Gesundheit heute

Osteoporose

Osteoporose (Knochenschwund): Knochenerkrankung, bei der sich die Dichte der Knochen verringert und diese schon bei kleinen Unfällen, Belastungen oder auch ohne erkennbare Ursachen brechen können. Darüber hinaus treten Minibrüche (Knochenrisse) auf, die häufig zu Schmerzen im Rücken oder im Brustkorb führen. Der krankhafte Verlust an Knochenmasse wird mithilfe der Knochendichtemessung nachgewiesen, bei Verdacht auf Frakturen (Brüche) wird geröntgt. Therapeutisch kommen Medikamente zum Einsatz, die den Knochenabbau hemmen oder den Knochenaufbau fördern. Daneben ist die ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Kalzium entscheidend.

Hinweis: Außer als eigenständige Erkrankung (primäre Osteoporose) kann sich eine Osteoporose auch als Folgeerkrankung (sekundäre Osteoporose) entwickeln, z. B. bei Schilddrüsenstörungen, einem Diabetes, einer rheumatischen Erkrankung oder der Langzeiteinnahme von Kortison.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Knochenbrüche im höheren Lebensalter ohne passende Verletzung, v. a. von Wirbelkörpern, Oberschenkelhals und Unterarm
  • schwer lokalisierbare Schmerzen im Bewegungsapparat (v. a. Rücken und Brustkorb)
  • Zunehmende Verkrümmung des Oberkörpers (Witwenbuckel)
  • Abnahme der Körpergröße um mehr als 3 cm. In ausgeprägten Fällen sitzen die unteren Rippen auf den Beckenkämmen auf.

Wann in die Arztpraxis

Sofort zur Ärzt*in oder den Notdienst rufen bei

  • Stürzen mit schweren Schmerzen oder dem Verdacht auf Knochenbrüche.

In den nächsten Tagen, wenn

  • chronische Rückenschmerzen trotz Bewegung und Gymnastik nicht besser werden
  • plötzlich starke Schmerzen an Rücken oder Hüfte auftreten.

Die Erkrankung

Mit dem 25. Lebensjahr ist die Wachstumsphase beendet. Die Knochen haben dann nicht nur ihre endgültige Länge, sondern auch ihre maximale Knochenmasse erreicht. Auch wenn die Knochen nicht mehr wachsen, werden sie danach ständig umgebaut und erneuert. Bis etwa zum 30. Lebensjahr besteht ein Gleichgewicht zwischen der Aktivität knochenaufbauender Zellen (Osteoblasten) und knochenabbauender Zellen (Osteoklasten). Danach verringert sich die Knochenmasse langsam, es wird also mehr abgebaut als aufgebaut. Geht zu viel von ihr verloren, wird der Knochen brüchig, es entwickelt sich eine Osteoporose.

Die Knochendichte kann auf zwei Arten weniger werden: Ist der Knochenaufbau gestört, spricht man von einer Low-turnover-Osteoporose. Zu dieser Form gehört die senile Osteoporose (primäre Osteoporose Typ 1), also die Osteoporose im Alter. Dabei nimmt die Aktivität der Osteoblasten mit dem Alter schleichend immer weiter ab. Oft kommt noch dazu, dass alte Menschen nicht ausreichend Kalzium und Vitamin D zu sich nehmen und sich kaum noch bewegen. Betroffen sind bei der senilen Osteoporose sowohl kompakte Knochen, wie z. B. die Wirbelkörper, als auch die Röhrenknochen.

Ein verstärkter Knochenabbau ist dagegen der Grund für die menopausale Osteoporose (primäre Osteoporose Typ 2), also der Osteoporose in den Wechseljahren. Sie setzt bei etwa jeder dritten Frau mit dem Beginn der Wechseljahre ein. Als Ursache wird u. a. der Rückgang von Östrogenen vermutet, da Östrogene die Osteoklasten hemmen. Fällt der hemmende Einfluss der Hormone weg, kommt es zu einem verstärkten Knochenabbau – während der Knochenaufbau aber gleich bleibt (High-turnover-Osteoporose). Im Gegensatz zur senilen Osteoporose sind vor allem die Wirbelkörper betroffen. Außerdem nimmt die Knochendichte bei der menopausalen Form in den ersten Jahren rascher ab.

Vermehrter Knochenabbau und verminderter Knochenaufbau (also Low-turnover-Osteoporose und High-turnover-Osteoporose) können auch kombiniert vorkommen oder ineinander übergehen.

Risikofaktoren

Zahlreiche Risikofaktoren können die Entwicklung einer senilen oder postmenopausalen Osteoporose begünstigen oder beschleunigen:

  • Geringe körperliche Aktivität
  • Langfristige Bettruhe
  • Kalzium- und Vitamin-D-Mangel
  • Rauchen, Alkohol
  • Osteoporose in der Familie
  • Niedriges Körpergewicht (unter 55 kg)
  • Bei Frauen zusätzlich eine frühe Menopause, das Ausbleiben der Monatsblutung für mehr als 6 Monate unabhängig von einer Schwangerschaft sowie die Entfernung der Eierstöcke.

Sekundäre Osteoporose

Bei jeder 20. Patient*in mit Osteoporose verringert sich die Knochendichte nicht aufgrund von Alter oder den Wechseljahren, sondern im Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung oder durch die Einnahme von Medikamenten. Dann spricht man von einer sekundären Osteoporose. Typische Auslöser sind

  • hormonelle Störungen durch Morbus Cushing, Hypogonadismus, Schilddrüsenüberfunktion oder Akromegalie
  • metabolische Störungen bei Diabetes mellitus oder Störungen der Nahrungsaufnahme (Malassimilationsstörungen)
  • Tumorerkrankungen des Knochens
  • Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Lupus erythematodes
  • Medikamente wie Kortison, Schilddrüsenhormone, Entwässerungsmittel oder Cyclosporin A.

Klinik

Die Osteoporose verläuft zunächst ohne Beschwerden. Erst wenn sie fortgeschritten ist und sich kleinste Risse ausbilden, entwickeln die Patient*innen Rücken- oder Hüftschmerzen. Später drohen Knochenbrüche, typischerweise schon bei kleinen Unfällen (Stürzen oder Rutschen vom Stuhl) oder sogar ganz ohne bemerkbaren Anlass. Betroffen sind bei der senilen Osteoporose vor allem Unterarm (Radius), Oberarm und Oberschenkelhals.

Bei der postmenopausalen Osteoporose sind dagegen eher die Wirbelkörper betroffen. In der Folge von Brüchen und kleinen Rissen brechen sie in sich zusammen und werden keilförmig. Dadurch verstärkt sich die natürliche Krümmung der Wirbelsäule und es entsteht ein Buckel (Kyphose). Außerdem vermindert sich die Körperhöhe um mehrere Zentimeter.

Vorkommen und Bedeutung

Die Osteoporose stellt als Volkskrankheit ein großes gesundheitspolitisches Problem dar, in Deutschland leiden schätzungsweise 8 Millionen Menschen darunter (rund 80 % davon sind Frauen). Sie tritt gehäuft im Alter auf, man findet sie in der Gruppe der Über-60-Jährigen bei etwa 40 % der Frauen und 10 bis 15 % der Männer. Der überwiegende Anteil (95 %) sind primäre Osteoporosen, nur in etwa 5 % der Fälle liegt eine andere Erkrankung oder eine Medikamenteneinnahme zugrunde.

Aufgrund ihrer Folgen besitzt die Osteoporose eine große sozioökonomische Bedeutung. In Westeuropa haben etwa ein Viertel aller 70-Jährigen und etwa die Hälfte der über 80-Jährigen osteoporotisch bedingte Wirbelbrüche. Zudem erleidet fast ein Drittel der über 90-Jährigen einen Oberschenkelhalsbruch, der häufig lange Krankenhausaufenthalte und den Verlust der Selbstständigkeit nach sich zieht.

Diagnosesicherung

Das Alter der Patient*in, die Schilderung von Ort und Art der Schmerzen und eventuell vorangegangene Knochenbrüche geben häufig die ersten Hinweise darauf, dass die Knochendichte beeinträchtigt ist. Bei Erhebung der Krankengeschichte klärt die Ärzt*in, ob Risikofaktoren vorliegen. So fragt sie z. B. nach der Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Kortison) und ob auch die Eltern unter Osteoporose litten – also eine familiäre Belastung vorliegt. Bei Frauen in den Wechseljahren ist auch der Zeitpunkt der letzten Menstruation wichtig. Danach folgen die körperliche Untersuchung und, je nach Befund, Knochendichtemessung, Röntgen und Laboruntersuchungen:

Körperliche Untersuchung. Bei der körperlichen Untersuchung weisen Rückenschmerzen und ein Klopfschmerz über der Wirbelsäule auf eventuelle Wirbelkörperbrüche hin. Sichtbares Zeichen einer schon länger bestehenden Osteoporose ist das Tannenbaumphänomen. Dabei bilden sich Hautfalten am Rücken, die wie die Zweige einer Tanne rechts und links von der Wirbelsäule schräg nach unten in Richtung Becken verlaufen. Weitere äußerliche Anzeichen für eine Osteoporose sind eine ausgeprägte Kyphose (Buckel) und Rippen, die auf dem Beckenkamm aufsitzen.

Knochendichtemessung (Osteodensitometrie). Goldstandard zur Messung der Knochendichte ist die Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DEXA, DXA), bei der man den Mineralsalzgehalt des Knochens an der Lendenwirbelsäule und an der Hüfte misst. Die Strahlenbelastung dieser Untersuchung ist sehr gering. Das Ergebnis wird als T-Wert (T-Score) angegeben. Er ist ein Maß für die Abweichung der gemessenen Knochendichte von der durchschnittlichen maximalen Knochendichte (peak bone mass, PBM) gesunder 30-Jähriger. Eine Abweichung ins Negative bedeutet eine geringere Knochendichte. Im Einzelnen wurde festgelegt:

  • T-Werte zwischen −1 und −2,4: leicht erhöhtes Knochenbruchrisiko (verminderte Knochendichte, Osteopenie)
  • T-Werte unter oder gleich −2,5 (entspricht einem Knochenverlust von ~30 %): stark erhöhtes Knochenbruchrisiko, besonders an den Wirbeln (Osteoporose).

Röntgenuntersuchung. Zur Diagnose einer Osteoporose eignet sich das Röntgen nicht, da erst ab einem Verlust von mehr als 30 % der Knochendichte osteoporotische Veränderungen sichtbar werden. Geröntgt wird dann, wenn ein Verdacht auf osteoporotische Brüche oder Risse besteht. Diese lassen sich im Röntgenbild gut nachweisen.

Laboruntersuchungen. Sie dienen beim Vorliegen einer Osteoporose vor allem dem Ausschluss sekundärer Formen, d. h. möglicher Erkrankungen, die die Knochendichte verringern. Bestimmt werden z. B. Kalzium- und Phosphatspiegel, Alkalische Phosphatase, Kalzium und Phosphat im 24-Stunden-Sammelurin, das Blutbild und Entzündungszeichen. Bei Männern prüft man häufig das Testosteron, da bei ihnen ein Hormonmangel (Hypogonadismus) zu Osteoporose und Knochenbrüchen führt.

Differenzialdiagnosen. Bei einer verringerten Knochendichte müssen alle Formen der primären und sekundären Osteoporose diagnostisch berücksichtigt werden. Zu Knochenschmerzen und vermehrter Bruchneigung des Knochens führen auch Tumoren und Metastasen sowie die gestörte Mineralisierung des Knochens durch einen Vitamin-D-Mangel (Osteomalazie bzw. Rachitis).

Früherkennung durch Knochendichtemessung?

Ob bei Frauen über 65 Jahren eine Früherkennung der Osteoporose mittels DEXA nützlich ist, wird kontrovers beurteilt. Mehrere Studien geben Hinweise, dass die Früherkennung das Risiko für Knochenbrüche senken könnte. Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn eine erkannte Osteoporose auch mit knochenstärkenden Medikamenten therapiert wird. Inwieweit Männer und jüngere Menschen von einer Screening-DEXA profitieren, wurde bisher nicht untersucht.

Eine Knochendichtemessung zur Früherkennung muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten (ca 50 bis 60 EUR) für die DEXA nur, wenn konkrete Befunde eine Osteoporose wahrscheinlich machen und eine gezielte medikamentöse Behandlungsabsicht besteht.

Viele Expert*innen raten jedoch dazu, trotzdem frühzeitig eine Knochendichtemessung durchführen zu lassen. Dies gilt insbesondere für Frauen, die früh in die Wechseljahre kommen, keine Hormonersatztherapie dagegen einnehmen und familiär mit Osteoporose belastet sind.

Behandlung

Schmerzen lindern und Knochenbrüche verhindern – das sind die zwei zentralen Ziele bei der Therapie einer Osteoporose. Gegen akute und chronische Rückenschmerzen werden meist bedarfsorientiert NSAR-Schmerzmittel verordnet. Reicht dies nicht aus, kommen Analgetika nach dem WHO-Stufenschema zum Einsatz. Bei ausgeprägten Schmerzen werden manchmal Opioide erforderlich.

Knochenstärkende Medikamente

Um das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen und Knochenbrüche zu verhindern, muss langfristig der Knochen gestärkt werden. Die Basis dafür bilden eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und die ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Kalzium (Näheres dazu unter "Ihre Apotheke empfiehlt").

Ob spezielle Osteoporosemedikamente erforderlich sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu gehören der mittels DEXA gemessene T-Wert, Geschlecht und Alter sowie schon stattgehabte osteoporotische Knochenbrüche. Auch der Hormonstatus (z. B. postmenopausal) und eine laufende Kortisontherapie werden bei der Entscheidung berücksichtigt.

Zur Verbesserung der Knochendichte gibt es Wirkstoffe, die den Knochenabbau hemmen (z. B. Bisphosphonate, Denosumab und Raloxifen) und solche, die den Knochenaufbau fördern (z. B. Teriparatid und Romosozumab).

Bisphosphonate wie Alendronat und Risedronat hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) und gelten heute als erste Wahl bei bestehender Osteoporose. Eine verringerte Anzahl osteoporosebedingter Knochenbrüche ist für eine Einnahmedauer von 3–5 Jahren nachgewiesen. Der Nutzen bei längerer Einnahme ist unklar. Je nach Wirkstoff werden die Tabletten täglich oder einmal wöchentlich nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen. Um die Speiseröhre zu schonen, sollte dies mit reichlich stillem Wasser und in aufrechter Haltung erfolgen. Mögliche Nebenwirkungen von Bisphosphonaten sind Knochenveränderungen wie z. B. Oberschenkelbrüche oder eine Rückbildung von Knochengewebe (Osteonekrose) der Kieferknochen und des äußeren Gehörgangs. Diese Osteonekrosen sind eine Folge mangelnder Blutversorgung und äußern sich durch freiliegenden Knochen im Mundraum oder am Ohr. Dagegen hilft eine Medikamentenpause. Durch eine konsequente Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen lässt sich das Risiko für eine Rückbildung von Kieferknochengewebe verringern. Auf jeden Fall sollte vor Beginn der Behandlung eine umfassende Zahnsanierung erfolgen.

Denosumab hemmt die Umwandlung von Vorläuferzellen in knochenabbauende Zellen (Osteoklasten). Der Wirkstoff wird alle sechs Monate unter die Haut (subkutan) gespritzt. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Knochen- und Muskelschmerzen in Armen und Beinen. Seltener kommt es aufgrund von Kalziummangel im Blut (Hypokalzämie) zu Zuckungen oder Muskelkrämpfen. Wie bei Bisphosphonaten ist die Entwicklung einer Osteonekrose im Kiefer, möglicherweise auch im äußeren Gehörgang, möglich.

Romosozumab hat eine zweifache Wirkung: Es bremst den Knochenabbau und fördert den Knochenaufbau. Romosozumab wird monatlich subkutan gespritzt und vor allem bei postmenopausalen Frauen mit hohem Risiko für Knochenbrüche eingesetzt. Häufigere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Rachenentzündungen und Gelenkschmerzen. Weil der Wirkstoff wahrscheinlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, darf er bei Patient*innen mit Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte nicht angewendet werden. Außerdem sollte die Therapiedauer möglichst ein Jahr nicht überschreiten.

Der selektive Östrogenrezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen wirkt am Knochen wie Östrogen und fördert dadurch den Knochenaufbau. Auf diese Weise senkt Raloxifen vor allem das Risiko für Wirbelkörperbrüche. Es wird bei Frauen während und nach den Wechseljahren eingesetzt, wenn sie Bisphosphonate oder Denosumab nicht vertragen. Raloxifen wird täglich oral eingenommen. Als wichtige Nebenwirkungen gelten Thrombosen (z. B. tiefe Beinvenenthrombose) und Thromboembolien wie die Lungenembolie.

Parathormon-Analoga wie Teriparatid fördern den Knochenaufbau, indem sie die Kalziumaufnahme steigern und die Vitamin-D-Synthese stimulieren. In bisherigen Studien konnte gezeigt werden, dass die Substanz Wirbelkörperbrüche bei postmenopausaler Osteoporose reduziert. Teriparatid wird täglich subkutan gespritzt, als Nebenwirkungen sind Gliederschmerzen, Übelkeit und Schwindel häufig. Der Wirkstoff darf nur maximal zwei Jahre lang verabreicht werden, weil er im Tierversuch bei längerer Therapie zu Osteosarkomen (Knochenkrebs) geführt hat.

Östrogene fördern bei der postmenopausalen Osteoporose den Knochenaufbau. Man verordnet sie jedoch zurückhaltend, z. B. wenn die oben genannten Osteoporosemedikamente nicht vertragen werden oder Östrogene aufgrund stärkster Wechseljahrsbeschwerden erforderlich sind. Denn eine Langzeittherapie mit Östrogenen erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Schlaganfall, Herzinfarkt) und Brustkrebs. Vor Beginn der Therapie müssen deshalb Nutzen und Risiken individuell gründlich abgewogen werden.

Verlaufskontrollen

Unter einer Therapie mit Osteoporosemedikamenten sind engmaschige Verlaufskontrollen unumgänglich. Alle drei bis sechs Monate wird überprüft, ob die Therapie beibehalten werden kann. Eine Umstellung der Medikamente wird z. B. erwogen, wenn die Knochendichte um mehr als 3 % abfällt oder mehr als zwei Knochenbrüche aufgetreten sind. Auch beim Auftreten ernster Nebenwirkungen stellt die Ärzt*in die Medikation meist um.

Für die verschiedenen Wirkstoffe gibt es jeweils eine maximale Therapiedauer, für die ein Nutzen nachgewiesen ist (Bisphosphonate fünf Jahre, Denosumab drei Jahre, Raloxifen acht Jahre). Ob danach eine Therapiepause einzulegen ist, muss im individuellen Fall entschieden werden.

Nach dem Absetzen der knochenaufbauenden Wirkstoffe Teriparatid und Denosumab wird empfohlen, eine antiresorptive (also eine den Abbau hemmende) Therapie einzuleiten.

Orthesen und Operationen

In ausgeprägten Fällen verordnen die Ärzt*innen manchmal Orthesen. Sie stützen die Wirbelsäule und reduzieren die Schmerzen. Der Nachteil von Orthesen ist, dass sie die Mobilität einschränken und damit den Verlust von Knochen- und Muskelmasse fördern. Um dem entgegenzuwirken, sollten Orthesen immer mit einer Physiotherapie kombiniert werden.

Sind die Schmerzen bei Wirbelkörperbrüchen nicht beherrschbar und alle anderen Therapiemaßnahmen erfolglos, kann in Einzelfällen eine stabilisierende Wirbelsäulenoperation (Kyphoplastie oder Vertebroplastie) helfen.

Prognose

Ohne Behandlung schreitet die Osteoporose voran und führt zu dauerhaften Veränderungen bis hin zu Knochenbrüchen. Mit jedem osteoporotischen Knochenbruch steigt das Risiko für weitere Brüche um das bis zu Fünffache an.

Knochenbrüche können bei alten Patient*innen fatale Folgen haben. Bei 10 bis 20 % der Über-70-Jährigen, die einen Oberschenkelhalsbruch erleiden, führt dieses Ereignis durch Folgeerkrankungen zum Tod. Mehr als die Hälfte von ihnen wird pflegebedürftig und bleibt dies bis ans Lebensende.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Bewegung. Die Bewegungstherapie ist bei Osteoporose besonders wichtig: Intensive körperliche Aktivität und Sport regen den Knochenstoffwechsel an. Besonders wirkungsvoll sind ein dosiertes und gezieltes Krafttraining und kraftbetonte Gymnastik, am besten in der Gruppe und unter Aufsicht einer geschulten Sporttherapeut*in oder Physiotherapeut*in. Um die Muskelfunktion zu verbessern und den Stoffwechsel anzuregen, ist eine wöchentliche Teilnahme (besser zweimal pro Woche) notwendig. Zusätzlich müssen die erlernten Übungen selbstständig zu Hause durchgeführt werden.

Kalzium und Vitamin D. Ob die Einnahme von Kalzium und Vitamin D erforderlich ist, entscheidet die Ärzt*in im individuellen Fall. Bei den meisten Patient*innen werden 1000 mg Kalzium und 800–1000 I.E. Vitamin D täglich empfohlen.

Sturzprophylaxe. Osteoporotisch veränderte Knochen brechen besonders leicht. Deshalb ist es wichtig, Stürze zu vermeiden. Die sogenannte Sturzprophylaxe setzt sich aus verschiedenen Maßnahmen zusammen:

  • Sehfähigkeit regelmäßig kontrollieren und Brille anpassen. Außerdem sollte überall für gutes Licht gesorgt werden, um Stufen oder Stolperfallen gut zu erkennen. Nur wer gut sieht, kann Hindernissen besser ausweichen.
  • Stolperfallen erkennen und beseitigen. Dazu gehören herumliegende Kabel, rutschende Teppiche, aber auch schlecht sitzende Schuhe oder zu lange Kleidung.
  • Hilfsmittel nutzen. Haltegriffe in Bad, Toilette und in den Fluren geben Sicherheit beim Laufen. Bei Gehschwierigkeiten sollten Gehstöcke und Rollatoren individuell angepasst und genutzt werden. Hüftprotektoren polstern im Falle eines Sturzes die Hüfte und helfen dadurch, Oberschenkelhalsbrüche zu vermeiden.
  • Medikamente überprüfen lassen. Viele Medikamente führen zu Benommenheit, oft wirken Schlaf- und Beruhigungsmittel am nächsten Morgen lange nach und erhöhen die Sturzgefahr. Abends eingenommene Entwässerungsmittel erhöhen den nächtlichen Harndrang, wobei der Gang zur Toilette leicht in einem Sturz enden kann. Andere Arzneimittel lösen Unruhe und Verwirrtheit aus und begünstigen ebenfalls das Hinfallen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die behandelnde Ärzt*in die verordneten Medikamente überprüft, sie gegebenenfalls umstellt oder die Einnahmezeit verändert.

Prävention

Die bereits im jüngeren Erwachsenenalter beginnende Osteoporoseprophylaxe hat größte individuelle, aber auch gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Echte Anstrengungen in Bezug auf die Vorbeugung sind deshalb angesagt. Dazu gehört der Aufbau maximaler Knochenmasse im jungen Erwachsenenalter und die Verlangsamung des physiologischen Knochenabbaus nach der Menopause und im Alter.

Bewegung. Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen! Nur durch intensive mechanische Belastung wird der Knochenaufbau angeregt. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass viel Bewegung in jugendlichen Jahren dazu beiträgt, eine höhere maximale Knochenmasse zu erreichen. Aber auch im fortgeschrittenen Alter sorgt sportliche Betätigung nicht nur für eine verbesserte Kondition, sondern senkt das Sturzrisiko und vermindert bei gleichzeitiger ausreichender Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung den Knochensubstanzverlust.

Aufenthalt im Freien. Vitamin D wird in der Haut durch den Einfluss von UV-Strahlen gebildet. Wer sich viel draußen aufhält, tankt damit Sonne und Vitamin D.

Ernährung. Achten Sie auf eine kalziumreiche Ernährung (~ 1500 mg täglich) mit viel Joghurt, Milch, Käse, Gemüse, Nüssen und Mineralwasser. Am Knochenstoffwechsel sind neben Vitamin D und Kalzium auch Vitamin C und E, Zink, Silizium, Mangan und andere Nährstoffe beteiligt.

Alkohol- und Nikotinkonsum einschränken. Ein hoher Alkoholkonsum hemmt die Osteoblasten und damit den Knochenaufbau. Außerdem fördert Alkohol die Kalziumausscheidung über den Urin. Rauchen verschlechtert die Durchblutung der Knochen und fördert dadurch die Osteoporose. Studien haben gezeigt, dass junge Raucher*innen später häufiger mit Osteoporose zu kämpfen haben als Menschen, die nie geraucht haben.

Weiterführende Informationen

osd-ev.org – Bundesverband für Osteoporose e. V., Düsseldorf: Dachverband der Selbsthilfegruppen. Hier gibt es Informationen rund um die Osteoporose sowie Tipps für die Suche nach örtlichen Selbsthilfegruppen.

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Abnehmen mit Nachhilfe

Medikamente können Menschen mit starkem Übergewicht das Abnehmen erleichtern.

Abnehmen mit Nachhilfe

Von Formuladiät bis Spritze

Theoretisch ist Abnehmen ganz einfach: Man muss nur mehr Kalorien verbrauchen, als man aufnimmt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Vielen Menschen mit Übergewicht gelingt es trotz aller Anstrengung nicht, dauerhaft Gewicht zu verlieren. Dann sind Medikamente eine Option. Doch was leisten sie – und wo lauern Gefahren?

Gefährliches Fett

Fast jede zweite Frau und mehr als die Hälfte der Männer in Deutschland sind übergewichtig. Übergewicht ist definiert als ein Body-Mass-Index > 25 kg/m2. Ab 30 gilt man als stark übergewichtig oder adipös. Für die Berechnung des BMIs gibt es eine Formel, noch einfach geht es mit entsprechenden Tabellen oder BMI-Rechnern im Netz.

Starkes Übergewicht ist ein Gesundheitsrisiko, denn es begünstigt viele Krankheiten. Dazu gehören u.a. der Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Deshalb raten Expert*innen spätestens bei einem BMI über 30 zum Abnehmen. Menschen mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 sollten eine Gewichtsreduktion anstreben, wenn sie gleichzeitig unter übergewichtsbedingten Erkrankungen leiden oder vermehrtes Bauchfett haben.

Hinweis: Das Fett, das sich im Bauchraum um die inneren Organe anlagert, gilt als besonders riskant. Es produziert zahlreiche entzündungsfördernde Botenstoffe, die krankmachende Prozesse antreiben.

Abnehmen – aber wie?

Grundsätzlich wird Übergewichtigen zunächst empfohlen, ihren Lebensstil zu überprüfen und zu optimieren. Dazu gehört, sich mehr zu bewegen und sich gesund und kalorienreduziert zu ernähren. In der aktuellen Adipositas-Leitlinie heißt es, dass ein Kaloriendefizit von 500-600 kcal sinnvoll ist. Das bedeutet, dass man 500 bis 600 kcal weniger zu sich nehmen soll, als der Körper mit Grundumsatz und Leistungsumsatz verbraucht. Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die der Körper in völliger Ruhe zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen benötigt, während der Leistungsumsatz die zusätzliche Energie beschreibt, die durch körperliche Aktivität, Arbeit oder Sport verbraucht wird.

Spart man täglich diese Menge an Kalorien ein, nimmt man in den ersten drei Monaten pro Woche etwa 0,5 kg ab. Danach wehrt sich der Körper und stellt auf einen Energiesparmodus um. Dann heißt es erstmal durchhalten und nicht in alte Ernährungsgewohnheiten zurückfallen. Mit der Zeit geht es dann mit der Gewichtsabnahme wieder weiter.

Die zweite Säule für die Gewichtsreduktion ist Bewegung. Am besten ist es, täglich 30 bis 60 Minuten körperlich aktiv zu sein. Empfohlen werden Walking, Joggen, Schwimmen und Fahrradfahren, idealerweise mit moderatem Krafttraining. Insgesamt gilt: Jeder Schritt ist besser als keiner. Dazu gehört auch, statt mit dem Lift zu fahren die Treppe zu benutzen oder eine Haltestelle auch mal zu laufen.

Hinweis: Für die kalorienreduzierte Ernährung werden drei Kostformen empfohlen: Die Ernährung nach den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die mediterrane Kost oder eine vegetarische Lebensweise.

Fasten und Mahlzeitenersatz

Hilfreich beim Abnehmen kann auch Intervallfasten sein. Dabei wird zwischen zwei Strategien unterschieden: Dem 2:5-Fasten mit zwei Fastentagen pro Woche und der täglichen Fastenpause von 16 Stunden (16:8-Methode). Intervallfasten fördert nicht nur das Abspecken. Es hat auch positive Auswirkungen auf den Zucker- und Fettstoffwechsel und auf die Leber. Wer unter chronischen Krankheiten oder niedrigem Blutdruck leidet, sollte das Fasten mit der Hausärzt*in absprechen.

Eine weitere beliebte Methode zum Abnehmen ist der Mahlzeitenersatz durch Formuladiäten. Die industriell gefertigten Nährstoffgemische werden meist mit Wasser oder Milch angerührt. Sie helfen vor allem beim Einstieg in den Prozess des Abnehmens. Dabei werden zu Beginn zwei Mahlzeiten, später nur noch eine durch ein geeignetes Produkt ersetzt. Formuladiäten haben den Vorteil, dass sie trotz Kalorienreduktion alle lebensnotwendigen Nährstoffe mitliefern. Wichtig: Auch Formuladiäten sollten von chronisch Kranken nicht auf eigene Faust durchgeführt werden. Denn bei ihnen können durch schnelles Abnehmen Gesundheitsrisiken auftreten. Zur Sicherheit ist vorher eine Ärzt*in zu konsultieren.

Hinweis: Sowohl das Intervallfasten als auch die Formuladiät sollten wie alle Abspeckstrategien in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, d. h. von einer Ernährungsoptimierung und mehr Bewegung begleitet werden.

Rezeptfreie Hilfe aus der Apotheke

Es gibt zahlreiche rezeptfreie Produkte, die beim Abnehmen unterstützend wirken.

  • Quellmittel binden Flüssigkeit im Magen und vermitteln ein künstliches Sättigungsgefühl. Damit es nicht zu Blähungen, Verdauungsproblemen und Verstopfung kommt, muss man unbedingt ausreichend trinken. Quellmittel gibt es als spezielle Produkte, aber auch Leinsamen und Flohsamenschalen können große Mengen an Flüssigkeit binden.
  • Fettbinder binden die aufgenommenen Fette im Darm und verhindern so deren Aufnahme ins Blut. Stattdessen werden die Fette dann über den Stuhl ausgeschieden. Dadurch kann es allerdings zu Verdauungsbeschwerden kommen, auch ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen ist möglich.
  • Orlistat ist ein sogenannter Fettblocker. Er hemmt im Darm die Enzyme, die die aufgenommenen Fette spalten (Lipasen). Dadurch können die Fette nicht über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Auf diese Weise wird etwa ein Drittel der mit der Nahrung zugeführten Fette mit dem Stuhl unverdaut ausgeschieden. Auch durch den Fettblocker kann es zu Verdauungsstörungen wie Blähungen und Bauchschmerzen kommen. Insbesondere ist das der Fall, wenn die Mahlzeit mehr als 15 g Fett beinhaltet. Deshalb sollten die Mahlzeiten auch mit der Einnahme von Orlistat so fettarm wie möglich ausfallen. Orlistat ist für Menschen über 18 Jahren geeignet, die einen BMI über 28 aufweisen. In der Wirkstärke von 60 mg kann es rezeptfrei in der Apotheke erworben werden. Vorsicht ist bei Menschen geboten, die regelmäßig Medikamente einnehmen. Sie sollten vor der Einnahme ihre Ärzt*in aufsuchen. Vor allem bei Blutdruckmitteln und Antidiabetika muss häufig die Dosis angepasst werden.

Hinweis: Zum Abnehmen werden im Internet oft Fettburner empfohlen. Sie sollen die Fettverbrennung ankurbeln. Wissenschaftlich belegt ist diese Wirkung jedoch nicht.

Medikamente zum Abspecken

Viele Menschen schaffen es nicht, mit den genannten Maßnahmen ausreichend abzunehmen. Denn die Gewichtsreduktion ist nicht nur eine Frage der Disziplin. Es gibt etliche Faktoren, die beim Abnehmen stören. So reagiert der Körper auf die Kalorienreduktion oft kontraproduktiv: Er senkt seinen Grundumsatz und steigert den Appetit. Stress, Depression oder Angststörungen können zudem das Essverhalten stark beeinflussen und Abnehmversuche zunichtemachen. Dazu kommt die Umwelt, die permanent mit hochkalorischen, oft ungesunden Lebensmitteln lockt – sei es im Supermarkt oder bei geselligen Anlässen. Und schlussendlich ist es für viele nicht leicht, Sport und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.

Um den komplexen Prozess des Abnehmens zu unterstützen, gibt es inzwischen einige verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie sind zur Behandlung der Adipositas (BMI über 30) bzw. bei Übergewicht (BMI 25 bis 29,9) plus begleitenden Risikofaktoren zugelassen und werden zusätzlich zu Ernährungsumstellung und Bewegung verordnet.

Orlistat 120 mg. In der Dosierung von 120 mg ist der Fettblocker verschreibungspflichtig. Die Substanz wird dreimal täglich zu den fetthaltigen Mahlzeiten eingenommen. Aufgrund der doppelt so hohen Dosierung wie beim rezeptfreien Präparat muss vermehrt auf Nebenwirkungen geachtet werden, weshalb bei der Therapie eine ärztliche Überwachung vorgeschrieben ist. Zu erwarten ist ein Gewichtsverlust von etwa 5-7% des Gesamtgewichts.

GLP-1-Analoga. Diese Wirkstoffe imitieren die Wirkung des körpereigenen Darmhormons Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1). Bei erhöhtem Blutzucker stimulieren sie die Insulinausschüttung und hemmen die Freisetzung des Hormons Glukagon, das den Blutzucker erhöht. Außerdem verzögern sie die Entleerung des Magens. Dadurch steigt das Sättigungsgefühl und der Appetit sinkt. Durch diese Wirkprinzipien unterstützen sie nicht nur die Blutzuckerkontrolle (wofür sie zunächst entwickelt wurden). Sie fördern auch eine Gewichtsabnahme.

GLP-1-Analoga werden unter die Haut gespritzt. Das muss sein: Da es sich bei ihnen um Peptide (Eiweiße) handelt, würden sie bei oraler Aufnahme als Tabletten im Magen-Darm-Trakt verdaut werden und ihre Wirksamkeit verlieren. Zur Behandlung der Adipositas sind zwei GLP-1-Analoga zugelassen. Das ältere, Liraglutid, wird täglich gespritzt. Mit ihm ist eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 8-10% des Gesamtgewichts erreichbar. Das seit 2022 erhältliche Semaglutid spritzt man einmal pro Woche. Es soll zu einer Abnahme von etwa 15-17% führen.

Die häufigsten Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga betreffen den Magen-Darm-Trakt. Sehr oft kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung sowie Bauchschmerzen. Auch über Kopfschmerzen und Schwindel wird berichtet. Neben diesen Beschwerden sind sehr selten auch schwerwiegende Nebenwirkungen möglich. Dazu gehören u. a. der Darmverschluss, die Entzündung der Bauchspeicheldrüse und eine Magenlähmung. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, die GLP-1-Analoga spritzen, ihren Körper gut beobachten und bei Gesundheitsproblemen frühzeitig ihre Ärzt*in aufsuchen.

Hinweis: Diskutiert wurde auch, dass unter GLP-1-Analoga Suizidgedanken und Suizide vermehrt auftreten. In aktuellen Studien konnte ein Zusammenhang bisher nicht bestätigt werden.

Mit dualem Agonisten noch mehr Gewicht verlieren

GLP-1-Analoga wirken im Darm an einem bestimmten Rezeptor, am GLP-1-Rezeptor. Seit einiger Zeit ist in Deutschland ein dualer Agonist zugelassen: Tirzepatid bindet sowohl am GLP1-Rezeptor als auch am Rezeptor für das „Glukoseabhängige insulinotrope Peptid“, kurz GIP. GIP fördert die Insulinausschüttung und beeinflusst das Appetit- und Sättigungszentrum im Gehirn.

Durch die Wirkung auf GLP1- und GIP-Rezeptoren entfaltet Tirzepatid bei der Blutzuckerregulierung und bei der Gewichtsreduktion stärkere Effekte als Liraglutid und Semaglutid. Neue Untersuchung zeigen zudem, dass Tirzepatid bei adipösen Patient*innen mit Herzschwäche das Risiko für einen Herz-Kreislauf-bedingten Tod und das Fortschreiten der Herzschwäche senkt.

Durch den doppelten Ansatz kommt es zu einer noch stärkeren Gewichtsreduktion. Man geht davon aus, dass Betroffene bei korrekter Verwendung bis zu 31% ihres Gesamtgewichts verlieren können. Wie Semaglutid wird auch Tirzepatid einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt. Und ebenso wie die beiden GLP1-Analoga sollte auch Tirzepatid nicht allein, sondern im Rahmen einer Gesamtkonzepts inklusive Ernährungsumstellung und mehr Bewegung eingesetzt werden.

Auch bei Tirzepatid kommt es sehr häufig zu Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich. Eine langsame Steigerung der Dosis – unter ärztlicher Aufsicht! – kann die Therapie verträglicher machen. Typisch sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall, selten kann es zu einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung kommen. Obwohl Tirzepatid effektiver ist als GLP1-Analoga, scheinen entsprechende Beschwerden nicht häufiger oder stärker aufzutreten.

Hinweis: Übergewichtige müssen bisher die Kosten für eine Gewichtsreduktionstherapie mit GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga aus eigener Tasche bezahlen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese Wirkstoffe nur, wenn sie zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes verschrieben werden.

Ozempic-Babys als Nebenwirkung

Seit geraumer Zeit geistert der Begriff der sogenannten „Ozempic-Babys“ durch das Internet. Damit werden ungeplante Schwangerschaften bei Frauen bezeichnet, die mit GLP1-Analoga behandelt werden (Ozempic ist der Warenname von Semaglutid zur Therapie von Typ-2-Diabetes). Prinzipiell ist dies bei allen GLP1-Analoga, auch bei GLP1/GIP-Analoga möglich.

Zwei Ursachen werden dafür diskutiert: Übergewichtige oder adipöse Frauen haben häufig hormonelle Störungen, die die Fruchtbarkeit verschlechtern. Durch die Gewichtsabnahme kann sich der Hormonhaushalt wieder normalisieren und die Empfängnisbereitschaft verbessert werden.

Ein weiterer Grund für ungeplante Schwangerschaften ist die Beeinträchtigung von oralen Verhütungsmitteln. Nebenwirkungen der GLP1-Analoga-Therapie wie Erbrechen und Durchfall können die Aufnahme der „Pille“ im Darm beeinträchtigen und damit die Verhütung unwirksam machen.

Kommt es unter der Therapie mit GLP-1- oder GLP1/GIP-Analoga zu einer Empfängnis, soll die Behandlung abgebrochen werden. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht erforderlich: In bisherigen Studien war die Rate schwerer Geburtsfehler bei Frauen, die unter GLP-1-Analoga schwanger wurden, nicht höher als bei Frauen mit Typ-2-Diabetes oder Übergewicht. Eine engmaschige Betreuung der werdenden Mutter wird jedoch angeraten.

Hinweis: Von der Einnahme von GLP1-Analoga und GLP1/GIP-Analoga wird in der Schwangerschaft prinzipiell abgeraten, da es noch keine ausreichenden Daten zur Sicherheit gibt. Die Hersteller weisen darauf hin, dass bei einer Therapie mit diesen Wirkstoffen eine sichere Verhütung dringend erforderlich ist. Pillenanwender*innen werden zusätzliche Verhütungsmaßnahmen empfohlen.

Wunschgewicht mit Abnehmspritze erreicht – und nun?

Ist mithilfe von GLP1-Analoga oder GLP1/GIP-Analoga das Ziel erreicht, stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Wird die Spritze einfach abgesetzt, droht die Gefahr, dass ein Großteil des verlorenen Gewichts innerhalb eines Jahres wieder zugenommen wird.

Das liegt daran, dass die Spritze das Sättigungsgefühl und den Appetit reguliert. Ohne die Wirkstoffe bleibt die schnelle Sättigung aus, die Betroffenen essen wieder mehr und die Pfunde sammeln sich erneut an. Die meisten Menschen müssen diese Medikamente deshalb langfristig – evtl. sogar ein Leben lang – anwenden, um den Effekt aufrecht zu erhalten.

Ein Absetzen nach Erreichen des Wunschgewichts ist jedoch nicht ausgeschlossen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewichtsreduktion mit GLP1- und GIP-Analoga in eine übergreifende Strategie integriert wurde. Das bedeutet, dass die Übergewichtigen während der Therapie ihren Lebensstil optimieren müssen: Für langfristige Effekte ohne den weiteren Einsatz der Wirkstoffe ist es zwingend erforderlich, die Ernährung dauerhaft anzupassen und täglich körperlich aktiv zu sein.

Folgende Kriterien sollten für ein Absetzen von GLP1/GIP-Analoga erfüllt sein: 

  • Stabil gehaltenes Gewicht über mindestens sechs Monate, 
  • regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens 150 Minuten / Woche),
  • kontinuierliche gesunde Ernährung, die nicht als Diät gesehen wird, 
  • stabiles Essverhalten ohne Heißhungerphasen, kein Essen aufgrund von Stress und eine 
  • stabile Psyche.

In diesen Fällen kann unter engmaschiger ärztlicher Betreuung ein Absetzen versucht werden. Wichtig ist, dass dieses nicht abrupt, sondern schrittweise geschieht. Empfohlen wird häufig auch eine begleitende Verhaltens- oder Ernährungstherapie. Sollte es trotzdem zu Heißhungerattacken oder eine Gewichtszunahme von mehr als 2-3 kg in kurzer Zeit kommen, heißt es Gegensteuern. Gleiches gilt, wenn die Motivation zu Sport und Bewegung absinkt. Für diese Fälle ist nach Rücksprache mit der Ärzt*in gegebenenfalls eine erneute Aufnahme der Therapie erforderlich.

Quellen: pta heute, Gelbe Liste, Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Aida López