Gesundheit heute

Das Potenzial der Anti-Aging-Medizin

Die Anti-Aging-Welle hat ein unschätzbares Potenzial: Sie kann noch nicht erkrankte Menschen dazu bringen, ihr Leben unter gesundheitlichen Gesichtspunkten auf den Prüfstand zu stellen – und das ist Gold wert. Denn nach wissenschaftlichem Ermessen beruht gesundes Altern auf denselben Prinzipien wie gesundes Leben allgemein. Damit ist – seriös betrachtet – Anti-Aging-Medizin vor allem eines: die Fortführung von Präventivmedizin und Gesundheitsförderung im Alter. Im Gegensatz zu dem Weg zum Jungbrunnen ist der Weg zur Vorbeugung von Erkrankungen recht gut ausgeleuchtet, und wer ihn geht, kann sich auch das erhoffen: dass ihm sein Einsatz hilft, nicht nur Jahre zu seinem Leben hinzuzufügen, sondern auch Leben zu seinen Jahren.

Leider tendieren viele Anti-Aging-Mediziner dazu, den Therapieempfehlungen aus ihrem eigenen Fachgebiet überproportionalen Raum zu geben. Ein Gynäkologe wird häufig den Nutzen der Hormonersatztherapie betonen, vielleicht auch eine Bruststraffung empfehlen, weniger häufig jedoch eine effektive Raucherentwöhnung nahelegen. So geht in der spezialisierten Praxis leicht der ganzheitliche Ansatz der Anti-Aging-Medizin verloren.

Auch dieser Hinweis ist angebracht: Selbst wenn es einige selbstkritische und vernünftige Anti-Aging-Ärzte gibt, neigt das Gros der Anbieter dazu, Methoden zu empfehlen, die gleichzeitig als IGeL-Leistungen wirtschaftlich attraktiv sind. Kostenlose, aber nachgewiesenermaßen effektive Ratschläge geraten da rasch ins Hintertreffen, wie etwa die zu einer gesünderen Ernährung, mehr Bewegung oder zu einem aktiveren sozialen Leben.

Von: Dr. med. Georg Betz, Dr. med. Herbert Renz-Polster, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Hormonersatztherapie mit Folgen

Nächtliche Hitzewallungen können den Schlaf erheblich stören.

Hormonersatztherapie mit Folgen

Risiko für Depressionen steigt

Für manche Frauen sind die Wechseljahre eine echte Quälerei. Sind Hitzewallungen und Schlafstörungen nicht mehr auszuhalten, kann die Einnahme von Hormonen helfen. Doch dabei drohen Nebenwirkungen, und nach neuen Erkenntnissen auch Depressionen.

Hormonersatztherapie mit Vor- und Nachteilen

Mit dem Alter sinkt bei Frauen die Produktion von weiblichen Geschlechtshormonen. In diesem Zuge kommt es zu individuell unterschiedlich starken Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen. Denen kann mit der Gabe künstlicher Hormone, einer sog. Hormonersatztherapie (HRT), entgegengewirkt werden.

Doch die HRT ist durchaus umstritten, denn zusätzlich zu den positiven Effekten drohen unerwünschte Nebenwirkungen. Diskutiert wird beispielsweise, ob die Hormongabe das Risiko von Brustkrebs erhöht. Auch die Gefahr von Schlaganfall, Thrombosen und Herzinfarkt soll steigen – vor allem, wenn weitere Risikofaktoren wie z.B. Übergewicht vorliegen. Nun kommen Hinweise dazu, dass auch die Psyche von der künstlichen Hormoneinnahme negativ beeinflusst wird.

Vor allem im ersten Behandlungsjahr mehr Depressionen

Zu diesem Ergebnis kamen dänische Forscher*innen bei der Auswertung der Daten von mehr als 800000 über 45-jährigen Frauen. Diejenigen, die Hormone gegen Wechseljahrsbeschwerden einnahmen, entwickelten häufiger Depressionen als Frauen, die ohne Hormontabletten oder -pflaster auskamen. Besonders stark erhöht war das Risiko im ersten Jahren nach Therapiebeginn, und zwar sowohl bei der Einnahme von ausschließlich Östrogenen als auch bei der Kombination von Östrogen und Progestin.

Als Ovulum oder Creme ungefährlich

Ganz anders sah das bei den Frauen aus, die ihre Wechseljahrsbeschwerden wie trockene Scheide oder Harninkontinenz lokal mit Zäpfchen, Ovula oder Cremes behandelten. Bei ihnen war die Hormongabe nicht mit Depressionen assoziiert. Im Gegenteil: Hatten sie damit jenseits des 54. Lebensjahres angefangen, reduzierte sich ihr Risiko für Depressionen sogar.

Quelle: Ärzteblatt, JAMA

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: fizkes/shutterstock.com