Gesundheit heute
Gerinnungshemmende Medikamente
Das absichtliche Herabsetzen der Gerinnungsfähigkeit des Bluts durch Medikamente heißt medizinische Gerinnungshemmung (Antikoagulation). Sie vermindert die Gerinnselbildung in den Gefäßen und damit das Risiko von Thrombosen (venöse Gefäßverschlüsse) und Embolien (arterielle Gefäßverschlüsse). Die wichtigsten blutverdünnenden Medikamente, die zur Verhinderung von Thrombosen und Embolien (Thrombembolieprophylaxe) im arteriellen und venösen Gefäßsystem eingesetzt werden, sind:
Plättchenhemmer
Die Bildung eines Propfes aus Blutplättchen in arteriosklerotisch veränderten Arterien ist einer der Hauptauslöser von Durchblutungsstörungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Plättchenhemmer (Thrombozytenaggregationshemmer) erschweren den Blutplättchen genau dieses Zusammenballen. Plättchenhemmer wirken indirektals Gerinnungshemmer, indem sie dafür sorgen, dass das Blut besser durch die verengten Arterien fließen kann. In Venen dagegen ist ihr Effekt minimal und daher ohne therapeutische Bedeutung.
Der wichtigste Plättchenhemmer ist die vielseitige Acetylsalicylsäure (z. B. in ASS® oder Aspirin®) – den meisten eher als Schmerzmittel vom NSAR-Typ bekannt. Die zur Plättchenhemmung notwendige Dosis ist aber mit rund 50–100 mg täglich weit geringer als die zur Schmerzbehandlung eingesetzte Dosis (500–4000 mg täglich). Manche Patienten reagieren auf den Wirkstoff mit Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Magenblutungen, die meisten vertragen die Behandlung aber gut. Deshalb schlucken inzwischen viele gesunde ältere Menschen vorbeugend eine Minidosis Acetylsalicylsäure täglich. Der medizinische Sinn wird derzeit aber in Zweifel gezogen.
Mit Clopidogrel (z. B. Plavix®) steht ein weiterer Plättchenhemmer zur Verfügung, der Acetylsalicylsäure (ASS) bei Unverträglichkeit ersetzen oder in Kombination mit ASS dessen Wirkung steigern kann - etwa beim akuten Koronarsyndrom. Es wirkt vergleichbar, aber stärker als ASS - allerdings um den Preis größerer Blutungsrisiken. Sein Einsatz ist deshalb eingeschränkt auf Reservefälle.
Eine neue Alternative zu Clopidrogel ist der Wirkstoff Ticagrelor. Er erwies sich als wirkungsvoll bei leichterem Herzinfarkt ohne typische EKG-Veränderungen oder bei einer instabilen Angina pectoris. Inzwischen darf Ticagrelor auch gemeinsam mit niedrig dosierter ASS nach Herzinfarkt zur Prävention von arteriellen Thromben eingesetzt werden. Erste Bewertungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen legen einen leichten Zusatznutzen der Ticagrelor-ASS-Kombination gegenüber einer ASS-Monotherapie nahe.
Während der Einnahme von Plättchenhemmern sind keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen im Alltag nötig. Die Medikamente müssen aber 1 Woche vor einer Magen- oder Darmspiegelung wegen der dabei vorhandenen Blutungsgefahr sowie vor einer Operation abgesetzt werden. Auch bei zahnärztlichen Eingriffen ist dies oft nötig, um heftige Blutungen während und nach der Behandlung zu vermeiden. Im Zweifelsfall sollte man den Haus- oder Zahnarzt vorher fragen.
Heparine
Heparin inaktiviert Gerinnungsfaktoren und hemmt so direkt die Gerinnungsfähigkeit des Bluts. Es wird in niedriger Dosierung subkutan (meist in die Bauchhaut) gespritzt und wirkt sehr schnell – viele Menschen kennen es durch die regelmäßigen „Bauchspritzen“ im Krankenhaus, die bettlägerige Patienten und Patienten mit Beingips regelmäßig zur Thromboseprophylaxe erhalten.
Niedrig dosierte Heparintherapie. Die früher üblichen unfraktionierten Heparine (z. B. Heparin-Natrium, Heparin-Calcium) mussten zwei bis drei Mal am Tag unter die Haut von Bauch oder Oberschenkel gespritzt und die Dosierung mit regelmäßigen Blutkontrollen überwacht werden. Heute reicht bei den niedermolekularen Heparinen (z. B. Certoparin, Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin, Reviparin, Tinzaparin) eine Injektion pro Tag. Bei Patienten mit einer Nierenschwäche verlängert sich allerdings die Wirkdauer - deshalb sollten diese besser das "alte" unfraktionierte Heparin erhalten.
Eine niedrig dosierte Heparingabe (Low-dose-Heparinisierung) z. B. bei der zweimal täglichen Spritze im Krankenhaus, hat gerade bei kurzzeitiger Anwendung kaum Nebenwirkungen. Selten löst sie einen Abfall der Blutplättchenzahl aus, was aber bei einem gesundem Blutbild nicht bedrohlich ist. Insbesondere ist das Blutungsrisiko nicht erhöht. Heparinspritzen sind als komfortable Fertigspritzen erhältlich, mit denen auch Laien problemlos zurechtkommen (z. B. Fraxiparin®). Dadurch haben sie große Bedeutung bei der Thrombosevorbeugung nach ambulanten Operationen erlangt.
Hoch dosierte Heparintherapie. Höher dosiert werden Heparine z. B. in der Anfangsbehandlung einer tiefen Beinvenenthrombose gegeben. Hierbei wird die Blutgerinnung wirklich gehemmt, sodass das Blutungsrisiko erhöht ist. Bis vor wenigen Jahren mussten die Heparine für eine solche Vollheparinisierung grundsätzlich kontinuierlich per Infusion gegeben und regelmäßige Blutkontrollen der Gerinnung durchgeführt werden. Diese erforderten einen Krankenhausaufenthalt. Es hat sich aber gezeigt, dass höher dosierte niedermolekulare Heparine, die unter die Haut gespritzt werden und bei denen keine Blutkontrollen erforderlich sind, bei vielen Erkrankungen genauso effektiv sind. Dies hat mit dazu beigetragen, dass Thrombosepatienten nicht mehr so lang in der Klinik bleiben müssen.
Fondaparinux ist ein dem Heparin ähnlicher Wirkstoff mit vergleichbarer Wirkung. Es wird wegen seiner langen Wirkdauer nur ein Mal täglich subkutan gespritzt.
Cumarine
Für eine längerfristige Thrombembolieprophylaxe werden die Cumarine Phenprocoumon und Warfarin eingesetzt, weil sie als Tabletten verabreicht werden können. Man spricht daher auch von der oralen Antikoagulation. Cumarine sind Gegenspieler des Vitamins K (einer Sustanz, die z. B. in der Waldmeisterpflanze enthalten ist), das für die Gerinnung gebraucht wird. Cumarine blockieren die Verwendung das Vitamin K bei der Bildung von Gerinnungssubstanzen.
Das Medikament wird individuell dosiert, je nach erforderlicher Gerinnungshemmung. Das aktuell vorhandene Ausmaß der Gerinnungshemmung kann an dem im Blut bestimmbaren Quick-Wert oder INR-Wert ersehen werden. Der Arzt legt dabei in Abhängigkeit von der Grunderkrankung fest, welche Zielwerte erreicht werden sollen. Danach richtet sich dann die Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten. Bei dauerhaft notwendiger Cumarin-Therapie gibt es ähnlich der häuslichen Blutzuckermessung die Möglichkeit, die Gerinnungswerte, z. B. mit dem Coaguchek®-Gerät, selbst zu bestimmen.
Marcumar® (mit Phenprocoumon) ist als Tablette zu schlucken. Nach einer Eingewöhnungszeit kommen die meisten Menschen gut mit der Behandlung zurecht.
- Betroffene müssen alle anderen Ärzte und Zahnärzte auf die Marcumar®-Einnahme aufmerksam machen. Zum einen sind bestimmte Eingriffe, darunter auch so einfache wie z. B. Spritzen in den Muskel, dann nicht möglich. Zum anderen gibt es zahlreiche Wechselwirkungen mit – teils frei verkäuflichen – Medikamenten, z. B. Aspirin®, das die Marcumarwirkung verstärkt.
- Sowohl Wirkungsabschwächung als auch -verstärkung sind gefährlich, weil sie entweder die Grunderkrankung oder das Blutungsrisiko verstärken. Deshalb ist es ratsam, sich vom Hausarzt eine kleine Liste unbedenklicher Medikamente für die Hausapotheke erstellen zu lassen.
- Zur optimalen Marcumar-Einstellung sind häufige Blutgerinnungskontrollen notwendig. Beim Arzt erfolgen diese meist in 4- bis 6-wöchigen Abständen. Es gibt auch Messgeräte, mit denen der Patient die Bestimmung seines Gerinnungswertes selbst durchführen kann, z. B. das Coaguchek®-Gerät. Dazu wird in der Regel einmal wöchentlich ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe entnommen und auf den Teststreifen aufgetragen. Durch das wöchentliche Messen ist eine zeitnahe Dosisanpassung bei zu starker oder schwacher Blutgerinnung möglich, sodass das Risiko für Komplikationen sinkt. Auch steigt die Flexibilität des Patienten, etwa auf Reisen, da er nicht an regelmäßige Arztbesuche gebunden ist. Für das Gerinnungs-Selbstmanagement ist der Besuch einer entsprechenden Schulung nötig, in der der Patient das Messen und Berechnen der Dosierung erlernt. Messgerät und Schulung werden unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Patienten sollten sich bei Interesse bei ihrer Krankenkasse informieren.
- Zur optimalen Marcumar®-Einstellung sind häufige Blutgerinnungskontrollen notwendig.
- Der Verzehr großer Mengen bestimmter Lebensmittel kann die gerinnungshemmende Wirkung von Phenprocoumon verstärken. Besondere Vorsicht gilt beim Konsum von Alkoholika sowie unter anderem beim Verzehr größerer Mengen Ingwer oder Goji-Beeren.
- Wie stark die Tabletten wirken, ist zudem davon abhängig, wie viel Vitamin K der Betroffene mit dem Essen zu sich nimmt. Um Wirkungsschwankungen zu vermeiden, sollte der Patient deshalb die besonders Vitamin-K-haltigen grünen Gemüse und Salate (einschließlich Kohl) stets in etwa konstanten Portionen verzehren. Eine besondere Diät ist aber nicht notwendig.
- Die Blutungsgefahr ist umso mehr erhöht, je niedriger der Quick-Wert oder je höher der INR-Wert ist. Deshalb gilt es, sich vor Verletzungen zu schützen und immer Verbandsmaterial verfügbar zu haben.
- Hinweise für Fernreisen, Reisen mit gerinnungshemmenden Medikamenten.
- Alle Patienten erhalten einen Marcumar®-Pass, den sie immer bei sich tragen sollten.
- Marcumar® führt bei Einnahme während der Schwangerschaft zu Fehlbildungen des Embryos. Frauen müssen deshalb zuverlässig verhüten und bei Kinderwunsch rechtzeitig auf Heparin umsteigen.
Neue Orale Antikoagulanzien (nOAK)
Eine Alternative zur Einnahme von Cumarinen sind die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) wie Apixaban (Eliquis®), Edoxaban (Lixiana®), Rivaroxaban (Xarelto®) oder Dabigatran (Pradaxa®). Im Gegensatz zu Cumarinen hemmen die neuen oralen Antikoagulanzien die Gerinnungsfaktoren Faktor Xa oder Thrombin (F-IIa) direkt. Hauptvorteil ist der Wegfall der routinemäßigen Gerinnungskontrollen wie bei Cumarinen, wobei dies nicht unumstritten ist. Auch fehlen Langzeiterfahrungen, um Nutzen und Risiken umfassend beurteilen zu können. Ein Risikofaktor bei langfristiger NOAK-Einnahme ist die Entwicklung einer chronischen Nierenschwäche. Bei bestehender Nierenschwäche wiederum erhöht sich die Gefahr für Blutungskomplikationen. Die Nierenfunktion sollte deshalb unter Therapie regelmäßig bestimmt werden (Richtwert 1-mal jährlich).
Auch Patienten, die NOAKs einnehmen, sollten immer einen Notfallpass mit wichtigen Daten zur Arzneitherapie bei sich tragen. Darüber hinaus sind Wechselwirkungen mit – teils frei verkäuflichen – Medikamenten bekannt, z. B. mit Aspirin®. Patienten sollten deshalb die Einnahme weiterer Medikamente stets mit ihrem Arzt oder Apotheker absprechen, auch bei naturheilkundlichen und frei verkäuflichen Mitteln.
Für Dabigatran steht mit Idarucizumab (Praxbind®) ein spezifisches Antidot zur Verfügung. Es wird intravenös verabreicht, seine Wirkung setzt bereits innerhalb weniger Minuten ein. Das Mittel bewirkt zuverlässig eine Änderung der Gerinnungsparameter. Ob jedoch die Dauer und Schwere einer Blutung vermindert werden können, lässt sich anhand der Studienlage nicht zuverlässig beurteilen.

Impfen ist für Menschen mit Herzerkrankungen ganz besonders wichtig.
Impfen schützt auch das Herz
Doppelter Effekt
Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und der Verzicht aufs Rauchen gehören zu den zentralen Faktoren für die Herzgesundheit. Doch man kann noch mehr für Herz und Gefäße tun: sich regelmäßig impfen lassen.
Erhöhter Sauerstoffbedarf und geschwächter Muskel
Virale und bakterielle Infektionen wirken sich auf verschiedene Weise auf das Herz aus. Sie können den Sauerstoffbedarf der Herzmuskelzellen erhöhen und dadurch bei Patient*innen mit koronarer Herzkrankheit Angina-pectoris-Anfälle oder einen Herzinfarkt auslösen. Durch Anstoßen entzündlicher Prozesse schaden sie den Gefäßen, zudem können Bakterien und Viren den Herzmuskel schwächen - was vor allem für Menschen mit bekannter Herzschwäche gefährlich wird.
Mehr Influenza, mehr Infarkte
Bekannt ist solch ein schädigender Einfluss auf Herz und Gefäße für Grippe- und Coronaviren, RSV, Herpes-zoster-Viren, Parainfluenza- und Adenoviren sowie für Pneumokokken. So stieg z.B. mit der Anzahl der Influenzafälle in einer amerikanischen Studie die Rate an Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzschwäche und Herzinfarkt. Andere Untersuchungen zufolge haben Menschen mit bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung ein erhöhtes Risiko, an einer Virusinfektion zu sterben.
Impfungen können die Herzgefahr durch Virusinfektionen senken, betonen deutsche Kardiolog*innen. Studien haben gezeigt, dass gegen Influenza Geimpfte ein deutlich geringeres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall hatten als Ungeimpfte. Und selbst wenn es zu einem akutem Herzinfarkt kam, hatte das Impfen positive Auswirkungen: Dann senkte die Impfung das Risiko, am Infarkt zu sterben.
Ähnlich gute Ergebnisse weist die Zoster-Impfung auf. Sie konnte das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse um 50% senken. Für weitere Impfungen laufen gerade Studien, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden.
Drei Impfungen empfohlen
Deutsche Kardiolog*innen empfehlen deshalb, Impfungen nicht nur als Schutz vor Infektionen, sondern auch als Prävention gegen Herz-Kreislauf-Ereignisse zu nutzen. Ganz besonders gilt dies für folgende Impfungen:
- Influenzaimpfung. Alle Patient*innen mit akutem Koronarsyndrom sollten gegen Influenza geimpft werden.
- Pneumokokkenimpfung. Patient*innen mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) sollten alle fünf bis zehn Jahre eine Pneumokokkenimpfung erhalten.
- COVID-19-Impfung. Wie alle anderen profitieren auch Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen von der Coronaimpfung. Ganz besonders gilt dies für Betroffene mit Herzschwäche, koronarer Herzkrankheit und Diabetes.
Quelle: SpringerMedizin