Gesundheit heute

Schmerztherapie in der Palliativmedizin

Schmerztherapie in der Palliativmedizin
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Neben der richtigen Kommunikation, der Gesprächsbereitschaft und der persönlichen Betreuung spielen Schmerztherapie und Symptomkontrolle eine Schlüsselrolle in der Palliativmedizin. Letztere bedeutet, nicht nur den Schmerz, sondern auch die übrigen Beschwerden medikamentös in den Griff zu bekommen. Eine gute Behandlung von Schmerzen und darin eingebettet eine wirksame Symptomkontrolle sollen die letzte Lebensphase erträglich und lebenswert machen.

Schmerztherapie

Schmerztherapie erfordert sehr viel Geduld – von Arzt, Patient und Angehörigen, denn Schmerz ist nicht nur eine körperliche Empfindung; er hat auch viele psychische Komponenten, die „mittherapiert“ werden müssen.

Die Schmerztherapie muss rechtzeitig einsetzen, denn Schmerzen führen beim Betroffenen dazu, dass seine Gedanken immer mehr um seine Schmerzen und seine Schmerzwahrnehmung kreisen. „Schmerzdurchbrüche“ müssen vermieden werden, Ziel ist die durchgängige Schmerzfreiheit!

Längst nicht alle Ärzte sind darauf spezialisiert, eine gezielte, individuelle Schmerztherapie durchzuführen. Bei Bedarf stehen daher besonders ausgebildete Palliativmediziner oder ambulante Schmerztherapeuten unterstützend zur Verfügung. Die medikamentöse Schmerztherapie kann durch intelligente Techniken wie Schmerzpumpen, gezielte Ausschaltung einzelner Nerven durch operative Eingriffe, aber auch durch komplementärmedizinische Behandlungsverfahren ergänzt werden. Palliativmedizinische Schmerzpatienten erhalten in der Regel Opioide (Opiumabkömmlinge), wie beispielsweise Morphium.

Aus Furcht vor Nebenwirkungen wurden früher Morphium und alle anderen Opioide nur sehr zurückhaltend verabreicht. Doch auch Nicht-Opioide wie z. B. Antirheumatika (NSAR) haben Nebenwirkungen, insbesondere drohen Magengeschwüre und Blutungen, die besonders ältere Patienten betreffen. Opioide sind, richtig angewendet, dagegen vergleichsweise gut verträgliche Medikamente. Sie gehören deshalb zum Standard in der palliativen Schmerztherapie. Ein Teil der Schmerzpatienten erhält Opioide nicht (nur) wegen der Schmerzen, sondern auch wegen der Atemnot, die z. B. bei schwerster Herzinsuffizienz oder bei Lungenkrebs im Vordergrund steht.

Erschwert wird die gezielte Schmerztherapie oft dadurch, dass viele Hochbetagte ihre Schmerzen nicht mehr klar mitteilen können, weil sie zu schwach, zu müde, sprachlos oder verwirrt sind. Es ist daher wichtig, dass alle Betreuenden auf indirekte Schmerzzeichen achten, wie ein angespanntes Gesicht, eine verkrampfte Haltung, Unruhe, ständiges Läuten, Verwirrtheit oder auch Schlaflosigkeit.

Medikamentöse Grundregeln. Die orale Verabreichung von Schmerzmitteln ist die gängigste Methode. Bei der Behandlung mit Schmerzmitteln sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

  • Durch den Mund: Eine orale Medikamentengabe oder Schmerzpflaster sind invasiven Verfahren (Spritzen) vorzuziehen.
  • Nach der Uhr: Zur dauerhaften Besserung der Beschwerden sollten die Schmerzmittel zu festen Zeiten eingenommen werden. Dadurch wird gewährleistet, dass die nächste Einnahme vor dem Wirkungsverlust der vorherigen Gabe erfolgt. Dieses Prinzip soll die Furcht und ständige Erinnerung an Schmerzen verhindern
  • Auf den Patienten abgestimmt: Jeder Patient hat einen unterschiedlichen Stoffwechsel; u. U. besteht gleichzeitig eine Nieren- oder Leberschwäche. Daher muss bei jedem Patienten die angemessene Dosis gefunden werden. Im Verlauf der Behandlung muss diese regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls angepasst werden. So wird ein möglichst großer Nutzen bei möglichst geringen Nebenwirkungen erreicht.
  • Vorbeugen und Behandeln von Nebenwirkungen wie Verstopfung und Übelkeit. Auch andere Nebenwirkungen wie beispielsweise Müdigkeit sollten beachtet werden, wenn sie den Alltag des Betroffenen stören.
  • Stufenschema: Die Schmerztherapie sollte dem WHO-Stufenschema folgen und entsprechend ergänzt bzw. intensiviert werden.

Zur Anpassung oder Intensivierung einer Schmerzbehandlung ist die Führung eines Schmerztagebuchs für den Arzt hilfreich. Aus einem solchen Tagebuch geht hervor, wie oft, wie lange, wie stark und bei welcher Tätigkeit Schmerzen auftreten.

Schmerzpflaster. Bei der Anwendung von opioidhaltigen Schmerzpflastern (mit Fentanyl, z. B. in Durogesic®) müssen einige wichtige Dinge berücksichtigt werden. Nach dem ersten Aufkleben auf die Haut setzt die Wirkung nur langsam, innerhalb von 12–24 Stunden ein. In der Zwischenzeit müssen Morphinpräparate als Tabletten eingesetzt werden. Ein gleichbleibender Wirkspiegel wird ab der 24. Stunde bis zur 72. Stunde erzielt. Danach muss das Pflaster regelmäßig gewechselt werden – also jeden dritten Tag. Zur schnellen Behandlung von starken Schmerzen oder bei stark wechselnden Schmerzzuständen sind diese Pflaster ungeeignet. Schmerzspitzen können darüber hinaus mit Sevredol behandelt werden.

Beim Wechsel der Pflaster sollten bereits benutzte Hautareale für mindestens sieben Tage unbeklebt bleiben. Was auch nur wenige Patienten wissen: Bei Fieber ist die Medikamentenabgabe durch das Pflaster um 30 % erhöht. Gleiches gilt bei der Anwendung von Heizkissen oder direkter Sonneneinstrahlung.

Die kleinste Stärke des Durogesic®-Pflasters liegt bei 12 µg/h. Wem dies als Startdosis noch zu viel ist, kann sich durch einen einfachen Trick behelfen: Durch Umklappen einer Ecke des Pflasters kann die Dosis reduziert werden. Dieser Trick wird auch vom Hersteller propagiert. Allerdings muss bedacht werden, dass es starke Schwankungen in der Dosierung (bis zu 30 %) geben kann. Das Zerschneiden des Pflasters (egal welcher Stärke) ist aufgrund des speziellen Pflasteraufbaus nicht zulässig.

Eine Besonderheit in der Schmerztherapie stellen so genannte Schmerzlutscher (Actiq®) dar. Bei diesen wird Fentanyl über die Wangenschleimhaut aufgenommen. Diese Art der Schmerztherapie wird zur Behandlung von Schmerzspitzen bei Patienten mit Schluckstörungen oder häufigem Erbrechen eingesetzt.

  • Wird eine Opioidtherapie der Stufe 3 nach dem WHO-Schema notwendig, müssen Betroffene und Angehörige über Wirkungen und Nebenwirkungen der Behandlung aufgeklärt werden.
  • Bei Patienten, bei denen eine Schmerzfreiheit mit Medikamenten nachhaltig nicht zu erzielen ist, oder bei bestimmten Tumorerkrankungen (z. B. Bauchspeicheldrüsenkrebs) können spezielle Verfahren wie die Neurolyse (Zerstörung der schmerzleitenden Nervenzellen durch Injektion von Alkohol oder Phenol) oder eine Chordotomie (Durchtrennung von schmerzleitenden Bahnen auf Rückenmarksebene) zur Schmerzfreiheit verhelfen.
  • Begleitend zur medikamentösen Behandlung von Schmerzen sollten immer auch die Möglichkeiten der physikalischen Behandlung und der psychologischen Betreuung in das Gesamtkonzept eingeschlossen werden. Sehr häufig kann durch solche adjuvanten Maßnahmen die Dosis von stark wirksamen Opioiden reduziert und damit auch die Nebenwirkungen abgeschwächt werden.
  • Mit dem stufenweisen Vorgehen bei der Schmerzbehandlung von Palliativpatienten sollte es immer möglich sein, quälende Schmerzen zu beseitigen und damit die Lebensqualität von Betroffenen und deren Angehörigen zu verbessern.

Symptomkontrolle

Als häufige Nebenwirkungen treten während einer Behandlung mit Opiaten Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung auf. Eine schwere Verstopfung kann zu sehr unangenehmen und quälenden Bauchschmerzen führen. Sowohl die Verstopfung als auch Übelkeit oder Erbrechen können sehr gut vorbeugend behandelt werden.

Übelkeit und Erbrechen in der Palliativmedizin haben sehr unterschiedliche Ursachen. Vor der rein symptomatischen Behandlung sollten häufige Ursachen ausgeschlossen werden. Neben Medikamentennebenwirkungen (v. a. Opioideinnahme) stellen insbesondere schwere Verstopfungen, Darmverschlüsse oder ein erhöhter Kalziumspiegel (z. B. durch gesteigerten Knochenabbau bei Knochenmetastasen) häufige Ursachen für Übelkeit und wiederkehrendes Erbrechen dar.

Nierenversagen, Folgen einer Chemotherapie oder starke Schmerzen, aber auch Sinneseindrücke wie z. B. schlechte Gerüche oder Ekelgefühle beim Anblick von Essen, sind weitere wichtige Ursachen für Übelkeit und Erbrechen. Neben Medikamenten zur Bekämpfung der Übelkeit (Antiemetika) können auch viele nicht medikamentöse Maßnahmen helfen, z. B. regelmäßige Frischluftzufuhr in den Räumen und eine möglichst aufrechte Körperhaltung, um Druck auf den Magen zu vermeiden.

Wenn mehrmals am Tag Erbrechen auftritt, sollten Medikamente nicht mehr in Tablettenform eingenommen werden. Als Ausweichmöglichkeit bietet sich die Einspritzung unter die Haut (subkutan) an.

Verstopfung und Darmverschluss. Bewegungsmangel und Schmerzbehandlung mit Opioiden sind häufige Ursachen für eine Darmträgheit, die schlimmstenfalls zu quälender Verstopfung führen kann.

Bei problemloser Nahrungsaufnahme kann mit ballaststoffreicher Ernährung und viel Flüssigkeit eine Darmträgheit vermieden werden. Auch regelmäßige Spaziergänge tragen zum Gleichgewicht der Peristaltik bei.

Sind diese Maßnahmen nicht möglich oder zeigen keine ausreichende Wirkung, müssen Abführmittel eingenommen werden.

Ein besonderer Fall von Verstopfung liegt vor, wenn ein Darmtumor den Darm vollständig oder teilweise verlegt. Typische Anzeichen sind ein häufiger Wechsel von Verstopfung und Durchfall. Bestätigt sich der Verdacht, muss eventuell auch einem Palliativpatienten dringend zur Operation mit Anlage eines künstlichen Darmausgangs geraten werden, um ein qualvolles Sterben abzuwenden.

Medikamentöse Behandlung in der Sterbephase

In der letzten Phase des Lebens (Sterbephase) ändert sich der Behandlungsauftrag für die Ärzte. Im Vordergrund stehen nun nicht mehr diagnostische Maßnahmen, teilweise belastende Eingriffe, Punktionen oder Behandlungsmethoden. Die Forderung des Sterbenden und dessen Angehörigen sind ein würdiges Sterben ohne qualvolles Leiden.

In der letzten Phase einer tödlichen Erkrankung treten am häufigsten Schmerzen, Unruhe, Luftnot, Übelkeit/Erbrechen und Rasseln bei der Atmung durch Wasseransammlung in der Lunge auf.

Wenn möglich, sollten die Medikamente immer über den Mund gegeben werden. Geht das nicht mehr, etwa bei wiederkehrendem Erbrechen, Bewusstlosigkeit oder Schluckschwierigkeiten, kann man z. B. auf die kontinuierliche subkutane Gabe mit Hilfe einer Medikamentenpumpe ausweichen.

Von: Dipl.-Pflegew. (FH) Carmen Happe, Ruth Mamerow, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Zweitmeinung zur Hüftprothese

Das Einpflanzen einer künstlichen Hüfte und ihre Funktion werden häufig an Modellen aus Kunststoff erklärt.

Zweitmeinung zur Hüftprothese

Ab 2024 möglich

Bei ausgeprägter Arthrose wird oft das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks empfohlen. Doch viele Betroffene sind unsicher, ob das wirklich die beste Maßnahme ist. Ab 2024 gibt´s Entscheidungshilfe: Wer eine Hüftprothese bekommen soll, kann sich auf Kassenkosten eine zweite Meinung dazu einholen.

Wenn nichts anderes mehr hilft

In Deutschland werden pro Jahr etwa 240 000 künstliche Hüftgelenke (Hüftendoprothese) eingesetzt. In etwa 75% wird der Gelenkersatz aufgrund von Arthrose nötig. Empfohlen wird eine neue Hüfte nur dann, wenn alle anderen Maßnahmen zur Behandlung der Arthrose ausgeschöpft sind. Dazu gehören schmerz- und entzündungshemmende Medikamente, Krankengymnastik, Physiotherapie und die Anpassung der Belastung.

Es ist nicht ganz einfach, bei einer Hüftgelenksarthrose den besten Zeitpunkt für das Einsetzen einer Endoprothese zu finden. Operiert man zu spät, kann das Ergebnis darunter leiden. Z.B. wenn das Gelenk schon zu eingesteift war, um durch die Prothese die volle Bewegung zurückzuerlangen. Oder wenn sich das Schmerzgedächtnis nicht „löschen“ lässt, Schmerzen also trotz reibungslos funktionierender neuer Hüfte weiter bestehen bleiben. In seltenen Fällen ist vielleicht auch der Gelenkersatz gar nicht die richtige Entscheidung für die Betroffene.

Anspruch auf eine qualifizierte zweite Meinung

Auch wenn die behandelnde Ärzt*in nach bestem Wissen und Gewissen zum Hüftersatz rät – oft bleibt bei den Betroffenen eine gewisse Unsicherheit zurück. Da hilft eine neue Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GbA). Danach haben gesetzlich Krankenversicherte in Zukunft das Recht, sich eine zweite Meinung einzuholen, wenn ihnen ein Hüftgelenksersatz oder der Austausch ihrer Hüftprothese empfohlen wird. Die Kosten dafür übernimmt die Krankenkasse.

Ärzt*innen für die Zweitmeinung findet man im Netz

Die Zweitmeinung gibt es von speziell qualifizierte Fachärzt*innen, im Fall der Hüftgelenksprothese z.B. aus dem Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie. Sie beraten die Patient*innen darüber, ob der geplante Eingriff medizinisch notwendig ist und ob es eventuell doch Behandlungsalternativen gibt.

Zweitmeinungsberechtigte Ärzt*innen findet man im Internet unter www.116117.de/zweitmeinung. Auch die Krankenkassen beraten darüber, wer in der Nähe eine Zweitmeinung abgeben darf. Zu welchem der ermächtigten Fachleute man schließlich geht, entscheidet die Betroffene dann selbst.

Quellen: GbA, Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Cavan Images / R.Maghdessian