Gesundheit heute

Myasthenia gravis

Myasthenia gravis: Autoimmunerkrankung, die durch eine gestörte Erregungsübertragung vom Nerv auf den Muskel mit der Folge einer Muskelschwäche gekennzeichnet ist. Zu Beginn kommt es oft zu Doppelbildern, Herabhängen des Oberlids, Kau- und Schluckbeschwerden oder näselnder Sprache. Es gibt verschiedene Formen, an der (häufigsten) Variante mit spätem Krankheitsbeginn erkranken vor allem Männer, an den Varianten mit einem Krankheitsbeginn vor dem 50. Lebensjahr häufiger Frauen.

Behandelt wird die Myasthenie mit Medikamenten, die die neuromuskuläre Signalübertragung verbessern, Immunsuppression und in vielen Fällen zusätzlich operativ durch Entfernung des Thymus. Die Prognose ist heute überwiegend gut.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Unnatürlich schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur, die im Tagesverlauf oder unter Stress zunimmt
  • Sehen von Doppelbildern
  • Herabhängendes Oberlid
  • Störungen beim Schlucken und Sprechen
  • Schwierigkeiten beim Heben des Armes oder Schwäche beim Halten des Kopfes.

Wann zur Arztpraxis

Sofort, wenn sich bei bekannter Myasthenie-Erkrankung

  • die Muskelschwäche akut verschlechtert und Atem- oder Schluckstörungen auftreten.

In den nächsten Tagen, wenn

  • sich die oben genannten Beschwerden entwickeln.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Um Signale von Nerven empfangen zu können, hat der Muskel spezielle Kontaktstellen, die Acetylcholinrezeptoren, an denen der aus dem Nervenende ausgeschüttete Überträgerstoff "andockt". Bei der Myasthenia gravis bildet der Körper aus noch ungeklärter Ursache Abwehrstoffe (Autoantikörper) gegen diese Rezeptoren. Diese sogenannten Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörper (Anti-AChR-Antikörper) docken an die Rezeptoren an und blockieren diese. Dadurch erreicht das als Befehl zur Kontraktion ausgeschüttete Acetylcholin den Muskel nicht mehr, was zu einer schnellen Muskelermüdung bis hin zur Muskellähmung führt.

Neben den Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörpern gibt es weitere, gegen andere Strukturen des Muskels gerichtete Antikörper. Diese dienen zur Unterscheidung der verschiedenen Formen der Myasthenie (siehe unten). Manche Myasthenieformen werden auch als "seronegativ" bezeichnet, weil sich bei ihnen (noch) keine Autoantikörper nachweisen lassen.

Klinik und Formen

Die Erkrankung beginnt bei zwei Dritteln der Patient*innen mit Doppelbildern (durch Augenmuskelschwäche) und Herabhängen des Augenlids, oft gehören auch Schluck- und Sprechstörungen zu den ersten Beschwerden. Später kommt es je nach Form zu Schwäche von Armen und Beinen, zu einer Kopfhalteschwäche, in schweren Fällen ist auch die Atemmuskulatur betroffen und die Patient*innen entwickeln Luftnot. Typischerweise nimmt die Muskelschwäche im Verlauf des Tages und in Stresssituationen zu.

  • Myasthenia gravis mit spätem Krankheitsbeginn (Late-onset Myasthenia gravis, LOMG). Diese Form betrifft vor allem Männer über 50 Jahren, sie ist mit 45 % der Myasthenie-Fälle die häufigste Variante. Die muskuläre Ermüdung ist generalisiert, d. h. sie breitet sich auf den ganzen Körper aus. Neben dem Haupt-Autoantikörper Anti-AChR-Antikörper kommen häufig weitere Antikörper gegen muskuläre Strukturen vor.
  • Myasthenia gravis mit frühem Krankheitsbeginn (Early-onset Myasthenia gravis, EOMG). An dieser zu etwa 20 % auftretenden Variante erkranken vor allem Frauen unter 50 Jahren. Auch die EOMG verläuft generalisiert. Bei der EOMG lassen sich vor allem Anti-AChR-Antikörper nachweisen.
  • Okuläre Myasthenia gravis (OMG, etwa 15 % der Myasthenien). Diese Form betrifft in erster Linie die Augen. Es erkranken insbesondere Frauen, und zwar in jedem Lebensalter. Bei bis zu 70 % der Patienten sind Anti-AChR-Antikörper nachweisbar.
  • Thymom-assoziierte Myasthenia gravis (TAMG, etwa 15 %der Myasthenien). Diese Variante ist mit der Vergrößerung der Thymusdrüse am Hals verbunden. Es lassen sich neben dem typischen Anti-AChR-Antikörper zahlreiche weitere Antikörper nachweisen. Betroffen sind Männer und Frauen gleichermaßen, die Erkrankung beginnt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr und verläuft generalisiert. Bei dieser Variante entfernen die Ärzt*innen häufig den Thymus.

Anti-MuSK-AK-assoziierte Myasthenia gravis (MAMG). Seltene (5 % der Myasthenien), vor allem jüngere Frauen betreffende Variante mit dem Antikörper gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (einem für die Signalübermittlung an der motorischen Endplatte wichtigem Enzym). Bei dieser Form kommt es vor allem zu Augenbeschwerden (Doppelbilder, Herabhängen des Augenlids), zu Schluckstörungen und zu schlaffen Gesichtszügen aufgrund des Befalls der mimischen Muskulatur.

Diagnosesicherung

Die Diagnostik beginnt mit Belastungstests, um eine schnelle Ermüdung der Muskulatur festzustellen. Dazu dienen z. B. Armhalteversuche, bei denen die Arme nach vorn ausgestreckt gehalten werden und nach kurzer Zeit durch die Muskelschwäche absinken. Mithilfe weiterer Halteversuche des Kopfes und der Beine sowie der Prüfung des Lidhebers, der Mimik, der Kaumuskulatur und der Atmung bestimmen die Ärzt*innen außerdem den Schweregrad der Erkrankung (Besinger-Score), um den Verlauf und das Ansprechen einer Therapie dokumentieren zu können.

In Blutuntersuchungen werden manchmal Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor oder gegen andere Proteine nachgewiesen, um die Diagnose zu stützen.

Die Elektromyografie zeigt eine typische Abnahme der elektrischen Aktivität von Muskeln bei einer wiederholten Reizung.

Pharmakologische Tests. Beim Edrophonium-Test spritzen die Ärzt*innen probeweise intravenös das Medikaments Edrophoniumchlorid. Es bessert bei Myasthenia gravis die Symptomatik innerhalb von 60 Sekunden. Um die Wirkung dokumentieren zu können, wird die Patient*in meist vor und nach Gabe des Mittels fotografiert. Bei älteren Patient*innenen verwenden die Ärzt*innen statt Edrophonium häufig Pyridostigmin in Tablettenform. Dieser Test ist als positiv zu bewerten, wenn sich die Beschwerden des Patienten nach 45 bis 60 Minuten bessern.

Außerdem veranlasst die Ärzt*in ein CT des Brustkorbs, um nach einer Geschwulst des Thymus zu suchen, die bei der Thymom-assoziierten Myasthenia gravis vorkommt (siehe Formen der Myasthenie).

Differenzialdiagnosen. Neben der Myasthenia gravis gibt es noch einige andere Muskelerkrankungen, die zu einer Muskelschwäche führen, z. B. das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom oder andere seltene angeborene, genetisch bedingte Störungen der neuromuskulären Übertragung. Auch manche Arzneimittel lösen Muskelschwäche aus. Zu Doppelbildern und Schluckstörungen kommt es zudem beim Botulismus. Leidet die Patent*in nur unter Augenbeschwerden, muss die Ärzt*in Gehirntumoren oder Hirnarterienaneurysmen ausschließen.

Behandlung

Die Beschwerden werden bei der Mehrzahl der Patient*innen gut durch Cholinesterase-Hemmer wie Pyridostigmin (z. B. Mestinon®) gelindert, welche den Abbau des Überträgerstoffs Acetylcholin verringern und dadurch dessen Konzentration an den Kontaktstellen erhöhen. Der Neurologe oder die Neurologin verordnet das Medikament einschleichend und passt die Dosis dem therapeutischen Effekt an. Da die Wirkung nur etwa 3–6 Stunden anhält muss die Patent*innen die Tabletten 3–4 Mal am Tag einnehmen. Häufige unerwünschte Wirkungen sind Übelkeit, Bauchkrämpfe, Durchfall, verlangsamter Herzschlag und vermehrtes Schwitzen. In der Regel lassen die Nebenwirkungen im Verlauf der Therapie nach.

Reichen Cholinesterase-Hemmer nicht aus, bekommt die Patent*innen zusätzlich Immunsuppressiva, um die fehlgeleiteten Abwehrvorgänge im Körper zu dämpfen. Dabei verordnet die Ärzt*in Kortison, Azathioprin (z. B. Imurek®) oder ein anderes Immunsuppressivum (Rituximab, Cyclosporin A, Tacrolimus), entweder als Monotherapie oder miteinander kombiniert. Bei allen Immunsuppressiva muss regelmäßig das Blutbild kontrolliert werden, da sie die weißen Blutzellen, die Erythrozyten und die Thrombozyten verringern können. Bei der regelmäßigen Einnahme von Kortison sind außerdem auf die durch diesen Wirkstoff häufigen Nebenwirkungen zu achten, wie beispielsweise Knochenschwund (Osteoporose), Gewichtszunahme, Linsentrübung und Störungen der Sexualfunktion.

Thymektomie. Besteht eine Geschwulst des Thymus, wird der Thymus operativ entfernt. In einigen Fällen empfehlen die Ärzt*innen die Operation auch, wenn der Thymus nicht vergrößert ist. So zum Beispiel, wenn die medikamentöse Therapie keine Wirkung zeigt oder bei Patient*innen mit einer generalisierten Myasthenie.

Bei sehr schweren Formen oder bei der myasthenen Krise versuchen die Ärzte, die schädigenden Antikörper mithilfe einer Plasmapherese (Blutwäsche) zu entfernen. Eine andere Methode ist die Gabe von hochdosierten Immunglobulinen über mehrere Tage, wobei das Wirkprinzip dieser Off-Label-Behandlung unklar ist.

Prognose

Über 90 % der Betroffenen können mit den Medikamenten weitgehend normal leben, berufstätig sein und sogar Sport treiben. Berufe mit körperlicher Dauerbelastung sind allerdings nicht möglich.

Von den Patient*innen, die eine myasthene Krise entwickeln, sterben trotz Behandlung 2–3 %. Unbehandelt ist die Letalität deutlich höher.

Ihre Apotheke empfiehlt

  • Achten Sie bei Infekten und Fieber gut auf Ihre muskulären Beschwerden. Sollten Sie Schluck- oder Atemstörungen entwickeln, suchen Sie unverzüglich Ihre Ärzt*in auf.
  • Halten Sie sich genauestens an die vom Arzt oder Ärztin verschriebene Dosierung und Einnahmehinweise Ihrer Myasthenie-Medikamente. Eine Über- oder Unterdosierung kann schwerwiegende Folgen wie z. B. eine myasthene Krise haben.
  • Tragen Sie immer Ihren Myastheniepass bei sich, damit z. B. bei einem Unfall keine falschen Medikamente gegeben werden.
  • Schließen Sie sich einer Selbsthilfegruppe an oder suchen Sie anderweitig Informationen und Rat (Links zu informativen Webseiten siehe "Weiterführende Informationen").
  • Bei Sprechstörungen hilft die logopädische Behandlung, Doppelbilder lassen sich mit speziellen Brillen lindern. Je nach Ausmaß der Erkrankung haben Sie Anspruch auf weitere Hilfsmittel, z. B. eine Halskrause zur Kopfunterstützung, Gehstock, Rollator oder Rollstuhl.
  • Sprechen Sie bei Kinderwunsch mit Ihrer Ärzt*in, da eine Medikamentenumstellung erforderlich sein kann.

Weiterführende Informationen

Die deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V. bietet Betroffenen Hilfe, Unterstützung und Austausch unter https://dmg-online.de/ Informationen für Betroffene und Angehörige finden sich auf https://www.myasthenia-gravis.eu/ Über die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. kann man Kontakt zu Diagnosegruppen bekommen: https://www.dgm.org/diagnosegruppen

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Vorsicht, FSME-Gefahr!

In Risikogebieten ist jede tausendste bis zwanzigste Zecke mit FSME-Viren infiziert.

Vorsicht, FSME-Gefahr!

Zecken mit Viren im Gepäck

Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland hunderte Menschen durch einen Zeckenstich mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME genannt. Meist verläuft die Infektion harmlos. Doch bei einigen Patient*innen bleiben neurologische Schäden zurück, und jede hundertste verstirbt daran. Im aktuellen Ratgeber erfahren Sie, wann ein Zeckenstich gefährlich ist und wie man sich vor der FSME schützen kann.

FSME-Viren weltweit verbreitet

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine Infektionskrankheit, bei der es zur Entzündung von Gehirn, Gehirnhaut (Meningen) und Rückenmark kommt. Ursache sind FSME-Viren, die durch Zecken übertragen werden. Sticht eine von FSME-Viren befallene Zecke zu, gelangen die Viren über den Zeckenspeichel in das Blut des Menschen und können so die Erkrankung auslösen. Im Jahr 2022 war dies in Deutschland bei 554 Personen der Fall.

FSME-Viren sind weltweit verbreitet, aber nicht überall gleich stark vertreten. In ganz Europa gibt Risikogebiete, in denen besonders viele Zecken das Virus in sich tragen. Dort infizieren sich entsprechend auch mehr Menschen durch Zeckenstiche mit FSME. Eine Region gilt dann als Risikogebiet, wenn etwa jede tausendste bis zwanzigste Zecke die Erkrankung überträgt. Außerhalb von Risikogebieten ist das FSME-Virus so selten, dass es trotz Zeckenstichen nur selten zur Infektion kommt.

In Deutschland gehören zu den Risikogebieten vor allem

  • Bayern und Baden-Württemberg
  • Südhessen und das südöstliche Thüringen
  • Sachsen und das südöstliche Brandenburg.

Seit einigen Jahren gibt es aber auch im Westen und Norden Deutschlands vereinzelte Risikogebiete. Dies sind z.B. das Emsland, die Landkreise Solingen (Nordrhein-Westfalen) und Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) sowie der Saarpfalz-Kreis. Das Robert Koch-Institut veröffentlich auf seiner Webseite regelmäßig Informationen zu den aktuellen Risikogebieten in Deutschland. Informationen zu den europäischen FSME-Risikogebieten sind auf den Seiten des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) erhältlich.

Doch die FSME-Gefahr wächst nicht nur dadurch, dass die Viren geographisch immer weiter von Süden nach Norden vorrücken. Hinzu kommt: Zecken werden bei Temperaturen über 8° C aktiv - die Hauptübertragungszeit ist deshalb zwischen April und Oktober. Durch die Klimaerwärmung verlängert sich die Zeckensaison aber zunehmend und damit steigt auch das Risiko, von Zecken gestochen zu werden.

Hinweis: Wer sich in den Bergen aufhält, muss FSME und andere von Zecken übertragene Erkrankungen weniger fürchten. Krankheitsübertragende Zecken kommen bisher nur in Höhen bis etwa 2000 m vor.

Bei zweiphasigem Verlauf wird´s brenzlig

Krankheitserscheinungen entwickeln etwa ein Drittel der Menschen, die von einer mit FSME-Viren befallenen Zecke gestochen werden. Von schwerwiegenden Symptomen und bleibenden Schäden sind eher Erwachsene und vor allem älteren Menschen betroffen. Kinder haben meist leichtere Krankheitsverläufe.

Ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich beginnt die Erkrankung zunächst mit leichten grippeartigen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwindel. In den meisten Fällen bilden sich diese Beschwerden wieder zurück und die Krankheit ist überstanden.

In etwa 10% der Infektionen kommt es jedoch nach einem fieberfreien Intervall zu einem weiteren Krankheitsgipfel mit Beteiligung des zentralen Nervensystems. Die Erkrankten leiden unter hohem Fieber, Übelkeit, Erbrechen und starken Kopfschmerzen. Als Zeichen für entzündete Hirnhäute ist die Nackensteifigkeit typisch. Das bedeutet, dass das Beugen des Kopfes nach vorn zur Brust schmerzhaft und daher nur eingeschränkt möglich ist. In sehr schweren Fällen schädigt die Infektion sogar die Nerven und es drohen Lähmungen (auch der Atemmuskeln) und Schluckstörungen.

Sind nur die Hirnhäute betroffen, heilt die Erkrankung meist folgenlos aus. Schlechter ist die Prognose, wenn das Gehirn auch infiziert ist. Dann muss jede Fünfte mit bleibenden Schäden wie Lähmungen, epileptischen Anfällen oder Gleichgewichtsstörungen rechnen. Jede Hundertste der Patient*innen mit Beteiligung des zentralen Nervensystems stirbt sogar an seiner FSME-Infektion. Am höchsten ist dieses Risiko, wenn neben dem Gehirn auch das Rückenmark beteiligt ist.

Zeckenstich – wann zur Ärztin?

Wer an sich oder seinem Kind eine Zecke entdeckt, sollte diese möglichst schnell entfernen. FSME-Viren werden nämlich schon mit dem ersten Zeckenspeichel ins Blut übertragen. Zum Entfernen eignen sich am besten Pinzetten oder spezielle Instrumente, wie Zeckenzangen oder Zeckenkarten. Ihre Apotheker*in berät Sie beim Kauf, wie man diese am effektivsten einsetzt.

Nach dem Herausziehen der Zecke desinfiziert man die Einstichstelle gründlich. Kommt es in der Woche nach dem Zeckenstich zu Fieber, Kopfschmerzen oder gar Nackensteifigkeit, muss unbedingt die Hausärzt*in aufgesucht werden. Tritt an der Einstichstelle eine ringförmige Rötung auf, könnte eine weitere durch Zecken übertragene Infektion, die Borreliose, dahinterstecken. Auch in diesem Fall sollte man schleunigst eine Arztpraxis aufsuchen. Denn gegen die Borreliose helfen – früh eingesetzt – Antibiotika.

In der Arztpraxis wird ein Verdacht auf FSME über eine Blutentnahme abgeklärt. In den ersten beiden Wochen nach der Infektion lässt sich direkt das Virus bestimmen. Später ist das nicht mehr möglich, dann sucht die Ärzt*in nach Antikörpern, die der Körper zur Abwehr des Virus bildet. Diese lassen sich im Blut oder in der Hirnflüssigkeit (Liquor) nachweisen.

Eine spezielle Therapie gegen FSME gibt es nicht. Behandelt werden die Symptome. Gegen Kopfschmerzen und Fieber bekommen die Betroffenen z.B. Ibuprofen oder Paracetamol. Bei sehr schweren Verläufen mit Atemlähmung oder Bewusstseinsstörungen müssen die Erkrankten intensivmedizinisch betreut werden.

Hinweis: Neurologische Schäden wie Lähmungen oder Sprechstörungen erfordern oft eine lange Behandlung. Etwa 40% der Betroffenen benötigen Rehamaßnahmen. Zum Einsatz kommen dabei vor allem Krankengymnastik, Logopädie und Ergotherapie.

Vorbeugen ist besser als erkranken

Da es zur Behandlung der FSME keine spezielle Therapie gibt, ist Vorbeugen umso wichtiger. Basismaßnahme ist der Schutz vor Zeckenstichen. Wer sich in der Natur aufhält, sollte geschlossene Kleidung mit langen Ärmeln und Beinen und feste Schuhe tragen. Sehr hilfreich ist es, die Hosenbeine in die Strümpfe zu stecken. Entgegen landläufiger Meinung fallen die Zecken selten von Ästen. Sie heften sich eher von unten an den Menschen, z.B. über Gräser, und krabbeln dann unter die Kleidung die Beine entlang in Richtung Kniekehle oder Leiste. Um unbedeckte Hautstellen zeckenfrei zu halten, gibt es zeckenabweisende Mittel – diese halten allerdings nur wenige Stunden an.

Die sicherste Maßnahme gegen die FSME ist die Impfung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die FSME-Impfung verschiedenen Bevölkerungsgruppen:

  • Personen, die in Risikogebieten leben oder sich dort kurzfristig aufhalten, und dort von Zecken gestochen werden können. Das sind z.B. Wandernde, Hundebesitzer*innen und andere Menschen, die sich viel in der Natur aufhalten.
  • Personen, die in Risikogebieten im Wald oder der Landwirtschaft arbeiten.
  • Menschen, die außerhalb von Deutschland in Risikogebieten Urlaub machen wollen.
  • Laborpersonal.

Kinder sollten ebenfalls gegen FSME geimpft werden – auch wenn die Infektion bei ihnen meist leichter verläuft. Erlaubt ist die Impfung ab dem Alter von zwölf Monaten. Allerdings löst sie bei Kleinkindern unter drei Jahren in bis zu 15% Fieber aus. Ärzt*in und Eltern besprechen deshalb am besten individuell, wie hoch das Risiko für das Kind tatsächlich ist.

Hinweis: Die Krankenkassen tragen die Kosten für Personen, die innerhalb Deutschlands gefährdet sind, also z.B. in einem Risikogebiet wohnen. Ob die Kosten auch als Reiseimpfung für einen Auslandaufenthalt in Risikogebieten übernommen werden, muss man mit seiner Kasse abklären.

Dreimal impfen muss sein

Für den kompletten Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich. Je nach verwendetem Präparat erfolgt die zweite Impfung zwei Wochen bis drei Monate nach der Basisimpfung. Impfung Nr. 3 wird dann nach fünf bis zwölf oder neun bis zwölf Monaten verabreicht. Um schon im Frühjahr geschützt zu sein, beginnt man mit den Impfungen am besten im Winter. Etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung hat sich in den meisten Fällen ein Schutz entwickelt, der für eine Zeckensaison anhält. Nach der dritten Impfung hält der Schutz mindestens drei bis fünf Jahre, häufig auch länger. Expert*innen empfehlen, die FSME-Impfung bei Erwachsenen alle drei Jahre aufzufrischen.

Hinweis: Personen mit reduzierter Immunabwehr (z.B. unter einer Therapie mit immununterdrückenden Medikamenten oder bei einer Autoimmunerkrankung) benötigen vielleicht mehr Impfungen. Deswegen prüft die Ärzt*in nach der zweiten Teilimpfung, ob der Körper ausreichend Antikörper gebildet hat.

Nebenwirkung durch die Impfung?

Meist werden die Impfungen gut vertragen. Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle sind häufig, aber harmlos. Manchmal treten in den ersten vier Tagen nach der Impfung grippeähnliche Beschwerden auf, sehr selten auch Missempfinungen oder Kribbeln. Manche Geimpfte klagen auch über Übelkeit und Magen-Darm-Beschwerden. Diese unerwünschten Wirkungen klingen in den allermeisten Fällen aber schnell wieder ab und haben keine Folgen. Oft kommt es auch nur bei der ersten Impfung dazu und nicht bei den Folgeimpfungen.

Anders ist das bei Kindern unter drei Jahren. Diese reagieren in 15% der Impfungen mit Fieber. Die Ärztin bespricht deshalb mit den Eltern individuell, ob die Impfung wirklich nötig ist. Das gilt auch, wenn das Kind eine Hühnereiweißallergie hat. Die FSME-Viren für die Impfstoffentwicklung werden auf Bindegewebszellen von Hühnern gezüchtet. Damit besteht ein minimales Risiko, dass im Impfstoff Hühnereiweiß enthalten ist. Ein Kind mit schwerer Hühnereiweißallergie darf nur unter besonderen Schutzmaßnahmen und mit anschließender Beobachtung geimpft werden.

Schnellschema für Eilige

Normalerweise braucht der Körper mehrere Monate, bis er nach der Impfung einen ausreichenden Schutz aufgebaut hat. Wer kurzfristig eine Reise in ein Risikogebiet plant, benötigt den Impfschutz deutlich schneller. Dann kann nach einem speziellen Schnellschema geimpft werden.

Auch hierbei hängen die Impfabstände vom verwendeten Impfstoff ab. Dabei werden z.B. die zweite und dritte Impfung sieben bzw. 21 Tagen nach der Erstimpfung verabreicht. In der Regel lässt sich so drei bis fünf Wochen nach der Basisimpfung ein Impfschutz für ein- bis eineinhalb Jahre erreichen. Welches Präparat und Impfschema am besten geeignet ist, muss individuell entschieden werden.

Quellen: Robert Koch-Institut, Fischer S., DAZ 2023;8:32

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images/nature picture library/Jürgen Freund