosphatämische Rachitis.

Eine weitere Ursache für die Rachitis ist ein ausgeprägter Kalziummangel, z. B. ernährungsbedingt oder aufgrund von Nierenerkrankungen.

Vorkommen

Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge ist die Rachitis in Deutschland insgesamt selten geworden. Geschätzt werden etwa 400 Fälle pro Jahr. Betroffen sind dabei meist Kinder dunklerer Hautfarbe oder mit Migrationshintergrund. Sie leiden aus zwei Gründen häufiger unter einem Vitamin-D-Mangel als deutschstämmige Kinder: Dunkle Haut benötigt mehr Sonnenlicht, um Vitamin D zu bilden – deutsche Wetterverhältnisse reichen dafür oft nicht aus. Zudem tragen manche der zugewanderten Mädchen aufgrund kultureller Traditionen stark verhüllende Kleidung und halten sich wenig im Freien auf, was die Bestrahlung der Haut zusätzlich reduziert.

Klinik und Verlauf

Bei Säuglingen macht sich die Rachitis durch Unruhe und Schreckhaftigkeit bemerkbar. Die Kinder haben einen schlaffen Muskeltonus und bewegen sich weniger als gesunde Kinder. Oft schwitzen sie vermehrt, vor allem am Hinterkopf.

Im weiteren Verlauf drohen folgende Beschwerden:

Knochendeformitäten. Wenn Kleinkinder mit dem Krabbeln und Laufen beginnen und der Knochen zu weich ist, können sich die Last tragenden Knochen verbiegen. Eine typische Folge davon sind O- oder X-Beine. Durch Verformung des Oberschenkelhalses entwickelt sich oft eine Art Watschelgang. Weitere Knochendeformitäten zeigen sich an den Knorpel-Knochen-Grenzen. Dadurch sind Knöchel, Handgelenke und Knie oft verdickt und die Enden der Rippen aufgetriebenen (sog. rachitischer Rosenkranz). Die weichen und geschwächten Knochen verbiegen sich aber nicht nur, sie brechen auch leichter als gesunde Knochen.

Wachstumsstörungen. Durch das gestörte Knochenwachstum sind die Kinder oft kleiner als ihre gesunden Altersgenoss*innen.

Zahnprobleme. Der Mangel an Vitamin D und Kalzium stört die Zahnentwicklung. Oft ist der Zahnschmelz defekt und die Betroffenen haben Karies und Löcher in den Zähnen.

Knochenschmerzen. Ältere Kinder leiden häufig unter Knochenschmerzen, vor allem, wenn Druck auf die Knochen ausgeübt wird. Die Knochenschmerzen schränken die Bewegungsfreude zusätzlich ein.

Muskelschwäche. Durch den Kalziummangel im Blut kann es zu einer verminderten Muskelspannung und Muskelschwäche kommen. Manche Kinder haben Probleme beim Aufstehen aus dem Sitzen, anderen fällt das Gehen schwer. Insgesamt sind die Kinder körperlich meist weniger aktiv als ihre gesunden Spielgefährten. Die typischen Meilensteine der Entwicklung (Sitzen, Gehen, Springen) werden deutlich später erreicht.

Muskelkrämpfe. Der ausgeprägte Kalziummangel im Blut macht außerdem Nerven (Tetanie) und Muskeln übererregbar. Dabei drohen Muskelkrämpfe an Händen und Füßen und Missempfindungen.

Infektanfälligkeit. Vitamin D ist wichtig für ein funktionierendes Immunsystem. Kinder mit Rachitis sind deshalb bei einem Vitamin-D-Mangel anfälliger für Infekte.

Kinder mit einer hypophosphatämischen Rachitis leiden überwiegend unter Knochenverformungen, schlechtem Knochenwachstum mit Kleinwuchs sowie Gelenk- und Knochenschmerzen. Da sie keinen Vitamin-D- bzw. Kalziummangel aufweisen, kommt es bei ihnen allerdings nicht zu Krampfanfällen oder Tetanien.

Komplikationen

Starker Kalziummangel im Blut begünstigt die Entwicklung epileptischer Anfälle. Diese können auch schon bei betroffenen Säuglingen auftreten.

Eine ausgeprägte Verformung der Rippen und des Brustkorbs kann die Atmung behindern und eine Lungenfunktionsstörung auslösen.

Diagnosesicherung

Beim Verdacht auf eine Rachitis wird das Kind zunächst gründlich untersucht. Oft sind die typischen Symptome wie der abgeflachte Hinterkopf oder X- oder O-Beine auf einen Blick zu erkennen. Säuglinge haben häufig einen durch die schlaffe Bauchmuskulatur verursachten "Froschbauch". Die Ärzt*in prüft zudem die motorischen Fähigkeiten des Kindes. Informationen über Auffälligkeiten der Entwicklung sind in der Regel im gelben Untersuchungsheft (U-Heft) dokumentiert.

Die Eltern des Kindes werden außerdem zu den Ernährungsgewohnheiten und zur Vitamin-D-Prophylaxe befragt. Auch die Lebensgewohnheiten zur Einschätzung der Situation sind wichtig, z. B. ob das Kind viel draußen spielt oder die meiste Zeit des Tages im Haus verbringt.

Laboruntersuchungen

Gesichert wird die Diagnose durch Blutuntersuchungen und Röntgenaufnahmen. Bei der Vitamin-D-Mangel-Rachitis ist im Blut das Vitamin D stark erniedrigt (gemessen als 25-Hydroxyvitamin  D) und das Knochenenzym Alkalische Phosphatase (AP) stark erhöht. Ebenfalls erhöht ist der Spiegel des Parathormons (PTH). Die Kalzium- und Phosphatwerte können im frühen Stadium noch normal sein, sinken aber im Verlauf meist ab.

Bei der seltenen hypophosphatämischen Rachitis ist der Phosphatwert im Blut erniedrigt und die alkalische Phosphatase mäßig erhöht. Kalzium, Vitamin D und Parathormon liegen im Normbereich. Im Urin lassen sich hohe Phosphatwerte nachweisen, bedingt durch die vermehrte Ausscheidung.

Radiologische Diagnostik

Zum Nachweis und zur Beurteilung des Schweregrads einer Rachitis dienen Röntgenbilder. Darin kann man z. B. unregelmäßige Knochenkonturen, verbreiterte Gelenkspalten, verdichtete Knochen-Knorpel-Grenzen oder verformte Knochen gut erkennen.

Differenzialdiagnose. Ein verbogener Unterschenkel ist auch das Zeichen einer angeborenen Unterschenkelpseudarthrose.

Behandlung

Konservative Behandlung

Behandelt wird die Vitamin-D-Mangel-Rachitis mit der (altersangepassten) Gabe von hoch dosiertem Vitamin D3 und Kalzium. In der Regel normalisieren sich die Blutwerte innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Auch Knochendeformationen bilden sich meist wieder zurück. Bis zur Begradigung der Beinachsen (der X- oder O-Beine) kann es allerdings zwei bis drei Jahre dauern.

Säuglinge erhalten nach der zwölfwöchigen Therapie bis zum Ende des ersten Lebensjahres die übliche Vitamin-D-Prophylaxe. Bei Kleinkindern und Jugendlichen muss nach der Vitamin-D-Therapie eine ausreichende Sonnenexposition und eine Kalziumzufuhr gewährleistet sein. Ist dies nicht der Fall, benötigen auch sie eine ärztlich verordnete Vitamin-D-Prophylaxe.

Leidet das Kind unter einer hypophosphatämischen Rachitis, bekommt es zusätzlich Phosphat als Lösung zum Trinken oder als Tabletten. In manchen Fällen wird die Erkrankung auch mit dem Antikörper Burosumab therapiert.

Operativ

In seltenen Fällen müssen orthopädische Chirurg*innen die Beinfehlstellungen mit einer Operation korrigieren. Im Rahmen einer Osteotomie wird dabei z. B. ein verbogener Knochen operativ durchtrennt, neu ausgerichtet und mit Platten oder Schrauben in korrekter Lage seiner Achse fixiert.

Prognose

Die früh entdeckte und behandelte Rachitis hat eine gute Prognose. Blutwerte und leichte Knochendeformitäten normalisieren sich innerhalb weniger Wochen. Auch Fehlstellungen der Beine bilden sich unter einer Therapie mit Vitamin D und Kalzium meist von selbst wieder zurück – hierbei ist allerdings Geduld gefragt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Sonnenlicht. Für die körpereigene Vitamin-D-Bildung ist Sonnenlicht unverzichtbar. Wieviel Zeit man in der Sonne verbringen soll, hängt vom Hauttyp und der Sonneneinstrahlung ab. Zur Vitamin-D-Bildung reichen für hellhäutige Kinder meist wenige Minuten täglich. Die individuelle Beratung durch die Kinderärzt*in hilft dabei, die für das jeweilige Kind richtige Sonnendosis zwischen zu wenig und zu viel zu finden.

Ernährung. Wichtig zur Behandlung und Vorbeugung einer Rachitis ist die Ernährung. Es sollen vermehrt Lebensmittel verzehrt werden, die reich an Vitamin D und Kalzium sind. Dazu gehören öliger Fisch, Getreideprodukte, Haferflocken, Eier, grünes Blattgemüse und Milchprodukte.

Vitamin-D-Prophylaxe. Vitamin-D-Mengen werden in Mikrogramm (µg) oder in Internationalen Einheiten (I.E.) angegeben: 1 µg D3 = 40 I.E. Säuglinge erhalten im ersten Lebensjahr zur Vorbeugung einer Rachitis eine Prophylaxe mit 500 I.E. Vitamin D3 pro Tag. Eine ausreichende Kalziumzufuhr muss dabei ebenfalls gewährleistet sein. Auch Risikogruppen benötigen eine Prophylaxe. Dazu gehören Kinder mit dunkler Hautfarbe. Wie hoch die erforderliche Dosierung des Vitamin D sein muss, rät in diesen Fällen die Kinderärzt*in.

Hinweis: Die gesamte Menge an aufgenommenem Vitamin D (Nahrung und Tabletten) sollte bei Kindern bis 10 Jahren 50 Mikrogramm nicht überschreiten. Eine Überdosierung kann zu Nierensteinen und Nierenverkalkung führen.

Weiterführende Informationen

Die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Vitamin D finden sich auf deren Webseite unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/

Von: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Wunden bei Kindern sicher behandeln

Kleine Wunden lassen sich bei Kindern mit den richtigen Hausmitteln meist gut verarzten.

Wunden bei Kindern sicher behandeln

Hilfe, es blutet!

Stürze und kleine Verletzungen sind bei aktiven Kindern alltäglich. Meist kommt es nur zu harmlosen blauen Flecken, Abschürfungen oder kleinen Wunden. Die lassen sich mit dem nötigen Know-How und einer gut ausgestatteten Hausapotheke gut behandeln. Wichtig ist aber zu wissen, wann das Kind bei einer Verletzung zur Ärzt*in muss – und was bei Verbrennungen tun ist.

Mehr Stürze, weniger Folgen

Hinfallen gehört zu den häufigsten Alltagsereignissen bei Kindern. Kleinkinder fallen besonders oft: Obwohl sie noch wacklig und unsicher auf den Beinen sind, wollen sie alles ausprobieren und lassen sich von nichts aufhalten. Auch ihre Körperproportionen bringen sie leichter zu Fall: Weil ihr Kopf etwa 25% des Körpergewichts ausmacht, liegt ihr Schwerpunkt höher als bei Erwachsenen. Dadurch ist der Körper instabiler und sie verlieren leichter ihr Gleichgewicht.

Kinder stürzen zwar viel häufiger als Erwachsene – ihr Körper kann dies aber deutlich besser verkraften. Das gilt besonders für die Wundheilung. Die ist bei gesunden Kindern durch ihre höhere Stoffwechselrate schneller und effektiver als bei den Großen. Deshalb verlaufen alle drei Wundheilungsphasen besser: 

  • Blutstillung und Entzündungsphase: Als erstes wird durch Blutplättchen (Thrombozyten) und die Blutgerinnung ein schützender Schorf gebildet und die Blutung gestillt. Anschließend wandern spezielle Blutzellen ein und beseitigen eingedrungene Bakterien und abgestorbenes Gewebe.
  • Proliferative Phase: Ab dem zweiten Tag beginnt der Körper, die Gewebeverluste wieder aufzufüllen. Dafür bildet er neues Bindegewebe, insbesondere Kollagen, das von speziellen Hautzellen (Fibroblasten) produziert wird. Auch diese Kollagenproduktion läuft bei Kindern meist effektiver ab als im Erwachsenenalter. 
  • Reparative Phase: Ab Tag 5, also noch parallel zur proliferativen Phase, baut der Körper das neu gebildete Gewebe um. Dadurch wird die Wunde immer kleiner und stabiler. In diesem Stadium können sich sichtbare Narben entwickeln. Das Risiko für ausgeprägte Narben ist bei Kindern wiederum geringer als bei Erwachsenen. Die reparative Phase dauert etwa bis zu vier Wochen, dann ist die Wunde meist vollständig verheilt.

Hinweis: Wunden von Kindern infizieren sich seltener als Wunden von Erwachsenen. Dass liegt u.a. daran, dass gerade in den ersten Lebensjahren die Produktion und die Aktivität der Immunzellen besonders hoch ist. So gut ausgerüstet kann das Immunsystem besonders schnell und effektiv auf eingedrungene Keime reagieren.

Wann muss das gestürzte Kind in die Arztpraxis?

Zum Glück sind Stürze im Kindesalter meist leicht und haben deshalb nur harmlose Folgen. Abschürfungen, blaue Flecken und kleine Wunden kann man deshalb recht gut selbst versorgen. Rat und die erforderlichen Produkte gibt es in der Apotheke.

In einigen Fällen ist es allerdings unabdingbar, mit dem gestürzten Kind eine Arztpraxis aufzusuchen, z. B. bei 

  • Stürzen aus mehr als 1,5 m Höhe 
  • stark blutenden Wunden
  • Flüssigkeits- oder Blutaustritt aus Nase oder Ohren 
  • Bewusstlosigkeit (auch kurze) nach dem Sturz 
  • Erbrechen, Schläfrigkeit, Trinkunlust nach dem Sturz 
  • Krampfanfällen oder Muskelzuckungen
  • Schielen oder Sehstörungen

Kälte und Cremes bei blauen Flecken

Wenn durch eine Prellung, einen Stoß oder einen Schlag Gefäße verletzt werden, sammelt sich unter der Haut Blut an. Es kommt zu einem blauen Fleck, auch Hämatom genannt. Sie heilen – besonders bei Kindern – meist schnell ab. Der frische Fleck ist erst rot, dann wird er durch die Gerinnung blauviolett. Im Rahmen der Aufräumarbeiten im Gewebe bauen die Fresszellen den Blutfarbstoff ab. Je nach Abbauprodukt verändert der Fleck seine Farbe von braun-schwarz über dunkelgrün bis gelb-braun.

Blaue Flecken tun vor allem zu Beginn sehr weh. Kälte hilft dagegen am besten und sorgt dafür, dass Schwellungen nicht noch größer werden. Gekühlt werden sollte möglichst rasch und für mehrere Minuten. Achtung: Um den Kreislauf nicht zu stark zu belasten, darf dies bei Kleinkindern nur punktuell, also an der betroffenen Stelle, und feucht-kühl passieren.

Dazu eignet sich ein mit kühlem Wasser angefeuchteter Waschlappen oder eine im Kühlschrank (!) gelagerte Kalt-Warm-Kompresse. Für unterwegs sind Sofort-Kühl-Kompressen zum Knicken praktisch. Tiefgekühlte Coolpacks sind ungeeignet für Kleinkinder, ebenso Eissprays – sie können ihre besonders empfindliche und dünne Haut und die dicht darunter liegenden Nerven schädigen und zu schmerzhaften Erfrierungen führen.

Ist der Schmerz abgeklungen, können Gele mit Arnika-Extrakt die Abheilung unterstützen. Manche Eltern haben auch gute Erfahrungen mit homöopathischen Cremes gemacht. Bei Kindern ab acht Jahren darf man blaue Flecken auch mit Schmerzsalben mit Beinwell-Fluidextrakt behandeln.

Hinweis: Die klassischen Schmerzgele auf der Basis von Diclofenac oder Ibuprofen sind erst für Jugendliche ab 14 Jahren zugelassen und für jüngere Kinder nicht geeignet.

Blutende Wunden und Schürfwunden sicher versorgen

Bei stark blutenden Wunden muss die Blutung schnell gestoppt werden. Erst legt man eine sterile Kompresse auf, wenn nötig, muss ein Druckverband angelegt werden. Dazu kann man eine Verbandrolle verwenden. Diese packt man aus und legt sie auf die Kompresse, um sie dann mit einer zweiten Verbandrolle zu umwickeln und zu fixieren. So versorgt muss das Kind in eine Arztpraxis oder eine Notfallambulanz gebracht werden.

Oberflächliche, leichte Blutungen und Schürfwunden können selbst behandelt werden. In jedem Fall ist eine gute Wundreinigung wichtig. Dabei ist es wichtig, die Wunde gut mit Wasser oder steriler Kochsalzlösung zu spülen. Bei kleinen oberflächlichen Schürfwunden ist eine Desinfektion meist überflüssig. Schon das Spülen verringert die Infektionsgefahr. Zudem reinigt sich die Wunde selbst, indem sie Wundsekret bildet.

Anders sieht das bei tieferen Wunden aus. Sie können auch nach dem Spülen noch Schmutz und Keime enthalten und sollten desinfiziert werden. Gleiches gilt für Wunden, die mit Erde oder Tierkot in Kontakt geraten sind – sie sollte man ebenfalls desinfizieren.

Auch für Kinder geeignete Antiseptika sind die Wirkstoffe Octenidin, Povidon-Iod, Polihexanid und Chlorhexidin. Entsprechende Präparate und die dazugehörende Beratung gibt es in der Apotheke.

Tipp: Für das Säubern von leicht blutenden Wunden eignen sich bei Kindern besonders dunkle Tücher. Darauf fällt das rote Blut weniger auf, und das Kind bekommt weniger Angst.

Wundheilung fördern

Die nicht mehr blutende Wunde wird wie bei Erwachsenen nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung behandelt. Dazu kann man entweder feuchtes Wundgel oder Hydrokolloidpflaster verwenden.

Feuchte Wundgele brennen nicht auf der Wunde, spenden Feuchtigkeit für die Heilung und haben einen angenehm kühlenden Effekt. Sie müssen mehrmals täglich aufgetragen werden. Zum Schutz vor Verunreinigung, Reibung durch die Kleidung oder Herumkratzen klebt man ein Pflaster darüber. Der Wechsel des Pflasters kann sehr schmerzhaft sein. Um das Lösen des Pflasters zu erleichtern, gibt es zwei Wege: 

  • Sterile Kochsalzlösung zwischen den Rand des Pflasters und die Haut tröpfeln. 
  • Auf die Klebefläche des Pflasters ölgetränkte Wattepads auflegen und einwirken lassen.

Hydrokolloidpflaster sind die Alternative zu Wundgel und Pflaster. Sie bestehen aus wasserdichtem Material und versorgen die Wunde mit Feuchtigkeit. Außerdem polstern sie diese ab und schützen vor Reibung und Druck. Um sie beim Spielen zu sichern, kann man darüber täglich eine selbstklebende Binde anlegen. Das schützt auch davor, dass Schmutz unter den Rändern eindringt. Hydrokolloidpflaster bleiben bis zu sieben Tage auf der Wunde – das mehrmals tägliche Pflasterwechsel entfällt also.

Narbengele mit Silikon können bei ausgedehnten Schürfwunden die Abheilung verbessern. Sie dürfen erst aufgetragen werden, wenn kein Schorf mehr vorhanden ist. Man trägt sie zweimal täglich vorsichtig auf. Bitte nicht einmassieren – sonst bildet sich der nötige Silikonfilm nicht. Spezielle Präparate gibt es in der Apotheke schon für Babys ab drei Monaten.

Hinweis: Bei Verletzungen sollte immer der im Auge behalten werden, ob die Tetanusimpfung aufgefrischt werden muss. Grundimmunisiert wird meist mit 2, 4 und 11 Monaten. Danach wird die Impfung mit 5 bis 6 Jahren, später alle zehn Jahre wiederholt. Ist der Impfstatus nicht bekannt, wird das Kind wie ungeimpft behandelt und erhält eine Tetanusimpfung.

Achtung Verbrennungsgefahr

Auch Verbrennungen gehören zu den häufigen Verletzungen im Kindesalter. Typisch sind Unfälle am Herd oder mit dem Wasserkocher. Im Sommer gibt es neben dem Grillen noch zwei weitere typische Verbrennungsmöglichkeiten: 

  • Im Gartenschlauch stehendes Wasser kann durch die Sonne extrem heiß werden und Verbrühungen verursachen. 
  • Metallteile an Klettergerüsten und Rutschen können sich so aufheizen, dass es zu Kontaktverbrennungen an Po, Händen und Füßen kommt.

Bei einer Verbrennung muss sofort gehandelt werden. Ist ein größerer Bereich als der Handteller (des Kindes) betroffen, muss sofort der Notruf gewählt werden. Bereits ab 8% verbrannter Haut besteht bei Kindern Lebensgefahr. Zusätzlich gilt für alle Verbrennungen: 

  1. Bei verbrannten oder verbrühten Kindern sollte so schnell wie möglich die Kleidung entfernt werden. Das gilt allerdings nur, wenn diese nicht mit der Haut verklebt ist. Ist das der Fall, muss die Kleidung mitgekühlt werden. Denn je länger die heißen Textilien an der Haut bleiben, desto größer wird der Hautschaden. 
  2. Brandwunde 10 bis 15 Minuten mit handwarmem Wasser kühlen. Ausnahme: Nicht gekühlt werden großflächige Verletzungen wie z. B. der Rumpf – es droht sonst die Gefahr, dass die Körperkerntemperatur nicht mehr gehalten werden kann. Auch Neugeborene und Säuglinge sollen nicht gekühlt werden.
  3. Nach dem Kühlen kleinere Brandwunden steril abdecken, bei größeren Wunden ein sauberes Tuch verwenden. 
  4. Keinesfalls Hausmittel auftragen (Mehl, Salben, Puder)! Säuglinge und Kleinkinder sollen bei jeder Art von Verbrennung zur Ärzt*in. Das Gleiche gilt, wenn es zu Verbrennungen im Gesicht, an den Händen, Füßen oder Genitalien gekommen ist.

Bei älteren Kindern können leichte, sehr kleinflächige Brandwunden zuhause behandelt werden. Brandblasen darf man dabei nicht aufstechen. Einerseits, weil sie die Wunde vor Verunreinigungen schützt. Außerdem bildet sich unter der Brandblase ein feuchtes Milieu, das die Heilung fördert. Zudem schmerzen geöffnete Brandblasen besonders stark.

Auch geschlossene Brandwunden schmerzen. Dagegen helfen Hydrokolloidpflaster oder Blasenpflaster, die besonders dick sind. Speziell abkühlende Wundgele gibt es auch für Kinder.

Tipp: Haben Windelkinder einen Unfall mit heißen Flüssigkeiten, muss unbedingt die Windel ausgezogen und geprüft werden. Denn das heiße Wasser kann sich darin sammeln und zu Verbrühungen am Po oder an den Geschlechtsorganen führen.

Gut gerüstet für den Notfall

Wer Kinder hat, sollte auf kleine Verletzungen gut vorbereitet sein. Es ist ratsam, folgende Produkte in der Hausapotheke vorrätig zu haben:  Ampullen mit steriler Kochsalzlösung

  • Wunddesinfektionsmittel 
  • sterile Kompressen
  • Wundgel 
  • klassische Kinderpflaster 
  • Mullbinden
  • Pinzette

Für Eltern ist es ratsam, die genannten Produkte in eine kleine Tasche zu packen und unterwegs immer dabei zu haben. So ist man beim Spazierengehen, auf dem Spielplatz und bei anderen Outdoor-Aktivitäten gut gerüstet.

Tipp: Es gibt auch Fertigsets zu Kaufen. So haben z. B. Expert*innen von der Universitätsklinik Bonn ein Erste-Hilfe-Set für Kinder entwickelt, das zusätzlich einen Notfallratgeber enthält (Dr. Till Kindernotfallbox-Tasche®).

Quellen: Steinbrück C, DAZ 2023; 31: 34-36, www. Paulinchen.de, www.kinderaerzte-im-netz.de, www.kindernotfall-bonn.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Tanya Yatsenko