Gesundheit heute

Verhütung bei Jugendlichen

Wirft man einen Blick auf die Statistik, verhalten sich Jugendliche in Sachen Sex und Verhütung sehr verantwortungsvoll. 91 Prozent der Jugendlichen verhüten bereits beim ersten Sex. "Risikofaktoren" für ungeschützten Sex sind

  • Alter unter 14 Jahren (wobei zwei Drittel der Jugendlichen unter 16 Jahren noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht haben)
  • eine Sexualpartner*in, die nur flüchtig bekannt ist
  • ein geringes Bildungslevel
  • eine hohe Religiosität
  • wenig Zugang zu sexueller Aufklärung.

Für die Wahl des Verhütungsmittels ist im Jugendalter die Devise klar: so sicher und einfach wie möglich. Das aber erfüllen nur ganz wenige Verhütungsmittel. Deswegen wird Jugendlichen zur Verhütung meist das Kondom oder die Antibaby-Pille empfohlen. Beide haben einen niedrigen Pearl-Index, sodass ungewollte Schwangerschaften sehr selten sind. Auch die Handhabung der Verhütungsmittel klappt in der Regel gut – auch wenn Mädchen regelmäßig an die Einnahme der Pille denken müssen. Jungen sollten vor dem ersten Sex am besten das richtige Aufziehen des Kondoms üben.

Leider sind praktisch alle anderen Verhütungsmethoden bei Jugendlichen mit Nachteilen verbunden:

  • Gestagenpräparate (z. B. Minipille): Nachteil ist die schlechtere Zykluskontrolle. Auch sind die Nebenwirkungen stärker, sodass die Minipille nur bei Raucherinnen und jungen Frauen mit Blutgerinnungsproblemen in Betracht kommt.
  • Hormonpflaster (Evra®): Zwar verleihen tatooartige Pflasterdesigns eine attraktive, Jugendliche ansprechende Verpackung. Aber die Trägerinnen dieser Pflaster erhalten eine bis zu 60 % höhere Östrogendosis als bei der Einnahme einer "Pille", verbunden mit entsprechend höheren Nebenwirkungen.
  • Hormonspirale: Auch wenn inzwischen spezielle Modelle für Jugendliche existieren, besteht gerade bei ihnen die Gefahr von Eileiterentzündungen, verbunden mit späteren oder , und die Spiralen werden auch häufiger ausgestoßen. Somit nicht geeignet für Jugendliche.
  • Depot-Progesteron und subdermale Hormonimplantate wie Implanon® sind wegen der deutlich höheren Hormonspiegel mit teils schweren Nebenwirkungen ungeeignet.
  • Barrieremethoden wie Scheidendiaphragma, Portiokappe oder Vaginalring sind bei Jugendlichen wegen der aufwendigen "Einsetzarbeit" keine Option.
  • Natürliche Verhütungsmethoden (ob auf Messen der Temperatur oder Testen des Gebärmutterhalsschleims basierend) sind für Jugendliche ungeeignet, da der Zyklus noch instabil ist.

Egal, welches Verhütungsmittel gewählt wird – ein Kondom sollte immer zusätzlich verwendet werden, denn nur so lässt sich der Übertragung von Geschlechtskrankheiten vorbeugen.

Verordnung der "Pille" bei Jugendlichen

Es gibt keine medizinische Altersgrenze für die Pille. Die Pille zählt aber zu den verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln – das Rezept dafür gibt es nur in der Arztpraxis. Einige Frauenärzt*innen verlangen von Jugendlichen unter 16 Jahren eine Einwilligung der Eltern. Eine Zustimmung der Eltern ist laut Angaben der Fachgesellschaften dann erforderlich, wenn die Jugendliche nach ärztlicher Einschätzung noch nicht "einwilligungsfähig" ist – häufig, aber rechtlich nicht zwingend, wird dafür der 14. Geburtstag angenommen.

Die Pille hat einige Vorteile: Viele junge Frauen vertragen sie gut und sie verhindert ungewollte Schwangerschaften sehr zuverlässig. Die junge Frau kann selbst über die Verhütung bestimmen und muss sich nicht auf die Kooperation ihres Partners verlassen. Bis zum 22. Geburtstag werden die Kosten für die Pille zudem ganz oder zumindest teilweise von den Krankenkassen übernommen. Dennoch sollte jeder Anwenderin klar sein, dass die Pille in den natürlichen Hormonhaushalt eingreift und Nebenwirkungen verursachen kann (Nähere Infos im Text "Die Pille").

Verhütung von Geschlechtskrankheiten

Neben ungewollten Schwangerschaften besteht beim Sex immer auch das Risiko, sich mit Geschlechtskrankheiten anzustecken. Kondome und die in Deutschland eher ungebräuchlichen Femidome sind die einzig wirksamen Mittel, sexuell übertragbaren Krankheiten vorzubeugen. Immerhin steht mit der (HPV) heute ein zusätzlicher Schutz zur Vorbeugung gegen zur Verfügung. Die Ständige Impfkommission empfiehlt diese Impfung als Regelimpfung für 12- bis 17-jährige Mädchen, bei ihnen übernimmt die Krankenkasse in jedem Fall die Kosten. Ob die Impfung auch älteren Frauen und Männern nutzt, wird derzeit untersucht.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Aktualisierung und Bearbeitung durch Sara Steer
Zurück
Verfrühte Pubertät häufig

In der Pubertät kann die Gefühlswelt ganz schön durcheinander kommen.

Verfrühte Pubertät häufig

Dank Corona-Pandemie

Schon seit vielen Jahrzehnten beginnt die Pubertät immer früher. Corona hat das noch weiter verschärft: Der Anteil der Kinder, bei denen sich Brust oder Hoden schon vor dem achten Lebensjahr entwickeln, ist während der Pandemie angestiegen.

Gehirn bringt Brust und Hoden zum Wachsen

In der Pubertät wird der kindliche Körper geschlechtsreif. Angestoßen wird dieser Prozess durch die Freisetzung von Hormonen im Gehirn, die wiederum Hoden und Eierstöcke stimulieren. In der Folge entwickelt sich bei Mädchen die Brust, etwas später kommt es zur ersten Regelblutung (Menarche). Bei den Jungs wachsen Hoden und Penis, weitere Anzeichen sind der Stimmbruch und der erste Samenerguss.

Heutzutage kommen Kinder früher in die Pubertät als noch vor 100 Jahren. Daten aus Skandinavien zeigen, dass dort um 1900 die Menarche durchschnittlich im Alter von 16 Jahren auftrat. Um 1950 erlebten Mädchen in Deutschland mit gut 13 Jahre ihre erste Regelblutung. Heute liegt der Zeitpunkt zwischen 11 und 13 Jahren. Berechnungen haben ergeben, dass seit den 1970er-Jahren der Pubertätsbeginn jedes Jahrzehnt um etwa drei Monate sinkt.

Ein Grund dafür könnte sein, dass die Kinder immer dicker werden. Denn im Fettgewebe wird ein Botenstoff gebildet, der die Pubertät vorantreibt. Möglich ist aber auch, dass die Kinder über die Umwelt Hormonen ausgesetzt sind und deshalb früher geschlechtsreif werden – handfeste, datengestützte Beweise gibt es dafür aber noch nicht.

Verfrühte Geschlechtsreife häufiger

Neben der statistisch „normalen“ Pubertät gibt es auch die verfrühte Geschlechtsreife: Mediziner*innen sprechen davon, wenn sich die äußeren Geschlechtsmerkmale bei Mädchen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr und bei Jungen vor dem vollendeten 9. Lebensjahr zeigen. Diese verfrühte Pubertät tritt seit der Corona-Pandemie weltweit häufiger auf. In Deutschland wurden bis zu 30 Prozent mehr Fälle erfasst als vorher, berichtet Kinderärztin Bettina Gohlke von der Uniklinik Bonn.

Über die Ursachen wird spekuliert: Zum Beispiel haben die Eltern aufgrund von Schulschließungen und Homeoffice mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht, weshalb ihnen die Entwicklung ihrer Kinder womöglich früher aufgefallen ist. Auch die höhere psychosoziale Belastung könnte dazu geführt haben, dass die Kinder früher reifen. Schlussendlich wurde in der Pandemie mehr gegessen und sich weniger bewegt – also könnte auch eine Gewichtszunahme eine Rolle spielen.

Insgesamt vermutet Gohlke, dass für die Häufung von verfrühter Pubertät durch Corona mehrere Faktoren zusammen verantwortlich sind. Ob sich der Effekt nach dem Abklingen der Pandemie wieder verflüchtige, sei bisher unklar.

Quellen: pta heute, Ärzteblatt

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Pixtal