Gesundheit heute

Chemotherapie

Neben der Strahlentherapie und der Operation ist die dritte große Säule der ärztlichen Krebsbehandlung die Chemotherapie mit Zytostatika.

Zytostatika sind Zellgifte, die Zellwachstum und -vermehrung hemmen. Ihr Hauptanwendungsgebiet ist die Krebsbehandlung, bei der sie die unkontrolliert wachsenden Tumorzellen abtöten sollen. Zytostatika werden außerdem bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt, um die „fehlgeprägten“ Abwehrzellen zu vermindern.

Einsatz von Zytostatika. Meist sind Zytostatika bei der Krebsbehandlung eine von mehreren Behandlungsformen: Bei der neoadjuvanten Chemotherapie sollen sie den Tumor vor einer Operation verkleinern, bei der adjuvanten Chemotherapie nach einer Operation möglicherweise noch vorhandene winzige Tumorzellnester (Mikrometastasen) im Körper vernichten, die mit herkömmlichen Diagnoseverfahren nicht nachweisbar sind, aber später häufig zu Metastasen führen. Nur in etwa 10 % der Krebsfälle sind Zytostatika die hauptsächliche oder einzige Behandlungsform.

Darreichungsform von Zytostatika. Überwiegend werden die Zytostatika als Infusion oder Tablette gegeben. Sie wirken also im ganzen Körper, entfalten aber auch überall Nebenwirkungen. Seltener werden Zytostatika in Körperhöhlen eingebracht, z. B. in die Harnblase bei einem Blasentumor oder in den Liquorraum. Dann sind die Nebenwirkungen auf den Gesamtorganismus viel geringer.

Meist werden Zytostatika in mehrtägigen Chemotherapiezyklen gegeben, die etwa alle drei Wochen wiederholt werden. Gesunde Zellen erholen sich zwischen zwei Zyklen rascher als Tumorzellen, sodass Zytostatika stärker auf Tumorzellen als auf gesunde Zellen wirken. Seltener werden die Zytostatika als Dauerbehandlung (z. B. Hydroxyurea, Litalir® bei chronischen Leukämien) in niedriger Dosierung verabreicht.

Bei der Hochdosis-Chemotherapie werden Zytostatika 3- bis 30-fach höher dosiert als bei einem „normalen“ Chemotherapiezyklus, um möglichst alle bösartigen Zellen im Körper abzutöten. Aufgrund der hohen Dosierung ist diese Therapieform aber riskant. Wegen der Schädigung der Schleimhautzellen muss der Patient in aller Regel künstlich ernährt werden, bis sich die Zellen des Magen-Darm-Trakts erholt haben. Die blutbildenden Zellen im Knochenmark werden sogar irreparabel geschädigt, was ohne Blutstammzelltransplantation zum Tode des Patienten führen würde. Etabliert ist die Hochdosis-Chemotherapie bei Leukämien und Lymphomen. Bei soliden Tumoren („knotig wachsenden“) haben sich die Hoffnungen insgesamt nicht erfüllt.

Wirkung der Zytostatika. Zytostatika machen prinzipiell keinen Unterschied zwischen gesunden und bösartigen Zellen. Je schneller Zellen wachsen und sich vermehren, desto stärker werden sie geschädigt. Es gibt auch gesunde Zellen im Körper, die sich schnell teilen und entsprechend durch eine Zytostatikabehandlung in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies sind vor allem die blutbildenden Zellen im Knochenmark, die Schleimhautzellen im Magen-Darm-Trakt und die Haarwurzelzellen. Diese Nebenwirkungen begrenzen die Dosis des Zytostatikums.

Zytostatika werden in mehrere Wirkstoffgruppen eingeteilt, z. B.:

  • Alkylanzien wie Cisplatin (z. B. Platinex®),Cyclophosphamid (z. B. Endoxan®), Ifosfamid (z. B. Holoxan®), Oxaliplatin (z. B. Eloxatin®)
  • Antimetabolite wie Cladribin (z. B. Leustatin®), Cytarabin (z. B. Alexan®), Fluorouracil (z. B. 5-FU Hexal®), Gemcitabin (z. B. Gemzar®), Methotrexat (z. B. Methotrexat Lederle®)
  • Alkaloide wie Etoposid (z. B. Vepesid®), Paclitaxel (z. B. Taxol®), Vinblastin (z. B. Vinblastinsulfat GRY®), Vincristin (z. B. Onkocristin®)
  • Zytostatische Antibiotika wie Bleomycin (z. B. Bleomeolac®), Daunorubicin (z. B. Daunoblastin®), Doxorubicin (z. B. Adriblastin®), Mitomycin (z. B. Mitomycin medac®)
  • Andere Zytostatika wie Asparaginase (z. B. Asparaginase medac®), Hydroxyharnstoff (z. B. Litalir®), Irinotecan (z. B. Campto®).

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Helfen Nikotinpflaster bei Long-COVID?

Nikotinpflaster helfen bei der Raucherentwöhnung und womöglich auch gegen Long-COVID-Beschwerden.

Helfen Nikotinpflaster bei Long-COVID?

Kampf gegen die Müdigkeit

Eigentlich wurden Nikotinpflaster für die Raucherentwöhnung entwickelt. Doch offenbar haben sie noch andere Qualitäten: Einer aktuellen Studie zufolge helfen sie auch bei Long COVID – zumindest gegen Müdigkeit und kognitive Einbußen.

Jede Zehnte leidet länger

Bis zu 10 Prozent der COVID-19-Infizierten entwickeln anhaltende Gesundheitsbeeinträchtigungen, die unter dem Begriff Long COVID zusammengefasst werden. Dazu gehören insbesondere Müdigkeit, Kurzatmigkeit und kognitive Funktionsstörungen wie eine schlechtere Konzentration. Zur Behandlung werden Reha-Maßnahmen und psychologische Unterstützung eingesetzt, daneben auch Medikamente wie Antidepressiva, Antihistaminika oder Schmerzmittel.

Auch Nikotinpflaster wurden bezüglich ihrer Wirkung auf Long COVID untersucht. Deutsche Forschende der Universitätsmedizin Leipzig haben dafür Long-COVID-Patient*innen über zehn Tage hinweg mit Nikotinpflastern behandelt. Davor und danach füllten die 231 Studienteilnehmenden einen Fragebogen zu ihrem Befinden aus.

Bei drei Viertel der Betroffenen weniger Beschwerden

Die Nikotinzufuhr über die Haut war effektiv: 73% der Studienteilnehmenden zeigten einen deutlichen Rückgang ihrer Beschwerden und fühlten sich nach der Nikotintherapie deutlich besser, berichtet die Arbeitsgruppe.

Doch wie kommt diese Wirkung zustande? Als Auslöser von Long COVID gelten u.a. Proteine des Coronavirus, die bei der Infektion in die Zellen gelangen. Im Gehirn besetzen sie wichtige Rezeptoren und blockieren dadurch die gesunde Kommunikation im Nervensystem. Dies erkläre sehr gut die neurologischen Long-COVID-Beschwerden wie kognitive Einbußen, Müdigkeit und Stimmungsverschlechterung, sagen die Forschenden.

Doch nicht nur Viruspartikel, auch Nikotinmoleküle binden an die genannten Rezeptoren. Dadurch können sie die Viruspartikel regelrecht verdrängen. Nachweisen lässt sich das mit einem speziellen bildgebenden Verfahren, der PET-CT/MRT. Diese Untersuchung wurde bei einer Teilnehmerin der Studie vor und nach der Nikotintherapie durchgeführt.

Viruspartikel vom Rezeptor verdrängt

In den Aufnahmen vor der Therapie waren die Rezeptoren noch mit Viruspartikeln besetzt. Nach der zehntägigen Behandlung mit Nikotinpflastern ließ sich deutlich erkennen, dass das Nikotinmolekül die Rezeptoren von den viralen Proteinen befreit hatte. In der Folge war wieder eine normale Signalübertragung möglich, was die Beschwerden der Patientin deutlich linderte.

Jetzt gilt es, diese Ergebnisse mit weiteren, größeren Studien zu untermauern. Bis dahin können Betroffene versuchen, ihre Symptome mit einer niedrig dosierten Nikotinpflastertherapie zu lindern. Zur Sicherheit suchen sie dafür am besten vorher ärztlichen Rat.

Aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen anzufangen, ist natürlich keine Option, warnen die Forschenden. Die negativen Auswirkungen des Rauchens überwiegen die möglichen positiven Wirkungen des Nikotins bei weitem.

Quellen: ptaheute, Bioelectronic Medicine

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Source / Doug Martin