Gesundheit heute

Sprechstörungen und Sprachstörungen

Sprechstörungen: Gestörte Artikulation von Sprachlauten.

Sprachstörungen: Gestörte gedankliche Erzeugung von Sprache. Zu unterscheiden sind dabei Sprachentwicklungsstörungen (SES) im frühen Kindesalter von "erworbenen" Sprachstörungen im Sinne eines Sprachverlust.

Sprech- und Sprachstörungen liegt eine Veränderung im Sprachbildungsvorgang zugrunde, der sehr viel komplexer ist als die Stimmbildung.

Symptome und Leitbeschwerden

Bei Sprechstörungen

  • Stottern, Poltern, Stammeln oder Lispeln

Bei Sprachstörungen

  • Verzögerte Sprachentwicklung
  • Verlust der Sprache.

Wann zum Arzt

Unverzüglich, wenn

  • akut Sprachverlust auftritt (Verdacht auf Schlaganfall).

Zeitnah, wenn

  • Sprech- oder Sprachstörungen auffällig werden.

Die Erkrankungen

Sprechstörungen

Stottern. Beim Stottern ist der Redefluss betroffen, es kommt immer wieder zu unfreiwilligen Pausen oder Wiederholungen von Lauten, Silben oder ganzen Worten. In der Kindheit stottert mehr als jeder 5. Junge und mehr als jedes 10. Mädchen vorübergehend. Fast immer gibt sich das Stottern von selbst wieder – nur wenn es viele Monate andauert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich verfestigt. Im Erwachsenenalter ist noch etwa 1 % der Menschen betroffen. Als Ursachen werden eine genetische Veranlagung zu hypernervösem Verhalten oder emotionale Unausgeglichenheit vermutet, die Verstetigung soll an einer neuropsychologischen Prägung liegen – Nachweise fehlen jedoch noch.

Poltern. Beim häufig mit dem Stottern verwechselten Poltern verwischt die Aussprache durch zu schnelles Reden und verschluckte Laute. Wenn sich Polterer auf die Sprechweise konzentrieren, können sie normal sprechen (abhängig von der individuellen Konzentrationsfähigkeit). Die Betroffenen empfinden ihre Sprechweise selbst meist nicht als Störung.

Stammeln. Als Stammeln (Dyslalie) bezeichnet man Störungen der Lautbildung. Besonders oft sind Zischlaute betroffen – z. B. beim Lispeln (Sigmatismus). Bei kleinen Kindern bis zum 4. Geburtstag tritt Stammeln fast immer vorübergehend auf.

Sprachentwicklungsstörungen

Eine verzögerte Sprachentwicklung kann alleine auftreten, geht aber häufig mit anderen Entwicklungsverzögerungen einher, sie kann sowohl organische Ursachen als auch psychische oder soziale Ursachen (z. B. Vernachlässigung) haben.

Bei den meisten Kindern mit einer isolierten Sprachentwicklungsstörung diagnostiziert der Arzt eine bis dahin nicht erkannte Schwerhörigkeit. Polypen, häufig wiederkehrende Mittelohrentzündungen oder eine Hirnhautentzündung in der Vergangenheit sind Risikofaktoren für Hörprobleme. Deshalb ist eine gründliche HNO-ärztliche Untersuchung bei Kindern mit einer verzögerten Sprachentwicklung wichtig.

Betreffen die Defizite nicht nur die Sprache, sondern steht eine allgemeine Entwicklungsverzögerung des Kindes im Raum, liegt die Ursache dafür möglicherweise an einer erblichen Fehbildung, einer vor- oder nachgeburtlich erworbenen Behinderung oder einem schweren Sauerstoffmangel bei der Geburt. Auch schwere Traumata führen zu einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung. Bei sehr vielen Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerung kann der Arzt auch bei intensiver Diagnostik keine Ursache dafür feststellen (nicht diagnostizierte allgemeine Entwicklungsstörung).

Zu bedenken ist ferner, dass sich jedes Kind unterschiedlich entwickelt - es gibt vor allem viele Jungen mit einer deutlich verzögerten Sprachentwicklung. Solche "Spätzünder" zu erkennen, denen eigentlich gar nichts fehlt, ist Aufgabe einer umfassenden sozialpädiatrischen Diagnostik.

Eine verzögerte Sprachentwicklung kann last but not least Frühsymptom einer anderen Erkrankung sein wie z. B. einer Autismus-Spektrum-Störung. Die Kontaktarmut und die eingeschränkten sozialen Interaktionen, die mit der Erkrankung im Zusammenhang stehen, können die Sprachentwicklung verzögern.

In manchen Familien treten Sprachentwicklungsstörungen – aber auch "Spätzünder" – gehäuft auf. Oft war bereits ein Elternteil in der Kindheit davon betroffen. Daraus lässt sich schließen, dass auch erbliche Komponenten bei der verzögerten Sprachentwicklung mitbeteiligt sind.

Sprachverlust

Von Sprachverlust (Aphasie) spricht man dagegen, wenn das Sprachvermögen bereits vorhanden war, aber dann verloren geht. Fast immer sind neurologische Probleme daran schuld und stehen zumindest initial im Vordergrund. In Frage kommen

  • Durchblutungsstörungen im Gehirn (z. B. ein Schlaganfall)
  • Hirntraumata
  • Hirntumoren
  • Gehirnblutung nach Venenthrombose
  • Demenz
  • Infektionen und andere entzündliche Erkrankungen des Gehirns
  • Intoxikationen.

Die Aphasie kann alle Teilbereiche der Sprache betreffen: vom Zuhören über Wortfindung und Satzbau bis hin zu Aussprache und Sprachfluss. Teilweise sind auch die Lese- und Schreibfähigkeit sowie die Rechenfähigkeit gestört.

Diagnosesicherung und Behandlung

Behandlung bei Erwachsenen

Bei einem akutem Sprachverlust und Verdacht auf Schlaganfall oder Hirntumoren stehen Diagnose und Behandlung der akuten Grunderkrankung zunächst im Vordergrund, die je nach Ursache internistisch/neurologisch erfolgen.

Die Ursachen und Ausprägungen allmählich auftretender Sprech- und Sprachstörungen sind vielfältig. Hieran sind verschiedene ärztliche Disziplinen wie Neurologen, Internisten sowie Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen beteiligt. Organische Ursachen lassen sich teilweise durch eine medikamentöse Behandlung oder einen operativen Eingriff beseitigen. Ergänzend und besonders in der Rehabilitation hat sich eine individuelle logopädische Behandlung bewährt. Bei einem Sprachverlust durch Schlaganfall oder anderen Akuterkrankungen des Gehirns bringt eine logopädische Behandlung vor allem innerhalb des ersten Jahres spürbare Besserung, später sind nur noch kleinere Fortschritte zu erzielen.

Behandlung bei Kindern

Bei Kindern sind Sprech- und Sprachstörungen eine verbreitete Phase in der Sprachentwicklung. Auch wenn sie den Eltern unter Umständen Sorge bereiten – bis zu einem gewissen Alter und Schweregrad sind sie normal und müssen nicht behandelt werden. Zu viel Aufmerksamkeit verschlimmert das Problem unter Umständen sogar. So ist es sehr ungünstig, ein betroffenes Kind immer wieder auf sein Stottern aufmerksam zu machen: Dies verstärkt die Blockaden im Gehirn nur. Ab dem 4. Geburtstag (bei großem Leidensdruck auch früher) sollten Sprech- und Sprachstörungen aber mit einem Logopäden besprochen werden, um eventuellen Therapiebedarf zu erkennen.

Prognose

Die Prognose bei Sprech- und Sprachstörungen hängt von der individuellen Ursache ab. Erwachsene mit neurologisch bedingtem Sprachverlust profitieren von einer möglichst frühen logopädischen Behandlung. Im Kindesalter müssen Eltern und das betroffene Kind interdisziplinär durch Beratung, Frühförderung in KiTa und Grundschule und logopädische Therapie unterstützt werden. Alle Maßnahmen werden regelmäßig an den Entwicklungsstand des Kindes angepasst.

Weiterführende Informationen

  • www.bvss.de – Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e. V., Köln: Fundierte und unabhängige Informationen.
  • www.sprachheilpaedagogik.de/stottern – Gute, werbungsfreie Website zum Thema Stottern.
  • J. Tesak: Aphasie. Sprachstörungen nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma. Schulz-Kirchner, 2013. Inhaltlich hilfreicher Ratgeber für Angehörige und Betroffene mit vielen praktischen Beispielen.
  • M. Decher: Redefluss. Keine Angst vorm Stottern. Books on demand, 2006. Erfahrener Logopäde gibt Tipps und Einblicke in seine Berufserfahrung.

Von: Prof. Dr. med. Gerhard Grevers; Dr. Ute Koch; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektion "Symptome und Leitbeschwerden", "Wann zum Arzt", "Diagnose und Behandlung", "Prognose" und "Weiterführende Informationen": Dr. med. Sonja Kempinski
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Männerschnupfen gibt es wirklich

Frauen können oft nicht verstehen, warum Männer unter Erkältungskrankheiten so stark leiden.

Männerschnupfen gibt es wirklich

Schuld ist das X-Chromosom

Über den Männerschnupfen machen sich vor allem Frauen gerne lustig. Doch offenbar haben Männer bei manchen Erkrankungen tatsächlich schlechtere Karten. Verantwortlich sind Unterschiede im Immunsystem.

Männer leiden zu Recht

Männer werden immer wieder damit aufgezogen, dass sie bei banalen Erkältungen stärker leiden und schneller niedergestreckt werden als Frauen. Das ist jedoch höchst ungerecht: Sie können nämlich nichts dafür, dass Viren und Bakterien sie mehr beuteln. Denn Infektionskrankheiten verlaufen bei Männern schwerer als bei Frauen. Das weiß man nicht nur vom Schnupfen, sondern auch von COVID-19 und anderen ansteckenden Erkrankungen.

Gene und Hormone machen den Unterschied

Schuld daran sind u.a. die Gene. Ein entscheidender genetischer Unterschied zwischen Männern und Frauen sind die Geschlechtschromosomen. Während Frauen zwei X-Chromosomen haben, weisen Männer nur eines davon auf. Das hat Folgen: Viele für die Immunregulation wichtige Gene liegen nämlich genau auf diesem Chromosom. Bei der Frau können die Gene beider X-Chromosomen aktiv werden und die Produktion von wichtigen, entzündungsbekämpfenden Botenstoffe ankurbeln. Ihre Immunzellen entwickeln deshalb bei Infektionen eine stärkere Antwort als die Immunzellen der Männer.

Ein weiterer Grund sind die Hormone. Von Testosteron weiß man, dass es Immunantworten eher unterdrückt. So reagieren Männer mit hohen Testosteronspiegeln oft schwächer auf Impfungen. Das bedeutet, dass sie weniger Antikörper ausbilden und dadurch weniger geschützt sind. Östrogen und Progesteron der Frauen verstärken dagegen die Immunantworten. Das gilt sowohl für die Reaktion auf Infekte als auch auf Impfstoffe.

Vorteil mit Pferdefuß

Die verstärkte Immunantwort von Frauen hat zwar Vorteile bei der Infektabwehr. Weil das Immunsystem aber schneller und heftiger reagiert, kommt es bei ihnen auch leichter zu Immunreaktionen gegen körpereigene Proteine. Das ist der Grund dafür, dass Frauen häufiger an Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Multipler Sklerose leiden.

Quelle: Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Fabio and Simona