Gesundheit heute

Windpocken

Windpocken (Varizellen): durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem Kindergarten- und Grundschulkinder betrifft und typischerweise in den Wintermonaten oder im Frühjahr ausbricht.

Windpocken sind so ansteckend, dass 90 % aller 10-Jährigen die Erkrankung durchgemacht haben. Sie hinterlässt eine lebenslange Immunität.

Symptome und Leitbeschwerden

Die Beschwerden scheinen zuzunehmen, je älter das Kind bei der Erkrankung ist.

  • Uncharakteristisches Vorstadium mit Müdigkeit und Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen
  • Fieber (selten über 39 °C) für 3–5 Tage
  • Charakteristischer, unangenehm juckender Hautausschlag von Kopf und Rumpf ausgehend
  • Anfangs hellrote Knötchen, später flüssigkeitsgefüllte Bläschen
  • Nach einigen Tagen und für einige weitere Tage: immer wieder platzen Bläschen, trocknen aus und heilen ab.

Inkubationszeit. 11–21 Tage.

Zeitraum der Ansteckung. Von 1–2 Tagen vor Ausbruch des Ausschlages bis zum Eintrocknen der letzten Blase.

Wann zum Kinderarzt

Heute noch, wenn

  • Sie nicht sicher sind, ob Ihr Kind Windpocken oder eine andere Krankheit hat.
  • Sie den starken Juckreiz bei Ihrem Kind selbst nicht in den Griff bekommen (siehe "Was Sie als Eltern tun können").
  • sich die Haut stark entzündet (Sie bemerken dann zunehmende Schwellung, Rötung und Eiterung).
  • Ihr Kind unter 6 Monate alt ist.

Sofort, wenn

  • Ihr Kind einen steifen Nacken, Krämpfe oder Gleichgewichtsstörungen bekommt oder teilnahmslos wird, da diese Symptome auf eine Hirnhautentzündung hindeuten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Übertragung

Auslöser ist das Varizella-Zoster-Virus, das zur Gruppe der Herpes-Viren gehört. Es wird v. a. durch eine Tröpfcheninfektion übertragen, also beim Husten, Niesen, Sprechen oder Schmusen.

Über die oberen Atemwege oder die Augenbindehaut dringen die Viren in den Blutkreislauf des Gesunden ein. Hauptsächlich verbreiten sich die Viren durch das Aufkratzen der Bläschen, oder wenn diese von selbst aufplatzen und der Gesunde mit der Bläschenflüssigkeit in Kontakt kommt.

Es ist praktisch fast unmöglich, eine Ansteckung zu verhindern: Ist ein Familienmitglied an Windpocken erkrankt, stecken sich 80–90 % der anderen Familienmitglieder an, sofern sie durch eine vorherige Infektion noch keine Antikörper gebildet haben.

Verlauf

Normalerweise ist der Verlauf der Windpockenerkrankung bei Kindern milde. Bei Kleinkindern, Erwachsenen und Patienten mit geschwächtem Immunsystem verläuft sie schwerer. Am stärksten sind Fieber und Krankheitsempfinden bei Erwachsenen ausgeprägt.

Der juckende Ausschlag beginnt meist am Rumpf und breitet sich auf den behaarten Kopf, das Gesicht und die Extremitäten aus. Die Handinnenflächen und Fußsohlen sind nicht betroffen. Der Ausschlag besteht zwischen 10 und mehr als 1000 einzelnen Blasen, da die einzelnen Blasen meist nach und nach entstehen. Während manche Blasen schon von Schorf bedeckt sind, sind andere noch mit Flüssigkeit gefüllt (sog. Sternenhimmel).

Diagnosesicherung

Die Diagnose "Windpocken" ist eine Blickdiagnose, d. h. der Arzt erkennt die Erkrankung anhand des typischen Hautausschlages relativ eindeutig.

Da dieser anfangs Mückenstichen ähnelt, sollte man einen Tag warten und prüfen, ob die Anzahl der roten Flecken zugenommen hat. Windpocken unterscheiden sich von anderen Kinderkrankheiten wie Masern, Scharlach und Röteln dadurch, dass bei diesen zwar auch rote Hautflecken, aber keine Bläschen zu sehen sind. Ergänzende Untersuchungen sind selten nötig.

Blutuntersuchung. Im Zweifelsfall wird der Arzt spezifische Antikörper im Blut nachweisen.

Erregernachweis. Aus dem Bläschensekret lässt sich das Virus durch PCR (Polymerase Chain Reaction = Polymerase-Kettenreaktion) schnell nachweisen, allerdings ist diese Methode nur in Einzelfällen notwendig, beispielsweise wenn bei einer werdenden Mutter die Geburt wegen einer Windpockenerkrankung künstlich ein paar Tage hinausgezögert oder eine besondere Therapie eingeleitet werden muss.

Komplikationen

Für sonst gesunde Kleinkinder sind Windpocken nur selten gefährlich. Stecken sich ältere Kinder und Erwachsene mit Windpocken an, verläuft die Erkrankung oft mit Fieber, schwerem Krankheitsgefühl und auch starkem Hautbefall.

Auch bei Kindern mit einer Neurodermitis kommen wegen der bereits vorgeschädigten Haut schwere Verläufe vor. Abwehrgeschwächte Kinder, z. B. Kinder mit einer Leukämie, können sogar lebensbedrohlich erkranken.

Narbenbildung. Manchmal entzünden sich die Bläschen, beispielsweise wenn ein Kind die Bläschen aufkratzt. Es bleiben dann kleine Narben zurück.

Lungenentzündung (Pneumonie). Diese ernste Komplikation kommt extrem selten vor und tritt etwa 3–5 Tage nach Krankheitsbeginn auf. Erwachsene sind von einer Lungenentzündung deutlich häufiger betroffen als Kinder.

Herz- und Nierenbeteiligung. Diese Komplikationen sind sehr selten.

Entzündung des Großhirns (Enzephalitis) oder Kleinhirns (Zerebellitis). Auch diese ernsten Komplikationen kommen extrem selten vor.

Varizellenembryopathie. Gerade Schwangere Frauen sollten kranke Kinder meiden, denn eine Infektion mit Windpocken bedeutet eine Gefahr für das ungeborene Kind. V. a. vor der 20. Schwangerschaftswoche liegt das Risiko bei 1 %, dass es bei Ungeborenen zu Hirnschäden, Fehlbildungen der Gliedmaßen, Wachstumsstörungen oder einem angeborenen grauen Star (Katarakt) kommt. Ebenso besteht die Gefahr eines Schwangerschaftsabbruchs (Abort).

Neugeborenen-Varizellen. Junge Säuglinge erkranken in der Regel nicht an Windpocken, da sie durch die von der Mutter in der Schwangerschaft übertragenen Abwehrstoffe (Antikörper) geschützt sind. Wenn eine bisher nicht an Windpocken erkrankte Mutter aber 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Windpocken erkrankt, fehlt dem Neugeborenen dieser Nestschutz, und es erkrankt möglicherweise sehr schwer. Aus diesem Grund müssen sie noch vor Ausbruch der Bläschen mit Antikörpern und virenhemmenden Mitteln (Virostatika) behandelt werden.

Mögliche Folge: Gürtelrose

Wie bei allen Herpes-Viren besteht die Gefahr, dass auch das Varizella-Zoster-Virus nach der akuten Erkrankung im Körper bleibt. Im Laufe des Lebens besteht die Möglichkeit, dass es reaktiviert wird und eine Gürtelrose (Herpes Zoster) verursacht.

Hiervon sind besonders Krebspatienten betroffen. Sie erkranken etwa doppelt bis 8-mal häufiger an Gürtelrose als gesunde Menschen. Aber auch Bluthochdruck, Diabetes, Niereninsuffizienz oder rheumatoide Arthritis erhöhen das Risiko, eine Gürtelrose zu bekommen.

Da beide Erkrankungen – Windpocken und Gürtelrose – vom gleichen Virus ausgelöst werden, ist es möglich, dass z. B. die an Gürtelrose erkrankte Großmutter ihren Enkel mit Windpocken ansteckt.

Ärztliche Behandlung

Bei sonst gesunden Kindern ist keine Therapie erforderlich.

Pharmakotherapie

Eine Behandlung mit virushemmenden Medikamenten (Aciclovir) ist nur notwendig, wenn die erkrankte Person über 20 Jahre alt ist, an einer Immunschwäche leidet, eine schwere Neurodermitis hat oder wenn Komplikationen auftreten.

Stört der Juckreiz sehr, verschreibt der Arzt Lotionen (z. B. Tannosynth® oder Anaesthesin®) oder in schweren Fällen Antihistaminika als Tropfen. Diese helfen gegen den Juckreiz und machen zudem etwas müde und sorgen damit für einen besseren Schlaf. Die Anwendung bietet sich deshalb für den Abend an.

Entzünden sich aufgekratzte Bläschen eitrig, verordnet der Arzt Antibiotika. Lokalanästhetika mit Polidocanol helfen ebenfalls gegen akuten Juckreiz, können aber zu Überempfindlichkeitsreaktionen führen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie als Eltern tun können

Isolation. Kinder dürfen Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergarten oder Schule solange nicht besuchen, bis sie fieberfrei sind und der Ausschlag trocken ist, d. h., bis die Blasen von Schorf bedeckt sind.

Zinklotionen. Hauptproblem ist bei Windpocken meist der Juckreiz, der mit frei verkäuflichen Lotionen aus der Apotheke (z. B. Lotio alba) gelindert wird. Gleichzeitig trocknet die Lotion die Bläschen aus und verhindert, dass sich die nässenden Stellen entzünden.

Kleidung. Die Kleidung sollte möglichst locker sitzen und nicht scheuern.

Kühle Umschläge und Waschungen. Auch kurz aufgelegte kühle Umschläge lindern den Juckreiz. Ebenso wirken kühle Waschungen oder ein kurzes Abbrausen mit kühlem Wasser. Auf Bäder sollte verzichtet werden, da die Bläschen im Bad aufweichen und dann leichter aufgekratzt werden (begünstigt die Narbenbildung).

Kühle Zimmertemperatur. Das Zimmer sollte nicht zu warm temperiert sein, denn Wärme und Schwitzen verstärken den Juckreiz.

Windelwechsel. Säuglinge und Kleinkinder sollten häufiger als sonst gewickelt werden, da das feuchtwarme Milieu in der Windel den Juckreiz verstärkt und Entzündungen fördert.

Hautpflege. Kratzen sollte möglichst vermieden werden, um eine Hautinfektion zu verhindern. Um dies zu vermeiden, schneiden Sie am besten die Fingernägel des Kindes kurz. Evtl. helfen auch Handschuhe, damit sich Ihr Kind nicht kratzt.

Geeignete Medikamente

Bei Fieber empfehlen sich Wadenwickel oder fiebersenkende Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen. Die Dosierung richtet sich streng nach dem Gewicht des Kindes. Fragen Sie dazu Ihren Arzt oder Apotheker!

Komplementärmedizin

Homöopathie. Klassische Mittel der Homöopathie bei Windpocken sind bei Fieber Belladonna D4 und Rhus toxicodendron.

Prävention

Aktive Impfung. Die Impfung gegen Windpocken ab einem Alter von 11 Monaten gehört zu den empfohlenen Regelimpfungen. Seit August 2004 wird die Varizellen-Schutzimpfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen, vorzugsweise als Kombinationsimpfung (4-fach-Impfung) gegen Masern, Mumps und Röteln (MMRV).

Seit Juli 2012 wird empfohlen, die Erstimpfung nicht als 4-fach-Impfung zu verabreichen, sondern den Varizellen-Impfstoff simultan mit dem MMR-Impfstoff an verschiedenen Körperstellen zu impfen. Damit soll das leicht erhöhte Risiko für Fieberkrämpfe vermieden werden.

Viele Kinderärzte sehen die Impfung gegen Windpocken jedoch kritisch: Zu befürchten ist, dass natürliche Windpockeninfektionen immer seltener auftreten und sich dadurch Kinder, die nicht geimpft werden, erst spät anstecken, evtl. sogar erst im Erwachsenenalter oder in der Schwangerschaft. Der Verlauf der Krankheit ist dann schwerer, und es drohen eher Komplikationen.

Die STIKO gibt folgende Impfempfehlungen gegen Windpocken, aufgeteilt nach Lebensalter:

  • 11.–14. Lebensmonat: Erstimpfung erfolgt zeitgleich mit der 1. Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) oder frühestens 4 Wochen danach.
  • 15.–23. Lebensmonat: 4–6 Wochen nach der Erstimpfung wird die 2. Impfung durchgeführt, möglich auch als Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken (MMRV-Kombinationsimpfstoff). Die Impfung wird nur dann verschoben, wenn eine schwere, behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt.

Passive Impfung. Neben den Aktivimpfungen, die auf die Ausbildung eines Abwehrgedächtnisses zielen, gibt es noch die Passivimpfungen (Passivimmunisierung). Dabei werden dem Körper direkt die fertigen Antikörper (Immunglobuline) gespritzt, die das Immunsystem des Spenderorganismus (Mensch oder Tier) zur Abwehr des Erregers produziert hat.

Während es bei der Aktivimpfung oft Monate dauert, bis der Impfschutz erreicht ist, greifen Passivimpfungen schon nach wenigen Stunden bis Tagen. Sie werden daher v. a. dann eingesetzt, wenn z. B. ein abwehrgeschwächtes, nicht geimpftes Kind oder eine Schwangere Kontakt zu einem Windpockenkranken hatte und nicht abgewartet werden darf, bis der Körper selbst ausreichend Antikörper gebildet hat.

Der Nachteil der Passivimpfung ist allerdings, dass sich die gespritzten Immunglobuline im Blut auch schnell wieder abbauen und der Impfschutz nicht länger als wenige Wochen anhält.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Beschreibung“, „Symptome und Beschwerden“, „Wann zum Kinderarzt“, „Die Erkrankung“, „Ihre Apotheke empfiehlt“, „Ärztliche Behandlung“ und „Prävention“: Dagmar Fernholz
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Masern auf dem Vormarsch

Die Masernimpfung kann gut mit anderen Impfungen kombiniert werden.

Masern auf dem Vormarsch

Impfen tut Not!

Masern sind hochansteckend und gefährlich. Und in Europa wieder auf dem Vormarsch. Als Ursache dafür sehen Expert*innen den Rückgang der Impfraten.

Schwere Komplikationen möglich

Masern gehören zu den typischen Kinderkrankheiten. Doch immer häufiger befällt das Masernvirus auch Jugendliche und Erwachsene. Bei ihnen ist der Verlauf meist deutlich schwerer als bei kleinen Kindern. Es drohen vermehrt Komplikationen wie Lungen- oder Gehirnentzündung. In seltenen Fällen kommt es noch Jahre nach der Erkrankung zu einer sklerosierenden Panenzephalitis, einer Gehirnentzündung, die immer tödlich verläuft.

30000 gemeldete Fälle im Jahr 2023 in Europa

Die Masernimpfung hat dazu geführt, dass sich immer weniger Menschen mit dem Masernvirus anstecken. Außerdem schützt die Impfung vor schweren Verläufen, sodass weniger Erkrankte daran sterben. Doch jetzt schlagen die Behörden Alarm: Bereits letztes Jahr sind die Fälle an Maserninfektionen in Europa stark angestiegen. Aus 40 der 53 EU-Länder wurden dem Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) über 30000 Fälle gemeldet. Österreich und Rumänien gehören zu den am stärksten betroffenen Ländern - in Rumänien kam es sogar zu sechs Todesfällen.

Durchimpfungsrate zu niedrig

Doch bei diesen Masernausbrüchen wird es wohl nicht bleiben. Das ECDC geht davon aus, dass die Zahl der Masernfälle in den nächsten Monaten weiter steigen wird. Ursache ist laut ECDC die Impfmüdigkeit der Bevölkerung. Wenn nicht möglichst alle Kinder zweimal gegen Masern geimpft werden, sinkt die Durchimpfungsrate. Die muss über 95 % liegen, um eine Verbreitung von Masern zu verhindern. Das bedeutet, dass von 100 Kindern mindestens 95 gegen Masern geimpft sein müssen. In Deutschland ist dies bei den Kindern bis zur Einschulung nur in Hessen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern der Fall.

Kinderärzt*innen und Robert Koch-Institut mahnen deshalb immer wieder, die Impftermine wahrzunehmen. Die STIKO empfiehlt die Masernimpfung in Kombination mit Mumps und Röteln. Die erste Impfung soll zwischen dem 11. und dem 14. Monat erfolgen, die zweite als Auffrischung im Alter von 15 bis 23 Monaten.

Auch Erwachsene impfen!

Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden und nicht wissen, ob sie geimpft worden sind oder nicht, wird ebenfalls die Impfung empfohlen. Ältere Personen benötigen sie nicht – denn sie haben die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst durchgemacht.

Quellen: www.kinderaerzte-im-netz.de, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Oksana Kuzmina / Alamy / Alamy Stock Photos