Gesundheit heute

VEXAS-Syndrom

VEXAS-Syndrom: Seltene, autoinflammatorische Erkrankung mit Entzündungen in verschiedenen Organen und Geweben und sehr variablem Krankheitsbild. Ursache ist eine Mutation auf dem X-Chromosom, weshalb fast nur Männer erkranken. Häufigste Beschwerden sind Fieber, Knorpelentzündungen an Ohr und Nase, Atemnot und Gelenkschmerzen. Oft liegen auch schwere Blutbildveränderungen vor. Behandelt wird mit hochdosiertem Kortison. Die Prognose ist schlecht, 50 % der Betroffenen versterben innerhalb von fünf Jahren nach Diagnose.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Nachtschweiß, Schwäche, starkes Krankheitsgefühl
  • Schmerzen und Rötung an den knorpeligen Anteilen von Ohr und/oder Nase
  • Atemnot, die sich bei Belastung verstärkt
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Gerötete Augen, Lichtempfindlichkeit, Tränenträufeln.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, bei

  • sich verstärkender Atemnot ohne erkennbare Ursache
  • schmerzhaften Veränderungen an Nasen- oder Ohrknorpel.

Die Erkrankung

Das VEXAS-Syndrom ist eine im Jahr 2020 erstmals beschriebene autoinflammatorische Erkrankung. Autoinflammatorisch heißt, dass es durch eine fehlerhafte Aktivierung des angeborenen Immunsystems zu Entzündungsschüben im gesamten Körper kommt.

Der Name VEXAS ist ein Akronym und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der für die Krankheit charakteristischen Merkmale zusammen:

  • V = Vakuolen (kleine Hohlräume in den blutbildenden Zellen des Knochenmarks)
  • E = E1-Enzym (das von der Störung betroffene Enzym)
  • X = X-chromosomal (Ort der genetischen Mutation)
  • A = autoinflammatorisch (ohne Anlass ausgelöste Entzündung)
  • S = somatisch (Genmutation in Körperzellen).

Hinweis: Im Gegensatz zu einer Autoinflammation entwickeln sich die Entzündungsreaktionen bei der Autoimmunreaktion, weil spezielle Immunzellen körpereigene Zellen oder Gewebe fälschlicherweise für fremd halten.

Vorkommen und Häufigkeit

Das VEXAS-Syndrom kommt fast nur bei Männern vor. Das liegt daran, dass die Erkrankung auf einer Mutation im X-Chromosom beruht und Frauen in der Regel ein zweites X-Chromosom mit gesundem Gen besitzen.

Über die Häufigkeit der Erkrankung gibt es noch keine konkreten Angaben. Bisher wurden erst wenige Fälle beschrieben. Expert*innen gehen aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Geschätzt wird, dass etwa eine von 13.600 Personen eine entsprechende Variante im X-Chromosom aufweist.

Ursachen

Ursache des VEXAS-Syndroms ist eine somatische Mutation auf dem X-Chromosom. Somatische Mutationen entstehen in Körperzellen, aber nicht in Keimzellen. Das bedeutet, dass Betroffene die Krankheit nicht an ihre Nachkommen vererben.

Die Mutation betrifft beim VEXAS-Syndrom das UBA1-Gen. Dieses Gen kodiert ein Enzym, das die Ubiquitinierung in der Zelle anstößt (Ubiquitin-aktivierendes Enzym E1). Die Ubiquitinierung dient verschiedenen wichtigen Funktionen, z. B. dem Abbau von Proteinen oder der Reparatur von defekter DNA. Eine Mutation im verantwortlichen Gen führt dazu, dass diese Prozesse gestört werden. In der Folge kommt es zu Fieber und überschießenden Entzündungen.

Klinik und Verlauf

Das klinische Erscheinungsbild des VEXAS-Syndroms ist äußerst variabel. Typischerweise entwickeln sich die Beschwerden erst im späteren Erwachsenenalter. Oft beginnt die Erkrankung mit Fieberepisoden, deren Ursache unklar bleibt. Zwei Drittel der Betroffenen leiden im Verlauf unter schmerzhaften Knorpelentzündungen, die sich vor allem am Ohr und an der Nase bemerkbar machen. Jeder zweite Patient hat aufgrund von Entzündungen in den Lungenbläschen (Alveolitis) Luftnot oder andere Atembeschwerden. Weitere Symptome sind:

  • Gelenkentzündungen mit Schmerzen und Schwellungen an verschiedenen Gelenken (Polyarthralgie)
  • Muskelschmerzen
  • Augenbeteiligung mit Entzündung der Gefäßhaut (Uveitis) und der Sklera (Episkleritis)
  • Thrombosen, vor allem in den Beinvenen
  • Hautentzündungen mit schmerzhaften Papeln und Knötchen.

In vielen Fällen ist beim VEXAS-Syndrom das Blutsystem beteiligt. Sowohl die roten Blutkörperchen als auch die Blutplättchen sinken, es drohen eine schwere Anämie und Thrombozytopenie. Es gibt allerdings auch Fälle ohne Beteiligung des Knochenmarks. Diese werden häufig lange als rheumatologische Erkrankungen fehldiagnostiziert.

Komplikationen

Die entzündlichen Prozesse im gesamten Körper können zu schweren Folgeproblemen führen. Dazu gehören Gerinnungsstörungen, die sowohl Thrombosen als auch Blutungen auslösen. In einzelnen Fällen kam es auch zu einem gefährlichen Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS).

Diagnosesicherung

Fieberschübe und Knorpelentzündungen bei älteren Männern lenken den Verdacht auf ein VEXAS-Syndrom. Meist veranlasst die Ärzt*in dann Blutuntersuchungen und eine Knochenmarkbiopsie. Folgende Ergebnisse weisen auf die Erkrankung hin:

  • Blutuntersuchung: Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte Entzündungsmarker (CRP, BSG)
  • Knochenmarkbiopsie: Knochenmark mit vermehrten Zellen, wobei in den Vorläuferzellen typische Vakuolen nachweisbar sind.

Gesichert wird die Diagnose allerdings nur durch den Nachweis einer Mutation im UBA1-Gen. Für die dafür erforderliche DNA-Sequenzierung verwendet man meist weiße Blutkörperchen aus dem Blut oder dem Knochenmark.

Differenzialdiagnosen. Eine ganze Reihe rheumatischer Erkrankungen lösen ähnliche Beschwerden aus. Dazu gehören der Morbus Still, der systemische Lupus erythematodes und Vaskulitiden. Stehen die Blutbildveränderungen im Vordergrund, müssen hämatologische Erkrankungen wie ein myelodysplastisches Syndrom oder eine akute bzw. chronische myeloische Leukämie ausgeschlossen werden.

Behandlung

Eine spezifische Therapie gibt es bisher nicht. Die besten Behandlungserfolge erzielt man bisher mit hochdosiertem Kortison. Oft werden auch andere immununterdrückende Medikamente eingesetzt, z. B. Methotrexat oder Azathioprin. Große Hoffnungen setzte man auf die autologe Stammzelltherapie. Sie konnte die Erkrankung bisher jedoch nur wenige Monate lang unterdrücken.

Zusätzlich benötigen die Patient*innen eine schmerzlindernde Therapie. Komplikationen wie Ateminsuffizienz, schwere Anämie und Gerinnungsstörungen erfordern häufig eine intensivmedizinische Behandlung.

Prognose

Die Prognose ist schlecht, jede*r zweite Patient*in stirbt innerhalb von fünf Jahren an der Erkrankung.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Pünktliche Tabletteneinnahme. Kortisontabletten sollten morgens eingenommen werden, das passt am besten zum körpereigenen zirkadianen Kortisonrhythmus. Denn die innere Kortisonausschüttung beginnt nachts gegen zwei oder drei Uhr und steigt bis zu ihrem Gipfel um ca. 8:30 Uhr morgens an. Danach fallen die Kortisonwerte im Blut wieder kontinuierlich ab und erreichen gegen Mitternacht ihren tiefsten Punkt.

Nicht abrupt absetzen. Unter einer Therapie mit Kortison schränkt der Körper seine eigene Kortisonproduktion stark ein. Wer von heute auf morgen seine Kortisontabletten absetzt, riskiert Entzugserscheinungen. Diese reichen von Übelkeit, Gelenkschmerzen, Schwäche und Müdigkeit bis zu Blutdruckabfall und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, darf das Kortison nur vorsichtig und unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden.

Nicht abwarten bei Beschwerden. Erneute Beschwerden dürfen nicht ausgesessen werden. Um die anti-entzündliche Therapie wieder anzupassen, ist möglichst rasch die behandelnde Ärzt*in aufzusuchen.

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Autor: Dr. med. Sonja Kempinski
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Heiß und kalt gegen den Schmerz

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize

Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?

Therapie mit Tradition

Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

  • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
  • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
  • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

  • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
  • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
  • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

Wo kommt Wärme zum Einsatz?

Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

  • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
  • Rotlicht und Fangopackungen
  • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
  • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

Was Kälte alles kann

Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

  • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
  • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
  • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
  • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / FotoHelin / Alamy Stock Photos