Gesundheit heute

Störungen der Sexualpräferenz

Pädophilie (Pädosexualität)

Pädophilie bezeichnet das primäre sexuelle Interesse an Kindern, die noch nicht die Pubertät erreicht haben. Sie gilt als psychische Störung, sofern dieses Interesse dauerhaft besteht und die Betroffenen darunter leiden, oder wenn die Person reale Sexualkontakte mit Kindern anstrebt und auslebt. Betroffen sind fast nur Männer. Weil der aus dem Griechischen entlehnte Begriff Pädophilie wörtlich "Liebe zu Kindern" heißt, wird er von vielen Menschen als verharmlosend und falsch abgelehnt. Der alternative Begriff „Pädosexualität“ hat sich aber bisher noch nicht durchgesetzt.

Körperliche Gewalt wird von Pädophilen nur selten ausgeübt, in der Regel aber psychischer Druck in Form von Drohungen und Gefügigmachung. Die aus dieser psychischen und sexualisierten Gewalt resultierenden Traumatisierungen sind schwer und bestehen oft ein Leben lang.

Pädophilie an sich ist nicht strafbar, wohl aber pädophile Beziehungen und Handlungen. Der Grad der Strafbarkeit hängt vom Alter der Opfer, Art und Häufigkeit der Kontakte und sexuellen Handlungen und vom Altersunterschied zwischen Pädophilem und Kind ab – unterschreitet dieser beispielsweise 5 Jahre, besteht oft keine strafbare Handlung. Entscheidend für die Einstufung der Pädophilie als schwere, behandlungsbedürftige psychische Störung sind drei Faktoren:
•    Die extrem ungleiche Objektkonstellation zwischen Erwachsenem und Kind. Diese schließt eine „Wahlfreiheit“ seitens des Kindes für oder gegen eine pädosexuelle Beziehung aus.
•    Die hohe Schädlichkeit pädosexueller Beziehungen und Handlungen für betroffene Kinder.
•    Die hohe Rückfallquote von straffällig gewordenen Pädophilen. Diese ist mit bis zu 50 % doppelt so hoch wie bei sonstigen Sexualstraftäter*innen. Das heißt: Obwohl sich Pädophile in der Regel der juristischen und moralischen Problematik ihrer sexuellen Neigung bewusst sind, sind Rückfälle sehr häufig.

Behandlungsansätze haben primär das Ziel, (erneute) sexuelle Handlungen an Kindern zu verhindern. Sie umfassen Einzel- und Gruppentherapien zur Stärkung der Impulskontrolle sowie die Gabe von Sexualhormon-Antagonisten und anderen Medikamenten zur Hemmung des Sexualtriebs. Allerdings: die Mehrzahl der Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs geht nicht von Pädophilen aus. Zahlreiche Studien belegen dies, zum Beispiel die wissenschaftlich aufgearbeiteten „institutionellen“ Missbrauchsfälle in geschlossenen Erziehungseinrichtungen oder kirchlichen Institutionen. Dort betrug der Anteil der Pädophilen bei den Kindesmissbrauchs-Täter*innen nur zwischen 2 und 20 Prozent.

Voyeurismus

Als Voyeurismus wird das zwanghafte Bedürfnis bezeichnet, andere Menschen heimlich beim An- oder Auskleiden, Duschen oder bei sexueller Aktivität zu beobachten. Betroffene empfinden ihre Beobachtungen als erregend.
Voyeurismus an sich ist nicht strafbar. Fotografiert der Voyeur seine "Opfer" und gibt die Aufnahmen an Dritte weiter oder stellt sie ins Internet, macht er sich strafbar wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen".

Exhibitionismus

Exhibitionisten leiden unter dem zwanghaften sexuellen Verlangen, ihre Geschlechtsteile öffentlich anderen Personen zu zeigen oder in deren Gegenwart sexuelle Handlungen vorzunehmen. In der Regel nähern sich Exhibitionisten ihren Opfern nicht.
Exhibitionistische Handlungen sind strafbar mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis.

Fetischismus

Beim Fetischismus lösen unbelebte Objekte sexuelle Erregung aus. Oft handelt es sich dabei um Dinge, die dem begehrten Geschlecht zugeordnet werden, z. B. Schuhe, Unterwäsche oder Kleider. Im weiteren Sinne zählen auch Körperteile dazu, z. B. Füße.
Fetischismus ist nicht strafbar und gilt im neuen ICD-11, der weltweiten Klassifikation der Krankheiten, auch nicht mehr als Krankheit.

Sadismus, Masochismus und Sadomasochismus

Als Sadist*in gilt, wer (sexuelle) Lust empfindet, wenn anderen Menschen Schmerzen zugefügt wird, sie unterdrückt, gefesselt oder sonstwie gedemütigt werden. Sadistisches Verhalten kann einvernehmlich erfolgen oder durch Gewalt erzwungen werden – was aus medizinischer wie aus strafrechtlicher Sicht zu unterscheiden ist.

Der Gegenspieler zum Sadismus ist der Masochismus. Betroffene empfinden es als (sexuell) lustvoll, Schmerzen oder Demütigungen zu erleiden. Steht nicht die sexuelle Erregung im Vordergrund, handelt es sich beim Masochismus um eine Persönlichkeitsstörung, die lebensgefährlich sein kann. Die psychotherapeutische Behandlung von Patient*innen mit Masochismus gilt als schwierig.

Sadomasochismus bezeichnet das Zusammenspiel von masochistischem und sadistischem Verhalten. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen einvernehmlichem und durch Gewalt erzwungenem Verhalten wesentlich. Medizinisch wird Sadomasochismus entweder als Persönlichkeitsstörung oder als Störung der Sexualpräferenz klassifiziert und behandelt.

Strafbarkeit. Sadismus, Masochismus und Sadomasochismus sind an sich nicht strafbar, wohl aber die Ausübung von Gewalt ohne Einvernehmen. Auch wenn es trotz Einwilligung zur Körperverletzung kommt, ist diese strafbar.

Verwandt mit dem Masochismus ist die Selbstverletzung (Automasochismus), bei dem sich die Betroffenen selbst am Körper verletzen. Typische Selbstverletzungen sind Ritze und Schnitte, Hautverbrennungen und Schläge, aber auch nicht-rückgängig zu machende Handlungen wie das Abtrennen von Fingern. Selbstverletzungen werden bei schweren psychischen Störungen wie dem Borderline-Syndrom und Depressionen beobachtet.

Was unterscheidet nun Selbstverletzungen vom Masochismus? Was im Einzelfall vorliegt, kann nur die sorgfältige psychiatrische Diagnostik entscheiden:

  • Selbstverletzungen sollen zwar eher als entlastend und masochistische Handlungen eher als lustvoll erlebt werden. Aber das eine schließt das andere nicht aus.
  • Das Vorhandensein oder Fehlen von sexuellem Lustgewinn bietet kein sicheres Unterscheidungsmerkmal.
  • Auch das Ausmaß der zugefügten Schädigungen hilft nicht weiter: Masochistische Handlungen können schwerste Verletzungen nach sich ziehen – zum Beispiel bleibende Hirnschäden durch würgende Fesselungen.

Von: Dr. med. David Goecker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierungen: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. med. Tobias Höflein
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Die Syphilis geht um

Syphilis wird mit Hilfe einer Blutprobe nachgewiesen.

Die Syphilis geht um

Immer mehr Infektionen

Die Syphilis ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Mit 7889 Fällen wurde 2019 ein neuer Höchstwert erreicht, meldet das Robert Koch-Institut (RKI), und die Zahlen steigen seit 2010 kontinuierlich.

Mit Kolumbus in die Alte Welt

Franzosenkrankheit, Hurenkrätze, Morbus gallicus — seit der Rückkehr von Kolumbus und seinen Mannen aus Amerika wütet die Geschlechtskrankheit Syphilis unter mehr als 200 klangvollen Namen in Europa. Inzwischen ist sie weltweit unterwegs, die WHO schätzt die Anzahl der Neuerkrankungen auf etwa 12 Millionen Fälle jährlich. Übertragen wird die Erkrankung durch das Bakterium Treponema pallidum bei genitalem, analem oder oralem Sex. Selten infizieren auch erkrankte Mütter ihr Baby während der Geburt.

531 mehr Fälle

In Deutschland steigen laut RKI die Syphilis-Zahlen seit 2010, im Jahr 2019 wurden mit 7889 Fällen 531 mehr gemeldet als im Vorjahr. Damit beträgt die bundesweite Inzidenz 9,5 Fälle/100 000 Einwohner. Vor allem in Berlin (39,7 Fälle/100 000) und Hamburg (24,5/100 0000) macht sich die Syphilis breit, wobei diese Ballungsräume in puncto Syphilis schon immer auf hohem Niveau lagen. Am seltensten findet man die Syphilis in Brandenburg und Vorpommern (4,1 und 4,3/100 000).

Bemerkenswert sind auch die Zuwachszahlen einiger Städte: In Dresden stieg die Anzahl der gemeldeten Syphilisfälle pro 100 000 Einwohner um 89,9%, in Bochum um 64%, in Leipzig um 44,4%, und in Köln um 35,4%.

Fast reine Männersache

Die Syphilis ist in Deutschland immer noch fast reine Männersache: Frauen sind mit knapp 6% der gemeldeten Fälle weiterhin nur zu einem Bruchteil betroffen. Bei über 70 % der gemeldeten Patient*innen ließ sich das Herkunftsland eruieren: Der Löwenanteil war mit 80,7 % deutscher Herkunft. Italienischer, rumänischer und polnischer Herkunft waren je etwa 1% der Patient*innen, brasilianischer 1,6 und türkischer Herkunft 1,3%.

Mit Abstand der häufigste Infektionsweg der Syphilis ist heutzutage der Sex von Männern mit Männern, knapp 86% der Fälle waren darauf zurückzuführen. Die heterosexuelle Übertragung schlug mit 14% zu Buche, in 3 Fällen wurde der Erreger von einer infizierten Mutter auf ihr Neugeborenes weitergegeben. In den Fällen, in denen das RKI Informationen zum Eintrittsort der Infektion hatten, saßen 70% der Syphilisgeschwüre am Genital, 16% anal und bei 14% der Patient*innen im Mund.

Bei Frauen später erkannt

Je früher die Syphilis erkannt und antibiotisch behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Hier lagen MSM (Männern die mit Männern Sex haben) mit gleichzeitiger HIV-Infektion vorn: Bei ihnen wurden die Syphilis in 72,7% der Fälle innerhalb von zwei Monaten nach Infektion erkannt (bei MSM ohne HIV und heterosexuellen Männern waren dies 67,3% respektive 57,8%).

Bei Frauen liegen die ersten Geschwüre häufig versteckt in der Scheide. Das spiegelt sich auch im Zeitpunkt der Diagnose wider: 2019 erhielten nur 43,3% ihre Diagnose in den ersten zwei Monaten nach Infektion und fast 20% erst nach einem Jahr.

Quelle: RKI Epidemiologisches Bulletin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Jarun Ontokrai/Shutterstock.com