Gesundheit heute

Prämenstruelles Syndrom

Prämenstruelles Syndrom (PMS, prämenstruelle dysphorische Störung): Regelmäßig in den Tagen vor der Monatsblutung auftretende, das tägliche Leben beeinträchtigende körperliche und psychische Beschwerden, die mit Einsetzen der Blutung nachlassen. Da die Symptome vielfältig sind und unterschiedlich stark empfunden werden, schwanken die Angaben zur Häufigkeit des PMS. Etwa 20–40 % aller Frauen sind davon betroffen, Frauen über 30 Jahre häufiger als jüngere. Behandlungsbedarf besteht, wenn mindestens 9 von 12 Zyklen starke Beschwerden verursachen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Brustspannen (Mastodynie)
  • Wassereinlagerungen, geschwollene Hände und Füße
  • Rücken- und Unterbauchschmerzen
  • Migräneartige Kopfschmerzen
  • Psychische Labilität: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Lethargie, Depression mit unkontrollierbarem Weinen, Nervosität, Angstgefühle, sozialer Rückzug
  • Schlaflosigkeit
  • Völlegefühl, Verdauungsstörungen, Heißhunger auf Süßes
  • Gewichtszunahme
  • Hitzewallungen, Schweißausbrüche
  • Unreine Haut, Neigung zu Akne.

Hinweis: Ausmaß und Anzahl der Beschwerden sind sehr unterschiedlich. Für die Diagnose ist die Häufigkeit der Beschwerden jedoch unerheblich. Entscheidend ist das zyklusabhängige Wiederkehren in der 2. Hälfte des Menstruationszyklus. Betroffene sind nach der Menstruation bis mindestens zum Eisprung symptomfrei.

Wann zum Frauenarzt

In den nächsten Wochen, wenn

  • einige der genannten Beschwerden regelmäßig auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Vor allem in den letzten 3–7 Tagen vor der neuen Menstruation liegt ein hormonelles Ungleichgewicht vor: Der Einfluss von Gestagen (Progesteron) überwiegt den von Östrogen. Dafür spricht auch, dass bei den betroffenen Frauen die Beschwerden während einer Schwangerschaft ausbleiben und dass sie spätestens nach den Wechseljahren verschwinden. Aber auch andere Hormone wie Aldosteron, Prolaktin und Botenstoffe im Gehirn, wie das Glückshormon Serotonin, scheinen eine Rolle zu spielen. So haben viele Frauen während der Tage vor ihrer Monatsblutung Heißhunger auf etwas Süßes. Dies kann ein Signal dafür sein, dass der Serotoninstoffwechsel im Gehirn gestört ist.

Eine andere Theorie besagt, dass nicht das hormonelle Ungleichgewicht ein PMS auslöst, sondern dass Frauen überempfindlich auf die zyklischen hormonellen Schwankungen reagieren.

Auch eine genetische Veranlagung spielt eine Rolle. So fand man bei den betroffenen Frauen ein Gen, das verantwortlich ist für einen Botenstoff im Blut und im Gehirn: Brain Derived Neurotropic Factor – kurz BDNF. Zusammen mit Östrogen wirkt BDNF auf ein wichtiges Stimmungs- und Gedächtniszentrum im Gehirn (das sog. Limbische System). Frauen mit diesem Gen reagieren empfindlicher und intensiver auf die monatlichen Hormonschwankungen.

Außerdem beeinflussen psychische Probleme die PMS-Beschwerden stark, allen voran Partnerschaftskonflikte, sexuelle Probleme in der Beziehung oder chronische Überforderung im Beruf oder in der Mutterrolle.

Sonderform prämenstruelle dysphorische Störung

Handelt es sich um eine schwere Form des PMS, bei der die psychische Problematik im Vordergrund steht, sprechen Mediziner von einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS). Kennzeichnend sind depressive Stimmung, Konzentrationsstörungen und ungewohnt impulsives Handeln. Die PMDS setzt in der 2. Zyklushälfte 4–14 Tage vor dem Eintreten der Blutung ein. Davon betroffen sind etwa 3–8 % der Frauen; einige davon sind in ihren beruflichen und sozialen Aktivitäten stark eingeschränkt. PMDS tritt familiär gehäuft auf.

Die genaue Ursache für das PMDS ist unbekannt, ein Faktor dabei ist wahrscheinlich eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit gegenüber den Sexualhormonen Östrogen und Progesteron. Auch Störungen im Serotonin-Stoffwechsel könnten eine Teilursache sein.

Hinweis: Frauen mit einer PMDS sind nach der Geburt eines Kindes besonders gefährdet für eine Wochenbettdepression (postpartale Depression).

Diagnosesicherung

Ultraschall. Der Arzt schließt mit der gynäkologischen Untersuchung sowie einem Ultraschall des Unterbauchs organische Ursachen im Bereich der Genitalorgane aus.

Blutuntersuchung. Eine Bestimmung der Hormonkonzentrationen im Blut deckt nur in wenigen Fällen ein Ungleichgewicht auf.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Wenn Sie zu den Frauen zählen, die eine Neigung zu PMS haben, werden Sie höchstwahrscheinlich bis zu den Wechseljahren darunter leiden. Mit einer Umstellung der bisherigen Lebensweise und einer ausreichenden Entspannung können die Symptome jedoch oft gelindert werden.

Hier die erfahrungsgemäß wirkungsvollsten Maßnahmen:

Bewegung. Den größten therapeutischen Nutzen während der Tage vor der Menstruation bringt sportliche Aktivität. Experten empfehlen mindestens dreimal pro Woche Sport.

Ernährung. Frauen mit Übergewicht leiden deutlich häufiger unter PMS als schlanke Frauen. Eine kohlenhydrat- und vitaminreiche Ernährung sowie die Reduktion von Salz, Zucker, Alkohol und Koffein lindern in vielen Fällen die Symptome des PMS.

  • Ein mäßiger Verzehr von Schokolade in den Tagen vor der Regel bessert oft die Stimmung, da Kakao die Serotoninausschüttung stimuliert und Schokolade die Serotoninvorstufe Tryptophan enthält.
  • Manche Frauen profitieren auch vom "Nervenvitamin" B6, das z. B. in Avocados, Bananen, Haferflocken, Nüssen und Vitamin-B-Kombinationspräparaten enthalten ist.
  • Möglicherweise hilft die Einnahme von muskelentspannendem Magnesium (hochdosiert z. B. 350 mg täglich) und Kalzium, das in Milchprodukten sowie in speziellen Kalzium-Brausetabletten enthalten ist.
  • Auch ungesättigte Fettsäuren wie Linolen-, Öl- oder Linolsäure helfen, PMS-Beschwerden zu lindern. Oliven- und Kürbiskernöl enthalten viele solcher ungesättigten Fettsäuren.

Schlaf. Versuchen Sie, möglichst ausreichend zu schlafen. Wenn Sie Nachtdienst leisten müssen, sollten die Nachtschichten nach und nicht vor Ihren Tagen liegen.

Wärme. Gegen Krämpfe im Unterleib hilft feuchte Wärme (z. B. eine in ein feuchtwarmes Tuch gewickelte Wärmflasche); ein warmes Vollbad wirkt entspannend.

Seelische Konflikte und Stress. Bei ungelösten Konflikten sollten Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Je weniger seelische "Lasten" Sie zu tragen haben, desto leichter werden Sie auch Ihre PMS-Beschwerden ertragen.

Geeignete Medikamente

Bei vorübergehenden, aber starken (Kopf-)Schmerzen werden Schmerzmittel vom NSAR-Typ wie Indometacin empfohlen (z. B. IndoHexal®).

Wassereinlagerungen lassen sich mit entwässernden Medikamenten (Diuretika) behandeln.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Behandelt wird das PMS mit den gleichen Heilpflanzen wie bei Menstruationsschmerzen; standardisiertem Mönchspfefferextrakt (Vitex agnus-castus, z. B. Agnolyt®, Femicur®) wird der größte therapeutische Stellenwert eingeräumt. Keinen Nachweis der Wirksamkeit gibt es bislang für die ebenfalls häufig empfohlenen pflanzlichen Mittel Nachtkerzenöl (Oenothera biennis) und Ginkgo (Ginkgo biloba).

Teemischungen. Je nach vorherrschenden Symptomen helfen:

  • Aufgegossene Birkenblätter (Betula pendula) oder Schachtelhalm zur Entwässerung bei Wassereinlagerungen und gegen Spannungsgefühle (z. B. in den Brüsten)
  • Johanniskraut (Hypericum perforatorum) zur Stimmungsaufhellung. Aber Vorsicht: Johanniskraut kann die Wirkung der "Pille" vermindern
  • Hopfenblüten (Humulus lupulus), Baldrian (Valeriana officinalis) und Melisse (Melissa officinalis) gegen Schlafstörungen
  • Salbei (Salvia officinalis) bei hormonell bedingten Schweißausbrüchen
  • Pfefferminzöl (Menthae piperitae aetheroleum) zum Einreiben der Schläfen oder der Stirn bei Kopfschmerzen.

Massage. Auch sie wirkt sich positiv auf Häufigkeit und Verlauf des PMS aus, wobei der Effekt unmittelbar nach einer Massagesitzung am größten ist. Für eine dauerhafte Besserung ist es deshalb ratsam, eine Behandlungseinheit mit mehreren Massagen in regelmäßigen Abständen zu wiederholen.

Akupunktur. Zahlreiche Erfahrungsberichte von Betroffenen bestätigen, dass Akupunktur bei PMS wirksam ist – auch wenn die Studienergebnisse in Bezug auf den therapeutischen Nutzen widersprüchlich sind. Es spricht also nichts gegen einen Versuch, die Beschwerden mittels Akupunktur zu lindern.ss

Fußreflexzonenmassage. Es gibt Hinweise, dass die Fußreflexzonenmassage zur Behandlung von PMS geeignet ist. Die Behandlung sollte allerdings von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden.

Ärztliche Behandlung

Bei PMS: Das schulmedizinische Therapieangebot ist zwar reichhaltig, aber nicht immer effektiv. Deshalb gehen die Empfehlungen der Frauenärzte weit auseinander. Die Therapie sollte sich danach richten, welche Symptome im Vordergrund stehen.

Hormonpräparate. Wirksam, wenn auch bei Patientinnen meist wenig beliebt, ist die Behandlung mit Hormonen. Eine klassische Empfehlung sind Gestagenpräparate (Progesteron) während der 2. Zyklushälfte, z. B. täglich 30 mg Medroxyprogesteronacetat. Die "Minipille" wird versuchsweise als Dauertherapie ausprobiert. Zu ihren häufigsten Nebenwirkungen zählt das komplette Ausbleiben der Menstruation. Die Einnahme von Danazol Ratiopharm® und von GnRH-Agonisten ist ebenso möglich (sie werden alle auch bei der Endometriose eingesetzt und dort einschließlich ihrer Nebenwirkungen ausführlich beschrieben).

Bei PMDS: Zu erwägen sind Antidepressiva vom Typ der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Die Behandlung schlägt frühestens nach 6 Wochen an, sie sollte deshalb für mindestens 3 Monate erfolgen.

Prävention

Entspannungsverfahren. Wer zu Stress neigt, sollte Entspannungstechniken ausprobieren. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder Autogenes Training, aber auch Yoga und Achtsamkeitstraining sind sehr wirksam. Es braucht aber 2–3 Monate, bis eine solche Entspannungstechnik wirkt.

Zykluskalender. Eine gute Vorbereitung auf den nächsten Arztbesuch ist die Protokollierung aller Zyklusbeschwerden über mehrere Monate. Tragen Sie dort sämtliche Beschwerden ein. Dies kann Ihnen selbst Aufschlüsse geben, es erleichtert das Gespräch mit Ihrem Arzt und die Suche nach einer bestmöglichen Behandlungsstrategie.

Orthomolekularmedizin. Die Orthomolekularmedizin empfiehlt Kombinationstherapien, z. B. von hochdosiertem Magnesium, Vitamin B6 und Omega-3-Fettsäuren. Eine Alternative ist die Monotherapie mit einem der genannten Nährstoffe. Ein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis steht jedoch noch aus.

Von: Dr. med. Astrid Waskowiak, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Symptome und Beschwerden“, „Die Erkrankung“, „Ihre Apotheke empfiehlt“ und „Ärztliche Behandlung“: Dagmar Fernholz
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos