Gesundheit heute

Zyklusstörungen und Monatsblutungsstörungen

Zyklusstörungen und Monatsblutungsstörungen
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Zyklusstörungen (dysfunktionelle Blutungen): Vom Normalverlauf abweichender Monatszyklus wie Ausbleiben der Monatsblutung, verlängerter Menstruationszyklus, verkürzter Menstruationszyklus, Schmierblutungen und Zwischenblutungen.

Monatsblutungsstörungen (Menstruationsstörungen): Vom Normalverlauf abweichende Monatsblutung wie verstärkte, abgeschwächte und verlängerte Monatsblutung.

Die überwiegende Zahl der Frauen ist in (mindestens) einer Lebensphase von diesen Störungen betroffen. Der Behandlungsbedarf ergibt sich aus den Beschwerden oder einer mit der Zyklusstörung verbundenen Unfruchtbarkeit.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Ausbleiben der Blutung
  • Längerer oder kürzerer Zyklus als normal
  • Schmier- oder Zwischenblutungen.

Wann zum Frauenarzt

In den nächsten Wochen, wenn

  • die Monatsblutung plötzlich ohne erkennbare Ursache ausbleibt und ein selbst durchgeführter Schwangerschaftstest negativ ausgefallen ist.
  • erstmals Schmierblutungen auftreten.
  • die Monatsblutung so häufig und unregelmäßig kommt, dass kein Rhythmus mehr erkennbar ist.
  • unregelmäßige Zwischenblutungen auftreten.
  • die Blutungen zu schwach sind und ein unerfüllter Kinderwunsch besteht.

In den nächsten Tagen, wenn

  • die Blutung wiederholt übermäßig stark ist oder länger dauert als normalerweise.
  • die Blutungen ausbleiben, nachdem sie eine Zeit lang regelmäßig waren.

Die Erkrankung

Nach ihrem zeitlichen Auftreten unterscheidet man Vor- und Nachblutungen sowie Zwischenblutungen. Je nach Ursache handelt es sich einerseits um hormonell bedingte (dysfunktionelle) Blutungen (Ovulationsblutung), andererseits um organisch bedingte Zusatzblutungen beispielsweise bei Schleimhautpolypen oder Endometritis. Myome und die Endometriose der Gebärmuttermuskulatur sorgen eher für verstärkte und/oder verlängerte Blutungen. Zusatzblutungen sind auch Anzeichen für ein Zervix- oder Endometriumkarzinom.

Im Einzelnen unterscheidet der Mediziner folgende Störungen der Blutungen:

Zyklusstörungen = gestörte Blutungsfrequenz

Ausbleiben der Monatsblutung (Amenorrhö). Länger als 3 Monate ausbleibende Blutung, ohne dass eine Schwangerschaft besteht. Kommt es während der Pubertät oder bis nach dem 16. Geburtstag zu keiner Blutung, spricht man von primärer Amenorrhö. Bleibt sie dagegen über 6 Monate oder öfter als dreimal hintereinander aus, nachdem schon ein normaler Zyklus bestanden hat, ist dies eine sekundäre Amenorrhö.

Verlängerter Menstruationszyklus (Oligomenorrhö). Länger als 35 Tage dauernder Menstruationszyklus. Diese Form wird auch als zu seltene Regelblutung bezeichnet. Die Blutung kommt seltener, Stärke und Dauer sind aber normal. Die Blutungen finden in Abständen von 6–12 Wochen statt (normaler Zyklus: 28 +/− 3 Tage). Behandlungsbedürftig ist der verlängerte Menstruationszyklus normalerweise nur bei bestehendem Kinderwunsch.

Verkürzter Menstruationszyklus (Polymenorrhö). Weniger als 25 Tage dauernder Menstruationszyklus. Die Blutung kommt zu häufig, ist aber von normaler Stärke und Dauer. Verkürzte Menstruationszyklen treten vorwiegend bei Frauen über 35 Jahren auf. Die Störung wird dann behandelt, wenn die häufigen Blutungen für die Frau belastend sind oder der Blutverlust zu hoch ist. Da insbesondere bei älteren Frauen häufige Blutungen auch auf einen Tumor hinweisen, sollte ein plötzlich auftretender verkürzter Menstruationszyklus immer vom Arzt geklärt werden.

Schmierblutung (Spotting, Zusatzblutungen). Zusätzlich zur regelmäßigen Monatsblutung auftretende leichte Zwischenblutung. Schmierblutungen dauern 1–2 Tage und treten direkt vor der Monatsblutung (prämenstruelle Blutung) auf oder danach (postmenstruelle Blutung). Schmierblutungen in der Zyklusmitte kurz vor dem Eisprung werden auch als Mittelblutung (mittelzyklische Blutung) bezeichnet. Die Zusatzblutungen sind harmlos, solange sie regelmäßig und zyklusabhängig erscheinen. Eine Behandlung ist dann nicht erforderlich.

Zwischenblutung (Metrorrhagie, dysfunktionelle Dauerblutung, azyklische Dauerblutung). Unregelmäßige Dauerblutung länger als 7 Tage, die keinen Zyklus mehr erkennen lässt. Sie tritt besonders häufig in der Pubertät und im Klimakterium auf sowie bei Entzündung der Gebärmutterschleimhaut und bei verschiedenen Tumoren.

Monatsblutungsstörungen = gestörte Blutungsstärke

Verstärkte Monatsblutung (Hypermenorrhö). Starke Blutung mit einem Blutverlust von 80 Millilitern und mehr. Benötigt werden mehr als 6 Vorlagen oder Tampons täglich oder mehr als 20 Binden oder Tampons während der gesamten Blutung über mehrere Tage hinweg. Häufig gehen mit dem Menstruationsblut auch größere Gerinnsel (Koagel) ab. Einmalig verstärkte Blutungen sind normalerweise harmlos. Bleiben sie jedoch über mehrere Zyklen sehr stark, ist die fachärztliche Abklärung notwendig. Der regelmäßige zusätzliche Blutverlust führt über Monate und Jahre zu Müdigkeit und einer Eisenmangelanämie.

Abgeschwächte Monatsblutung (Hypomenorrhö). Verminderte Blutung, bei der weniger als 2 Vorlagen oder Tampons täglich benötigt werden. Die abgeschwächte Monatsblutung ist zu leicht und von zu kurzer Dauer. Meist ist sie Zeichen einer nachlassenden Funktion der Eierstöcke zur Zeit der Wechseljahre: Die Eierstöcke produzieren geringere Mengen an Östrogen. Folglich wird die Gebärmutterschleimhaut weniger stark aufgebaut, sodass in der Blutungsphase auch nur wenig abblutet.

Verlängerte Monatsblutung (Menorrhagie). Länger als 6 Tage dauernde Monatsblutung bei normaler Zykluslänge. Dies kann Zeichen einer bestehenden Gerinnungsstörung sein oder auf Gebärmuttertumoren hinweisen, die das Zusammenziehen der Gebärmutter behindern. Eine verlängerte Monatsblutung muss vom Arzt geklärt werden.

Hinweis: Bei Zyklusstörungen sind natürliche Verhütungsmethoden wie Kondome oder Temperaturmessung nicht sicher.

Ursachen

Zyklusstörungen

  • Ausbleiben der Monatsblutung (Amenorrhö): Manchmal sind innere Erkrankungen, genitale Fehlbildungen, eine verzögerte Pubertät oder die Einnahme von Medikamenten, z. B. Psychopharmaka, die Ursache. Weit häufiger wird sie jedoch durch körperliche, psychische oder soziale Belastungen hervorgerufen, die dann zu Veränderungen in der hormonellen Steuerung des Zyklus führen.
  • Verlängerte Menstruationszyklen (Oligomenorrhö) kommen beispielsweise häufig nach dem Absetzen der "Pille" vor oder vor Beginn der Wechseljahre. Darüber hinaus führt eine unzureichende Follikelreifung dazu, dass der Eisprung verspätet oder gar nicht stattfindet und sich die Blutung entsprechend verzögert.
  • Verkürzte Menstruationszyklen (Polymenorrhö): Ursache ist meist ein hormonelles Ungleichgewicht.
  • Schmierblutungen (Spotting, Zusatzblutung) werden verursacht durch Störungen des hormonellen Zyklus oder durch Entzündungen und Tumoren und sollten immer ärztlich geklärt werden.
  • Zwischenblutung (Metrorrhagie, dysfunktionelle Dauerblutung, azyklische Dauerblutung): Starke Zwischenblutungen sind häufig organisch bedingt und bedürfen daher immer einer fachärztlichen Abklärung. Seltener treten Zwischenblutungen als Nebenwirkung einer Spirale oder eines Intrauterinpessars auf.

Monatsblutungsstörungen

  • Verstärkte Monatsblutung (Hypermenorrhö): Neben hormonellen Ursachen führen chronische Entzündungen und Tumoren der Gebärmutter sowie Gerinnungsstörungen zu einer verstärkten Monatsblutung.
  • Abgeschwächte Monatsblutung (Hypomenorrrhö): Abgesehen von Schwangerschaft, Stillzeit und der Zeit nach den Wechseljahren sind seelische und körperliche Stresssituationen wie Diäten, Leistungssport, Fernreisen und Krankheiten wie Magersucht oder Depressionen die häufigsten Gründe für Blutungsstörungen. Der Körper der Frau "schützt" sich so vor einer möglichen Schwangerschaft, die er zurzeit nicht verkraften könnte. Bei jüngeren Frauen kann es nach einer Entzündung der Gebärmutterschleimhaut dazu kommen, dass die Schleimhaut nur gering aufgebaut wird und die folgende Blutung abgeschwächt ist.
  • Verlängerte Monatsblutung (Menorrhagie): Am häufigsten liegen hierbei Kontraktionsstörungen der glatten Muskulatur der Gebärmutter vor, die dazu führen, dass sich die Gebärmuttermuskulatur während der Menstruation nicht richtig zusammenzieht. Ebenso verursacht ein Intrauterinpessar eine Menorrhagie. Häufig tritt die Menorrhagie kombiniert mit einer Hypermenorrhö auf.

Diagnosesicherung

Primäre Amenorrhö: Bei der gynäkologischen Untersuchung und einem Kontrastmittelultraschall sieht der Arzt, ob Fehlbildungen im weiblichen Genitaltrakt ein Abfließen des Menstruationsblutes verhindern. Zur Aufdeckung hormoneller Fehlregulationen werden durch eine Blutuntersuchung die Spiegel der Geschlechtshormone sowie des Steuerhormons GnRH bestimmt.

Verlängerter oder verkürzter Menstruationszyklus (Oligomenorrhö oder Polymenorrhö): Anhand von Blut- und Urinuntersuchungen bestimmt der Arzt, ob ein hormonelles Ungleichgewicht besteht und ob es einen Eisprung gibt.

Verstärkte Monatsblutung (Hypermenorrhö): Der Arzt sucht per Ultraschall und Gebärmutterspiegelung nach Myomen, Polypen oder Tumoren in der Gebärmutter und nach anderen Blutungsquellen. Der beste Zeitpunkt für diese Untersuchung ist in der 1. Zyklushälfte. Zur Diagnostik von Gerinnungsstörungen dienen Bluttests.

Abgeschwächte Monatsblutung (Hypomenorrhö): Mit dem Vaginalultraschall misst der Arzt den zyklusabhängigen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und stellt fest, ob er ausreichend ist, damit sich ein befruchtetes Ei einnisten kann. Lässt die Monatsblutung kurz vor den Wechseljahren deutlich nach, wird dies durch die physiologische Verminderung der Hormonproduktion in den Eierstöcken verursacht. Eine Behandlung ist dann nicht notwendig.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Die wenigsten Frauen haben immer einen exakt gleichen Menstruationszyklus. Wenn Ihre Regelblutung einmal nach 25 und einmal nach 31 Tagen kommt, besteht kein Anlass zur Sorge. Der heutige Lebensstil mit unregelmäßigen Arbeitszeiten und häufigen, anstrengenden (Flug-)Reisen stört den Rhythmus vieler Frauen. Auch Schicht- und Nachtarbeit, ein auskurierter grippaler Infekt oder stark kalorienreduzierte Diäten bringen das Zusammenspiel der Hormone durcheinander, sodass der Menstruationszyklus stark schwankt. Ein weniger bekannter Störfaktor tritt dann auf, wenn nach monatelanger Pause die sexuelle Aktivität wieder aufgenommen wird; manchmal wird dadurch sogar ein Eisprung ausgelöst. Viele Frauen sind so während des letzten Kriegs in den kurzen Fronturlauben ihrer Männer unerwartet schwanger geworden.

Lebensrhythmus. Viele Frauen wünschen sich einen möglichst immer gleichen Abstand zwischen den Monatsblutungen. Die beste "Medizin" für einen solchen gleichmäßigen Zyklus ist ein geregeltes Leben – ohne Urlaube, ohne Job- oder Partnerwechsel usw. Aber das Leben funktioniert so leider meistens nicht. Auch ist es gar nicht wichtig, ob Ihre Tage "pünktlich" kommen. Wichtig ist, dass Sie die Faktoren kennen, die das Eintreffen Ihrer Menstruation beeinflussen. Wichtig: Bei einem unregelmäßigen Zyklus, aber beschwerdefreier Menstruation sollten Sie bedenken, dass natürliche Verhütungsmethoden problematisch sind.

Zykluskalender. Führen Sie einen Zyklus- und Menstruationskalender. Dazu reicht ein scheckkartengroßer Jahreskalender. In vielen Arztpraxen liegen solche kleinen Zykluskalender zum Mitnehmen aus. Er dient auch als Vorbereitung auf das Arztgespräch.

Fußbad. Bei abgeschwächten Blutungen hilft oft in der Woche vor der erwarteten Menstruation ein tägliches ansteigendes Fußbad. Stellen Sie hierfür beide Füße in eine mit warmem Wasser (etwa 33 °C) gefüllte Wanne und gießen Sie in den nächsten 15 Minuten immer wieder heißes Wasser nach – die Temperatur sollte 40 °C nicht übersteigen.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Die therapeutische Wirksamkeit von Mönchspfefferextrakt (Keulschlamm) zur Behandlung von Zyklusstörungen ist nicht ausreichend nachgewiesen. Daher werden die entsprechenden Präparate als "wenig geeignet" beurteilt. Sie sind also vielleicht einen Versuch wert, aber allzu hohe Erwartungen sollten Sie nicht haben.

Teezubereitungen. Ein Tee aus Taubnessel (Lamium album) hilft v. a. bei unregelmäßigen Menstruationszyklen. Auch Teemischungen aus Johanniskraut (Hypericum perforatorum) und Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) wird ein blutungsfördernder Effekt zugeschrieben. Schafgarbe (Achillea millefolia) soll insbesondere bei verstärkter oder verlängerter Menstruation helfen.

Entspannungsverfahren. Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Autogenes Training oder Yoga sind nicht nur zum Abbau von Stress geeignet, sondern wirken auch positiv auf das Hormonsystem. Wichtig ist, die Übungen regelmäßig durchzuführen. Es braucht aber 2–3 Monate, bis eine solche Entspannungstechnik wirkt.

Akupunktur. V. a. bei einem verkürzten oder verlängerten Menstruationszyklus hat sich die Akupunktur bewährt.

Homöopathie. Gleiches gilt für die Homöopathie, die eine individuell abgestimmte Konstitutionsbehandlung empfiehlt.

Ärztliche Behandlung

Primäre Amenorrhö. Eine Heilung und damit auch die Herstellung der Fruchtbarkeit ist nicht immer möglich, gelingt aber oft durch die Einnahme von Hormonen oder Steuerhormonen.

Sekundäre Amenorrhö. Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Krankheit. Bleibt die Menstruation aufgrund einer Depression oder einer Magersucht aus, verschreiben Ärzte oft Hormone. Untersuchungen haben gezeigt, dass es den betroffenen Frauen mit dem Einsetzen der Menstruation wieder besser geht und damit die Therapie beschleunigt wird.

Verlängerter Menstruationszyklus. Verlängerte Zyklen werden nur dann behandelt, wenn die Frau sich durch den unregelmäßigen Zyklus beeinträchtigt fühlt – und zwar mit der "Pille". Durch den 21-tägigen Einnahmezyklus und der anschließenden 7-tägigen Pause wird dem Körper ein Rhythmus aufgezwungen.

Verkürzter Menstruationszyklus. Bei zu häufigen oder unregelmäßigen Blutungen müssen Polypen und andere Tumoren in der Gebärmutter ausgeschlossen werden. Dazu kann auch eine Ausschabung notwendig sein.

Abgeschwächte Monatsblutung. Prinzipiell ist sie nur behandlungsbedürftig, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht.

Verstärkte Monatsblutung. Die Entfernung der Gebärmutterschleimhaut (Thermoablation der Uterusschleimhaut, Abrasio, Myomektomie) oder der Gebärmutter (Hysterektomie) wird Frauen empfohlen, die unter heftigen und lange dauernden Regelblutungen sehr stark leiden oder die in der Folge eine Anämie (Blutarmut) haben. Die Kombination der Gebärmutterspiegelung mit einer Ausschabung ermöglicht es, in der Spiegelung entdeckte Polypen oder Myome sofort zu entfernen. Operative Verfahren sollten allerdings erst in Betracht gezogen werden, wenn eine medikamentöse Behandlung die Beschwerden nicht ausreichend lindert.

Weiterführende Informationen

  • Im Internet sind brauchbare und ausgewogene Informationen zu Menstruation, Zyklus- und Menstruationsbeschwerden leider rar. Wir konnten uns zu keiner Empfehlung entschließen.
  • Für Buchtipps vgl. auch die allgemeinen Frauengesundheitsbücher
  • T. Kreitman et al.: Problemlos durch die Tage. Was Mädchen über die Periode wissen möchten. Ueberreuther, 2002. Jugendratgeber mit vielen Selbsthilfetipps bei Menstruationsbeschwerden. Nicht nur für Jugendliche.
  • J. Becket (Hrsg.): Rubinrote Zeit – Beginn der Menstruation. Diametric, 2006. Frauen aus vier Generationen erzählen über den Beginn ihrer Monatsblutung. Keine medizinische Fachinformation, dafür aber Einblicke in ein sich stark wandelndes Selbstverständnis.

Von: Dr. med. Astrid Waskowiak, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Symptome und Beschwerden“, „Wann zum Frauenarzt“, „Die Erkrankung“, „Diagnosesicherung“, „Ihre Apotheke empfiehlt“ und „Ärztliche Behandlung“: Dagmar Fernholz
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos