Gesundheit heute
Verlust und Wachstum im Alter
Betrachtet man den Mensch als ganzheitliches, d. h. nicht nur körperliches, sondern auch seelisches und soziales Wesen, so finden im Alter neben Verlusten auch Wachstumsprozesse statt. So häufen sich im Alter zwar Verluste bezüglich der Sinnesfunktionen, der Muskelkraft und -koordination und teilweise auch bezüglich der sozialen Verankerung. Andererseits wachsen im Zuge der Auseinandersetzung mit Problemen des Lebens im Alter auch spezifische Kenntnisse und Problemlösungsstrategien, die auch als Weisheit bezeichnet werden.
Altern kann also sehr wohl Gewinn bringen: Gewinn an Erfahrung, Verantwortungsbewusstsein und Gelassenheit – nicht umsonst werden Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft meist von Menschen über 40 bekleidet.
Allerdings muss angemerkt werden, dass die im Alter stattfindenden Wachstumsprozesse individuell variabler sind als die Abbauprozesse: Jeder Mensch wird alt, aber nicht jeder alte Mensch wird weise. Dieses individuell sehr verschiedene Wachstumspotenzial lässt sich auch durch Untersuchungen über die Entwicklung der Intelligenz belegen: Mehr als 40 % können ihre Intelligenz zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr halten, und einige, wenn auch nur etwa 10 %, können ihre geistige Leistungsfähigkeit noch im 8. Lebensjahrzehnt verbessern.
Die Gleichung Alter = Verfall geht aber auch aus einem zweiten Grund nicht auf: Der Abbau von Funktionen in manchen Bereichen kann zum Teil durch Erfahrung und Spezialisierung kompensiert werden – altersbedingte Verluste können also teilweise durch altersbedingte Gewinne ausgeglichen werden. So wird in Untersuchungen an älteren Schreibkräften zwar eine Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit und damit ein langsamerer Tastenanschlag beobachtet, dieser Nachteil kann aber von vielen durch ein besseres Textverständnis und besseres „Vorauslesen“ ausgeglichen werden.
Wachstum im Alter wird durch einen dritten Faktor möglich, nämlich Übung. Denn bis ins hohe Alter lassen sich körperliche, geistige und soziale Kompetenzen durch Übung verbessern. Die Effekte sind zwar im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems geringer als in jüngeren Jahren, aber gerade im Bereich der kognitiven Leistung sind durch Training im Alter deutliche Besserungen der Gedächtnisleistung und auch der allgemeinen Intelligenz zu erzielen.
Weiterführende Informationen
- G. Jacobi et al.: Kursbuch Anti-Aging. Thieme, 2004. Zwar für Ärzte geschrieben, aber in einer sehr verständlichen und informativen Art. Wer wirklich „alles“ wissen will, wird hier fündig.
- M. Stöhr: Die Wahrheit über Anti-Aging. Eichborn, 2005. Kritische Bewertung des einträglichen Geschäfts mit den Hormonen, Pülverchen, Wundermitteln und Schönheitsbehandlungen, die ewige Jugend versprechen. Dennoch zerstört der Autor die Hoffnung auf ewige Jugend nicht, macht aber deutlich, wie weit man durch Bewegung und Ernährung seine Gesundheit und Vitalität erhalten kann. Sehr empfehlenswert.
- C. M. Bamberger: Besser leben – länger leben. Droemer Knaur, 2005. Von einem der besten Experten, den Deutschland zu bieten hat. Positiv ist, wie der Autor die Selbstverantwortung stärken möchte – jeder kann selbst für ein langes und gesundes Leben (vor-)sorgen.
- J. Huber: Das Ende des Alterns. Econ, 2005. Aktuelle Aufbereitung der kompletten Bandbreite an wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnissen, die mit Anti-Aging zusammenhängen. Sehr empfehlenswert.
- J. Hillman: Vom Sinn des langen Lebens. Wie wir werden, was wir sind. Dtv, 2004. Spannend und dicht geschrieben, genauso wissenschaftlich fundierte wie philosophisch ausgearbeitete Blicke auf das Thema Altern. Ein ungewöhnliches Buch, das aus dem üblichen Ratgebereinerlei heraussticht.

Wer geistig und körperlich aktiv bleibt, hat im Kampf gegen die Demenz gute Karten.
Demenz mit Lebensstil vermeiden?
Von Ausbildung bis Kartenspiel
Nicht nur Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus begünstigen die Entwicklung einer Demenz. Auch soziale Faktoren haben einen Einfluss auf die Hirngesundheit. Sie zu beachten könnte helfen, dem geistigen Verfall entgegenzuwirken.
Ausbildung, Arbeit und Lebensstil
Die Demenz ist eine Erkrankung, die aufgrund medizinischer Ursachen entsteht. Dazu gehören z. B. Durchblutungsstörungen des Gehirns, eine Degeneration mit Rückgang der Hirnmasse und vermutlich auch Ablagerungen im Gehirn. Doch offenbar gibt es auch wirtschaftliche und soziale Faktoren, die einen Einfluss auf die Ausbildung einer Demenz haben.
Das ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Beobachtungsstudie mit über 20.000 Erwachsenen. Die Teilnehmenden wurden seit 1992 begleitet und waren zu Beginn der Untersuchung über 50 Jahre alt. Die Analyse ihrer Daten brachte folgende Erkenntnisse:
- Alte Menschen ohne eine formale Bildung entwickelten häufiger eine Demenz als diejenigen, die eine Ausbildung absolviert hatten. Das Risiko sank mit der Dauer der Ausbildung, wobei der erreichte Abschluss keine Rolle spielte.
- Menschen, die nie berufstätig waren, hatten ein doppelt so hohes Risiko für eine Demenz als diejenigen, die 40 Jahre lang im Beruf waren.
- Auch Behinderungen spielten eine Rolle. Von denjenigen, die im Alter von 60 Jahren gehandicapt waren, erkrankten bis zum Alter von 80 Jahren 39% an einer Demenz. In der Gruppe ohne Behinderung waren es weniger als 10%.
- Der Lebensstil hatte ebenfalls einen Einfluss. Wer auch leichte körperliche Bewegung mied oder dazu nicht in der Lage war, hatte ein höheres Demenzrisiko als Personen, die sich täglich körperlich bewegten.
- Hobbys waren teilweise auch mit einem geringen Demenzrisiko assoziiert. Wer häufiger Wortspiele machte, sich mit Karten- oder Brettspielen wie Schach beschäftigte, im Garten arbeitete oder kleinere Reparaturen im Haus oder am Auto vornahm, entwickelte seltener eine Demenz als passive alte Menschen.
Kausalität noch nicht bewiesen
Den Autor*innen zufolge liefert diese Arbeit zusätzliche Belege dafür, wie wichtig einzelne Maßnahmen wie ein aktiver Lebensstil für die Hirngesundheit sind. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist es jedoch wichtig, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt. Das bedeutet, dass zwar Zusammenhänge erkannt wurden, eine Kausalität jedoch (noch) nicht bewiesen ist.
Quellen Ärzteblatt, RAND Corporation