Gesundheit heute

Hodenfehllagen

Hodenfehllagen (Lageanomalien des Hodens): Lage eines oder beider Hoden außerhalb des Hodensacks. Hodenfehllagen entstehen schon vor der Geburt; bei 3 % der termingerecht geborenen Jungen und 9–30 % der Frühgeburten liegen zum Zeitpunkt der Geburt ein Hoden oder auch beide nicht im Hodensack.

Ursache ist eine Störung des Hodenabstiegs durch den Leistenkanal in den Hodensack während der vorgeburtlichen Entwicklung. Der Hoden bleibt also oberhalb des Hodensacks hängen (Hodenhochstand, Maldescensus testis).

80 % der hochstehenden Hoden wandern innerhalb der ersten Lebensmonate spontan in den Hodensack. Ist dies nicht der Fall, wird der Hoden bis zum 1. Geburtstag operativ oder mit einer Hormontherapie in den Hodensack verlagert, um das Risiko für Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und Hodenkrebs zu verringern.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Einseitig oder beidseitig leerer oder verkleinerter Hodensack ohne Falten.

Wann zum Arzt

In den nächsten Wochen, wenn

  • der Hoden auch in der warmen Badewanne nicht im Hodensack zu tasten ist.

Die Erkrankung

Ursachen

In der Embryonalzeit liegt der Hoden zunächst noch auf Höhe der Nieren und wandert erst dann über den Leistenkanal in den Hodensack. Dieser Abstieg (Hodendeszensus) unterliegt einem komplizierten Mechanismus, der von verschiedenen Hormonen gesteuert wird. Ursachen für einen sogenannten Maldescensus, also einen nicht vollständigen Hodenabstieg, sind:

  • Hormonmangel (zu wenig Androgene) oder Enzymdefekte, durch die ausreichend vorhandenes Androgen nicht auf die Zielorgane einwirken kann
  • Angeborene genetische Defekte
  • Behandlung der Mutter mit Clomifem, z. B. im Rahmen einer künstlichen Befruchtung
  • Verminderter Druck in der Bauchhöhle im Rahmen eines angeborenen Bauchdeckendefekts (Omphalozele, Gastroschisis)
  • Mütterlicher Alkohol- oder Nikotinkonsum.

Formen

Je nachdem, wo sich der Hoden befindet, unterscheidet man verschiedene Hodenfehllagerungen:

  • Leistenhoden (Inguinalhoden): Mit 70 % häufigste Form des Hodenhochstands, bei der sich der Hoden im Leistenkanal befindet. Sie tritt häufig in Kombination mit angeborenen Leistenbrüchen auf. Bauchhoden: Einer oder beide Hoden bleiben im Bauchraum. Meist liegt hier ein Kryptorchismus vor, d. h., dass ein Hoden weder sichtbar noch tastbar ist. Eine Anorchie (= völliges Fehlen eines oder beider Hoden) muss hier ausgeschlossen werden.
  • Gleithoden: Lage des Hodens knapp oberhalb des Hodensacks, zusätzlich ist der Samenstrang im Leistenkanal zu kurz. Der Hoden kann zwar in den Hodensack gezogen werden, gleitet aber nach dem Loslassen sofort wieder zurück.
  • Ektope Hoden: Einer oder beide Hoden liegen außerhalb der natürlichen Abstiegsstrecke, z. B. unter der Bauchhaut im Bereich der Leiste, nahe der Peniswurzel oder im Bereich des Oberschenkels.

Drohende Folgen und Komplikationen

Die normale Hodenlage ist wichtig, weil es nur im Hodensack kühl genug ist, um im Erwachsenenalter befruchtungsfähige Spermien zu bilden. In 70 % der Fälle droht bei unbehandelter beidseitiger Hodenfehllage eine Unfruchtbarkeit durch Schädigung dieser Stammzellen. Ein weiteres Problem ist das Risiko für Leistenbrüche, Hodentorsionen und die Entwicklung eines Hodenkrebses, das um ein Vielfaches erhöht ist.

Durch die rechtzeitige Operation mit Verlagerung des Hodens in den Hodensack bis zum 1. Geburtstag sollen Schäden in der Spermienreifung vermieden werden. Auch das Tumorrisiko wird vermindert, bleibt aber trotzdem lebenslang erhöht.

Sonderfall: Pendelhoden

Von den Hodenfehllagen abzugrenzen ist der Pendelhoden, bei dem sich die Hoden überwiegend im Hodensack befinden und nur zeitweilig nach oben rutschen. Ursache ist ein überaktiver Reflex des Hodenmuskels, der z. B. durch Kälte ausgelöst wird. Pendelhoden sind grundsätzlich harmlos, müssen jedoch kontrolliert werden, um den Übergang in einen Gleithoden auszuschließen.

Diagnosesicherung

Der Arzt versucht, den Hoden innerhalb des Hodensacks oder in der Leiste zu ertasten oder per Ultraschall zu finden. Bei speziellen Fragestellungen, z. B. nach weiteren Fehlbildungen, wird bei Bedarf eine Kernspinuntersuchung durchgeführt.

Sind die Hoden weiterhin nicht auffindbar, schließen sich Laboruntersuchungen an, um festzustellen, ob überhaupt Hodengewebe vorhanden ist. Dazu spritzt der Arzt dem Kleinkind das Schwangerschaftshormon Beta-HCG ins Muskelgewebe, wodurch normalerweise die Hormonproduktion des Hodens angeregt wird. Nach 1–2 Tagen kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Testosteronwerts im Blut – bleibt dieser aus, so geht der Arzt davon aus, dass die Hoden komplett fehlen (Anorchie).

Besteht nun der Verdacht auf Bauchhoden, hilft eine Bauchspiegelung, Laparoskopie, die Hoden aufzufinden und zu entscheiden ob sie entfernt oder in den Hodensack verlagert werden.

Behandlung

Bauchhoden – Leistenhoden – Gleithoden

70–80 % der nicht herabgewanderten Hoden finden innerhalb von 3 Monaten nach der Geburt doch noch ihren Weg in den Hodensack. Ist dies nicht der Fall, beginnt die Therapie mit dem 6. Lebensmonat und sollte bis zum 1. Geburtstag abgeschlossen sein (siehe oben). Zur Verlagerung des Hodens in den Hodensack gibt es 2 Wege, die Hormonbehandlung und die Operation.

Hormonbehandlung. Eine Hormontherapie stimuliert die Bildung von Testosteron und unterstützt damit das spontane Herabwandern des Hodens. Die Hormone gibt es als Nasenspray (LHRH = Luteinisierendes Hormon Releasing Hormon: 3 x täglich für ca. 4 Wochen) oder sie werden direkt ins Muskelgewebe gespritzt (Beta-HCG = Humanes Choriongonadotropin: 1 x wöchentlich für 5 Wochen). Häufig werden die beiden Verfahren auch kombiniert: Auf die Therapie mit Nasenspray (2–4 Wochen) folgt die weitere Behandlung mit Spritzen (3 Wochen).

Die Hormontherapie kommt nur beim Hodenhochstand in Frage, beim ektopen Hoden zeigt sie keine Wirkung. Sie erfolgt zwischen dem 6. Monat und dem 1. Geburtstag, danach wird sie wegen zu erwartender Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen.

Inzwischen ist die Hormontherapie jedoch umstritten, manche Experten lehnen sie sogar komplett ab. Hintergrund ist die enttäuschende Erfolgsrate (nur 20 %) und die Tatsache, dass jeder 4. Hoden wieder "aufsteigt". Außerdem steht Beta-HCG in Verdacht, die Fruchtbarkeit zu verschlechtern. Die Behandlung mit LHRH soll dagegen die Fruchtbarkeit verbessern, eine abschließende Beurteilung ist dazu jedoch noch nicht möglich.

Operative Behandlung. Bei der Operation legt der Arzt den Samenstrang frei, an dem Nebenhoden und Hoden hängen (Funikulyse). Anschließend zieht er den Hoden nach unten und näht ihn spannungsfrei im Hodensack fest (Orchidopexie). Der Eingriff wird unter Vollnarkose vorgenommen, denn der Patient muss unbedingt still liegen. Um eine Nachblutung in der operierten Körperregion zu vermeiden, sollte sich das Kind in den ersten Tagen körperlich schonen. Bei Infektionsanzeichen (Rötung, Schwellung des Hodens) oder starken Schmerzen ist unbedingt der Arzt aufzusuchen, weitere Kontrollen werden ambulant durchgeführt. Bei beidseitigem Hodenhochstand empfehlen einige Experten eine postoperative Hormonbehandlung, um die Fruchtbarkeit zu verbessern.

Sollten die Hoden nur sehr klein sein (häufig bei Bauchhoden), sind sowohl die Hormonbildung als auch die Spermienbildung stark gestört. Da "funktionsuntüchtig", sollten sie wegen des Tumorrisikos entfernt werden. Das Einsetzen einer Hodenprothese aus kosmetischen Gründen ist möglich, sollte allerdings erst nach der Pubertät erfolgen.

Ektoper Hoden

Beim ektopen Hoden ist eine Hormonbehandlung zum Anstoßen des natürlichen Abstiegs zwecklos, hier muss immer operiert werden.

Nachsorge

Im ersten Jahr nach der Operation kontrolliert der Arzt alle 3 Monate, ob der Hoden sich noch in der korrekten Lage befindet. Ist dies nicht der Fall, wird erneut operiert. Ab dem 15. Lebensjahr muss der Patient regelmäßig auf Hodenkrebs untersucht werden.

Prognose

Bis zu 80 % der verlagerten Hoden wandern innerhalb von 3 Monaten nach Geburt spontan in den Hodensack. Besonders häufig passiert dies bei Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht, beidseitigem Hodenhochstand und normalen Hodensäcken.

Der unbehandelte Hodenhochstand führt zu einer eingeschränkten Zeugungsfähigkeit. Ob die Operation die Fruchtbarkeit verbessert, ist umstritten, das Gleiche gilt für die Hormonbehandlung.

Die Rate eines Hodentumors ist bei allen Betroffenen 3–8-fach erhöht. Bei unbehandeltem Hodenhochstand steigt das Risiko sogar noch an und liegt bis zu 30-fach über dem Risiko der Normalbevölkerung.

Ihr Apotheker empfiehlt

  • Wenn Ihr Kind wegen eines Hodenhochstands operiert wurde oder eine Hormonbehandlung erhalten hat, prüfen Sie regelmäßig, ob die Hoden noch korrekt im Hodensack liegen.
  • Bei Hodenhochstand ist das Krebsrisiko erhöht. Zur Früherkennung sollten Betroffene (wie im übrigen alle Männer zwischen 14 und 40) monatlich ihre Hoden auf Verhärtungen abtasten, möglichst in entspannter Stellung unter der Dusche oder in der Badewanne. Damit die Selbstuntersuchung nicht zum Tabuthema wird, sollten Eltern ihre Söhne rechtzeitig darüber aufklären. Broschüren dazu gibt es z. B. bei den Kinderärzten (siehe unten).

Weiterführende Informationen

Link zu einer Broschüre zur Selbstuntersuchung der Hoden für Jungen auf der Website www.kinderaerzte-im-netz.de: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/fileadmin/pdf/Broschueren_Dr._B._Stier/160318_Achte_auf_deine_Nuesse_-Flyer_bvkj-autorisiert.pdf

  • www.leitlinien.net – Ärztliche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH, Berlin): Die Stichwortsuche Hodenhochstand liefert eine gute Übersicht zu Diagnostik und Therapiemöglichkeiten.
  • www.KinderaerzteimNetz.de – Internetseite des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Köln: Der Suchbegriff Hodenhochstand liefert eine gute und ausführliche Beschreibung der Erkrankung.
  • www.operieren.de – Internetseite des Berufsverbands für Ambulantes Operieren e. V. (BAO, Bonn): Zum Stichwort Hodenhochstand werden verständlich formulierte Informationen rund um die Operation bereitgestellt.

Von: Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was hilft bei vergrößerter Prostata?

Das Manneken Pis in Brüssel hat offensichtlich keine Prostatabeschwerden.

Was hilft bei vergrößerter Prostata?

Damit es wieder richtig läuft

Häufiger Harndrang, nächtliches Wasserlassen und ein schwacher Harnstrahl sind die typischen Beschwerden bei einer vergrößerten Prostata. In frühen Stadien helfen Allgemeinmaßnahmen, Medikamente und Pflanzenextrakte. Doch was kann man von der konservativen Therapie erwarten? Und wann muss operiert werden?

Sie wächst und wächst und wächst …

Die Prostata oder auch Vorsteherdrüse gehört zu den inneren Geschlechtsorganen des Mannes. Sie sitzt direkt unter der Blase und umschließt die daraus abgehende Harnröhre. Von dort aus gibt sie ein Sekret ab, das die Spermien nährt und sie vor dem sauren Sekret in der Scheide schützt. Außerdem ziehen sich die Muskelzellen der Prostata beim Orgasmus zusammen. Dadurch wird der Samenerguss ruckartig durch die Harnröhre ausgestoßen. Die Kontraktion der Prostata verhindert gleichzeitig, dass das Sperma in die falsche Richtung, nämlich in die Blase fließt.

Beim gesunden jungen Mann ist die Prostata mit einem Durchmesser von 3,5 cm etwa kastaniengroß. Doch ab dem 30. Lebensjahr beginnt die Drüse, sich bei vielen Männern zu vergrößern. Die Ursache dafür ist noch unklar. Von einer solchen gutartigen Prostatavergrößerung (benigne Prostatahypertrophie, BPH) sind bei den 60-Jährigen etwa 45% betroffen, bei den 70-Jährigen etwa 70% und bei den 80-Jährigen sogar 80%.

Eine leichte BPH muss keine Beschwerden machen. Ab einem gewissen Volumen engt eine vergrößerte Prostata jedoch die Harnröhre ein. Das stört das Wasserlassen, die Blase lässt sich irgendwann nicht mehr komplett entleeren. In diesem Stadium spricht man vom gutartigen (benignen) Prostata-Syndrom (BPS). Dies sind die typischen Beschwerden:

  • lästiger Harndrang
  • häufiges, auch vermehrt nächtliches Wasserlassen
  • schwacher bis tröpfelnder Harnstrahl, Nachträufeln
  • erschwertes, manchmal schmerzhaftes Wasserlassen
  • Gefühl, dass die Blase nicht vollständig entleert wird (Restharn).

Hinweis: In sehr seltenen Fällen löst eine vergrößerte Prostata einen kompletten Harnverhalt aus. Dann kann man trotz hohem Blasendruck und starken Schmerzen kein Wasser lassen. Bei diesem Notfall legt die Ärzt*in zunächst einen Urinkatheter durch die Harnröhre und lässt den Harn so aus der Blase ab. Einige Tage später wird dann meist die Prostata operativ verkleinert.

Erst die Diagnose!

Kommt es zu den oben genannten Beschwerden, sollten diese – auch wenn sie nur mild sind - ärztlich abgeklärt werden. Zwar steckt sehr häufig eine gutartige Prostatavergrößerung dahinter. Probleme beim Wasserlassen können aber andere Ursachen haben. Dazu gehören z.B. Harnsteine, Harnwegsinfektionen und die Entzündung der Prostata (Prostatitis), aber auch bösartige Prostatageschwülste wie der Prostatakrebs.

Steht die Diagnose BPS, wird sie je nach Beschwerden in verschiedene Stadien eingeteilt. Danach richten sich dann auch die Behandlungsoptionen.

  • Im Stadium 1 (Reizblasenstadium) kommt es nur zu ausgeprägtem Harndrang und häufigem Wasserlassen, auch nachts.
  • Im Stadium 2 (Restharnstadium) ist die Harnröhre schon so verengt, dass immer Restharn in der Blase bleibt. Hier drohen Blaseninfektionen und Blasensteine.
  • Im Stadium 3 (Dekompensationsstadium) ist der Harnabfluss aus der Blase so stark gestört, dass sich der Urin von der Blase zurück in Harnleitern und Niere staut. Deshalb spricht man auch von einer Überlaufblase. Der Rückstau bringt die Niere in Gefahr, im schlimmsten Fall droht ein Nierenversagen.

Vom Beobachten bis zur Operation

Die Behandlung der vergrößerten Prostata richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden und reicht vom „aktiven Beobachten“ mit regelmäßigen Kontrollen über die Einnahme pflanzlicher Arzneimittel und Medikamente bis zur Operation. In allen Stadien sind folgende Allgemeinmaßnahmen sinnvoll:

  • Vor dem Schlafengehen weniger trinken. Die empfohlene Trinkmenge von 1,5 Litern über den Tag verteilen.
  • Alkohol, Kaffee und grünen/schwarzen Tee nur in Maßen konsumieren. Sie entwässern stark und fördern dadurch den Harndrang.
  • Direkt nach dem Wasserlassen einen kurzen Moment warten und dann noch einmal versuchen, zu urinieren. Damit entleert sich die Blase besser.
  • Die Harnröhre nach dem Urinieren ausstreichen.
  • Die Blase trainieren. Die Speicherfähigkeit der Blase lässt sich erhöhen, indem man den Toilettengang beim Harndrang etwas hinauszögert.

Hinweis: Manche für andere Erkrankungen eingenommenen Medikamente verstärken die Prostatabeschwerden, indem sie (ungewünscht) entwässern oder auf die Blase wirken. Es macht deshalb Sinn, alle einzunehmenden Präparate von der Ärzt*in darauf zu prüfen zu lassen.

Chemisch oder pflanzlich?

In Stadium 1 und bei leichten Formen des Restharnstadiums (Stadium 2) reicht ergänzend zu den oben genannten Allgemeinmaßnahmen eine konservative Therapie mit Medikamenten meist aus. Bei den verschreibungspflichtigen Wirkstoffen unterscheidet man folgende Gruppen:

Alpha-1-Blocker entspannen die Muskulatur an Prostata und Harnröhre und verbessern dadurch den Urinabfluss. Sie wirken deshalb relativ schnell. Die Größe der Prostata verändern sie nicht. Schwindel, Müdigkeit und Kopfschmerzen sind ihre typischen Nebenwirkungen.

5-alpha-Reduktasehemmer hemmen den wachstumsfördernden Einfluss von Testosteron auf die Prostata. Die Prostata wird nicht größer, bei manchen Patienten schrumpft sie sogar wieder. Bis sich dadurch die Beschwerden bessern, dauert es bis zu einem Jahr. Wichtige Nebenwirkung dieser Substanzgruppe sind Libidoverlust und erektile Dysfunktion.

Da sich Alpha-1-Blocker und 5-alpha-Reduktasehemmer in ihrer Wirkung ergänzen, verordnet die Ärzt*in häufig eine Kombinationstherapie aus beiden Wirkstoffen. Auf diese Weise werden die Beschwerden rasch gelindert und das Fortschreiten der Prostatavergrößerung aufgehalten.

Zu den weiteren chemischen Wirkstoffen gehören Antimuskarinika. Sie entspannen die Blasenmuskulatur und bessern Beschwerden wie Harndrang und häufiges Wasserlassen. Als Nebenwirkung verursachen sie Mundtrockenheit. Auch Phosphodiesterase-Typ 5-Hemmer sind effektiv bei BPS. Sie entspannen die Muskelzellen des unteren Harntrakt und lindern dadurch die Beschwerden. Ob sie einen Einfluss auf die Prostatagröße haben, ist noch nicht bekannt. Häufige unerwünschte Wirkungen bei Phosphodiesterasehemmern sind Kopfschmerzen und Hitzewallungen.

Manche Männer mit BPS möchten keine chemischen Medikamente einnehmen, sondern lieber natürliche Wirkstoffe. In Deutschland werden bei Prostatabeschwerden vor allem Extrakte aus folgenden Pflanzen eingesetzt:

  • Sägepalmenfrüchte
  • Brennnesselwurzeln
  • Kürbissamen
  • Gräserpollen, Roggenpollen.

Wie gut pflanzliche Extrake bei BPS helfen, wird unterschiedlich beurteilt. Zumindest in Laborversuchen konnten verschiedene Wirkungen nachgewiesen werden. Dazu gehörten z.B. entzündungshemmende und antihormonelle Effekte. Sägepalmenextrakt hatte zudem einen Einfluss auf die glatte Muskulatur im Bereich von Prostata und Blasenmuske, Kürbiskerne waren antioxidativ. In klinischen Studien mit Patienten waren die Ergebnisse jedoch unterschiedlich. So zeigten sich in einigen Untersuchungen positive Effekte auf die Beschwerden des Wasserlassens und die Lebensqualität. Für keines der pflanzlichen Extrakte konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sie das Fortschreiten der Prostatavergrößerung aufhalten. Aufgrund der unbefriedigenden Datenlage werden seit 2004 pflanzliche Extrakte zur Behandlung des BPS von den allermeisten Krankenkassen nicht mehr erstattet.

Die Extrakte sind alle gut verträglich. Deswegen spricht nichts dagegen, es bei sehr milden BPS-Beschwerden zunächst mit einer pflanzlichen Behandlung versuchen. Die Wirkstoffe stehen als Monotherapie und als Kombinationspräparate (z.B. Extrakte aus Sägepalmenfrüchten und Brennnesselwurzel) zur Verfügung.

Hinweis: Pflanzliche Extrakte für die Prostata gibt es in einer großen Vielzahl. Für die bestmögliche Auswahl sollte man sich in der Apotheke beraten lassen.

Wenn Medikamente nicht ausreichen

Um drohende Blasen- und Nierenschäden abzuwenden, muss spätestens im Stadium 3 die Prostata mit einer Operation verkleinert werden. Auch im Stadium 2 ist dies häufig ratsam, z.B. wenn die Restharnmenge zu groß wird oder der Blasenauslassmuskel zu dick.

Für die operative Therapie gibt es verschiedene Verfahren. Am häufigsten nutzt man dabei den Weg über die Harnröhre. Die Chirurg*in geht also mit einem Endoskop in die Harnröhre ein und trägt von dort die Prostata mithilfe von Strom, Mikrowellen oder einem Laser schichtweise ab. Manchmal wird das Prostatagewebe auch nur eingeschnitten, um der Harnröhre mehr Platz zu verschaffen.

Ist die Prostata sehr groß, muss offen operiert werden. Das heißt, dass der Chirurg sich über einen Schnitt Zugang zur Prostata verschafft. Entweder wird die Prostata dann komplett entfernt oder nur ein Teil des Gewebes. Ein neueres Verfahren ist der künstliche Verschluss (Embolisation) der Prostatagefäße (Prostata-Arterien-Embolisation, PAE). Durch die verminderte Blutversorgung sterben Teile der Prostata ab, wodurch diese schrumpft.

Quellen: Jenett-Siems K, DAZ 2022, 14:32, Leitlinien Konservative und medikamentöse Therapie des benignen Prostatasyndroms

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Anibal Trejo/shutterstock.com