Gesundheit heute

Rachitis

Rachitis (Knochenerweichung, Englische Krankheit): Knochenerkrankung im Kindesalter infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen weich und verformbar wird. Meistens geht die Erkrankung auf einen Vitamin-D-Mangel zurück. Bei Säuglingen zeigt sich eine Rachitis durch Unruhe, Muskelschwäche und Krämpfe. Ältere Kinder entwickeln vor allem Wachstumsstörungen, Knochenverbiegungen wie z. B. O- oder X-Beine und Gehstörungen. Behandelt wird die Rachitis mit Vitamin D und Kalzium. Bei Fehlstellungen sind manchmal orthopädische Hilfsmittel oder korrigierende Operationen erforderlich.

Hinweis: Die Knochenerweichung bei Erwachsenen wird Osteomalazie genannt. Näheres dazu siehe dort.

Symptome und Leitbeschwerden

Säuglinge:

  • Unruhe, Schreckhaftigkeit
  • vermehrtes Schwitzen, vor allem am Hinterkopf
  • schlaffe Muskulatur, eingeschränkte Bewegungen
  • Muskelkrämpfe, epileptische Anfälle.

Kinder:

  • Müdigkeit, Schwäche
  • Muskelschwäche
  • Wachstumsstörungen
  • X- oder O-Beine, Watschelgang durch Verbiegung des Oberschenkelhalses
  • verformte Rippen, verformte Wirbelsäule
  • Knochenschmerzen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben genannte Auffälligkeiten auftreten.

Hinweis: Bei epileptischen Anfällen den Notdienst rufen!

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Der kindliche Knochen ist noch nicht voll ausgebildet und befindet sich bis zur Pubertät im Wachstum. Knochen setzen sich zusammen aus Knochenzellen und Knochengewebe, das von den Knochenzellen gebildet wird. Damit das Knochengewebe fest und stabil wird, müssen u. a. Kalzium und Phosphat eingelagert werden. Dieser Prozess wird Mineralisation genannt und von Hormonen gesteuert.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei Vitamin D. Das wird entweder unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, also UV-Licht, in der Haut gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Damit es wirkt, durchläuft es im Körper noch verschiedene Aktivierungsprozesse. Vitamin D fördert die Mineralisation auf zwei Arten:

  • Es steigert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm, sorgt also dafür, dass mehr Vitamin D aus der Nahrung im Körper ankommt.
  • Es regt den Einbau von Kalzium und Phosphat in das Knochengewebe an.

Bei einem Mangel an Vitamin D wird das neu gebildete Knochengewebe nicht ausreichend mineralisiert. Der Knochen bleibt weich und kann sich verformen. Der geschwächte Knochen bricht auch leichter, vor allem in Belastungszonen wie am Becken oder am Schienbein (sog. Ermüdungsbrüche).

Zur Knochenerweichung kann es aber auch unabhängig von Vitamin D kommen. Das ist z. B. bei einem extremen Kalziummangel der Fall oder wenn Phosphat fehlt.

Ursachen

Die häufigste Ursache für eine Rachitis ist ein Vitamin-D-Mangel oder eine Störung der Aktivierungsprozesse des Vitamins, ausgelöst durch

  • ungenügende Sonneneinstrahlung (z. B. klimatisch bedingt, durch verhüllende Kleidung oder überwiegendem Aufenthalt in Innenräumen, verstärkt bei dunkler Hautfarbe)
  • zu geringe Aufnahme über die Nahrung (vegane Ernährung)
  • Dünndarmerkrankungen, bei denen über die erkrankte Darmschleimhaut kein Vitamin D3 aufgenommen werden kann
  • Leber- und Nierenerkrankungen, wodurch die Aktivierung des Vitamins zu Calcidiol oder Calcitriol gestört wird.

Ein Mangel an Phosphat kann die nötige Mineralisierung des Knochens ebenfalls verhindern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:

  • Zu geringe Phosphataufnahme durch die Ernährung, z. B. bei chronischem Hungern oder Malabsorptionsstörungen des Darms wie Zöliakie oder Morbus Crohn
  • Verstärkter Phosphatverlust über die Niere. Dies kommt z. B. bei Nierenerkrankungen oder im Rahmen genetisch vererbter Störungen des Phosphatstoffwechsels vor. Die häufigste davon ist die hypophosphatämische Rachitis.

Eine weitere Ursache für die Rachitis ist ein ausgeprägter Kalziummangel, z. B. ernährungsbedingt oder aufgrund von Nierenerkrankungen.

Vorkommen

Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge ist die Rachitis in Deutschland insgesamt selten geworden. Geschätzt werden etwa 400 Fälle pro Jahr. Betroffen sind dabei meist Kinder dunklerer Hautfarbe und mit Migrationshintergrund. Sie leiden aus zwei Gründen häufiger unter einem Vitamin-D-Mangel als deutschstämmige Kinder: Dunkle Haut benötigt mehr Sonnenlicht, um Vitamin D zu bilden – deutsche Wetterverhältnisse reichen dafür oft nicht aus. Zudem tragen manche der zugewanderten Mädchen aufgrund kultureller Traditionen stark verhüllende Kleidung und halten sich wenig im Freien auf, was die Bestrahlung der Haut zusätzlich reduziert.

Klinik und Verlauf

Bei Säuglingen macht sich die Rachitis durch Unruhe und Schreckhaftigkeit bemerkbar. Die Kinder haben einen schlaffen Muskeltonus und bewegen sich weniger als gesunde Kinder. Oft schwitzen sie vermehrt, vor allem am Hinterkopf.

Im weiteren Verlauf drohen folgende Beschwerden:

Knochendeformitäten. Wenn Kleinkinder mit dem Krabbeln und Laufen beginnen und der Knochen zu weich ist, können sich die Last tragenden Knochen verbiegen. Eine typische Folge davon sind O- oder X-Beine. Durch Verformung des Oberschenkelhalses entwickelt sich oft eine Art Watschelgang. Weitere Knochendeformitäten zeigen sich an den Knorpel-Knochen-Grenzen. Dadurch sind Knöchel, Handgelenke und Knie oft verdickt und die Enden der Rippen aufgetriebenen (sog. rachitischer Rosenkranz). Die weichen und geschwächten Knochen verbiegen sich aber nicht nur, sie brechen auch leichter als gesunde Knochen.

Wachstumsstörungen. Durch das gestörte Knochenwachstum sind die Kinder oft kleiner als ihre gesunden Altersgenoss*innen.

Zahnprobleme. Der Mangel an Vitamin D und Kalzium stört die Zahnentwicklung. Oft ist der Zahnschmelz defekt und die Betroffenen haben Karies und Löcher in den Zähnen.

Knochenschmerzen. Ältere Kinder leiden häufig unter Knochenschmerzen, vor allem, wenn Druck auf die Knochen ausgeübt wird. Die Knochenschmerzen schränken die Bewegungsfreude zusätzlich ein.

Muskelschwäche. Durch den Kalziummangel im Blut kann es zu einer verminderten Muskelspannung und Muskelschwäche kommen. Manche Kinder haben Probleme beim Aufstehen aus dem Sitzen, anderen fällt das Gehen schwer. Insgesamt sind die Kinder körperlich meist weniger aktiv als ihre gesunden Spielgefährten. Die typischen Meilensteine der Entwicklung (Sitzen, Gehen, Springen) werden deutlich später erreicht.

Muskelkrämpfe. Der ausgeprägte Kalziummangel im Blut macht außerdem Nerven (Tetanie) und Muskeln übererregbar. Dabei drohen Muskelkrämpfe an Händen und Füßen und Missempfindungen.

Infektanfälligkeit. Vitamin D ist wichtig für ein funktionierendes Immunsystem. Kinder mit Rachitis sind deshalb bei einem Vitamin-D-Mangel anfälliger für Infekte.

Kinder mit einer hypophosphatämischen Rachitis leiden überwiegend unter Knochenverformungen, schlechtem Knochenwachstum mit Kleinwuchs sowie Gelenk- und Knochenschmerzen. Da sie keinen Vitamin-D- bzw. Kalziummangel aufweisen, kommt es bei ihnen allerdings nicht zu Krampfanfällen oder Tetanien.

Komplikationen

Starker Kalziummangel im Blut begünstigt die Entwicklung epileptischer Anfälle. Diese können auch schon bei betroffenen Säuglingen auftreten.

Eine ausgeprägte Verformung der Rippen und des Brustkorbs kann die Atmung behindern und eine Lungenfunktionsstörung auslösen.

Diagnosesicherung

Beim Verdacht auf eine Rachitis wird das Kind zunächst gründlich untersucht. Oft sind die typischen Symptome wie der abgeflachte Hinterkopf oder X- oder O-Beine auf einen Blick zu erkennen. Säuglinge haben häufig einen durch die schlaffe Bauchmuskulatur verursachten "Froschbauch". Die Ärzt*in prüft zudem die motorischen Fähigkeiten des Kindes. Informationen über Auffälligkeiten der Entwicklung sind in der Regel im gelben Untersuchungsheft (U-Heft) dokumentiert.

Die Eltern des Kindes werden außerdem zu den Ernährungsgewohnheiten und zur Vitamin-D-Prophylaxe befragt. Auch die Lebensgewohnheiten zur Einschätzung der Situation sind wichtig, z. B. ob das Kind viel draußen spielt oder die meiste Zeit des Tages im Haus verbringt.

Laboruntersuchungen

Gesichert wird die Diagnose durch Blutuntersuchungen und Röntgenaufnahmen. Bei der Vitamin-D-Mangel-Rachitis ist im Blut das Vitamin D stark erniedrigt (gemessen als 25-Hydroxyvitamin  D) und das Knochenenzym Alkalische Phosphatase (AP) stark erhöht. Ebenfalls erhöht ist der Spiegel des Parathormons (PTH). Die Kalzium- und Phosphatwerte können im frühen Stadium noch normal sein, sinken aber im Verlauf meist ab.

Bei der seltenen hypophosphatämischen Rachitis ist der Phosphatwert im Blut erniedrigt und die alkalische Phosphatase mäßig erhöht. Kalzium, Vitamin D und Parathormon liegen im Normbereich. Im Urin lassen sich hohe Phosphatwerte nachweisen, bedingt durch die vermehrte Ausscheidung.

Radiologische Diagnostik

Zum Nachweis und zur Beurteilung des Schweregrads einer Rachitis dienen Röntgenbilder. Darin kann man z. B. unregelmäßige Knochenkonturen, verbreiterte Gelenkspalten, verdichtete Knochen-Knorpel-Grenzen oder verformte Knochen gut erkennen.

Differenzialdiagnose. Ein verbogener Unterschenkel ist auch das Zeichen einer angeborenen Unterschenkelpseudarthrose.

Behandlung

Konservative Behandlung

Behandelt wird die Vitamin-D-Mangel-Rachitis mit der (altersangepassten) Gabe von hoch dosiertem Vitamin D3 und Kalzium. In der Regel normalisieren sich die Blutwerte innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Auch Knochendeformationen bilden sich meist wieder zurück. Bis zur Begradigung der Beinachsen (der X- oder O-Beine) kann es allerdings zwei bis drei Jahre dauern.

Säuglinge erhalten nach der zwölfwöchigen Therapie bis zum Ende des ersten Lebensjahres die übliche Vitamin-D-Prophylaxe. Bei Kleinkindern und Jugendlichen muss nach der Vitamin-D-Therapie eine ausreichende Sonnenexposition und eine Kalziumzufuhr gewährleistet sein. Ist dies nicht der Fall, benötigen auch sie eine ärztlich verordnete Vitamin-D-Prophylaxe.

Leidet das Kind unter einer hypophosphatämischen Rachitis, bekommt es zusätzlich Phosphat als Lösung zum Trinken oder als Tabletten. In manchen Fällen wird die Erkrankung auch mit dem Antikörper Burosumab therapiert.

Operativ

In seltenen Fällen müssen orthopädische Chirurg*innen die Beinfehlstellungen mit einer Operation korrigieren. Im Rahmen einer Osteotomie wird dabei z. B. ein verbogener Knochen operativ durchtrennt, neu ausgerichtet und mit Platten oder Schrauben in korrekter Lage seiner Achse fixiert.

Prognose

Die früh entdeckte und behandelte Rachitis hat eine gute Prognose. Blutwerte und leichte Knochendeformitäten normalisieren sich innerhalb weniger Wochen. Auch Fehlstellungen der Beine bilden sich unter einer Therapie mit Vitamin D und Kalzium meist von selbst wieder zurück – hierbei ist allerdings Geduld gefragt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Sonnenlicht. Für die körpereigene Vitamin-D-Bildung ist Sonnenlicht unverzichtbar. Wieviel Zeit man in der Sonne verbringen soll, hängt vom Hauttyp und der Sonneneinstrahlung ab. Zur Vitamin-D-Bildung reichen für hellhäutige Kinder meist wenige Minuten täglich. Die individuelle Beratung durch die Kinderärzt*in hilft dabei, die für das jeweilige Kind richtige Sonnendosis zwischen zu wenig und zu viel zu finden.

Ernährung. Wichtig zur Behandlung und Vorbeugung einer Rachitis ist die Ernährung. Es sollen vermehrt Lebensmittel verzehrt werden, die reich an Vitamin D und Kalzium sind. Dazu gehören öliger Fisch, Getreideprodukte, Haferflocken, Eier, grünes Blattgemüse und Milchprodukte.

Vitamin-D-Prophylaxe. Vitamin-D-Mengen werden in Mikrogramm (µg) oder in Internationalen Einheiten (I.E.) angegeben: 1 µg D3 = 40 I.E. Säuglinge erhalten im ersten Lebensjahr zur Vorbeugung einer Rachitis eine Prophylaxe mit 500 I.E. Vitamin D3 pro Tag. Eine ausreichende Kalziumzufuhr muss dabei ebenfalls gewährleistet sein. Auch Risikogruppen benötigen eine Prophylaxe. Dazu gehören Kinder mit dunkler Hautfarbe. Wie hoch die erforderliche Dosierung des Vitamin D sein muss, rät in diesen Fällen die Kinderärzt*in.

Hinweis: Die gesamte Menge an aufgenommenem Vitamin D (Nahrung und Tabletten) sollte bei Kindern bis 10 Jahren 50 Mikrogramm nicht überschreiten. Eine Überdosierung kann zu Nierensteinen und Nierenverkalkung führen.

Weiterführende Informationen

Die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Vitamin D finden sich auf deren Webseite unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/

Von: Dr. med. Sonja Kempinski
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So kriegt das Blut sein Fett weg

Auch regelmäßiges Sport treiben hilft dabei, die Blutfette im Zaum zu halten.

So kriegt das Blut sein Fett weg

Cholesterin und Triglyceride zu hoch

Jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat zu hohe Cholesterinwerte oder ein Zuviel an Triglyceriden im Blut. Dadurch wird eine Arteriosklerose begünstigt und es drohen Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Die Mehrzahl der Betroffenen erhält keine Behandlung. Dabei könnten eine konsequente Lebensstiländerung und Medikamente die Blutfette ins Lot bringen und viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.

Fette sind Fluch und Segen

Ohne Fette (Lipide) geht nichts im Organismus: Cholesterin spielt z.B. eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Zellmembranen, Hormonen, Gallensäuren und Vitamin D. Triglyceride dienen als Energielieferant und können als Energiereserve in Fettzellen gespeichert werden. Phospholipide wiederum tragen zur Funktion der Zellen bei.

Aufnahme, Transport, Bereitstellung und Ausscheidung der Fette werden über den Fettstoffwechsel reguliert:

  • Cholesterin stammt aus zwei Quellen: Es wird sowohl aus der Nahrung aufgenommen als auch in der Leber gebildet. Für den Transport im Blut ist es in Eiweißhüllen verpackt (Lipoproteine). Als LDL-Cholesterin gelangt es zu den Körperzellen. Als HDLkommt es zurück zur Leber.
  • Triglyceride werden in der Leber, den Fettzellen und in der Darmschleimhaut aus Glycerin und Fettsäuren zusammengesetzt. Die Fettsäuren dafür kommen aus den Nahrungsfetten. Die Lipoproteine, die Triglyceride transportieren, heißen Chylomikronen.

Wenn der Fettstoffwechsel gestört ist, kommt es zu einem Zuviel oder Zuwenig von Fetten im Blut. Die beiden wichtigsten Fettstoffwechselstörungen sind ein erhöhtes LDL-Cholesterin und erhöhte Triglyceride, beides kann auch zusammen auftreten. Als häufigste Ursachen dafür gelten eine falsche Ernährung und genetische Faktoren, also die Vererbung. Begünstigt werden hohe Blutfette zudem durch Rauchen und Bewegungsmangel. Triglyceride steigen außerdem bei hohem Alkoholkonsum an.

Es gibt auch Erkrankungen, die die Blutfette beeinflussen und Fettstoffwechselstörungen auslösen können. Dazu gehören insbesondere der Diabetes mellitus, aber auch die Unterfunktion der Schilddrüse und verschiedene Nierenerkrankungen.

Hinweis: Viele Medikamente beeinflussen die Blutfette ebenfalls. Gestagene und Androgene erhöhen z.B. das LDL-Cholesterin. Die Konzentration von Triglyceriden im Blut kann durch Kortison, die „Pille“, Betablocker und Entwässerungsmittel steigen.

Gefäßverfettung mit gefährlichen Folgen

Fettstoffwechselstörungen haben erhebliche Folgen für die Gesundheit: Befindet sich dauerhaft zuviel LDL-Cholesterin im Blut, lagert sich das Fett als Plaques in den Gefäßwänden der Arterien ab. Diese Plaques verengen die Gefäße oder verschließen sie sogar komplett - es kommt zur Arteriosklerose. Dadurch drohen nicht nur Herzinfarkt und Schlaganfall. Die verschlechterte Durchblutung der Organe begünstigt die Entwicklung vieler Erkrankungen, wie z. B. Demenz, Niereninsuffizienz, Herzschwäche und erektile Dysfunktion.

Auch hohe Triglycerid-Werte tragen zur Verfettung der Gefäße bei und fördern damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders stark wirkt sich dies in Kombination mit hohem Cholesterin und anderen Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck aus. Extrem hohe Triglycerid-Werte können zusätzlich die Bauchspeicheldrüse angreifen und die insulinbildenden Zellen zerstören, d.h. einen Diabetes auslösen.

Hinweis: Trotz dieser gefährlichen Folgekrankheiten erhalten Menschen mit Fettstoffwechselstörungen viel zu selten eine wirkungsvolle Therapie. Nur etwa jede fünfte Hochrisikopatient*in erreicht in Deutschland die gewünschten Zielwerte bei den Blutfetten (siehe unten), in den europäischen Nachbarländern sieht das nicht viel anders aus.

Zufallsbefund oder Herzinfarkt

Fettstoffwechselstörungen verlaufen in den meisten Fällen jahrelang völlig unauffällig. Die Betroffenen wissen oft gar nichts von ihren erhöhten Blutwerten. Häufig werden sie erst diagnostiziert, wenn es zu Komplikationen wie z.B. einem Herzinfarkt oder einer Bauchspeicheldrüsenentzündung gekommen ist. Bei vielen Menschen werden erhöhte Blutfette auch zufällig in Kontrolluntersuchungen entdeckt, z.B. bei Einstellungsuntersuchungen oder beim Gesundheits-Checkup.

Die wichtigste Säule der Diagnostik ist die Blutuntersuchung. Bei Gesunden bestimmt die Ärzt*in oft nur das Gesamtcholesterin. Bei erhöhtn Werten ist eine erweiterte Lipiddiagnostik (Lipidstatus) nötig. Leidet die Patient*in bereits an Arteriosklerose oder sie einer Risikogruppe an, wird meist ein kompletter Lipidstatus veranlasst. Ermittelt werden dabei Gesamtcholesterin, Triglyceride, LDL-Cholesterin und je nach Bedarf weitere Parameter wie HDL-Cholesterin, Lipoprotein A und Apolipoprotein B.

Die gemessenen Blutfette sollten in ihrem jeweiligen Normbereich liegen. Bei den Triglyceriden ist das relativ einfach, hier gilt 150 mg/dl (1,7 5 mmol/L) als Grenzwert (nüchtern gemessen). Komplizierter wird es beim LDL-Cholesterin. Dessen Zielwerte hängen stark vom individuellen Risikoprofil der Patient*in ab und werden außerdem noch kontrovers diskutiert. Meist geht man von diesen Zielwerten aus:

  • Liegen keine Risikofaktoren wie z.B. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder ein Diabetes vor, ist das Risiko gering. In diesen Fällen soll das LDL-Cholesterin unter 116 mg/dl (3,0 mmol/L) sein.
  • Bei moderatem Risiko gelten LDL-Cholesterin-Werte unter 100 mg/dl (2,6 mmol/L) als Ziel. Ein moderates Risiko haben z.B. Typ-2-Diabetiker*innen unter 50 Jahren und Menschen mit Typ-1-Diabetes unter 35 Jahren, die erst kürzer als zehn Jahre an einem Diabetes leiden.
  • Bei hohem Risiko werden LDL-Cholesterinwerte unter 70 mg/dl (1,8 mmol/L) gefordert. Ein hohes Risiko liegt vor, wenn ein Typ-2-Diabetes schon länger als zehn Jahre besteht, der Blutdruck über 180/110 mmHg liegt oder das Gesamt-Cholesterin über 310 mg/dl (8 mmol/L) und LDL-Cholesterin über 190 mg/dl (4,9 mmol/L).
  • Bei sehr hohem Risiko soll das LDL-Cholesterin unter 55 mg/dl (1,4 mmol/L) liegen. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Patient*innen mit einer bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankung (Koronare Herzkrankheit, pAVK), einem Typ-2-Diabetes mit Organschäden oder einer schweren chronischen Nierenerkrankung.

Werden erhöhte Blutfette erstmals festgestellt muss immer abgeklärt werden, ob eine Erkrankung wie z.B. eine Schilddrüsenunterfunktion dahintersteckt. Oft ergibt die genaue Erhebung der Krankengeschichte einen Hinweis darauf. Mit Labor (z.B. Blutzucker, Nierenwerte), Bildgebung und gründlicher körperlicher Untersuchung lässt sich eine mögliche Erkrankung weiter einkreisen.

Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung kann die Ärzt*in eine molekulargenetische Diagnostik veranlassen. Dadurch lassen sich bestimmte Genmutationen feststellen, die z.B. den LDL-Rezeptor betreffen. An der Behandlung ändern die Ergebnisse nichts – die Blutfette müssen genauso gesenkt werden wie bei Patient*innen ohne genetische Störung. Diese Untersuchung ist jedoch wichtig, um ebenfalls betroffene, aber noch nicht entdeckte Verwandte zu finden. Denn je früher eine angeborene Fettstoffwechselstörung erkannt und behandelt wird, desto besser kann man das Herz-Kreislauf-Risiko reduzieren.

Hinweis: Für die Bestimmung der Triglyceride muss die Patient*in nüchtern sein, es darf also 12 Stunden vor Blutabnahme nichts gegessen werden. Außerdem sollte man am Abend davor keinen Alkohol trinken, da dies die Triglyceridwerte im Blut verfälscht.

Wie gut helfen Lebensstiländerungen?

Bei erhöhten Blutfetten kann die Betroffene selbst einiges zur Besserung der Triglycerid- und Cholesterinwerte beitragen. Grundvoraussetzung ist ein gesunder Lebensstil. Das bedeutet:

  • Sich regelmäßig bewegen. Körperliche Aktivität wirkt sich sehr positiv auf den Stoffwechsel aus. Sie senkt u.a. Triglyceride und LDL-Cholesterin im Blut. Empfohlen werden Ausdauer- und Muskeltraining. Insgesamt sollte man drei bis fünf Mal pro Woche für mindestens 30 Minuten zumindest moderat Sport treiben.
  • Rauchen beenden. Rauchen erhöht nicht nur die Triglyceride, es begünstigt auch eigenständig die Arteriosklerose. Bei hohen Blutfetten sollte deshalb komplett auf Nikotin und Nikotinprodukte verzichtet werden.
  • Gewicht halten bzw. Übergewicht reduzieren. Übergewicht hat über viele Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf die Blutfette. So erhöht es z.B. sowohl die Triglyceride als auch das LDL-Cholesterin im Blut. Abnehmen kann deshalb das Lipidprofil verbessern.
  • Sich gesund ernähren. Eine ballaststoffreiche und fettmodifizierte Kost trägt zur Besserung der Blutfette bei. Empfohlen werden viel Gemüse, Rohkost, Vollkornprodukte. Zwei Mal pro Woche sollte Fisch verzehrt werden, der reich an gesunden Omega-3-Fettsäuren ist (Makrele, Hering, Lachs und Thunfisch). Nur 30% der Kalorienzufuhr sollte aus Fett stammen, insgesamt reichen etwa 60 bis 80 g Fett pro Tag aus. Zu vermeiden sind gesättigte Fettsäuren (Fleisch, Wurst, Käse), und Trans-Fettsäuren (Frittiertes, Blätterteig). Als günstig gelten dagegen Öle, vor allem Sonnenblumen-, Lein- und Walnussöl.

Hinweis: Wer zu hohe Triglyceride aufweist, sollte völlig auf Alkohol verzichten. Auch schnell abbaubare Kohlenhydrate wie Fruchtzucker und Haushaltszucker sind schädlich, weil sie den Insulinspiegel und damit die Freisetzung von Fettsäuren erhöhen.

Wie Medikamente die Blutfette bezwingen

Oft reicht ein gesunder Lebensstil nicht aus, um erhöhte Blutfette zu senken. Dann kommen Medikamente ins Spiel. Um LDL-Cholesterin und/oder Triglyceride in den gewünschten Zielbereich zu bringen, müssen die Wirkstoffe regelmäßig und meist lebenslang eingenommen werden. Zur Senkung von LDL-Cholesterin stehen folgende Medikamente zur Verfügung:

  • Statine sind die wichtigsten und bisher am besten untersuchten Medikamente zum Senken der Blutfette. Über eine Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase erniedrigen sie das LDL-Cholesterin, und zwar je nach Präparat und Dosierung um 30 % bis 50%. Weil die Cholesterinproduktion in der Leber nachts besonders hoch ist, wird häufig die abendliche Einnahme der Wirkstoffe empfohlen. Eine häufig diskutierte Nebenwirkung ist die Statin-Myopathie mit Muskelschäden und Muskelschmerzen. Sie beruht in den meisten Fällen auf einem Nocebo-Effekt (d.h. der Patient verspürt Muskelschmerzen, weil er damit rechnet). Echte Muskelschäden mit einer Erhöhung der Muskelenzyme sind mit einer Häufigkeit von 1:1000 bis 1:10000 sehr selten. In diesen Fällen verordnet die Ärzt*in meist entweder ein anderes Statin oder einen anderen Lipidsenker.
  • Bempedoinsäure hemmt die Cholesterinbildung bereits in einer früheren Stelle im Stoffwechselt als Statine. Bei 180 mg/Tag wird das LDL-Cholesterin um etwa 23% reduziert, in Kombination mit einem Statin ist der Effekt etwas stärker. Myopathien löst Bempedoinsäure selten aus.
  • Ezetimib hemmt die Cholesterinaufnahme im Darm. Als alleinige Therapie ist der klinische Effekt vermutlich gering, weshalb es vor allem in Kombination mit einem Statin oder Bempedoinsäure verordnet wird. Zusammen mit einem Statin schafft es eine LDL-Senkung von circa 25%. 
  • PCSK9-Inhibitoren binden an LDL-Rezeptoren der Leber und senken auf diese Weise das LDL-Cholesterin im Blut. Diese relativ neuen Wirkstoffe sind hocheffektiv und reduzieren die Konzentration von LDL-Cholesterin um über 50%. Verordnet werden sie, wenn eine intensive Statintherapie nicht möglich ist oder nicht ausreichend wirkt. PCSK9-Hemmer gelten bisher als gut verträglich, Myopathien kommen kaum vor.

Erhöhte Triglyceride bekämpft man medikamentös meist mit Fibraten. Sie unterstützen den Abbau der Triglyceride und senken so die Werte im Blut. Fibrate können Muskelschmerzen und Myopathien auslösen. Zusätzlich empfehlen Ärzt*innen oft die Einnahme der verschreibungspflichtigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Die Maximaldosis liegt bei 4 g/Tag, da es unter höherer Dosierung zu Vorhofflimmern gekommen ist.

Hinweis: Medikamente können erhöhte Blutfette recht zuverlässig senken. Als alleinige Therapie reichen sie jedoch nicht aus: Der gesunde Lebensstil bleibt ein wesentlicher Teil der Behandlung.

Quellen Rose O, DAZ 2023:35, S. 38, Lipid-Liga

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Uwe Umstätter