Gesundheit heute

Granulomatose mit Polyangiitis

Granulomatose mit Polyangiitis (GPA, Morbus Wegener): Entzündung kleiner und mittelgroßer Blutgefäße mit Ausbildung von Gewebeknötchen (Granulomen). Befallen sind vor allem Ohren und Atemwege, Lunge und Niere. Die Erkrankung beginnt häufig im Nasen-Rachen-Bereich, z. B. mit einer chronisch verstopften Nase und Borkenbildung. Im weiteren Verlauf kommen Abgeschlagenheit und Fieber dazu, je nach Organbefall auch Herz-, Nieren- oder Lungenbeschwerden. Unbehandelt verläuft die GAP innerhalb weniger Jahre tödlich. Unter Therapie mit Glukokortikoiden und immununterdrückenden Wirkstoffen verbessern sich die Symptome bei vielen Betroffenen. Rückfälle sind allerdings häufig. Bleibende Schäden sind möglich, dazu gehören z. B. Hörminderung, Sattelnase, eingeschränkte Nierenfunktion sowie einseitige Erblindung.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Chronisch verstopfte Nase mit Borkenbildung, blutiger Schnupfen, Nasenbluten
  • Nebenhöhlenentzündungen
  • Ohrenschmerzen, Taubheit, Schwindel
  • Heiserkeit, trockener Husten
  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Augenschmerzen oder Sehstörungen
  • Hautveränderungen: Hauteinblutungen, Knötchen, nicht wegdrückbare rote Flecken.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • es immer wieder zu oben genannten Beschwerden kommt.

Die Erkrankung

Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) gehört gemeinsam mit der Mikroskopischen Polyangiitis und der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis zu den sogenannten ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Diese Gefäßentzündungen befallen die kleinen und mittelgroßen Blutgefäße, wobei die Patienten meist spezielle Antikörper aufweisen.

Vorkommen und Häufigkeit

Die GPA ist eine seltene Erkrankung, an der in Deutschland etwa 5 Menschen pro 100.000 Einwohner*innen leiden. Sie tritt vor allem im Erwachsenenalter auf, wobei die Diagnose oft um das 40. Lebensjahr gestellt wird. Männer und Frauen erkranken daran gleich häufig.

Ursachen

Die Ursache der Gefäßentzündung ist unbekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine genetische Veranlagung eine Rolle spielt. Möglicherweise lösen auch Bakterien oder Teile von ihnen die Erkrankung aus – viele Patient*innen berichten, dass sie vor der Diagnose einen bakteriellen Infekt hatten.

Klinik und Verlauf

Die GPA beginnt oft unspezifisch und entwickelt sich schleichend. Meist zeigen sich die ersten Beschwerden im Hals-Nasen-Ohrenbereich. Oft leiden die Patient*innen unter einer blutig-krustigen, chronischen Nasenschleimhautentzündung. Später wird der knorpelige Anteil der Nasenscheidewand zerstört und es kommt zu Nasendeformitäten (Sattelnase). Ebenfalls häufig sind chronische Nebenhöhlenentzündungen oder immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen.

Im weiteren Verlauf entzünden sich immer mehr kleine und mittelgroße Gefäße sowie deren benachbarte Gewebe und die von ihnen versorgten Organe. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen und müde, haben Fieber, verlieren den Appetit und nehmen häufig ab. Je nachdem, welche Organe befallen sind, treten folgende Beschwerden auf:

  • Haut: Papeln, Bläschen und Rötungen der Haut; Geschwüre und absterbendes Gewebe (Nekrosen) vor allem an den Fingerkuppen und Zehen
  • Kehlkopf und Luftröhre: Stimmstörungen und Atemnot bis hin zu Erstickungsanfällen
  • Lunge: blutiger Auswurf, Luftnot
  • Niere: Nierenschmerzen, Wassereinlagerung um die Augenlider herum und in den Unterschenkeln
  • Augen: rote Augen, Sehstörungen, bei großen Granulomen hinter dem Auge auch Hervortreten des Augapfels
  • Ohr: Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus und Hörstörungen bis hin zur Taubheit
  • Nerven: Taubheitsgefühle oder Missempfindungen an Fingern und Füßen (Polyneuropathie)
  • Muskeln: Kraftlosigkeit und Schwäche sowie Gangunsicherheit
  • Gelenke: springende Gelenkschmerzen in den kleinen und großen Gelenken
  • Herz: Schwächegefühl und Luftnot.

Unbehandelt überlebt die Hälfte der Betroffenen das erste Jahr nicht. In der Regel versterben die Patient*innen am Nierenversagen. Auch unter einer optimalen Therapie sterben 10 % der Patient*innen im ersten Jahr nach der Diagnose. Danach wird die Prognose besser. In bis zu 75 % der Fälle dämpfen Glukokortikoide und Immunsuppressiva die Entzündungen. Allerdings kommt es auch unter Therapie meist immer wieder zu Schüben, sodass langfristig bleibende Schäden wie Erblindung, Taubheit und der Verlust der Niere mit Dialysepflicht drohen.

Diagnosesicherung

Blutig-borkiger Schnupfen, der immer wieder auftritt, chronische Nebenhöhlenentzündungen oder eine Nasendeformität lenken den Verdacht auf eine GPA. Gesichert wird die Diagnose durch eine Biopsie. Dazu entnimmt die Ärzt*in aus befallenen Bereichen (meist aus der Nasenschleimhaut, seltener aus Lunge oder Niere) Gewebe und lässt dieses untersuchen.

Um das Ausmaß der Gefäßentzündungen festzustellen und zur Unterstützung der Diagnose kommen Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren dazu.

  • Labor: Viele Patient*innen haben eine Blutarmut (Anämie), gleichzeitig sind im Blutbild die weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen vermehrt (Leukozytose und Thrombozytose). Erhöhte Entzündungswerte wie CRP und BSG spiegeln die Krankheitsaktivität. Eine Nierenbeteiligung wird über den Kreatininwert im Blut nachgewiesen, im Urin tauchen zudem Blutkörperchen und Eiweiße auf.
  • Antikörper: Bis zu 90 % der Betroffenen weisen Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) auf, bis zu 70 % einen positiven Rheumafaktor.
  • Bildgebende Untersuchungen: Mit Röntgenuntersuchungen (konventionelles Röntgen oder Schnittbilder mittels CT) prüft die Ärzt*in die Lungenbeteiligung. Ultraschalluntersuchungen können Auffälligkeiten der Niere zeigen.

Je nach Beschwerden müssen auch andere Organuntersuchungen durchgeführt werden. Dazu gehören z. B. die Augenspiegelung, die Untersuchung des Kehlkopfes durch die HNO-Ärzt*in sowie bei Nervenbeteiligung eine gründliche neurologische Prüfung.

Differenzialdiagnose. Beim Vorliegen von ANCA sind die beiden anderen ANCA-Vaskulitiden (Mikroskopische Polyangiitis und die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis) eine wichtige Differenzialdiagnose. Steht eine Deformität der Nase durch wiederkehrende Knorpelentzündungen im Vordergrund, kann es sich auch um eine rezidivierende Polychondritis handeln.

Behandlung

Eine Heilung ist bei der GPA nicht möglich. Therapieziel ist, die Entzündung zunächst mit hochdosierten Immunsuppressiva soweit wie möglich einzudämmen und eine Remission (inaktive oder weitgehend inaktive Krankheit) zu erreichen (Induktionstherapie). Diese Remission soll dann – meist mit niedriger dosierten Medikamenten – so lange wie möglich erhalten bleiben.

  • Induktionstherapie. Bei akuter Lebensgefahr (Lungenblutung, Nierenversagen) oder der Bedrohung wichtiger Organe (Auge, Nerven) bekommt die Patient*in hochdosiertes Kortison in die Vene, um die Entzündung einzudämmen. Hinzu kommen die Medikamente Cyclophosphamid oder Rituximab, eventuell auch das seit 2022 für die Vaskulitis zugelassene Medikament Avacopan. In absoluten Notfällen ist ein Plasmaaustausch (Plasmapherese) erforderlich. Bei dieser speziellen Blutwäsche werden Entzündungsbotenstoffe und Antikörper maschinell aus dem Blut entfernt (ähnlich wie bei einer Dialyse). Liegt keine Lebensgefahr vor, erhält die Patient*in zur Induktionstherapie hochdosiertes Kortison in Tablettenform und ein Immunsuppressivum, z. B. Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil.
  • Remissionstherapie. Um bei inaktiver Krankheit das Wiederaufflackern der Entzündung zu verhindern, wird Kortison in niedriger Dosierung gegeben. Um das Immunsystem in Schach zu halten, wird zudem als Immunsuppressivum z. B. Azathioprin, Rituximab oder Methotrexat verordnet. Diese Therapie soll mindestens 24 Monate eingehalten werden.

Prognose

Unter einer optimalen Therapie überleben 85 % der Patient*innen die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. Entscheidend für die Prognose ist meistens der Befall der Niere.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Infektionsrisiko reduzieren. Unter immununterdrückenden Wirkstoffen ist das Infektionsrisiko erhöht. Betroffene sollten deshalb die gängigen Hygienemaßnahmen gegen Infektionen einhalten. Das bedeutet, vor allem in der Erkältungszeit Orte mit vielen Menschen zu meiden, sich häufig die Hände zu waschen und, wenn erforderlich, einen Mund-Nasenschutz zu tragen.

Impfungen wahrnehmen. Aufgrund der erhöhten Infektanfälligkeit ist ein guter Impfschutz wichtig. Betroffene sollten deshalb alle von ihrer behandelnden Ärzt*in empfohlenen Impfungen durchführen lassen. Totimpfstoffe wie die Influenzaimpfung oder die Pneumokokkenimpfungen sind in der Regel kein Problem. Über andere Impfungen muss individuell entschieden werden.

Rückfälle erkennen. Die GPA neigt zu Rezidiven. Wer sich körperlich schlecht fühlt, erneute Beschwerden im Nasen-Rachenbereich oder andere Symptome entwickelt, sollte frühzeitig die Ärzt*in aufsuchen. Je schneller eine erhöhte Krankheitsaktivität behandelt wird, desto besser ist die langfristige Prognose.

Weiterführende Informationen

  • Die Vaskulitis-Selbsthilfegruppe der Deutschen Rheuma-Liga hält Informationen und Kontaktdaten zu örtlichen Selbsthilfegruppen bereit unter www.vaskulitis.org – Internetseite des Zusammenschlusses der Deutschen Vaskulitis-Selbsthilfegruppen mit Erfahrungsberichten, Kontaktadressen und medizinischen Informationen.

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Heiß und kalt gegen den Schmerz

Auch Eisbäder können in der physikalischen Therapie zur Behandlung von Erkrankungen genutzt werden.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize

Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?

Therapie mit Tradition

Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

  • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
  • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
  • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

  • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
  • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
  • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

Wo kommt Wärme zum Einsatz?

Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

  • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
  • Rotlicht und Fangopackungen
  • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
  • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

Was Kälte alles kann

Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

  • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
  • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
  • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
  • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / FotoHelin / Alamy Stock Photos