Gesundheit heute

Reizdarm

Reizdarm (Reizdarmsyndrom, RDS, Irritable Bowel Syndrome, Reizkolon, Colon irritabile oder früher auch spastisches Kolon genannt): Häufige funktionelle Darmstörung ohne erkennbare organische Ursache mit Bauchschmerzen, Blähungen, evtl. auch Durchfall und/oder Verstopfung. Der Reizdarm tritt besonders häufig bei den 20- bis 40-Jährigen auf. In Deutschland sind 15 % der Bevölkerung betroffen; jeder zweite Patient mit Magen-Darm-Beschwerden leidet an einem Reizdarm, Frauen doppelt so häufig wie Männer.

Auch wenn die Erkrankung medizinisch gesehen harmlos ist, beeinträchtigen die Beschwerden die Lebensqualität erheblich. Sind die auslösenden Faktoren bekannt und weitgehend vermeidbar, ist eine Besserung möglich; eine Heilung ist aber nicht zu erwarten.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Diffuse Bauchschmerzen
  • Druckgefühl im Unterbauch sowie im rechten oder linken Oberbauch
  • Völlegefühl, rumorende Darmgeräusche und Blähbauch
  • Gehäufte (mehr als drei pro Tag) oder verminderte Stuhlentleerungen (weniger als drei pro Woche)
  • Veränderte Stuhlbeschaffenheit (vor allem harter Stuhl, kleinere harte Kotsteine, Schleimauflagerungen)
  • Gefühl der unvollständigen Darmentleerung.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • immer wieder Schmerzen im Bauch auftreten.

Sofort, bei

  • quälenden Bauchschmerzen und Fieber.

Die Erkrankung

Klinik

Viele Menschen leiden ständig oder in kurzen Abständen unter einer Kombination verschiedener Darmstörungen, die nicht durch organische Veränderungen erklärbar sind und die der Arzt unter dem Begriff "Reizdarm" zusammenfasst. Dabei kommt es zu krampfartigen, ziehenden oder stechenden Schmerzen im gesamten Bauch sowie zu Druckgefühl im Unterbauch oder Oberbauch, die jedoch meist nicht in der Nacht auftreten. Weitere Beschwerden sind Blähungen, Verstopfung, Durchfall, auch können sich Verstopfung und Durchfall abwechseln. Der Stuhl ist entweder hart bzw. wird – wie bei Schafen – in kleinen harten Kotsteinen ausgeschieden. Er kann auch breiig bis flüssig sein, manchmal ist heller Schleim beigemengt. Bei einigen Betroffenen lassen die Beschwerden nach dem Stuhlgang nach, andere haben das Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung.

Definition. Nach internationalen Richtlinien besteht ein Reizdarm, wenn innerhalb der letzten 12 Monate mindestens 12 Wochen lang, aber nicht unbedingt andauernd, Bauchschmerzen auftraten, die sich mit dem Stuhlgang besserten und/oder wenn der Beginn der Bauchschmerzen mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz und/oder der Stuhlhäufigkeit einherging.

Ursachen und Risikofaktoren

Warum ein Darm gereizt reagiert, ist trotz umfangreichen Forschungen nicht eindeutig geklärt. Verschiedene funktionelle Veränderungen beeinflussen allein oder in Kombination die Funktion des Darms bei Reizdarmpatienten:

  • Die Schleimhaut von Reizdarmpatienten bildet neueren Forschungen zufolge verstärkt die Botenstoffe Histamin und Serotonin oder reagiert auf diese übersensibel. Dadurch gelangen permanent Nervenreize an das Gehirn, was den Entzündungsprozess offenbar fördert und aufrechterhält.
  • Reizdarmpatienten reagieren bereits auf eine Dehnung des Darms mit Schmerzen, die bei Gesunden keine Beschwerden hervorruft. Als Ursache hierfür vermuten Ärzte eine gestörte Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung im Gehirn.
  • Darüber hinaus ist die Beweglichkeit des Darms entweder beschleunigt oder verzögert.
  • In bis zu 25 % der Fälle geht der Entwicklung eines Reizdarms eine Darminfektion mit Durchfällen voraus.
  • Im Gegensatz zu einer gesunden Darmschleimhaut ist die Darmschleimhaut von Reizdarmpatienten wahrscheinlich durchlässiger. Auf diese Weise ist eine wichtige Schutz- und Barrierefunktion vermindert.
  • In den Darmwänden selbst sind bei Reizdarmpatienten vermehrt Zellen nachweisbar, die eigentlich verantwortlich für die Immunabwehr sind. Bei Fehlfunktionen lösen sie Entzündungsreaktionen aus.
  • Außerdem führt eine Kohlenhydratunverträglichkeit sehr häufig zum Reizdarm, etwa bei Milchzuckerunverträglichkeit und Unverträglichkeit von Fruktose. Viele Betroffene vertragen auch andere Nahrungsbestandteile nicht; außerdem werden die Beschwerden durch Genuss von Kaffee, Zigaretten und Alkohol oft verschlimmert.

Psychische Faktoren wie Stress oder Ärger können die Beschwerden verschlimmern. Auch scheinen depressive Störungen bei der Entwicklung und Ausprägung der Beschwerden von Bedeutung zu sein. Allerdings sollte beachtet werden, dass depressive Symptome sowohl Ursache als auch Folge von Darmbeschwerden sind.

Auch nach Infektionen verschlimmern sich die Reizdarmbeschwerden häufig.

Mitunter wird auch von Schulmedizinern ein Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Mikroorganismen im Darm (Dysbiose) für die Entstehung oder Aufrechterhaltung eines Reizdarms verantwortlich gemacht. Diese Theorie und die darauf basierenden Therapievorschläge halten in der Praxis aber nur selten, was sie versprechen, weswegen die Kosten der aufwändigen mikrobiologischen Untersuchung auf eine Dysbiose von den Kassen nicht übernommen werden. Auch die Vermutung, dass die Besiedlung des Dickdarms mit Candidapilzen eine Ursache der Beschwerden ist, wurde nicht bestätigt.

Diagnosesicherung

Manche Ärzte können die Diagnose "Reizdarm" oft schon aufgrund des Beschwerdebildes stellen. Wichtiges Merkmal ist z. B., dass die Beschwerden nachts nicht auftreten und der Betroffene kein Gewicht verloren hat. In jedem Fall wird der Arzt andere ernste Krankheiten der Verdauungsorgane wie z. B. eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder Darmkrebs durch eine Tastuntersuchung des Enddarms, Stuhluntersuchungen, eine Darmspiegelung und eventuell mit anderen bildgebenden Verfahren (z. B. Bauchultraschall) ausschließen. In Einzelfällen sind weitere spezielle Untersuchungen erforderlich, wie ein Laktosetoleranz-Test bei Verdacht auf Milchzuckerunverträglichkeit. Wichtig ist, den Patienten, der oft eine schwere Krankheit als Ursache seiner Beschwerden befürchtet, über die Ungefährlichkeit der Symptome aufzuklären.

Differenzialdiagnosen. Neben den oben genannten Erkrankungen kommen Reizdarm-ähnliche Beschwerden auch häufig bei gynäkologischen Erkrankungen wie beispielsweise der Endometriose oder dem Eierstockkrebs vor.

Behandlung

Schmerzen. Bei leichten Schmerzen helfen Selbsthilfemaßnahmen, bei starken Schmerzen Antidepressiva, die durch Erhöhung der Schmerzschwelle den Schmerz lindern.

Krämpfe. Die Wirksamkeit krampflösender Medikamente wie Butylscopolamin (Buscopan®) ist nicht belegt; im Einzelfall können sie aber hilfreich sein. Aufgrund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen dürfen sie jedoch nicht auf Dauer eingesetzt werden.

Verstopfung. Hier sollten zunächst Basismaßnahmen (siehe Verstopfung) versucht werden. Starke Abführmittel sind wegen der Gewöhnungsgefahr nur notfallmäßig zu empfehlen (z. B. als Microklist).

Durchfall. In Einzelfällen und kurzfristig (z. B. bei Reisen, Geschäftsterminen) ist der Wirkstoff Loperamid eine Option (z. B. Imodium®), der die Darmpassage verlangsamt.

Blähungen. Gegen Blähungen wird oft die Einnahme entblähender Medikamente, wie z. B. Simeticon (SAB simplex®, Lefax®) empfohlen. Leider zeigen diese Medikamente bei vielen Betroffenen keine Wirkung.

Der aktuelle Forschungsstand legt zudem nahe, dass Reizdarmpatienten von einer Behandlung mit Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren profitieren.

Psychische Erkrankung. Besteht zugleich eine seelische Erkrankung, insbesondere eine Depression oder Angststörung, hat deren Behandlung z. B. im Rahmen einer Psychotherapie hohe Priorität. Ist diese erfolgreich oder lassen sich zugrunde liegende Konflikte lösen, ist eine deutliche Besserung auch der Reizdarmbeschwerden zu erwarten.

Prognose

Ein Reizdarm ist per se harmlos, schränkt die Lebensqualität aber häufig stark ein. Eine Heilung ist selten bis nie zu erwarten, aber es gibt viele Maßnahmen, um die Symptome in den Griff zu bekommen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Die Grundempfehlung für die Selbsthilfe ist, herauszufinden, welche Lebenssituationen, Nahrungsmittel oder Verhaltensweisen Ihre Beschwerden verstärken, und diese künftig zu meiden.

Low FODMAP-Diät. Manchen Reizdarmpatienten hilft eine spezielle Diät, bei der die Aufnahme fermentierbarer Zucker (Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole) reduziert wird. Dadurch wird die Gärung im Darm reduziert und es entstehen weniger darmreizende Gase. Zu den Nahrungsmitteln, die reich an solchen Zuckern sind und daher gemieden werden sollen, gehören z. B. Kohl, Zwiebeln, Nektarinen und Linsen (FODMAP-reiche Lebensmittel).

Probiotika. Starten Sie doch mal einen Versuch mit probiotischen Nahrungs- oder Arzneimitteln. Auch wenn die Dysbiose-Hypothese in puncto Reizdarm unterschiedlich bewertet und eine teure mikrobiologische Diagnostik nicht empfohlen wird, können Bifidobakterien oder Lactobazillus-Stämme einen gereizten Darm oftmals beruhigen.

Entspannungsverfahren. Stress und Anspannungen verstärken Reizdarmsymptome oft oder lösen sie sogar aus. Eine bewährte Gegenmaßnahme ist das regelmäßige Ausüben von Entspannungstechniken wie Autogenes Training; Yoga oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Da die Stuhlkonsistenz oft wechselt, sollte nur dann ein entsprechendes Arzneimittel eingenommen werden, wenn das Leitsymptom akut über mehrere Tage hinweg besteht. Welche Mittel hier im Einzelnen infrage kommen, wird bei der Verstopfung und beim Durchfall beschrieben. Bei krampfartigen Schmerzen und Blähungen haben sich Kümmelöl oder Pfefferminzöl (z. B. kombiniert in Enteroplant® -Kapseln) bewährt. Die Wirkung von Pfefferminzöl und indischen Flohsamen gegen diese Beschwerden ist in einer klinischen Studie belegt. Flohsamen sind leichte pflanzliche Abführmittel, die auch Schmerzen lindern.

Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt eine individuell abgestimmte Konstitutionstherapie.

Akupunktur. Es liegt eine Reihe von Erfahrungsberichten vor, nach denen ein Reizdarm mithilfe der Akupunktur gelindert werden konnte; erste Studien scheinen dies zu bestätigen.

Hypnose. Ziel der Hypnose ist es, dass die Darmmuskulatur sich entspannt. Nach einigen Sitzungen erlernt der Patient Selbsthypnosetechniken, die zu Hause regelmäßig durchgeführt werden. Erste Erfahrungen mit der Methode zeigen einen positiven Effekt gerade bei solchen Patienten, die auf Medikamente nicht gut ansprechen.

Weiterführende Informationen

  • T. Schleip; G. Hoffbauer: Reizdarm. Was wirklich dahinter steckt. Gräfe & Unzer, 2001. Schulmedizinisch orientierter Ratgeber zum Thema Reizdarm, mit vorbildlicher Beschreibung der Erkrankung.
  • W. Kruis; A. Iburg: Reizdarm – Endlich Ruhe im Bauch durch richtige Ernährung. Trias, 2004. Praxisorientierter, detaillierter Ratgeber mit vielen differenzierten Vorschlägen zu einer optimal angepassten Ernährung bei Reizdarmbeschwerden.
  • https://www.fodmaps.de/fodmap-liste/ . Website mit Informationen zur lowFODMAP-Diät und einer ausführlichen Liste, welche Lebensmittel reich bzw. arm an FODMAPs sind.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Kein Alkohol auf leeren Magen!

Prost – aber besser nicht auf leeren Magen. Denn dadurch erhöht sich die Gefahr für Magenkrebs.

Kein Alkohol auf leeren Magen!

Krebsgefahr zusätzlich erhöht

Keine Frage: Alkohol ist in vielerlei Hinsicht schädlich. Dabei kommt es allerdings nicht nur auf die Menge an. In puncto Krebsrisiko spielt es auch eine Rolle, wann der Alkohol getrunken wird.

Alkohol begünstigt viele Erkrankungen

Egal ob Wein, Schnaps oder Bier: Zu viel Alkohol ist für den Körper nicht gut. Zu den gesundheitlichen Folgen gehören Leberzirrhose und Bauchspeicheldrüsenentzündung, außerdem drohen Herzerkrankungen und schwere Folgen für das Gehirn. Doch das ist nicht alles: Alkohol begünstigt Krebs - ganz besonders gilt das für den Magen-Darm-Trakt.

Wissenschaftler*innen haben nun herausgefunden, dass das ohnehin erhöhte Risiko für Magen- oder Darmkrebs zusätzlich steigt, wenn der Alkoholkonsum nicht mit einer Mahlzeit verbunden ist. Besonders gefährlich für die Entwicklung von Tumoren vor dem 50. Lebensjahr scheint dabei das Trinken auf leeren Magen zu sein.

Magen und Leber besonders gefährdet

Eingeschlossen in die Studie waren fast 350 000 Männer und Frauen, deren Alkoholkonsum und Krankheitsdaten erfasst wurden. Während der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich zehn Jahren entwickelten 6813 von ihnen einen Krebs im Magen-Darm-Trakt. Diejenigen, die Alkohol ohne gleichzeitiges Essen konsumierten, hatten ein um 10 Prozent höheres Krebsrisiko im Vergleich zu denjenigen, die nur beim Essen tranken. Dieses Ergebnis war unabhängig davon, wieviel Alkohol insgesamt konsumiert worden war oder ob die Proband*innen Begleiterkrankungen aufwiesen. Am stärksten wirkte sich der Alkohol auf Magen, Leber und Mastdarm aus. Dort war das Krebsrisiko sogar um 56, 42 bzw. 17 Prozent erhöht.

Das Autorenteam hat einige Erklärungen für die gesteigerte Krebsgefahr. Ohne gleichzeitige Nahrungsaufnahme entleert sich der Magen schneller und die Aufnahme von Alkohol wird beschleunigt. Außerdem ist im nüchternen Zustand der Abbau des Alkohols in der Leber verlangsamt, d.h. er wird langsamer verstoffwechselt.

Gefährlicher Trend: Alkohol statt Mahlzeit

Das Trinken von Alkohol ohne begleitende Mahlzeit erhöht die Krebsgefahr von Magen und Darm also deutlich. Das ist umso besorgniserregender, da es einen neuen Trend bei jungen Leuten gibt: Um Kalorien zu sparen, lassen heute viele eine Mahlzeit ausfallen, wenn sie ihre Drinks genießen wollen. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen aber: Wenn schon Alkohol, dann nicht auf nüchternen Magen.

Quelle: Springer Medizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Maskot