Gesundheit heute

Was sind funktionelle Nahrungsbestandteile?

Neben Vitaminen und Mineralstoffen sind in den vergangenen Jahrzehnten viele weitere Stoffe in der Nahrung bekannt geworden, deren Zufuhr zwar nicht lebensnotwendig ist, die aber dennoch unsere Gesundheit unterstützen. Sie werden als funktionelle Nahrungsbestandteile, nicht nutritive Nahrungsstoffe oder bioaktive Nahrungsstoffe bezeichnet.

  • Faserstoffe: Diese löslichen und unlöslichen Ballaststoffe haben weitreichende Wirkungen auf die Verdauung, den Stoffwechsel, die Blutgerinnung und das Immunsystem.
  • Probiotika: Mit der Nahrung werden auch Keime aufgenommen, die sich im Dickdarm ansiedeln und dort als Teil der Darmflora gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten. So ist reifes Obst von Milchsäurebakterien besiedelt, und selbst wenn man einen angebissenen Apfel nur kurze Zeit ruhen lässt, machen sich darauf bald Milchsäurebakterien breit. Alle fermentierten Nahrungsmittel wie Joghurt oder Sauerkraut enthalten große Mengen probiotischer Keime.
  • Sekundäre Pflanzenstoffe: Dies sind schätzungsweise 25 000 Stoffe, die in Pflanzen zusätzlich zu ihren primären Bestandteilen (Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralien) vorkommen. Diese teilweise auch als Phytamine bezeichneten Bestandteile dienen der Pflanze zur Abwehr von Fressfeinden (etwa Bitterstoffe), locken Insekten oder Tiere an, welche dann die Samen der Pflanzen weitertragen, steuern das Wachstum oder dienen als Schutzstoffe gegen UV-Strahlung. Nur ein kleiner Teil der sekundären Pflanzenstoffe ist für Menschen überhaupt wahrnehmbar – als Aroma-, Geschmacks-, Farb- oder Bitterstoffe. Man schätzt, dass der Mensch mit einer gemischten Kost täglich etwa 1,5 g sekundäre Pflanzenstoffe zu sich nimmt.

Auch in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs sind funktionelle Nahrungsbestandteile zu finden, wie etwa konjugierte Linolsäure oder Ubiquinone, wie das aggressiv vermarktete, in Vergleichsstudien aber enttäuschende Coenzym Q10. Daneben werden auch manche Fettsäuren, wie etwa die Omega-3-Fettsäuren zu den funktionellen Nahrungsbestandteilen gerechnet.

Für viele funktionelle Nahrungsbestandteile konnten positive Wirkungen in wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen werden. Allerdings beschränken sich diese „Wirknachweise“ auf Experimente an Versuchstieren oder sie wurden aus vergleichenden Beobachtungen (Kohortenstudien) abgeleitet. Gerade die sind aber oft nicht geeignet, um ursächliche Zusammenhänge zwischen Einnahme und Wirkung wirklich zu beweisen. Die möglichen Wirkungen im Einzelnen:

  • Wirkung gegen Entzündungen. Hier sind vor allem die Omega-3-Fettsäuren zu nennen, die insbesondere dann Entzündungsprozesse hemmen können, wenn sie in einem günstigen Verhältnis zu den Omega-6-Fettsäuren vorliegen. 
  • Unterstützung des Immunsystems. Von löslichen Faserstoffen könnte eine gesundheitsfördernde Wirkung ausgehen, da sie die Darmflora stärken. Darüber hinaus wirken viele sekundäre Pflanzenstoffe auf die Immunzellen, wobei allerdings unklar ist, ob dies auch mit einer messbaren Stärkung des Immunsystems insgesamt verbunden ist.
  • Wirkung gegen Krebs. Viele funktionelle Nahrungsbestandteile wie die Karotinoide sowie die Flavone wirken antioxidativ und könnten dadurch Zellschädigungen verhindern. Pflanzliche Faserstoffe beeinflussen zudem, wie lange der Darminhalt im Darm verbleibt. Durch eine faserstoffreiche Ernährung werden Giftstoffe schneller ausgeschieden – dadurch könnte sich das Darmkrebsrisiko verringern [225].
  • Unterstützung des Stoffwechsels. Viele Nahrungsbestandteile greifen direkt in den Stoffwechsel der Blutfette ein. Nachgewiesen ist, dass Pflanzensterole (z. B. das Sitosterol der Nüsse), pflanzliche Sulfide (z. B. in Knoblauch) und lösliche Faserstoffe (z. B. Psyllium oder Pektine in Früchten) das schlechte LDL-Cholesterin senken. Auch hat sich gezeigt, dass lösliche Faserstoffe die Wirkung von Insulin günstig beeinflussen und damit möglicherweise der Entstehung eines metabolischen Syndroms entgegenwirken.

Was liegt näher, als die vielen nützlichen Stoffe gezielt in Lebensmitteln anzureichern? Aus dem altbackenen Essen wird dann Functional Food. Während Nahrungsergänzungsmittel schon unsere Vorfahren begeisterten, erobern mit funktionellen Bestandteilen angereicherte Lebensmittel seit Mitte der 1990er-Jahre die Regale der Lebensmittelläden. Eine wahre Goldgrube für die Lebensmittelindustrie, die in diesem Grenzbereich zwischen Lebensmitteln und Medikamenten weltweit inzwischen mehr als 60 Milliarden Euro jährlich umsetzt. Die Gewinnspannen sind enorm. Mit einer kleinen funktionellen Anreicherung lässt sich leicht ein bis zu 6-fach höherer Preis fordern als mit dem herkömmlichen Produkt.

Wie wirksam sind funktionelle Nahrungsbestandteile?

Es gibt nichts, was es nicht gibt. Von Haifischknorpelprodukten über die Vormilch von Kühen bis zu Produkten aus Regenwürmern. Im Gegensatz zu Arzneimitteln braucht diese Art von Produkten keine Marktzulassung. Ihre Wirkung muss deshalb bisher nicht nachgewiesen werden, denn laut Gesetz handelt es sich um Lebensmittel, auch wenn sie im Grunde wegen ihrer erhofften medizinischen Wirkung gekauft werden.

Die Frage, wie wirksam Nahrungsergänzungsmittel oder Functional Foods sind, ist in dieser allgemeinen Form nicht zu beantworten. Selbst wenn für einzelne in diesen Mitteln enthaltene Substanzen positive Wirkungen nachgewiesen sind, etwa die blutzuckersenkende Wirkung von Zimt oder die antientzündliche und arteriosklerosevorbeugende Wirkung des Knoblauchs, heißt das noch lange nicht, dass das eingenommene Präparat für die Gesundheit des Patienten eine positive Wirkung hat.

Dies mag auch daran liegen, dass viele der funktionellen Substanzen in der Natur in einem Paket vorliegen – Omega-3-Fettsäuren z. B. sind ein Teil vieler Fischöle, aber eben nur ein kleiner Teil. Und auch das Olivenöl ist eben nicht nur ein Träger für bestimmte, angeblich wunderwirkende Polyphenole, sondern ein Gemisch aus Hunderten von miteinander in Wechselwirkung stehenden Substanzen. Im echten Leben wird es zudem als Teil einer insgesamt an Antioxidanzien reichen, frisch zubereiteten und ausgewogenen Ernährung eingenommen (von dem oft dazugehörenden südländischen Lebensstil ganz zu schweigen). Wird das Paket aufgeschnürt und nur einzelne Wirkstoffe daraus entnommen, so könnte sich die Wirkung mancher Stoffe also deutlich reduzieren oder gar verflüchtigen.

Wissenschaftliche Tests zeigen, dass die meisten Nahrungsergänzungsmittel in isolierter Form keinerlei Wirkung haben, so z. B. die angeblich knorpelaufbauenden Stoffe Glukosamin und Chondroitin [226]. Auch die östrogenartig wirkenden Isoflavone aus dem Sojaprotein, die gegen Wechseljahrbeschwerden propagiert werden, erwiesen sich als nutzlos [227]. Dasselbe gilt für die angeblich wunderwirkenden Omega-3-Fettsäuren: Die Anreicherung der Nahrung mit diesen Fettsäuren scheint keine Wirkung gegen Krebs zu haben, und auch bei der Vorbeugung gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen können sie alleine nicht viel ausrichten [270]. Ebenso erwies sich die Annahme, dass alleine Ballaststoffe in der Nahrung zur Vorbeugung von Darmkrebs dienen können, als falsch [271].

Für bestimmte Nahrungsergänzungsmittel werden sogar gesundheitsschädliche Wirkungen vermutet, etwa beim Stimulans und Fatburner Ephedra-Kraut (Herzkreislauf – und psychische Schäden) oder beim Spurenelement Selen (möglicherweise erhöhtes Diabetes-Risiko) [207]. Auch die in letzter Zeit gehäuft vor allem für Sportler angepriesenen Aminosäuren oder auch Eiweißpräparate sind kritisch zu bewerten. Obwohl es richtig ist, dass essenzielle Aminosäuren (also solche Aminosäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann) Bestandteil gesunder Nahrung sind, ist eine hochdosierte Zufuhr über den Bedarf hinaus weder sinnvoll, noch lässt sich eine positive Wirkung durch Studien belegen. Dasselbe gilt für die Aminosäuren, die der Körper selbst herstellt (nicht essenzielle Aminosäuren). Wenn die Werbung für Eiweißpräparate behauptet, sie seien aus „besonders wertvollen“ Aminosäuren aufgebaut, dann verkennt das die Tatsache, dass für den biologischen Wert eines Eiweißes nicht nur die Aminosäuren maßgebend sind, sondern auch die sonstige Versorgung des Körpers mit Eiweiß. Ist sie ausreichend, werden auch die „wertvollen“ Aminosäuren einfach als Brennmaterial verbraucht. Besser – und bei Weitem billiger – als Eiweißpräparate mit wohlklingenden Namen sind Nüsse, Hülsenfrüchte und sonstige Samenfrüchte, die Aminosäuren in einem ausgewogenen Verhältnis enthalten.

Dagegen ist für einige Nahrungsergänzungsmitteln ein gesundheitlicher Vorteil erwiesen:

  • So gibt es einigermaßen verlässliche Hinweise, dass Omega-3-Fettsäuren nach einem Herzinfarkt vor einem neuen Infarkt schützen können [228].
  • Auch lässt sich der Zusatz der langkettigen Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Arachidonsäure (AA) zur Säuglingsmilch rechtfertigen – sie können tatsächlich die Hirnreifung bei frühgeborenen Säuglingen unterstützen.
  • Auch der Zusatz von Präbiotika kann Säuglingsmilchnahrung aufwerten – entsprechende Produkte senken nachweislich das Allergierisiko.
  • Es gibt zudem Hinweise, dass Phytosterine (etwa Sitosterol oben) den Cholesterinspiegel senken.
  • Probiotische Laktobazillen in Joghurts können bei Durchfallerkrankungen helfen. Ob sie darüber hinaus „die Abwehrkräfte stärken“, ist jedoch unklar.
  • Möglicherweise können auch Phytoöstrogene (schwach östrogenartig wirkende Pflanzenbestandteile, z. B. in Sojabohnen, Spinat und Brokkoli) gegenüber Lungen- und Prostatakrebs vorbeugen. Diese Vermutungen stützen sich bis jetzt nur auf Beobachtungen; eine verlässliche Bewertung steht noch aus [224].

Hinter dem Functional-Food-Boom steht das Versprechen, dass auf gesunde Ernährung nicht groß geachtet werden muss, weil man die entscheidenden Bestandteile über Vitaminmischungen und Functional Food hinzukaufen kann. Das allerdings scheint zu schön, um wahr zu sein: Bisher ist der Nutzen isolierter, chemisch-industriell erzeugter Nahrungsergänzungsbestandteile nicht erwiesen und viel zu unsicher, um eine routinemäßige Einnahme zu empfehlen.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
Zurück
So kriegt das Blut sein Fett weg

Auch regelmäßiges Sport treiben hilft dabei, die Blutfette im Zaum zu halten.

So kriegt das Blut sein Fett weg

Cholesterin und Triglyceride zu hoch

Jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat zu hohe Cholesterinwerte oder ein Zuviel an Triglyceriden im Blut. Dadurch wird eine Arteriosklerose begünstigt und es drohen Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Die Mehrzahl der Betroffenen erhält keine Behandlung. Dabei könnten eine konsequente Lebensstiländerung und Medikamente die Blutfette ins Lot bringen und viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.

Fette sind Fluch und Segen

Ohne Fette (Lipide) geht nichts im Organismus: Cholesterin spielt z.B. eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Zellmembranen, Hormonen, Gallensäuren und Vitamin D. Triglyceride dienen als Energielieferant und können als Energiereserve in Fettzellen gespeichert werden. Phospholipide wiederum tragen zur Funktion der Zellen bei.

Aufnahme, Transport, Bereitstellung und Ausscheidung der Fette werden über den Fettstoffwechsel reguliert:

  • Cholesterin stammt aus zwei Quellen: Es wird sowohl aus der Nahrung aufgenommen als auch in der Leber gebildet. Für den Transport im Blut ist es in Eiweißhüllen verpackt (Lipoproteine). Als LDL-Cholesterin gelangt es zu den Körperzellen. Als HDLkommt es zurück zur Leber.
  • Triglyceride werden in der Leber, den Fettzellen und in der Darmschleimhaut aus Glycerin und Fettsäuren zusammengesetzt. Die Fettsäuren dafür kommen aus den Nahrungsfetten. Die Lipoproteine, die Triglyceride transportieren, heißen Chylomikronen.

Wenn der Fettstoffwechsel gestört ist, kommt es zu einem Zuviel oder Zuwenig von Fetten im Blut. Die beiden wichtigsten Fettstoffwechselstörungen sind ein erhöhtes LDL-Cholesterin und erhöhte Triglyceride, beides kann auch zusammen auftreten. Als häufigste Ursachen dafür gelten eine falsche Ernährung und genetische Faktoren, also die Vererbung. Begünstigt werden hohe Blutfette zudem durch Rauchen und Bewegungsmangel. Triglyceride steigen außerdem bei hohem Alkoholkonsum an.

Es gibt auch Erkrankungen, die die Blutfette beeinflussen und Fettstoffwechselstörungen auslösen können. Dazu gehören insbesondere der Diabetes mellitus, aber auch die Unterfunktion der Schilddrüse und verschiedene Nierenerkrankungen.

Hinweis: Viele Medikamente beeinflussen die Blutfette ebenfalls. Gestagene und Androgene erhöhen z.B. das LDL-Cholesterin. Die Konzentration von Triglyceriden im Blut kann durch Kortison, die „Pille“, Betablocker und Entwässerungsmittel steigen.

Gefäßverfettung mit gefährlichen Folgen

Fettstoffwechselstörungen haben erhebliche Folgen für die Gesundheit: Befindet sich dauerhaft zuviel LDL-Cholesterin im Blut, lagert sich das Fett als Plaques in den Gefäßwänden der Arterien ab. Diese Plaques verengen die Gefäße oder verschließen sie sogar komplett - es kommt zur Arteriosklerose. Dadurch drohen nicht nur Herzinfarkt und Schlaganfall. Die verschlechterte Durchblutung der Organe begünstigt die Entwicklung vieler Erkrankungen, wie z. B. Demenz, Niereninsuffizienz, Herzschwäche und erektile Dysfunktion.

Auch hohe Triglycerid-Werte tragen zur Verfettung der Gefäße bei und fördern damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders stark wirkt sich dies in Kombination mit hohem Cholesterin und anderen Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck aus. Extrem hohe Triglycerid-Werte können zusätzlich die Bauchspeicheldrüse angreifen und die insulinbildenden Zellen zerstören, d.h. einen Diabetes auslösen.

Hinweis: Trotz dieser gefährlichen Folgekrankheiten erhalten Menschen mit Fettstoffwechselstörungen viel zu selten eine wirkungsvolle Therapie. Nur etwa jede fünfte Hochrisikopatient*in erreicht in Deutschland die gewünschten Zielwerte bei den Blutfetten (siehe unten), in den europäischen Nachbarländern sieht das nicht viel anders aus.

Zufallsbefund oder Herzinfarkt

Fettstoffwechselstörungen verlaufen in den meisten Fällen jahrelang völlig unauffällig. Die Betroffenen wissen oft gar nichts von ihren erhöhten Blutwerten. Häufig werden sie erst diagnostiziert, wenn es zu Komplikationen wie z.B. einem Herzinfarkt oder einer Bauchspeicheldrüsenentzündung gekommen ist. Bei vielen Menschen werden erhöhte Blutfette auch zufällig in Kontrolluntersuchungen entdeckt, z.B. bei Einstellungsuntersuchungen oder beim Gesundheits-Checkup.

Die wichtigste Säule der Diagnostik ist die Blutuntersuchung. Bei Gesunden bestimmt die Ärzt*in oft nur das Gesamtcholesterin. Bei erhöhtn Werten ist eine erweiterte Lipiddiagnostik (Lipidstatus) nötig. Leidet die Patient*in bereits an Arteriosklerose oder sie einer Risikogruppe an, wird meist ein kompletter Lipidstatus veranlasst. Ermittelt werden dabei Gesamtcholesterin, Triglyceride, LDL-Cholesterin und je nach Bedarf weitere Parameter wie HDL-Cholesterin, Lipoprotein A und Apolipoprotein B.

Die gemessenen Blutfette sollten in ihrem jeweiligen Normbereich liegen. Bei den Triglyceriden ist das relativ einfach, hier gilt 150 mg/dl (1,7 5 mmol/L) als Grenzwert (nüchtern gemessen). Komplizierter wird es beim LDL-Cholesterin. Dessen Zielwerte hängen stark vom individuellen Risikoprofil der Patient*in ab und werden außerdem noch kontrovers diskutiert. Meist geht man von diesen Zielwerten aus:

  • Liegen keine Risikofaktoren wie z.B. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder ein Diabetes vor, ist das Risiko gering. In diesen Fällen soll das LDL-Cholesterin unter 116 mg/dl (3,0 mmol/L) sein.
  • Bei moderatem Risiko gelten LDL-Cholesterin-Werte unter 100 mg/dl (2,6 mmol/L) als Ziel. Ein moderates Risiko haben z.B. Typ-2-Diabetiker*innen unter 50 Jahren und Menschen mit Typ-1-Diabetes unter 35 Jahren, die erst kürzer als zehn Jahre an einem Diabetes leiden.
  • Bei hohem Risiko werden LDL-Cholesterinwerte unter 70 mg/dl (1,8 mmol/L) gefordert. Ein hohes Risiko liegt vor, wenn ein Typ-2-Diabetes schon länger als zehn Jahre besteht, der Blutdruck über 180/110 mmHg liegt oder das Gesamt-Cholesterin über 310 mg/dl (8 mmol/L) und LDL-Cholesterin über 190 mg/dl (4,9 mmol/L).
  • Bei sehr hohem Risiko soll das LDL-Cholesterin unter 55 mg/dl (1,4 mmol/L) liegen. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Patient*innen mit einer bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankung (Koronare Herzkrankheit, pAVK), einem Typ-2-Diabetes mit Organschäden oder einer schweren chronischen Nierenerkrankung.

Werden erhöhte Blutfette erstmals festgestellt muss immer abgeklärt werden, ob eine Erkrankung wie z.B. eine Schilddrüsenunterfunktion dahintersteckt. Oft ergibt die genaue Erhebung der Krankengeschichte einen Hinweis darauf. Mit Labor (z.B. Blutzucker, Nierenwerte), Bildgebung und gründlicher körperlicher Untersuchung lässt sich eine mögliche Erkrankung weiter einkreisen.

Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung kann die Ärzt*in eine molekulargenetische Diagnostik veranlassen. Dadurch lassen sich bestimmte Genmutationen feststellen, die z.B. den LDL-Rezeptor betreffen. An der Behandlung ändern die Ergebnisse nichts – die Blutfette müssen genauso gesenkt werden wie bei Patient*innen ohne genetische Störung. Diese Untersuchung ist jedoch wichtig, um ebenfalls betroffene, aber noch nicht entdeckte Verwandte zu finden. Denn je früher eine angeborene Fettstoffwechselstörung erkannt und behandelt wird, desto besser kann man das Herz-Kreislauf-Risiko reduzieren.

Hinweis: Für die Bestimmung der Triglyceride muss die Patient*in nüchtern sein, es darf also 12 Stunden vor Blutabnahme nichts gegessen werden. Außerdem sollte man am Abend davor keinen Alkohol trinken, da dies die Triglyceridwerte im Blut verfälscht.

Wie gut helfen Lebensstiländerungen?

Bei erhöhten Blutfetten kann die Betroffene selbst einiges zur Besserung der Triglycerid- und Cholesterinwerte beitragen. Grundvoraussetzung ist ein gesunder Lebensstil. Das bedeutet:

  • Sich regelmäßig bewegen. Körperliche Aktivität wirkt sich sehr positiv auf den Stoffwechsel aus. Sie senkt u.a. Triglyceride und LDL-Cholesterin im Blut. Empfohlen werden Ausdauer- und Muskeltraining. Insgesamt sollte man drei bis fünf Mal pro Woche für mindestens 30 Minuten zumindest moderat Sport treiben.
  • Rauchen beenden. Rauchen erhöht nicht nur die Triglyceride, es begünstigt auch eigenständig die Arteriosklerose. Bei hohen Blutfetten sollte deshalb komplett auf Nikotin und Nikotinprodukte verzichtet werden.
  • Gewicht halten bzw. Übergewicht reduzieren. Übergewicht hat über viele Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf die Blutfette. So erhöht es z.B. sowohl die Triglyceride als auch das LDL-Cholesterin im Blut. Abnehmen kann deshalb das Lipidprofil verbessern.
  • Sich gesund ernähren. Eine ballaststoffreiche und fettmodifizierte Kost trägt zur Besserung der Blutfette bei. Empfohlen werden viel Gemüse, Rohkost, Vollkornprodukte. Zwei Mal pro Woche sollte Fisch verzehrt werden, der reich an gesunden Omega-3-Fettsäuren ist (Makrele, Hering, Lachs und Thunfisch). Nur 30% der Kalorienzufuhr sollte aus Fett stammen, insgesamt reichen etwa 60 bis 80 g Fett pro Tag aus. Zu vermeiden sind gesättigte Fettsäuren (Fleisch, Wurst, Käse), und Trans-Fettsäuren (Frittiertes, Blätterteig). Als günstig gelten dagegen Öle, vor allem Sonnenblumen-, Lein- und Walnussöl.

Hinweis: Wer zu hohe Triglyceride aufweist, sollte völlig auf Alkohol verzichten. Auch schnell abbaubare Kohlenhydrate wie Fruchtzucker und Haushaltszucker sind schädlich, weil sie den Insulinspiegel und damit die Freisetzung von Fettsäuren erhöhen.

Wie Medikamente die Blutfette bezwingen

Oft reicht ein gesunder Lebensstil nicht aus, um erhöhte Blutfette zu senken. Dann kommen Medikamente ins Spiel. Um LDL-Cholesterin und/oder Triglyceride in den gewünschten Zielbereich zu bringen, müssen die Wirkstoffe regelmäßig und meist lebenslang eingenommen werden. Zur Senkung von LDL-Cholesterin stehen folgende Medikamente zur Verfügung:

  • Statine sind die wichtigsten und bisher am besten untersuchten Medikamente zum Senken der Blutfette. Über eine Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase erniedrigen sie das LDL-Cholesterin, und zwar je nach Präparat und Dosierung um 30 % bis 50%. Weil die Cholesterinproduktion in der Leber nachts besonders hoch ist, wird häufig die abendliche Einnahme der Wirkstoffe empfohlen. Eine häufig diskutierte Nebenwirkung ist die Statin-Myopathie mit Muskelschäden und Muskelschmerzen. Sie beruht in den meisten Fällen auf einem Nocebo-Effekt (d.h. der Patient verspürt Muskelschmerzen, weil er damit rechnet). Echte Muskelschäden mit einer Erhöhung der Muskelenzyme sind mit einer Häufigkeit von 1:1000 bis 1:10000 sehr selten. In diesen Fällen verordnet die Ärzt*in meist entweder ein anderes Statin oder einen anderen Lipidsenker.
  • Bempedoinsäure hemmt die Cholesterinbildung bereits in einer früheren Stelle im Stoffwechselt als Statine. Bei 180 mg/Tag wird das LDL-Cholesterin um etwa 23% reduziert, in Kombination mit einem Statin ist der Effekt etwas stärker. Myopathien löst Bempedoinsäure selten aus.
  • Ezetimib hemmt die Cholesterinaufnahme im Darm. Als alleinige Therapie ist der klinische Effekt vermutlich gering, weshalb es vor allem in Kombination mit einem Statin oder Bempedoinsäure verordnet wird. Zusammen mit einem Statin schafft es eine LDL-Senkung von circa 25%. 
  • PCSK9-Inhibitoren binden an LDL-Rezeptoren der Leber und senken auf diese Weise das LDL-Cholesterin im Blut. Diese relativ neuen Wirkstoffe sind hocheffektiv und reduzieren die Konzentration von LDL-Cholesterin um über 50%. Verordnet werden sie, wenn eine intensive Statintherapie nicht möglich ist oder nicht ausreichend wirkt. PCSK9-Hemmer gelten bisher als gut verträglich, Myopathien kommen kaum vor.

Erhöhte Triglyceride bekämpft man medikamentös meist mit Fibraten. Sie unterstützen den Abbau der Triglyceride und senken so die Werte im Blut. Fibrate können Muskelschmerzen und Myopathien auslösen. Zusätzlich empfehlen Ärzt*innen oft die Einnahme der verschreibungspflichtigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Die Maximaldosis liegt bei 4 g/Tag, da es unter höherer Dosierung zu Vorhofflimmern gekommen ist.

Hinweis: Medikamente können erhöhte Blutfette recht zuverlässig senken. Als alleinige Therapie reichen sie jedoch nicht aus: Der gesunde Lebensstil bleibt ein wesentlicher Teil der Behandlung.

Quellen Rose O, DAZ 2023:35, S. 38, Lipid-Liga

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Uwe Umstätter