Gesundheit heute

Rachitis

Rachitis (Knochenerweichung, Englische Krankheit): Knochenerkrankung im Kindesalter infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen weich und verformbar wird. Meistens geht die Erkrankung auf einen Vitamin-D-Mangel zurück. Bei Säuglingen zeigt sich eine Rachitis durch Unruhe, Muskelschwäche und Krämpfe. Ältere Kinder entwickeln vor allem Wachstumsstörungen, Knochenverbiegungen wie z. B. O- oder X-Beine und Gehstörungen. Behandelt wird die Rachitis mit Vitamin D und Kalzium. Bei Fehlstellungen sind manchmal orthopädische Hilfsmittel oder korrigierende Operationen erforderlich.

Hinweis: Die Knochenerweichung bei Erwachsenen wird Osteomalazie genannt. Näheres dazu siehe dort.

Symptome und Leitbeschwerden

Säuglinge:

  • Unruhe, Schreckhaftigkeit
  • vermehrtes Schwitzen, vor allem am Hinterkopf
  • schlaffe Muskulatur, eingeschränkte Bewegungen
  • Muskelkrämpfe, epileptische Anfälle.

Kinder:

  • Müdigkeit, Schwäche
  • Muskelschwäche
  • Wachstumsstörungen
  • X- oder O-Beine, Watschelgang durch Verbiegung des Oberschenkelhalses
  • verformte Rippen, verformte Wirbelsäule
  • Knochenschmerzen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben genannte Auffälligkeiten auftreten.

Hinweis: Bei epileptischen Anfällen den Notdienst rufen!

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Der kindliche Knochen ist noch nicht voll ausgebildet und befindet sich bis zur Pubertät im Wachstum. Knochen setzen sich zusammen aus Knochenzellen und Knochengewebe, das von den Knochenzellen gebildet wird. Damit das Knochengewebe fest und stabil wird, müssen u. a. Kalzium und Phosphat eingelagert werden. Dieser Prozess wird Mineralisation genannt und von Hormonen gesteuert.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei Vitamin D. Das wird entweder unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, also UV-Licht, in der Haut gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Damit es wirkt, durchläuft es im Körper noch verschiedene Aktivierungsprozesse. Vitamin D fördert die Mineralisation auf zwei Arten:

  • Es steigert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm, sorgt also dafür, dass mehr Vitamin D aus der Nahrung im Körper ankommt.
  • Es regt den Einbau von Kalzium und Phosphat in das Knochengewebe an.

Bei einem Mangel an Vitamin D wird das neu gebildete Knochengewebe nicht ausreichend mineralisiert. Der Knochen bleibt weich und kann sich verformen. Der geschwächte Knochen bricht auch leichter, vor allem in Belastungszonen wie am Becken oder am Schienbein (sog. Ermüdungsbrüche).

Zur Knochenerweichung kann es aber auch unabhängig von Vitamin D kommen. Das ist z. B. bei einem extremen Kalziummangel der Fall oder wenn Phosphat fehlt.

Ursachen

Die häufigste Ursache für eine Rachitis ist ein Vitamin-D-Mangel oder eine Störung der Aktivierungsprozesse des Vitamins, ausgelöst durch

  • ungenügende Sonneneinstrahlung (z. B. klimatisch bedingt, durch verhüllende Kleidung oder überwiegendem Aufenthalt in Innenräumen, verstärkt bei dunkler Hautfarbe)
  • zu geringe Aufnahme über die Nahrung (vegane Ernährung)
  • Dünndarmerkrankungen, bei denen über die erkrankte Darmschleimhaut kein Vitamin D3 aufgenommen werden kann
  • Leber- und Nierenerkrankungen, wodurch die Aktivierung des Vitamins zu Calcidiol oder Calcitriol gestört wird.

Ein Mangel an Phosphat kann die nötige Mineralisierung des Knochens ebenfalls verhindern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:

  • Zu geringe Phosphataufnahme durch die Ernährung, z. B. bei chronischem Hungern oder Malabsorptionsstörungen des Darms wie Zöliakie oder Morbus Crohn
  • Verstärkter Phosphatverlust über die Niere. Dies kommt z. B. bei Nierenerkrankungen oder im Rahmen genetisch vererbter Störungen des Phosphatstoffwechsels vor. Die häufigste davon ist die hypophosphatämische Rachitis.

Eine weitere Ursache für die Rachitis ist ein ausgeprägter Kalziummangel, z. B. ernährungsbedingt oder aufgrund von Nierenerkrankungen.

Vorkommen

Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge ist die Rachitis in Deutschland insgesamt selten geworden. Geschätzt werden etwa 400 Fälle pro Jahr. Betroffen sind dabei meist Kinder dunklerer Hautfarbe und mit Migrationshintergrund. Sie leiden aus zwei Gründen häufiger unter einem Vitamin-D-Mangel als deutschstämmige Kinder: Dunkle Haut benötigt mehr Sonnenlicht, um Vitamin D zu bilden – deutsche Wetterverhältnisse reichen dafür oft nicht aus. Zudem tragen manche der zugewanderten Mädchen aufgrund kultureller Traditionen stark verhüllende Kleidung und halten sich wenig im Freien auf, was die Bestrahlung der Haut zusätzlich reduziert.

Klinik und Verlauf

Bei Säuglingen macht sich die Rachitis durch Unruhe und Schreckhaftigkeit bemerkbar. Die Kinder haben einen schlaffen Muskeltonus und bewegen sich weniger als gesunde Kinder. Oft schwitzen sie vermehrt, vor allem am Hinterkopf.

Im weiteren Verlauf drohen folgende Beschwerden:

Knochendeformitäten. Wenn Kleinkinder mit dem Krabbeln und Laufen beginnen und der Knochen zu weich ist, können sich die Last tragenden Knochen verbiegen. Eine typische Folge davon sind O- oder X-Beine. Durch Verformung des Oberschenkelhalses entwickelt sich oft eine Art Watschelgang. Weitere Knochendeformitäten zeigen sich an den Knorpel-Knochen-Grenzen. Dadurch sind Knöchel, Handgelenke und Knie oft verdickt und die Enden der Rippen aufgetriebenen (sog. rachitischer Rosenkranz). Die weichen und geschwächten Knochen verbiegen sich aber nicht nur, sie brechen auch leichter als gesunde Knochen.

Wachstumsstörungen. Durch das gestörte Knochenwachstum sind die Kinder oft kleiner als ihre gesunden Altersgenoss*innen.

Zahnprobleme. Der Mangel an Vitamin D und Kalzium stört die Zahnentwicklung. Oft ist der Zahnschmelz defekt und die Betroffenen haben Karies und Löcher in den Zähnen.

Knochenschmerzen. Ältere Kinder leiden häufig unter Knochenschmerzen, vor allem, wenn Druck auf die Knochen ausgeübt wird. Die Knochenschmerzen schränken die Bewegungsfreude zusätzlich ein.

Muskelschwäche. Durch den Kalziummangel im Blut kann es zu einer verminderten Muskelspannung und Muskelschwäche kommen. Manche Kinder haben Probleme beim Aufstehen aus dem Sitzen, anderen fällt das Gehen schwer. Insgesamt sind die Kinder körperlich meist weniger aktiv als ihre gesunden Spielgefährten. Die typischen Meilensteine der Entwicklung (Sitzen, Gehen, Springen) werden deutlich später erreicht.

Muskelkrämpfe. Der ausgeprägte Kalziummangel im Blut macht außerdem Nerven (Tetanie) und Muskeln übererregbar. Dabei drohen Muskelkrämpfe an Händen und Füßen und Missempfindungen.

Infektanfälligkeit. Vitamin D ist wichtig für ein funktionierendes Immunsystem. Kinder mit Rachitis sind deshalb bei einem Vitamin-D-Mangel anfälliger für Infekte.

Kinder mit einer hypophosphatämischen Rachitis leiden überwiegend unter Knochenverformungen, schlechtem Knochenwachstum mit Kleinwuchs sowie Gelenk- und Knochenschmerzen. Da sie keinen Vitamin-D- bzw. Kalziummangel aufweisen, kommt es bei ihnen allerdings nicht zu Krampfanfällen oder Tetanien.

Komplikationen

Starker Kalziummangel im Blut begünstigt die Entwicklung epileptischer Anfälle. Diese können auch schon bei betroffenen Säuglingen auftreten.

Eine ausgeprägte Verformung der Rippen und des Brustkorbs kann die Atmung behindern und eine Lungenfunktionsstörung auslösen.

Diagnosesicherung

Beim Verdacht auf eine Rachitis wird das Kind zunächst gründlich untersucht. Oft sind die typischen Symptome wie der abgeflachte Hinterkopf oder X- oder O-Beine auf einen Blick zu erkennen. Säuglinge haben häufig einen durch die schlaffe Bauchmuskulatur verursachten "Froschbauch". Die Ärzt*in prüft zudem die motorischen Fähigkeiten des Kindes. Informationen über Auffälligkeiten der Entwicklung sind in der Regel im gelben Untersuchungsheft (U-Heft) dokumentiert.

Die Eltern des Kindes werden außerdem zu den Ernährungsgewohnheiten und zur Vitamin-D-Prophylaxe befragt. Auch die Lebensgewohnheiten zur Einschätzung der Situation sind wichtig, z. B. ob das Kind viel draußen spielt oder die meiste Zeit des Tages im Haus verbringt.

Laboruntersuchungen

Gesichert wird die Diagnose durch Blutuntersuchungen und Röntgenaufnahmen. Bei der Vitamin-D-Mangel-Rachitis ist im Blut das Vitamin D stark erniedrigt (gemessen als 25-Hydroxyvitamin  D) und das Knochenenzym Alkalische Phosphatase (AP) stark erhöht. Ebenfalls erhöht ist der Spiegel des Parathormons (PTH). Die Kalzium- und Phosphatwerte können im frühen Stadium noch normal sein, sinken aber im Verlauf meist ab.

Bei der seltenen hypophosphatämischen Rachitis ist der Phosphatwert im Blut erniedrigt und die alkalische Phosphatase mäßig erhöht. Kalzium, Vitamin D und Parathormon liegen im Normbereich. Im Urin lassen sich hohe Phosphatwerte nachweisen, bedingt durch die vermehrte Ausscheidung.

Radiologische Diagnostik

Zum Nachweis und zur Beurteilung des Schweregrads einer Rachitis dienen Röntgenbilder. Darin kann man z. B. unregelmäßige Knochenkonturen, verbreiterte Gelenkspalten, verdichtete Knochen-Knorpel-Grenzen oder verformte Knochen gut erkennen.

Differenzialdiagnose. Ein verbogener Unterschenkel ist auch das Zeichen einer angeborenen Unterschenkelpseudarthrose.

Behandlung

Konservative Behandlung

Behandelt wird die Vitamin-D-Mangel-Rachitis mit der (altersangepassten) Gabe von hoch dosiertem Vitamin D3 und Kalzium. In der Regel normalisieren sich die Blutwerte innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Auch Knochendeformationen bilden sich meist wieder zurück. Bis zur Begradigung der Beinachsen (der X- oder O-Beine) kann es allerdings zwei bis drei Jahre dauern.

Säuglinge erhalten nach der zwölfwöchigen Therapie bis zum Ende des ersten Lebensjahres die übliche Vitamin-D-Prophylaxe. Bei Kleinkindern und Jugendlichen muss nach der Vitamin-D-Therapie eine ausreichende Sonnenexposition und eine Kalziumzufuhr gewährleistet sein. Ist dies nicht der Fall, benötigen auch sie eine ärztlich verordnete Vitamin-D-Prophylaxe.

Leidet das Kind unter einer hypophosphatämischen Rachitis, bekommt es zusätzlich Phosphat als Lösung zum Trinken oder als Tabletten. In manchen Fällen wird die Erkrankung auch mit dem Antikörper Burosumab therapiert.

Operativ

In seltenen Fällen müssen orthopädische Chirurg*innen die Beinfehlstellungen mit einer Operation korrigieren. Im Rahmen einer Osteotomie wird dabei z. B. ein verbogener Knochen operativ durchtrennt, neu ausgerichtet und mit Platten oder Schrauben in korrekter Lage seiner Achse fixiert.

Prognose

Die früh entdeckte und behandelte Rachitis hat eine gute Prognose. Blutwerte und leichte Knochendeformitäten normalisieren sich innerhalb weniger Wochen. Auch Fehlstellungen der Beine bilden sich unter einer Therapie mit Vitamin D und Kalzium meist von selbst wieder zurück – hierbei ist allerdings Geduld gefragt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Sonnenlicht. Für die körpereigene Vitamin-D-Bildung ist Sonnenlicht unverzichtbar. Wieviel Zeit man in der Sonne verbringen soll, hängt vom Hauttyp und der Sonneneinstrahlung ab. Zur Vitamin-D-Bildung reichen für hellhäutige Kinder meist wenige Minuten täglich. Die individuelle Beratung durch die Kinderärzt*in hilft dabei, die für das jeweilige Kind richtige Sonnendosis zwischen zu wenig und zu viel zu finden.

Ernährung. Wichtig zur Behandlung und Vorbeugung einer Rachitis ist die Ernährung. Es sollen vermehrt Lebensmittel verzehrt werden, die reich an Vitamin D und Kalzium sind. Dazu gehören öliger Fisch, Getreideprodukte, Haferflocken, Eier, grünes Blattgemüse und Milchprodukte.

Vitamin-D-Prophylaxe. Vitamin-D-Mengen werden in Mikrogramm (µg) oder in Internationalen Einheiten (I.E.) angegeben: 1 µg D3 = 40 I.E. Säuglinge erhalten im ersten Lebensjahr zur Vorbeugung einer Rachitis eine Prophylaxe mit 500 I.E. Vitamin D3 pro Tag. Eine ausreichende Kalziumzufuhr muss dabei ebenfalls gewährleistet sein. Auch Risikogruppen benötigen eine Prophylaxe. Dazu gehören Kinder mit dunkler Hautfarbe. Wie hoch die erforderliche Dosierung des Vitamin D sein muss, rät in diesen Fällen die Kinderärzt*in.

Hinweis: Die gesamte Menge an aufgenommenem Vitamin D (Nahrung und Tabletten) sollte bei Kindern bis 10 Jahren 50 Mikrogramm nicht überschreiten. Eine Überdosierung kann zu Nierensteinen und Nierenverkalkung führen.

Weiterführende Informationen

Die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Vitamin D finden sich auf deren Webseite unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/

Von: Dr. med. Sonja Kempinski
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Masern auf dem Vormarsch

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Masern sind hochansteckend und gefährlich. Und in Europa wieder auf dem Vormarsch. Als Ursache dafür sehen Expert*innen den Rückgang der Impfraten.

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Masern gehören zu den typischen Kinderkrankheiten. Doch immer häufiger befällt das Masernvirus auch Jugendliche und Erwachsene. Bei ihnen ist der Verlauf meist deutlich schwerer als bei kleinen Kindern. Es drohen vermehrt Komplikationen wie Lungen- oder Gehirnentzündung. In seltenen Fällen kommt es noch Jahre nach der Erkrankung zu einer sklerosierenden Panenzephalitis, einer Gehirnentzündung, die immer tödlich verläuft.

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Die Masernimpfung hat dazu geführt, dass sich immer weniger Menschen mit dem Masernvirus anstecken. Außerdem schützt die Impfung vor schweren Verläufen, sodass weniger Erkrankte daran sterben. Doch jetzt schlagen die Behörden Alarm: Bereits letztes Jahr sind die Fälle an Maserninfektionen in Europa stark angestiegen. Aus 40 der 53 EU-Länder wurden dem Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) über 30000 Fälle gemeldet. Österreich und Rumänien gehören zu den am stärksten betroffenen Ländern - in Rumänien kam es sogar zu sechs Todesfällen.

Durchimpfungsrate zu niedrig

Doch bei diesen Masernausbrüchen wird es wohl nicht bleiben. Das ECDC geht davon aus, dass die Zahl der Masernfälle in den nächsten Monaten weiter steigen wird. Ursache ist laut ECDC die Impfmüdigkeit der Bevölkerung. Wenn nicht möglichst alle Kinder zweimal gegen Masern geimpft werden, sinkt die Durchimpfungsrate. Die muss über 95 % liegen, um eine Verbreitung von Masern zu verhindern. Das bedeutet, dass von 100 Kindern mindestens 95 gegen Masern geimpft sein müssen. In Deutschland ist dies bei den Kindern bis zur Einschulung nur in Hessen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern der Fall.

Kinderärzt*innen und Robert Koch-Institut mahnen deshalb immer wieder, die Impftermine wahrzunehmen. Die STIKO empfiehlt die Masernimpfung in Kombination mit Mumps und Röteln. Die erste Impfung soll zwischen dem 11. und dem 14. Monat erfolgen, die zweite als Auffrischung im Alter von 15 bis 23 Monaten.

Auch Erwachsene impfen!

Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden und nicht wissen, ob sie geimpft worden sind oder nicht, wird ebenfalls die Impfung empfohlen. Ältere Personen benötigen sie nicht – denn sie haben die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst durchgemacht.

Quellen: www.kinderaerzte-im-netz.de, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Oksana Kuzmina / Alamy / Alamy Stock Photos