Gesundheit heute

Beziehungsaufbau von Eltern und Neugeborenem

Nach der notwendigen medizinischen Versorgung sind Mutter, Vater und Kind an der Reihe. Bonding (bond = binden) bezeichnet das gegenseitige Kennenlernen und Sich-aneinander-Gewöhnen von Kind und Eltern. Berühren, Riechen und Anschauen sind wichtig, weil hier die Wurzeln für die Beziehung zwischen Eltern und Kind gelegt werden.

Das Kind hat dafür ein wunderbares Verhaltensrepertoire im wahrsten Sinne des Wortes in die Wiege gelegt bekommen: Es ist in den ersten 40–60 Minuten nach der Geburt äußerst wach und aufmerksam, sieht die Eltern direkt an, schmiegt sich an ihre Körper und sucht instinktiv nach der Brust. Auch für die Stillbeziehung hat das erste Anlegen und die Phase nach der Geburt immense Bedeutung. In dieser Zeit sollten sich Mutter und Vater Ruhe und eine angenehme Atmosphäre gönnen – wann immer möglich, respektiert eine gute Geburtsklinik diesen Wunsch. Wer Fragen oder Angst hat, „etwas falsch zu machen“ (was übrigens kaum vorkommt), dem hilft die Hebamme weiter.

Die amerikanischen Kinderärzte Marshall Klaus und John Kenell veröffentlichten 1973 gemeinsam mit der Psychotherapeutin Phyllis Klaus eine damals Aufsehen erregende Studie zur frühen Mutter-Kind-Beziehung, die zeigte, dass der Kontakt zwischen Mutter und Kind in den ersten drei Tagen nach der Geburt das spätere Fürsorgeverhalten eindeutig positiv beeinflusst. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde die strikte Trennung von Mutter und Kind, die damals in den Kliniken üblich war, aufgegeben. Die Wissenschaftler definierten Bonding als die „Gefühlsverbindung der Eltern zu ihrem Kind“. Mittlerweile wird der Begriff allerdings meist für den Prozess verwendet, durch den die Eltern-Kind-Bindung zustande kommt.

  • Geben Sie Ihrem Kind in den ersten 30 Minuten nach der Geburt Gelegenheit, die Brust und die Brustwarze zu berühren.
  • Legen Sie das Kind an – so bekommt es die Erstmilch, Kolostrum, die neben essenziellen Eiweißen und Fettsäuren viele Mineralstoffe enthält.
  • Halten Sie Hautkontakt mit dem Kind.

Rooming-In

Wenn Sie können und wollen, ist Rooming-In, also das Behalten des Kindes im Zimmer der Mutter, eine gute Möglichkeit, die Beziehung zum Kind zu festigen. War die Geburt sehr anstrengend oder sind Sie einfach sehr ruhebedürftig, sollten Sie sich aber nicht scheuen, das Kind in die Obhut der Kinderschwestern zu geben – und das ohne schlechtes Gewissen.

So wichtig die ersten Stunden und Tage nach der Geburt sind – Neugeborene sind zum Glück auch flexibel: Bonding ist beim Menschen nicht an eine kurze prägende Lebensphase gebunden, sondern ist vor allem ein sozialer Prozess.

Dies zeigen etwa Adoptionen, bei der sehr wohl gelingende Bindungen entstehen – selbst wenn diese Bindung bei der Adoption älterer Kinder erst viele Jahre nach der Geburt zustande kommt. Kontinuität, Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit in der Zuwendung dem Kind gegenüber sind entscheidend für eine tragfähige Beziehung.

Von: Dr. med. Katja Flieger, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Fehlbildungen durch Diabetesmittel?

Auch Väter können Geburtsdefekte auf ihren Nachwuchs übertragungen.

Fehlbildungen durch Diabetesmittel?

Nur Jungs betroffen

Die Einnahme von Tabletten gegen Diabetes könnte einer aktuellen Studie zufolge die Fehlbildungsrate bei Jungen erhöhen. Allerdings nur, wenn der Vater die Diabetesmedikamente in den letzten drei Monaten vor der Zeugung einnimmt.

Veränderungen am Genitale

Manche Arzneimittel führen zu Geburtsfehlern beim Nachwuchs. Dabei ist es nicht nur gefährlich, wenn die Mutter diese Medikamente einnimmt. Auch Arzneimittel, die der werdende Vater vor der Zeugung schluckt, können dem Ungeborenen schaden.

Dänische Forscher*innen haben nun herausgefunden, dass womöglich Diabetesmedikamente riskant sind. Sie untersuchten die Daten von 1,1 Million Neugeborenen und Eltern. Das Ergebnis: Hatte der Vater in den drei Monaten vor der Zeugung den Wirkstoff Metformin eingenommen, erhöhte sich das Risiko für Geburtsfehler um das Dreifache. Die Vergleichsgruppe waren Kinder, deren Väter dieses Medikament nicht eingenommen hatten. Betroffen waren dabei nur die Jungen, wobei sich die meisten Fehlbildungen in ihrem Genitalbereich befanden. Geschwister, die der Vater zu einer Metformin-freien Zeit gezeugt hatte, waren ohne Geburtsdefekte.

Insulin war ohne Einfluss

In dieser Untersuchung steigerte auch das Diabetesmittel Sulfonylharnstoff das Fehlbildungsrisiko. Eine antidiabetische Behandlung mit Insulin hatte dagegen keinen Einfluss auf die Rate an Geburtsfehlern.

Metformin hat womöglich einen Einfluss auf die Entwicklung der Spermien. Im Tierexperiment führte der Wirkstoff zu gestörten Stammzellen im Rattenhoden. Noch ist unklar, ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, meint Prof. Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes Zentrum der Leibniz Universität Düsseldorf.

Noch kein Grund zu Therapieänderung

Anhand dieser einen Studie die Therapieempfehlung zu ändern, hält der Experte für verfrüht. Sollten sich die Ergebnisse allerdings durch andere Untersuchungen bestätigen, wäre bei Vätern mit Diabetes und Kinderwunsch die Insulinbehandlung eine Alternative.

Quelle: Ärzteblatt

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Addictive Stock/imago-images.de