Gesundheit heute

Mittelohrentzündung, akute

Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta): Ein- oder beidseitige Entzündung der Schleimhaut des Mittelohrs.

Die akute Mittelohrentzündung ist oft Folge einer Erkältungskrankheit mit Schnupfen und durch Bakterien ausgelöst. Besonders häufig sind Säuglinge und Kleinkinder betroffen. Aber auch bei Schulkindern ist die akute Mittelohrentzündung noch eine häufige Ursache für Krankschreibungen. Die Erkrankung heilt meistens nach wenigen Tagen folgenlos ab, wenn die Belüftung des Mittelohrs über die Ohrtrompete sichergestellt ist. In seltenen, schweren Fällen breitet sie sich auf die Hohlräume des Warzenfortsatzes (Mastoiditis) oder die Hirnhäute (Hirnhautentzündung) aus.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Heftige stechende, pulsierende oder klopfende Ohrenschmerzen
  • Oft Fieber und beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, Erkältungsbeschwerden
  • Gelegentlich Schwindel
  • Bei Säuglingen und Kleinkindern häufig untypische Beschwerden, wie Reiben am Ohr, Trinkunlust, häufiges Schreien, Bauchschmerzen, Durchfall und hohes Fieber
  • Eventuell Ausfluss von Sekret aus dem Ohr, wenn das Trommelfell platzt.

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn

  • der Verdacht auf eine Mittelohrentzündung besteht.

Sofort, wenn

  • sich bereits abgeklungene Beschwerden wieder verstärken.
  • Rötung und Schwellung hinter dem Ohrläppchen auftreten und/oder das Ohr absteht (Gefahr einer Mastoiditis).
  • starke Kopfschmerzen, ein steifer Nacken und/oder starke Müdigkeit hinzukommen (Gefahr einer Hirnhautentzündung).

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Mittelohrentzündungen treten meist als Folge einer Erkältung und daher bevorzugt in den Wintermonaten auf. Dabei gelangen die Erreger (überwiegend Bakterien, z. B. Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae) über die Ohrtrompete in das Mittelohr und lösen dort eine Entzündung der Schleimhaut aus.

Die Folge ist eine fortlaufende Produktion von Sekret. Da dieses – im Gegensatz zum Schnupfen – nicht durch die Nase abfließen kann, staut es sich hinter dem entzündeten Trommelfell. Der Sekretstau drückt schmerzhaft auf das Mittelohr und führt zu einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Meist bildet sich die Entzündung des Trommelfells im Laufe weniger Tage von selbst zurück und das aufgestaute Sekret wird langsam wieder in den Körper aufgenommen.

Manchmal bleibt nach einer Mittelohrentzündung noch über Wochen ein Paukenerguss bestehen. Reißt das Trommelfell dann infolge des zunehmenden Drucks, fließt das Sekret in den Gehörgang ab. Die Schmerzen lassen nun schlagartig nach und die Mittelohrentzündung heilt rasch und folgenlos ab. Das geplatzte Trommelfell schließt sich binnen weniger Tage von selbst.

Ursachen und Risikofaktoren

Am häufigsten tritt die Mittelohrentzündung zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat auf. Sie ist in dieser Altersgruppe deshalb so häufig, weil Kleinkinder noch eine kurze, weite und – im Unterschied zum Erwachsenen – horizontal verlaufende Ohrtrompete haben, über die Krankheitserreger leicht aus dem Nasenrachen in das Mittelohr aufsteigen. So erleben schätzungsweise 2 Drittel aller Kinder vor ihrem 6. Geburtstag eine akute Mittelohrentzündung, danach wird die Erkrankung seltener.

Die akute Mittelohrentzündung wird begünstigt durch vergrößerte Rachenmandeln (Polypen) und Passivrauchen. Die Rolle von Allergien wie Heuschnupfen ist umstritten, wahrscheinlich verursachen sie für sich alleine die Mittelohrentzündung nicht.

Komplikationen

Häufige Mittelohrentzündungen können einen bleibenden Trommelfellschaden mit Schwerhörigkeit hinterlassen oder in eine chronische Form übergehen (chronische Mittelohrentzündung).

Eine heutzutage seltene Komplikation der Mittelohrentzündung ist die Mastoiditis, bei der die Mittelohrentzündung auf die mit Schleimhaut ausgekleideten Hohlräume im Warzenfortsatz übergeht. Zu ihrer Behandlung ist eine Operation erforderlich, wobei der Arzt den Knochen hinter dem Ohr unter Vollnarkose eröffnet und den Eiter und die entzündete Schleimhaut entfernt.

Eine Weiterleitung der akuten Entzündung kann in seltenen Fällen auch eine einseitige Gesichtslähmung durch Mitbeteiligung des Gesichtsnervs (Nervus facialis) auslösen. Eine weitere Komplikation ist die Labyrinthitis, d. h. die Entzündung des Innenohres mit Tinnitus, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen.

Diagnosesicherung

Der Arzt stellt die Diagnose anhand der Vorgeschichte – typisch ist ein vorangegangener Schnupfen – und der charakteristischen Beschwerden des Patienten. Anschließend sieht er sich mit dem Otoskop, einem Ohrtrichter mit Lampe und Lupe, oder dem Ohrmikroskop das Trommelfell an. Ergänzend kommen bei komplizierten Verläufen Hörprüfungen, Gleichgewichtstests, bildgebende Untersuchungen des Schädels und/oder ein Blutbild hinzu.

Behandlung

Pharmakotherapie

Häufig verordnet der Arzt Antibiotika; Mittel der Wahl ist ein Breitbandpenizillin, z. B. Amoxicillin, das gegen eine breite Anzahl von Erregern wirkt und 7 bis 10 Tage lang mehrmals täglich eingenommen wird.

Viele Studien zeigen inzwischen, dass nicht jede Mittelohrentzündung gleich mit Antibiotika behandelt werden muss. Etwa 80 % der Kinder werden auch ohne innerhalb weniger Tage gesund. Die kinderärztlichen Fachgesellschaften empfehlen die automatische Antibiotikagabe nur noch bei Kindern unter 6 Monaten. Bei Kindern zwischen 6 Monaten und 2 Jahren kann auf Antibiotika verzichtet werden, wenn sich der Arzt mit der Diagnose nicht ganz sicher ist (dies ist wegen der häufig durch Ohrenschmalz verlegten Gehörgänge gar nicht so selten) und wenn es dem Kind einigermaßen gut geht (d. h., wenn das Fieber 39 °C nicht übersteigt und die Ohrenschmerzen auszuhalten sind). Bei Kindern ab 2 Jahren kann auch bei einer gesicherten Mittelohrentzündung auf Antibiotika verzichtet werden, wenn es dem Kind einigermaßen gut geht.

Operative Behandlung

Ein Trommelfellschnitt (Parazentese) wird erwogen, wenn sich das Trommelfell wegen des entzündungsbedingten Drucks im Mittelohr stark vorwölbt – der Patient spürt dann starke Schmerzen. Durch diesen Entlastungsschnitt kommt es zur sofortigen Erleichterung für den Patienten, weil das abfließende Sekret den Druck im Mittelohr reduziert.

Prognose

Bei frühzeitigem Behandlungsbeginn heilt die akute Mittelohrentzündung in der Regel vollständig aus. Werden jedoch eventuell vorliegende Behinderungen der Nasenatmung wie beispielsweise Polypen nicht behoben, droht die Entwicklung einer chronischen Mittelohrentzündung.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Antibiotika.Hat der Arzt Ihnen oder Ihrem Kind Antibiotika verschrieben, sorgen Sie dafür, dass diese wie verordnet und bis zum Schluss eingenommen werden, auch wenn die Beschwerden früher abklingen.

Freies Ohr.Bei Ohrenausfluss dürfen Sie keine Watte in den Gehörgang stecken – dadurch bildet sich eine feuchte Kammer, in der sich Krankheitserreger schnell vermehren.

Wärme.Bestrahlungen mit Rotlicht, Heizkissen oder Wärmflasche lindern die Beschwerden, da durch die wärmebedingte Weitstellung der Gefäße vermehrt entzündungshemmende Zellen ins Krankheitsgebiet gelangen und die Erkrankung schneller ausheilt. Achten Sie auf einen Mindestabstand zur Lampe, damit keine Verbrennungen entstehen.

Zwiebelsäckchen.Ein beliebtes Hausmittel gegen Ohrenschmerzen ist das Zwiebelsäckchen: Dafür legen Sie die kleingeschnittenen Teile einer Zwiebel in ein Baumwolltaschentuch und falten es zusammen. Nachdem Sie das Säckchen vorsichtig in der Mikrowelle erwärmt haben, legen Sie es für eine halbe bis eine Stunde auf das betroffene Ohr.

Geeignete Medikamente

Schmerzmittel. Eine Tubenbelüftungsstörung kann – vor allem nachts – Schmerzen wie bei einer Mittelohrentzündung verursachen. Diese Schmerzen sind aber nach einigen Stunden verschwunden (es bleibt höchstens noch ein "komisches" Gefühl in den Ohren), während die Schmerzen einer Mittelohrentzündung länger anhalten. Deshalb sollte zunächst ein Schmerzmittel gegeben werden, z. B. Paracetamol oder Ibuprofen. Bleiben die Schmerzen nach Abklingen des Schmerzmittels aus, dann lag keine Mittelohrentzündung, sondern eine Tubenbelüftungsstörung vor.

Ohrentropfen. Ohne Verordnung des Arztes dürfen Sie bei einer Mittelohrentzündung keine Ohrentropfen anwenden. Bei noch intaktem Trommelfell können diese gar nicht in das Mittelohr gelangen und bei einem bereits erfolgten Riss rufen sie möglicherweise Innenohrschäden hervor.

Komplementärmedizin

Homöopathie. Je nach Begleitsymptomatik empfiehlt die Homöopathie in der Akutphase häufige Gaben z. B. von Aconitum, Belladonna, Chamomilla oder Ferrum phosphoricum in niederen Potenzen. Als homöopathisches Komplexmittel stehen z. B. Otovowen® Tropfen zur Verfügung.

Prävention

Rauchverzicht.Verzichten Sie im Umfeld von Säuglingen und Kleinkindern, die häufig unter akuten Mittelohrentzündungen leiden, unbedingt auf das Rauchen. Dieses "Rauchverbot" umfasst am besten die ganze Wohnung, denn Studien haben gezeigt, dass Kleinkinder auch unter separaten und für sie nicht zugänglichen Raucherzimmern nachweisbar leiden und häufiger erkranken. Geben Sie Kindern ihre Milchflasche nicht im Liegen zu trinken, da dies möglicherweise Mittelohrentzündungen fördert. Stillen schützt nachweislich vor Mittelohrentzündungen.

Rachenmandeln.Keinen vorbeugenden Effekt hat dagegen die operative Entfernung vergrößerter Rachenmandeln bei Kindern unter 4 Jahren. Ob eine Pneumokokken-Schutzimpfung die Rückfallgefahr vermindert, ist nicht bekannt.

Von: Prof. Dr. med. Gerhard Grevers; Dr. Ute Koch; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen "Die Erkrankung", "Prognose" und "Ihre Apotheke empfiehlt": Dr. med. Sonja Kempinski
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Training bessert Atemnot

Long-COVID-Patienten kommen oft schon nach wenigen Übungen aus der Puste.

Training bessert Atemnot

Long-COVID mit Folgen

Long-COVID-Patient*innen sind häufig schnell aus der Puste. Gegen ihre Kurzatmigkeit kann ein spezielles Training der Atemmuskulatur helfen.

Viele Probleme durch Long-COVID

Long-COVID wartet mit zahlreichen Beschwerden auf: Viele Betroffene fühlen sich müde und schlapp, haben Konzentrations- und Gedächtnisprobleme oder Schlafstörungen. Besonders häufig ist Kurzatmigkeit, die sog. Belastungsdyspnoe. Klinisch lässt sich für die quälende Luftnot meist keine Ursache finden. Sowohl die Blutuntersuchungen als auch die Funktionstests von Herz- und Lunge zeigen keine Auffälligkeiten.

Die erschwerte Atmung hat wahrscheinlich mehrere Ursachen. Diskutiert werden Mechanismen, die im Gehirn stattfinden sowie eine verminderte Sauerstoffaufnahme unter Belastung. Offenbar trägt aber auch eine geschwächte Atemmuskulatur zu der Störung bei, wie eine Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Aachen berichtet. Sie hatten bei 50 COVID-Patient*innen die Kraft des Zwerchfells gemessen, also die muskuläre Funktion des wichtigsten Atemmuskels.

Schwaches Zwerchfell, starke Kurzatmigkeit

Je schwächer das Zwerchfell war, desto stärker war die Belastungsdyspnoe – also die Kurzatmigkeit. Ob es etwas nützt, den Atemmuskel zu trainieren, untersuchte die Arbeitsgruppe an 18 der Patient*innen. Diese erhielten einen Atemtrainer, mit dem sie sechs Wochen lang zweimal täglich 30 Atemzyklen absolvieren mussten. Die Atemmuskulatur wird dabei gekräftigt, indem man gegen Druck ein und ausatmet. Einmal die Woche wurden die Proband*innen kontrolliert und der Druck angepasst.

Effekt hielt über das Training hinaus an

Nach sechs Wochen war die Kurzatmigkeit der Patient*innen besser. Der Effekt hielt offenbar ohne weiteres Atemmuskeltraining an, wie eine Kontrolle nach weiteren sechs Wochen zeigte. Ob das Training noch länger nachwirkt, lässt sich noch nicht sagen. Dazu müssen erst weitere Studien erfolgen.

Quelle: medscape

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Vlad Deep / Alamy / Alamy Stock Photos