Gesundheit heute
Halswirbelsäulensyndrom
Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom, Zervikalsyndrom): Sammelbezeichnung für uncharakteristische Beschwerden im Bereich von Halswirbelsäule und Nacken, z. B. durch verschleißbedingte Erkrankungen oder Fehlbelastungen wie etwa beim langen Sitzen. Häufig halten die Schmerzen und Steifigkeit im Nacken- und Schulterbereich über einen längeren Zeitraum an, dann spricht man von einem chronischen Halswirbelsäulensyndrom. Betroffen sind oft 30- bis 60-Jährige, die berufstätig sind. Strahlen die Schmerzen in Schulter und Arm aus, liegt ein Schulter-Arm-Syndrom (Cervicobrachialgie) vor. Heftige, akute Schmerzzustände mit Muskelhartspann und dadurch erzwungener Fehlhaltung werden als akuter Schiefhals bezeichnet.
Im Zentrum der Behandlung stehen physiotherapeutische Maßnahmen und die orale Einnahme von Schmerzmitteln. In hartnäckigen Fällen kann der Arzt auch mit dem lokalen Einspritzen von Mischungen aus örtlich betäubenden, antientzündlichen und schmerzstillenden Wirkstoffen helfen. Lässt sich die Ursache nicht beseitigen, kehren die Beschwerden oft wieder.
Symptome und Leitbeschwerden
- Steifigkeitsgefühl ("steifer Hals") und/oder Nackenschmerzen, oft mit Ausstrahlung in (Hinter-)Kopf, Schultern und Arme
- Meist tastbare Verhärtung der Nackenmuskulatur, häufig mit einer schmerzhaft eingeschränkten Kopfbeweglichkeit und oft druckschmerzhaften Sehnenansätzen
- Gelegentlich Schwindel, Ohrgeräusche oder Sehstörungen
- Selten Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen an Schultern oder Armen.
Wann zum Arzt
Nach 1–2 Wochen bei
- anhaltenden Schmerzen ohne vorangegangenen Unfall.
Innerhalb einiger Tage bei
- anhaltenden Gefühlsstörungen an Schulter oder Arm, Schwindel, Ohrgeräuschen.
Die Erkrankung
Ursachen und Risikofaktoren
An der Entstehung eines Halswirbelsäulensyndroms sind zahlreiche Faktoren beteiligt, einzeln oder in Kombination:
- Überspannung in Muskeln und Faszien durch Fehlhaltungen und einseitige Bewegungsmuster, wie z. B. langes Sitzen vor dem PC oder im Auto
- Verschleißbedingte Abnutzung von Bandscheiben, Bändern und Gelenken der Halswirbelsäule, z. B. auch degenerative Wirbelsäulenerkrankungen wie Osteochondrose, Bandscheibenvorfall, Spinalstenose oder Arthrosen der Zwischenwirbelgelenke (Facettensyndrom)
- Muskelverspannungen aufgrund oben genannter Erkrankungen, psychischer Anspannung oder "falscher" Bewegungen
- Rheumatische Erkrankungen, z. B. Morbus Bechterew oder Fibromyalgie
- Blockierungen an der Halswirbelsäule
- Verletzungen wie Wirbelbruch oder Schleudertrauma.
Klinik
Typisch sind Nacken- und Schulterschmerzen, die oft in den Hinterkopf ausstrahlen. Als Reaktion auf die Schmerzen kommt es meistens zu starken muskulären Verspannungen und Einschränkungen der Beweglichkeit in der Halswirbelsäule, d. h. das Drehen und Wenden des Kopfes fällt den Betroffenen schwer. Treten zusätzlich Kribbeln, Lähmungserscheinungen oder Taubheitsgefühle auf, ist womöglich eine Nervenwurzel oder ein Nerv in Mitleidenschaft gezogen. Dann muss der Arzt abklären, ob ein Bandscheibenvorfall oder eine Spinalstenose der Halswirbelsäule vorliegt.
Ein akuter Schiefhals macht sich oft nach dem morgendlichen Aufwachen bemerkbar, möglicherweise als Folge einer ungünstigen Kopflage im Schlaf ("Verliegen"). Je nach Höhe des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts strahlen die Schmerzen in unterschiedliche Körperregionen aus, so von den ersten zwei Halswirbeln in den Kopf, vom 3. bis 5. Halswirbel in die Schulter, von den unteren Halswirbeln in Schulter und Arm bis zum Kleinfinger. In aller Regel verschwinden die Symptome innerhalb von 3 Tagen von selbst, nur in wenigen Fällen kommt es zudem zu Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen oder Sehstörungen. Dies sind Beschwerden, die eine rasche ärztliche Behandlung erfordern.
Diagnosesicherung
Je nach Ursache und Ausmaß der Beschwerden zeigt die körperliche Untersuchung eine verminderte oder (selten) erhöhte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, neurologische Störungen, Klopfschmerz über den Dornfortsätzen und/oder Druckschmerzpunkte, die von Muskelverspannungen herrühren.
Zum Nachweis der verschleißbedingten Veränderungen oder zum Ausschluss eines Bandscheibenvorfalls oder einer Spinalstenose veranlasst der Arzt häufig ein Röntgenbild der Halswirbelsäule. In manchen Fällen sind allerdings trotz erheblicher Schmerzen und Beeinträchtigung des Patienten im Röntgenbild keine Veränderungen zu erkennen.
Behandlung
Orale Schmerzmittel. Starke Schmerzen erfordern anfangs eine Behandlung mit Schmerzmitteln, z. B. NSAR wie Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®) oder Ibuprofen (z. B. Ibu® oder Brufen®) oder auch Paracetamol (z. B. ben-u-ron®), damit sich durch reflektorische Muskelverspannung der Schmerz nicht noch weiter verstärkt. Deswegen können auch muskelentspannende Medikamente sinnvoll sein, z. B. Tetrazepam.
Weiche Halskrause. Bei exzessiven Schmerzen verordnet der Arzt zur Schmerzlinderung Bettruhe und eine weiche Halskrause, mit der die schmerzende Halswirbelsäule ruhiggestellt wird. Liegt dem akuten HWS-Syndrom ein Schleudertrauma zugrunde, ist das Tragen einer Halskrause dagegen kontraproduktiv.
Infiltrationen und Nervenblockaden. Bei sehr starken Beschwerden ist es manchmal sinnvoll, ein Gemisch aus entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkstoffen direkt in die Nähe des betroffenen Gebietes zu spritzen (zervikale Triggerpunktinfiltration oder Quaddelung). Auch die die Facetteninfiltration ist hilfreich, also das Anspritzen der kleinen Zwischenwirbelgelenke mit einem Gemisch aus Kortison und einem Lokalanästhetikum.
Physiotherapie und physikalische Anwendungen. Bei Muskelverspannungen helfen physiotherapeutische Dehnungsgriffe, Blockierungen lassen sich oft durch Griffe der manuellen Therapie lösen. Zur Lockerung der Muskulatur und Verbesserung der Durchblutung haben sich verschiedene physikalische Verfahren bewährt. Dazu gehören neben Wärme (Rotlicht, Moorpackungen, Bäder) und anderen physikalischen Maßnahmen (siehe unter "Ihr Apotheker empfiehlt") auch die Behandlung mit TENS-Geräten zur Transkutanen Elektrischen Nervenstimulation. Langfristig ist es wichtig, mit spezieller Krankengymnastik die Muskulatur von Nacken und Halswirbelsäule zu stärken und die Koordination der verschiedenen Muskelgruppen zu verbessern.
Psychotherapie. Gelegentlich empfiehlt der Arzt eine psychotherapeutische Behandlung, wenn er psychische Ursachen (z. B. verdrängte Konflikte) vermutet.
Operative Verfahren. Sind für die Beschwerden behandelbare Erkrankungen der Halswirbelsäule verantwortlich, können beim Versagen konservativer Therapiemaßnahmen operative Verfahren helfen. Dies gilt z. B. für Spinalstenose, Osteochondrose oder Bandscheibenvorfall.
Prognose
Eine vollständige Heilung ist beim verschleißbedingten chronischen HWS-Syndrom nicht mehr möglich. Mit den genannten Maßnahmen lassen sich die Beschwerden jedoch meist lindern, in einigen Fällen kommt es sogar zu einer längerfristigen Beschwerdefreiheit.
Sind Haltungsfehler für die Beschwerden verantwortlich, hilft meist nur eine nachhaltige Änderung des Lebensstils, also z. B. mehr Bewegung und ein ergonomischeres Arbeitsumfeld.
Ein einfacher, akuter Schiefhals ohne Begleitbeschwerden heilt in der Regel von selbst nach etwa drei Tagen aus.
Ihr Apotheker empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Bei akuten Schmerzen hilft anfänglich oft Kühlung, z. B. mit feuchtkalten Tüchern oder Quarkwickeln, um den Schmerz zu lindern. Manche Betroffene profitieren eher von Wärme; sie empfinden es als angenehmer, den schmerzenden Nacken z. B. durch Schals, Rollkragenpullover, Kirschkernkissen oder Kartoffelwickel warmzuhalten. Besonders wirksam ist die heiße Rolle. Auch bei chronischen Schmerzen sind Wärmebehandlungen hilfreich, bei Bedarf täglich.
Starke Verspannungen der Nackenmuskulatur reagieren oft gut auf eine Übung, die nach dem Prinzip der Druckpunktbehandlung arbeitet. Legen Sie sich dazu in Rückenlage auf den Boden, den schmerzenden Nacken auf Tennisbälle gebettet. Der entstehende Druck ist zu Beginn ungewohnt und oft unangenehm, führt jedoch nach einiger Zeit zu einer deutlichen Entspannung der Muskulatur.
Prävention
Für die Vorbeugung chronischer Nackenbeschwerden hat insbesondere die Arbeitsplatzergonomie große Bedeutung. Aber auch andere Aspekte eines rückenschonenden Verhaltens sind zu beachten. Diese lassen sich in der Rückenschule erlernen, Tipps dafür finden Sie im Artikel Rückenschmerzen.
Komplementärmedizin
Akupunktur. Das Schulter-Arm-Syndrom gehört zu den Krankheitsbildern, für die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) explizit die Behandlung mit Akupunktur empfiehlt; positive Erfahrungsberichte liegen aber auch für alle anderen Beschwerdekomplexe des HWS-Syndroms vor.
Entspannungsverfahren. Ist es (auch) der Alltagsstress, der buchstäblich im Nacken sitzt, können Entspannungsübungen zum Abbau von permanenter Anspannung wertvolle Dienste leisten. Vor allem die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson hilft, den Wechsel von Anspannung und Entspannung bewusst zu erleben und das Erlernte dann bei Bedarf im stressbelasteten Alltag umzusetzen. Ebenso sind Yoga, andere fernöstliche Entspannungsmethoden oder Autogenes Training besonders empfehlenswert.
Kraniosakraltherapie. Ein chronisches Beschwerdebild, das vom Nacken- bzw. Halswirbelsäulenbereich ausgeht, ist die Domäne der Kraniosakraltherapie. Auch wenn bislang nicht endgültig geklärt ist, welcher Wirkmechanismus ursächlich für eine Linderung der Beschwerden verantwortlich ist, profitieren viele Patienten zweifellos schon allein vom tiefgreifenden entspannenden Effekt, den die feinen Manipulationen an Kopf und Schädelknochen in der Regel bewirken.
Biofeedback. Das in chronischen Fällen sinnvolle Verfahren visualisiert Anspannungs- und Entspannungszustände und versetzt so den Patienten mit HWS-Syndrom in die Lage, mit stress- bzw. schmerzauslösenden Situationen besser umzugehen.
Weiterführende Informationen
- www.hws-syndrom.de – Ausführliche Beschreibung des Krankheitsbilds von der Schmerzklinik Bad Mergentheim.

Das Einpflanzen einer künstlichen Hüfte und ihre Funktion werden häufig an Modellen aus Kunststoff erklärt.
Zweitmeinung zur Hüftprothese
Seit 2024 möglich
Bei ausgeprägter Arthrose wird oft das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks empfohlen. Doch viele Betroffene sind unsicher, ob das wirklich die beste Maßnahme ist. Seit 2024 gibt´s Entscheidungshilfe: Wer eine Hüftprothese bekommen soll, kann sich auf Kassenkosten eine zweite Meinung dazu einholen.
Wenn nichts anderes mehr hilft
In Deutschland werden pro Jahr etwa 240 000 künstliche Hüftgelenke (Hüftendoprothese) eingesetzt. In etwa 75% wird der Gelenkersatz aufgrund von Arthrose nötig. Empfohlen wird eine neue Hüfte nur dann, wenn alle anderen Maßnahmen zur Behandlung der Arthrose ausgeschöpft sind. Dazu gehören schmerz- und entzündungshemmende Medikamente, Krankengymnastik, Physiotherapie und die Anpassung der Belastung.
Es ist nicht ganz einfach, bei einer Hüftgelenksarthrose den besten Zeitpunkt für das Einsetzen einer Endoprothese zu finden. Operiert man zu spät, kann das Ergebnis darunter leiden. Z.B. wenn das Gelenk schon zu eingesteift war, um durch die Prothese die volle Bewegung zurückzuerlangen. Oder wenn sich das Schmerzgedächtnis nicht „löschen“ lässt, Schmerzen also trotz reibungslos funktionierender neuer Hüfte weiter bestehen bleiben. In seltenen Fällen ist vielleicht auch der Gelenkersatz gar nicht die richtige Entscheidung für die Betroffene.
Anspruch auf eine qualifizierte zweite Meinung
Auch wenn die behandelnde Ärzt*in nach bestem Wissen und Gewissen zum Hüftersatz rät – oft bleibt bei den Betroffenen eine gewisse Unsicherheit zurück. Da hilft eine neue Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GbA). Danach haben gesetzlich Krankenversicherte in Zukunft das Recht, sich eine zweite Meinung einzuholen, wenn ihnen ein Hüftgelenksersatz oder der Austausch ihrer Hüftprothese empfohlen wird. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse.
Ärzt*innen für die Zweitmeinung findet man im Netz
Die Zweitmeinung gibt es von speziell qualifizierte Fachärzt*innen, im Fall der Hüftgelenksprothese z.B. aus dem Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie. Sie beraten die Patient*innen darüber, ob der geplante Eingriff medizinisch notwendig ist und ob es eventuell doch Behandlungsalternativen gibt.
Zweitmeinungsberechtigte Ärzt*innen findet man im Internet unter www.116117.de/zweitmeinung. Auch die Krankenkassen beraten darüber, wer in der Nähe eine Zweitmeinung abgeben darf. Zu welchem der ermächtigten Fachleute man schließlich geht, entscheidet die Betroffene dann selbst.
Quellen: GbA, Ärztezeitung