Gesundheit heute

Anthroposophische Medizin

Die anthroposophische Medizin geht auf den Philosophen Rudolph Steiner (1861–1925) zurück. Mit der Anthroposophie (Menschenweisheit) begründete er ein umfassendes Menschenbild, mit dem er auch in vielen anderen Lebensbereichen nachhaltige Anregungen gab, z. B. in der Landwirtschaft (biologisch-dynamische Landwirtschaft) und der Pädagogik (Waldorf-Pädagogik). Steiner benannte in seiner Anthroposophie vier Wesensglieder im Menschen:

  • Der „physische Leib᾿ ist der sichtbare Körper.
  • Der „Ätherleib“ ist die Summe der den Körper belebenden Lebenskräfte.
  • Der „Astralleib᾿ ermöglicht Empfindungen und Bewusstsein.
  • Das „Ich᾿ ist das Zentrum der Persönlichkeit.

Das Zusammenwirken der vier Wesensglieder bestimmt nach anthroposophischer Auffassung, ob ein Mensch krank ist oder gesund. Stehen alle vier Kräfte in Harmonie zueinander, ist der Mensch gesund. Wenn der Einfluss eines der vier Wesensglieder stark überwiegt, gerät das gesamte System aus dem Gleichgewicht. Herrscht z. B. über lange Zeit der Ätherleib vor, so kann Krebs entstehen. Krankheit ist nach anthroposophischer Auffassung also stets auch ein seelisch-geistiges Problem.

In der anthroposophischen Medizin wird Krankheit als eine Entwicklungschance für Körper, Seele und Geist gesehen. Durch die Überwindung der Krankheit kann der Mensch zu neuen Kräften und Fähigkeiten gelangen.

Die anthroposophische Medizin wird ausschließlich von Ärzten praktiziert, die sich zusätzlich zu ihrer medizinischen Ausbildung auch in der Geisteswissenschaft Rudolph Steiners weitergebildet haben. Anthroposophische Medikamente können jedoch auch von Heilpraktikern verordnet werden.

Durchführung. Das Ziel der Behandlung einer Krankheit besteht darin, die grundlegenden Kräfte der „Wesensglieder“ harmonisch auszubalancieren. Dafür stehen der anthroposophischen Medizin nicht nur Medikamente, sondern auch Ernährungsverfahren (basierend auf der biologisch-dynamischen Anbauweise) sowie kreative künstlerische Therapieformen zur Verfügung, wie etwa die Heileurythmie, die Bewegungsabläufe, Gebärden, Worte und Laute verbindet.

Die anthroposophische Medizin sieht sich nicht als Gegensatz zur konventionellen Medizin, sondern versucht, diese in Richtung anderer Geistesebenen zu erweitern. Sie stützt sich dabei auf Medikamente pflanzlicher, tierischer und mineralischer bzw. metallischer Herkunft. Durch diese sollen die aus dem Gleichgewicht geratenen Wesensglieder unterstützt und ausbalanciert werden. Die Medikamente gehen teilweise auf die Homöopathie Hahnemanns zurück, wurden von der anthroposophischen Medizin aber weiterentwickelt. Teilweise sehr komplexe Aufbereitungs- und Transformationsverfahren sollen sicherstellen, dass die zur Heilung notwendigen homöopathischen Substanzen ihre Dynamik im Menschen entfalten können bzw. in ihrer Wirksamkeit den menschlichen Organen angepasst sind. Ein solches Transformationsverfahren ist etwa die Vegetabilisierung (Verpflanzlichung) von Metallen, bei der bestimmte Heilpflanzen mit Metallen gedüngt und später kompostiert werden. Über die Pflanzenwirkung soll das Metall im Körper an dasjenige Organ gelenkt werden, zu dem die Pflanze eine natürliche Beziehung hat.

Wirkungsweise. Nach anthroposophischer Auffassung wirken Heilmittel nicht nur durch ihre Inhaltsstoffe, sondern auch durch ihre Wesenskraft und Dynamik, die mit dem Medikament auf den Menschen übertragen wird. So kann z. B. eine Pflanze wie die Brennnessel, die Eisen sehr gut aufnehmen kann, dem Körper bei Eisenmangel den Impuls geben, Eisen aufzunehmen. Die entzündungshemmende Wirkung des Weidenrindenextraktes wird dadurch erklärt, dass die Weide an feuchten Standorten wächst und durch ihre wassertransportierende Kraft Entzündungen sozusagen auslöschen kann. Eine krebshemmende Wirkung wird der Mistel zugesprochen, weil sie nicht in der Erde wurzelt, im Winter blüht und damit den natürlichen Wachstumsprinzipien widerspricht.

Einsatzbereiche. Praktisch alle Erkrankungsformen werden im Rahmen der anthroposophischen Medizin behandelt, in der Regel begleitend zu schulmedizinischen Ansätzen.

Bewertung. Die anthroposophische Medizin ist bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden, verlässliche Aussagen zur spezifischen Wirksamkeit sind damit nicht möglich. Eine Ausnahme bildet der im Rahmen der Krebsbehandlung eingesetzte Mistelextrakt, hier sind die Studienergebnisse allerdings so uneinheitlich, dass eine abschließende Bewertung nicht möglich ist (multimodale Behandlungskonzepte von Krebs).

Weiterführende Informationen

  • www.damid.de – Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland, Berlin: Informative und übersichtliche Internetseite zu anthroposophischen Therapien, Arzneimitteln, Forschung, Pflege und Kostenübernahme. Mit kostenlosem Infomaterial zum Herunterladen.
  • www.anthroposophische-aerzte.de – Internetseite der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland: Mit Informationen zur anthroposophischen Medizin, Links und Hinweisen auf aktuelle Tagungen.

Weiterlesen: Die verschiedenen Heilverfahren in Listenform

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Akupressur bei Regelschmerzen

Selbstakupressur per App

Hilft Akupressur Frauen, die unter Regelschmerzen leiden? Und ist eine Smartphone-App mit Anleitung zur Selbsthilfe ein attraktiver Ansatz für Betroffene? Diesen Fragen ist ein Forscherteam der Charité Berlin nachgegangen.

Weniger Schmerzen nach Akupressur

Viele Frauen leiden jeden Monat an Schmerzen während der Periode. Krämpfe im Unterbauch, Kopf- und Rückenschmerzen zählen zu den Hauptbeschwerden.
Das Forscherteam wollte herausfinden, ob sich die Beschwerden bei jungen Frauen mit starken Regelschmerzen durch die Selbstakupressur nachhaltiger reduzieren lassen als durch Einnahme von Schmerztabletten oder durch hormonelle Kontrazeptiva. Akupressur ist ein Verfahren aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, das die Frauen selbst zu Hause durchführen können. Dabei drücken oder massieren sie bestimmte Punkte am Körper.
Die Forscher teilten die Teilnehmerinnen in zwei Studiengruppen ein: Beide Gruppen erhielten eine Studien-App zur Erhebung relevanter Daten. Nur die Interventionsgruppe bekam eine App-Version, die zur Selbstakupressur kurz vor und während der Menstruation anleitete.

Jede dritte Frau, die auf der App die Punkte für eine Selbstakupressur in Form von Bildern sah, erreichte nach drei Monaten eine fünfzigprozentige Schmerzminderung. Nach einem halben Jahr beschrieben mehr als die Hälfte der Frauen eine Schmerzminderung. In der Kontrollgruppe waren es zu beiden Zeitpunkten nur rund jede vierte Teilnehmerin. Außerdem benötigte die Akupressurgruppe weniger Schmerztabletten als die Frauen in der Kontrollgruppe.

Kombination aus Traditioneller Chinesischer Medizin und neuester Technik

Die Forscher sind überzeugt, dass die App den Frauen geholfen hat, eine einfache Selbstakupressur von drei Akupunkturpunkten durchzuführen und ihre Regelschmerzen deutlich zu reduzieren.

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin

Weiterführende Informationen: Die App Luna wurde für iOS kürzlich inhaltlich und technisch aktualisiert und ist kostenlos im App-Store erhältlich.

Von: Simone Lang