Gesundheit heute

Parodontitis

Parodontitis (ungenau oft als Parodontose bezeichnet): Entzündung des Zahnhalteapparats. Von der Parodontitis grenzt der Zahnarzt die wesentlich seltenere Parodontose ab, worunter man einen Zahnfleischschwund ohne begleitende Entzündung versteht.

Bei einer Parodontitis ist nicht nur das Zahnfleisch oberflächlich entzündet, sondern der gesamte Zahnhalteapparat. Daher ist auch der Knochen betroffen und wird langsam abgebaut. Bei Menschen über 35 ist Parodontitis die häufigste Ursache für den Verlust von Zähnen – anders als Karies tut sie jedoch kaum weh und bleibt so oft lange Zeit unbemerkt.

Eine Parodontitis sollte in jedem Fall behandelt werden, da sie unabhängig von den Gebissproblemen auch eine großflächige Entzündung im Körper darstellt und u. a. ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten, Herzinfarkt und Schlaganfall mit sich bringt.

Leitbeschwerden

  • Regelmäßiges Zahnfleischbluten
  • Mundgeruch
  • Die Zähne werden „länger", weil das Zahnfleisch zurückgeht.
  • Die Zähne lockern sich und verändern ihre Stellung.
  • Das Zahnfleisch verfärbt sich dunkelrot bis blau-violett.

Wann zum Arzt

Innerhalb der nächsten 4 Wochen, wenn das Zahnfleischbluten länger andauert, sich einzelne Zähne bewegen oder drehen oder sich alle Zähne locker anfühlen.

Die Erkrankung

Eine Parodontitis beginnt mit einer Zahnfleischentzündung, später entstehen Zahnfleischtaschen (Zahntaschen), wenn sich der Epithelansatz des Zahnfleischs vom Zahn ablöst. In den Taschen lagert sich Zahnstein auf dem Zahnzement ab. Sie werden von anaeroben Bakterien besiedelt und können sich ebenfalls entzünden. Das Zahnfleisch und die knöchernen Zahnfächer verlieren an Substanz, schließlich lockern sich Zähne und fallen aus.

Eine langandauernde Zahnfleischentzündung kann auf den Kieferknochen, die Wurzelhaut und den Zahnzement übergreifen. Die Ursache sind Bakterien im Zahnbelag: Sie scheiden Stoffwechselprodukte aus, auf die der Körper reagiert. Er bildet Fresszellen, die die Bakterien zerstören sollen. Diese bauen jedoch auch den Knochen und die Haltefasern ab – letztlich wird der Zahnhalteapparat also durch das eigene Immunsystem zerstört.

In der Regel ist die Parodontitis durch ungenügende Mundhygiene verursacht. Jede Parodontitis hat einmal als Zahnfleischentzündung angefangen. Diese Entwicklung ist jedoch nicht zwangsläufig – gerade bei Kindern und Jugendlichen kann eine Zahnfleischentzündung monatelang bestehen, ohne auf den Zahnhalteapparat überzugreifen. Manche Menschen allerdings sind extrem anfällig für Parodontitis, Männer häufiger als Frauen – und dies auch bei guter oder sehr guter Mundpflege. Die Ursache liegt offenbar in einer für das Zahnfleisch ungünstigen Mundflora begründet. Glück im Unglück: Solche Parodontitis-Risikoträger haben meistens kaum Karies.

Apikale Parodontitis. In seltenen Fällen kann eine apikale Parodontitis (Entzündung der Wurzelspitze nach Absterben des Zahnnervs) die Ursache dafür sein, dass sich der Zahnhalteapparat von der Wurzelspitze her entzündet.

Juvenile Parodontitis. Die juvenile Parodontitis ist eine Sonderform, die schon in der Jugend auftritt und speziell die 6-Jahr-Molaren (Sechser) und die mittleren Oberkieferschneidezähne (Einser) betrifft. Die Ursache ist unklar. Nur durch penible Mundhygiene kann man gegen den frühen Verlust dieser Zähne ankämpfen, oft gehen sie trotzdem verloren. Mädchen erkranken vier Mal häufiger als Jungen.

Das macht der Arzt

Um festzustellen, wie weit die Entzündung fortgeschritten ist, kontrolliert der Zahnarzt das Zahnfleisch und misst die Tiefe der Zahntaschen. Dazu führt er eine spezielle Sonde, die eine Maßeinteilung aufweist, vorsichtig zwischen Zahnfleisch und Zahn in den Zwischenraum ein. Je nach Tiefe der Taschen liegt eine Parodontitis unterschiedlichen Grades vor, als behandlungsbedürftig gilt eine Taschentiefe von 4 mm oder mehr. Dieses Testverfahren heißt Parodontaler Screening Index (PSI) und wird alle zwei Jahre von der Kasse übernommen. Zur Absicherung der Diagnose werden Röntgenbilder angefertigt – so kann der Zustand der knöchernen Zahnfächer besser beurteilt werden.

Parodontaltherapie. Eine Parodontitis lässt sich nur durch eine systematische Behandlung kurieren, eine normale, oberflächliche Reinigung reicht nicht mehr aus. Zu Beginn der Parodontaltherapie findet die Hygienephase statt, bei der durch eine professionelle Zahnreinigung alle Zahnflächen und Zahnzwischenräume gereinigt, fehlerhafte Füllungen repariert, scharfe Kanten beseitigt und stark beschädigte Zähne gegebenenfalls gezogen werden. Dabei wird auch überprüft, ob sich die Mundhygiene des Patienten verbessern lässt. Allein die Hygienephase bringt oft schon eine deutliche Besserung der Beschwerden.

Bei der anschließenden geschlossenen Behandlungsphase wird der betroffene Bereich mit einer Spritze betäubt, bevor der Arzt jeden Zahn bis auf den Boden der Zahntasche reinigt und poliert. Dies geschieht mit kleinen scharfen Schabern (Scaler) und Ultraschallinstrumenten. Einige Zahnärzte setzen auch feine schwingende Elektrofeilen ein. Das anfängliche Kratzgeräusch bei der Glättung verschwindet mit fortschreitender Behandlung und Reinigung der Oberflächen. Gleichzeitig befreit der Arzt mit einem gebogenen Messer (Kürette) das Zahnfleisch von den entzündeten Teilen (es wird „angefrischt"). Nur das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten erzielt den gewünschten Erfolg.

Nachdem der Mund gründlich ausgespült wurde, spült der Arzt die Zahntaschen mit einer Chlorhexidin-Lösung. Diese vermindert die restlichen Keime in den Taschen deutlich.

Eine Parodontaltherapie erstreckt sich meist über mehrere Sitzungen, bei denen die Kiefer bzw. Kieferhälften nacheinander gereinigt werden. Manche Patienten empfinden die optische Veränderung durch die Behandlung als unschön, da das Zahnfleisch durch die zurückgehende Schwellung kürzer erscheint und die Zähne länger wirken. Dieselben kosmetischen Probleme entstünden allerdings auch ohne Behandlung – zwar etwas später, dafür ginge aber mehr vom Zahnhalteapparat verloren. Zur Parodontaltherapie gibt es daher keine Alternative: Nur so kann die für den gesamten Körper belastende Entzündung gestoppt und die Zähne erhalten werden.

Lappenoperation und Knochenaufbau. Wenn der Kiefer bereits stark geschädigt ist oder sich bei Kontrolluntersuchungen zeigt, dass die geschlossene Behandlung nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, dann ist zusätzlich eine offene Behandlung nötig. Bei der Lappenoperation (Flapoperation, offene Kürettage) wird das Zahnfleisch aufgeschnitten und zur Seite geklappt. Nun kann der Zahnarzt Zahnwurzeln und Zahnfleischtaschen besonders gründlich und unter Sicht reinigen.

Ist dies nicht ausreichend, wird in der gleichen OP der Knochen wieder aufgebaut, was die Kasse allerdings nicht mehr bezahlt. Für den Knochenaufbau gibt es dabei zwei ineinander greifende Verfahren: GTR (Guided Tissue Regeneration, gesteuerte Geweberegeneration) und GBR (Guided Bone Regeneration, gesteuerte Knochenregeneration). Wenn Teile des Kieferknochens zahnfrei sind, z. B. aufgrund entfernter Weisheitszähne, können im Rahmen der GBR Knochenspäne entnommen und zur Füllung der erkrankten Stellen transplantiert werden. Auch mit wachstumsfördernden Mitteln lassen sich Knochen und Zahnhaltefasern regenerieren. Damit sich der langsam wachsende Knochen ungestört wieder aufbauen kann, ohne vom schneller wachsenden Zahnfleisch verdrängt zu werden, trennt bei der GTR eine Membran Zahnfleisch und Kiefer während der Behandlung. Beide Verfahren sind vom Aufwand her vergleichbar, welches das bessere ist, hängt von Lage und Ausmaß der Knochendefekte ab. Sie können auch kombiniert werden, indem die GTR einer GBR folgt. Der Kieferzustand verbessert sich durch den Knochenaufbau innerhalb von 3–6 Monaten deutlich, eine vollständige Wiederherstellung ist jedoch in der Regel nicht möglich.

Zusätzlich bietet sich als weitere Behandlungsmöglichkeit eine Proteinmatrix (Emdogain®) an. Diese Substanz wird auf die gereinigte und mit Zitronensäure vorbehandelte Wurzeloberfläche aufgetragen. In 30–50 % der Fälle führt sie zu deutlichem Knochenwachstum im Bereich der Wurzeloberfläche.

Zum Abschluss der Operation näht oder klebt der Arzt das Zahnfleisch. Die Behandlung wird mit antiseptischen Mundspülungen (z. B. mit Chlorhexidin) fortgesetzt, anschließend sollten regelmäßig Kontrolluntersuchungen stattfinden – anfangs alle 3–4 Wochen, später alle 6 Monate.

Alle 2 Jahre bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen eine Untersuchung der Zahnfleischtaschen (Parodontaler Screening Index) – wenn sie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung stattfindet, fallen noch nicht einmal Praxisgebühren an. Die eigentliche Parodontaltherapie übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nach der Vorlage der Untersuchungsergebnisse (Parodontalstatus) durch den Zahnarzt. Begleitende Behandlungsmaßnahmen wie die professionelle Zahnreinigung, Knochenaufbau sowie die regelmäßigen Nachuntersuchungen müssen gesetzlich Versicherte allerdings selbst bezahlen.

Selbstbehandlung

Eine einmal vorhandene Parodontitis ist durch häusliche Pflege nicht mehr zu heilen. Sie können nur die Beschwerden lindern und die Parodontaltherapie durch Ihre Mundhygiene unterstützen. Auch bei Schmerzen sollten Sie nicht mit der Zahnreinigung aufhören – verwenden Sie lieber eine weiche Zahnbürste.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Bei Blutungen und Schwellungen helfen entzündungshemmende Spülungen mit Kamillen- oder Salbeitee. Auch regelmäßiges Eincremen des Zahnfleisches mit Zahnfleischbalsam kann die Beschwerden lindern.

Homöopathie. Aus homöopathischer Sicht kommen z. B. Acidum hydrofluoricum, Cistus canadensis, Lycopodium, Mercurius solubus, Psorinum oder Silicea zur Linderung der Beschwerden infrage; eine bestehende Parodontitis kann aber so nicht zum vollständigen Abklingen gebracht werden.

Vorsorge

Sie können Parodontitis durch regelmäßige, gründliche und richtige Zahnreinigung vermeiden. Bei empfindlichem Zahnfleisch hilft sanftes, vorsichtiges Putzen mit einer elektrischen Bürste und weichen Borsten. Zusätzlich sollten täglich die Zahnzwischenräume gereinigt werden. Dies geschieht am besten mit Zahnseide und, falls das nicht ausreicht, zusätzlich mit Interdentalbürsten. Nur oberflächlich wirksam sind Chlorhexidin-Spülungen und Mundspülungen mit ätherischen Ölen wie Eukalyptus, Thymol, Menthol und Methylsalicylat.

Zusätzlich ist eine regelmäßige Professionelle Zahnreinigung sinnvoll. Denn sie entfernt auch Zahnstein, der vom Betroffenen nicht beseitigt werden kann – und beseitigt Plaques sehr gründlich. Je nach Geldbeutel und Zeitbudget sollte sie alle 6, mindestens aber alle 12 Monate, wiederholt werden.

Besonders hoch ist das Parodontitis-Risiko bei Rauchern, Zähneknirscher und Diabetiker. Durch Zähneknirschen wird der Zahnhalteapparat mechanisch geschädigt, bei Rauchern und Diabetikern dagegen ist die Durchblutung der kleinen Äderchen im Zahnfleisch verschlechtert. Die Nährstoffversorgung des Zahnfleischs leidet darunter, es verliert an Widerstandskraft. Der Zusammenhang zwischen Rauchen und Parodontitis ist eindeutig, der genaue Wirkungszusammenhang ist allerdings noch unklar. Man vermutet, dass das Rauchen die körpereigene Abwehrreaktion verstärkt.

Sicher ist, dass Rauchen die Behandlung erschwert und die Heilungschancen verringert – es lohnt sich also, noch während der Behandlung damit aufzuhören.

Weiterführende Informationen

  • www.parodontosehilfe.de – Deutsche Parodontosehilfe e. V., Schwerte: Mit Parodontose-Selbsttest und Zahnarztsuche. Die Selbsthilfegruppe gibt auch die Zeitschrift „Parodontose Info" heraus.
  • www.dgparo.de – Deutsche Gesellschaft für Parodontologie, Regensburg: Über die „Mitgliedersuche" finden Sie spezialisierte Fachärzte.

Von: Dr. med. dent. Gisbert Hennessen, Thilo Machotta, Dr. med. Arne schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Lippenherpes lässt sich bezwingen

Lippenherpes lässt sich bezwingen

Mit Creme, Patch oder Hitze

Lippenherpes juckt, schmerzt und ist mit seinen gelblichen Krusten alles andere als eine Zierde. Häufig taucht er gerade dann auf, wenn man ihn am allerwenigstens gebrauchen kann. Zum Glück gibt es gegen die üblen Fieberbläschen inzwischen viele Gegenmittel. Wer sie frühzeitig einsetzt, hat gute Chance, den Herpes im Zaum zu halten.

Lebenslange Untermieter

Herpes-simplex-Viren (HSV) sind weit verbreitet. Am häufigsten kommt der Typ HSV-1 vor: Neun von zehn Erwachsenen tragen ihn in sich. Die meisten stecken sich damit schon in der frühen Kindheit an. Das Virus gelangt dabei über Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Nasensekrete zunächst auf die Schleimhaut oder wird eingeatmet. Von dort erreicht es dann die Blutbahn. Nach dieser ersten, oft unbemerkten Infektion ziehen sich die Viren in bestimmte Nervenzellen (Ganglienzellen) zurück und bleiben lebenslang im Körper. Werden die „schlafenden“ Viren allerdings durch Stress oder andere Faktoren reaktiviert, wandern sie die Nervenbahnen entlang und lösen Geschwüre und Bläschen an der Haut aus.

Besonders häufig sitzen die Herpesviren in den Ganglienzellen des Nervus trigeminus. Dieser innerviert die Gesichtshaut, die Lippen und die Mundschleimhaut. Werden die Viren reaktiviert, kommt es in diesen Gebieten zu Symptomen. Am allerhäufigsten betroffen sind dabei die Lippen und der Bereich um den Mund herum. Im Volksmund nennt man die dann auftretenden kleinen schmerzhaften Geschwüre Fieberbläschen. Fachleute sprechen von einem Herpes labialis, wenn er an den Lippen oder im Mund sitzt, vom Herpes nasalis, wenn er die Nase befällt.

Fieberbläschen kündigen sich oft durch Brennen, Kribbeln oder Jucken an. Innerhalb weniger Stunden blüht der Herpes auf: Es entwickelt sich ein münzgroßer, geröteter Herd mit kleinen Blasen. Diese sind prall gefüllt mit HSV. Nach wenigen Tagen platzen sie und trocknen schließlich aus. Dabei bilden sich höchst schmerzhafte Krusten. Nach acht bis zehn Tagen ist die Wunde abgeheilt, und die Haut sieht wieder so aus wie vorher. Dummerweise bleibt es meist nicht bei der einen Attacke. Bei vielen Menschen, die das HSV in sich tragen, kommt das Fieberbläschen immer wieder. Oft an der gleichen Stelle, manchmal auch in anderen Bereichen des Mundes oder an der Nase.

In manchen Fällen bleibt es bei der Reaktivierung nicht beim harmlosen Fieberbläschen. Vor allem bei immungeschwächten Patient*innen und Neugeborenen drohen Komplikationen. Das Virus kann sich im gesamten Körper ausbreiten und das zentrale Nervensystem, die Lunge und die Leber infizieren. Atemnot, Fieber und Krampfanfälle sind nur einige der lebensbedrohlichen Folgen.

Hinweis: Manchmal kommt es durch die Reaktivierung von HSV-1 zu einer Augeninfektion. Dabei sind v.a. die Hornhaut und die Bindehaut betroffen. Bemerkbar macht sich der Augenherpes durch Rötung, Schmerzen, Juckreiz und Fremdkörpergefühl im Auge.

Was HSV aus seiner Zelle lockt

Fast alle Menschen sind mit HSV-1 infiziert. Doch nicht alle leiden unter Fieberbläschen. Das liegt daran, dass das Virus reaktiviert werden muss, bevor es aus den Nervenzellen auswandert und an der Haut zu Beschwerden führt. Provokationsfaktoren oder Trigger gibt es zahlreiche:

  • UV-Strahlung der Sonne (eine andere Bezeichnung für den Herpes labialis ist auch der „Gletscherbrand“ durch starke UV-Strahlen im Gebirge)
  • Fieber und Infektionskrankheiten
  • Hormonumstellungen (z.B. bei der Menstruation)
  • psychische Faktoren wie Stress, Ekel oder Traumata

Hinweis: Wer sehr häufig oder jeweils sehr lange unter Fieberbläschen leidet, sollte dies ärztlich abklären lassen. Dahinter kann eine Immunschwäche stecken.

Beschwerden mit Cremes und Gelen lindern

Das traditionelle Fieberbläschen ist nicht gefährlich, aber überaus lästig. Zum Glück gibt es inzwischen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Besonders häufig werden spezielle Cremes eingesetzt.

Antivirale Cremes. Diese Cremes enthalten ein Virostatikum, das die Vermehrung der Viren stoppt. Trägt man sie schon beim ersten Kribbeln auf, bilden sich manchmal erst gar keine Bläschen aus. Ansonsten kann der Wirkstoff helfen, dass das Bläschen schneller abheilt und weniger schmerzt. Die Cremes sollten so früh wie möglich und dann alle drei bis vier Stunden eingesetzt werden. Für das Virostatikum Aciclovir gibt es keine Alterseinschränkung. Penciclovir darf erst ab einem Alter von zwölf Jahren angewendet werden. Aciclovir steht auch in Kombination mit antientzündlichem Hydrokortison zur Verfügung. Die Kombination soll die Symptome schneller lindern und die Wundheilung beschleunigen.

Zink. Zink soll auf Herpesviren ebenfalls einen hemmenden Effekt ausüben. Es wird für die virale Bläschenphase und die Zeit der Heilung empfohlen. Speziell für den Lippenherpes hergestellte Gele mit Zinksulfat-Heptahydrat sind in der Apotheke erhältlich.

Pflanzliche Salben. Melissenöl, Teebaumöl und Pfefferminzöl sind im Labor antiherpetisch wirksam, andere Pflanzeninhaltsstoffe haben desinfizierende Eigenschaften. Für den Lippenherpes gibt es spezielle Mixturen, z. B. Rephaderm mit Rosmarin-, Myrrhen- und Wermutkrautextrakten. Der Mikroalgenaktivstoff Spirulina-platensis-Extrakt (z.B. in Spiralin oder Ilon Lippencreme) soll das Eindringen und Anhaften von HSV in die Hautzellen verhindern. Dadurch kann er im Akutfall verhindern, dass das Bläschen weiter aufblüht. Auch vorbeugend soll Spirulina herpesanfällige Lippen schützen können. Außerdem reduziert der Algenwirkstoff die Krustenbildung und fördert die Abheilung.

Hinweis: Bei den Virostatika kommt es auch auf die Salbengrundlage an. So dringt Studien zufolge Aciclovir besonders gut in die Schleimhaut ein, wenn es mit einem Anteil von 40% Propylenglykol zubereitet ist.

Pflaster und Lippenstift

Statt Cremes lässt sich der Lippenherpes auch mit speziellen Pflastern oder Patches behandeln. Sie fördern durch Hydrokolloide die Wundheilung und reduzieren die Krustenbildung. Dabei sind sie auch ohne Wirkstoff etwa ebenso effektiv wie virostatische Cremes. Die Pflaster haben durchaus Vorteile: Sie schützen vor Infektionen und Weiterverbreitung der Viren. Außerdem lassen sie sich gut überschminken, d.h. das Fieberbläschen fällt weniger stark auf. Die Patches sollen 24 h auf der Läsion verbleiben. Beim Austausch lösen sich die Krusten mit ab – was allerdings recht schmerzhaft sein kann.

Ein weiteres Therapieprinzip ist Hitze. HSV sind wärmeempfindlich und lassen sich deshalb mit speziellen elektrischen Lippenstiften bekämpfen. Ab dem ersten Kribbeln soll man das Gerät stündlich für drei Sekunden auf die betroffene Stelle aufsetzen. Kribbelt es weiter, kann man die Behandlung nach zwei Minuten insgesamt fünf Mal pro Stunde wiederholen. Offene Bläschen oder verletzte Haut dürfen damit allerdings nicht behandelt werden. Außerdem muss die Haut frei von Cremes und trocken sein. Um eine Virenübertragung zu vermeiden, sollte der elektrische Stift nur von einer Person verwendet werden.

Tipp: Für ihre Vermehrung brauchen Herpesviren die Aminosäure L-Arginin. Nimmt man deren Gegenspieler L-Lysin ein, kann das die Abheilung unterstützen. L-Lysin ist in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln (Kapseln oder Kautabletten) enthalten.

Allgemeine Maßnahmen verhindern die Ansteckung

Egal wie man seinen Lippenherpes behandelt: Auf jeden Fall sollte man dafür sorgen, dass man andere nicht infiziert. Denn die Flüssigkeit in den Bläschen ist prall gefüllt mit Viren. Hygiene ist bei einem akuten Lippenherpes deshalb oberstes Gebot. Das bedeutet:

  • Hände regelmäßig waschen und desinfizieren.
  • Bläschen nicht berühren oder öffnen. Cremes und Gele am besten mit einem Wattestäbchen auftragen.
  • Körperkontakt mit Kindern und Schwangeren meiden.
  • Läsionen mit einem Herpespatch oder Pflaster abdecken.
  • Als Kontaktlinsenträger mit aktivem Lippenherpes lieber eine Brille tragen, um die Viren nicht in die Augen zu verschleppen.
  • Nach dem Abheilen Zahnbürsten austauschen.

In manchen Fällen kann man dem wiederkehrenden Lippenherpes vorbeugen. Dazu muss man allerdings die Faktoren kennen, die das Aufblühen triggern. Ist Sonne der Auslöser, hilft Sonnenschutz – vor allem ein Lippenstift mit hohem Lichtschutzfaktor. Auch Kälte und trockene Luft kann HSV aufwecken. Deshalb sollte man im Winter die Lippen gut pflegen und draußen mit einem Schal oder Rollkragen vor eisigen Temperaturen schützen. Bei stressbedingtem Herpes können Entspannungstherapien zu einer besseren Stresskontrolle führen. Infektionen vermeidet man, indem man die empfohlenen Impfungen wahrnimmt und vor allem in der Erkältungszeit die Gebote der Hygiene beachtet.

Tipp: Wenn der Lippenherpes regelmäßig aufblüht, sollte man darüber Buch führen. Dadurch lassen sich die triggernden Faktoren leichter herausfinden.

Virostatika innerlich

In manchen Fällen müssen virostatische Medikamente auch innerlich eingesetzt werden. Dass ist z.B. der Fall, wenn schwere Verläufe drohen – wie bei Patient*innen mit Immunerkrankungen oder bei Neugeborenen. Meist verabreichen die Ärzt*innen den Wirkstoff dann über die Vene. Vor Zahnoperationen oder Schönheitsoperationen im Gesicht empfehlen Ärzt*innen oft die Einnahme von Aciclovir-Tabletten, um das Aufblühen von Läsionen zu verhindern. Bei immungeschwächten Menschen, die häufig Rezidive erleiden, wird zur Vorbeugung manchmal auch zu einer Langzeittherapie mit Valaciclovir oder Aciclovir in Tablettenform geraten.

Quelle: DAZ 2023, 26: 30

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / BSIP / Chassenet