Gesundheit heute

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS, Charcot-Krankheit): Ursächlich unklare, unheilbare Erkrankung mit fortschreitenden Lähmungen durch Untergang der Nervenzellen, welche die Skelettmuskulatur steuern. Die Beschwerden beginnen meist im mittleren Erwachsenenalter mit Muskelschwäche an Armen oder Beinen, Schluck- und Sprechstörungen oder Atembeschwerden und breiten sich bis zur Bewegungslosigkeit und Atemlähmung aus. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht, die Behandlung zielt darauf, die Beschwerden zu lindern und die Atemlähmung hinauszuzögern. In der Regel versterben die Betroffenen 3–5 Jahre nach Diagnosestellung.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Schmerzlose asymmetrische Muskelschwäche, oft beginnend an den Händen oder Füßen (etwa fehlende Kraft der Hände bei der Hausarbeit, Aus-der-Hand-Fallen von Gegenständen, Hängenbleiben der Füße an Treppenstufen)
  • Eventuell "verwaschene" Sprache, Schluck- und Atemstörungen
  • Atemnot bei anstrengenden Tätigkeiten (Erstsymptom bei der seltenen respiratorischen Form)
  • Im weiteren Verlauf Muskelschwund, spastische Lähmungen, häufige Muskelkrämpfe bis hin zur Lähmung der Atemmuskulatur.

Wann zur Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) gehen vor allem die Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark zugrunde, die für die willkürliche Bewegung der Skelettmuskulatur und der Atmung verantwortlich sind. Diese Zellen werden motorische Nervenzellen oder Motoneurone genannt. Es gibt davon zwei Arten: Die ersten motorischen Nervenzellen oder auch "oberen Motoneurone" befinden sich in der Großhirnrinde. Die von ihnen ausgesendeten Impulse gelangen ins Rückenmark und werden dort auf die zweite motorische Nervenzelle (unteres Motoneuron) umgeschaltet, die wiederum ihre Befehle auf die Muskeln übertragen. Ausnahme sind die Hirnnerven: Hier erfolgt die Umschaltung auf die zweite motorische Nervenzelle im Stammhirn.

Warum die motorischen Nervenzellen bei der ALS zugrunde gehen ist noch weitgehend unbekannt. Ein kleiner Teil der Erkrankungen, und zwar etwa 5 %, ist erblich bedingt. So liegt z. B. bei jeder 10. dieser Patient*in mit vererbter ALS ein Gendefekt auf dem Chromosom 21 vor. Diese Mutation betrifft das Gen der Superoxiddismutase 1 (SOD1), einem Enzym, das für die Entgiftung von Stoffwechselprodukten mitverantwortlich ist. Daneben sind aber noch 6 weitere Gene identifiziert, deren Veränderung eine ALS auslösen können.

Der weitaus größere Teil der Erkrankungen entsteht jedoch sporadisch, also ohne Vererbung. Bisher vermutete Auslöser wie Autoimmunerkrankungen, intensive sportliche Betätigung oder eine Vergiftung durch mit der Nahrung aufgenommene Stoffe konnten aber wissenschaftlich nicht bewiesen werden.

Formen und Verlauf

Die ALS beginnt meist nach dem 40. Lebensjahr, Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Je nachdem, mit welchen Beschwerden die ALS in Erscheinung tritt, unterscheiden die Ärzt*innen 3 Formen. Letztendlich breiten sich aber bei allen Formen die Lähmungen über den gesamten Körper aus, nur die Augen werden nicht betroffen.

  • Die häufigste Form ist mit 70 % der Fälle die spinale Form. Hier sind zuerst die motorischen Nervenzellen im Rückenmark erkrankt und es entwickeln sich Beschwerden wie Muskelschwund und Schwäche an Armen und Beinen. Typisch sind auch unwillkürliche Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe sowie eine erhöhte Muskelgrundspannung (Spastik) vor allem der Beine.
  • An der bulbären Form leiden etwa 20–30 % der Patient*innen. Hier sind die im Hirnstamm liegenden zweiten motorischen Nervenzellen zuerst betroffen. Die Erkrankung beginnt mit Sprech- und Schluckproblemen bevor sie sich auf den gesamten Bewegungsapparat ausbreitet.
  • Am seltensten ist die respiratorische Form, bei der als erstes die Atemmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen wird. Typische Frühsymptome sind Atemnot bei anstrengenden Tätigkeiten wie etwa Treppensteigen oder Sport. Auch hier geht die Erkrankung mit der Zeit auf den gesamten Bewegungsapparat über, es sei denn, die Betroffenen versterben vorher an der Atemlähmung.

Die Erkrankung schreitet immer weiter voran, in der Regel versterben die Patent*innen schließlich an einer Atemlähmung. Nach Diagnosestellung beträgt die Lebenserwartung etwa 3 bis 5 Jahre. Bei etwa 10 % der Betroffenen finden sich jedoch auch sehr langsame Verläufe von 10 Jahren und mehr.

Komplikationen

Zusätzlich zu den sich ausbreitenden Lähmungen entwickeln einige Betroffene eine Demenz, bei der die Veränderung von Persönlichkeit und Verhalten im Vordergrund stehen. Ursache ist der Untergang von Nervenzellen im Stirnlappen und in den Schläfenlappen, weshalb man auch von einer frontotemporalen Demenz spricht.

Diagnosesicherung

Bei der gründlichen klinisch-neurologischen Untersuchung prüft die Ärzt*in u. a. das Ausmaß eventueller Lähmungen, die Kraft der Muskeln, die Reflexe, die Beweglichkeit der Zunge und des Schluckapparates und die Sprechfähigkeit.

Verschiedene apparative Verfahren sowie die Analyse von Blut und Liquor (Hirnwasser) dienen dazu, die Erkrankung bei Verdacht darauf nachzuweisen bzw. andere Ursachen einer Lähmung auszuschließen:

  • Elektromyografie (elektrische Untersuchung von Skelettmuskeln)
  • Elektroneurografie (Messung der Nervenleitgeschwindigkeit)
  • MRT des Schädels und des Rückenmarks zum Ausschluss anderer Erkrankungen
  • Lungenfunktionsprüfung zum Nachweis der Atemstörung
  • Blutuntersuchungen wie z. B. der Nachweis einer erhöhten Creatin-Kinase, einem Enzym, das auf einen Muskelzellzerfall hindeutet. Zum Ausschluss anderer Erkrankungen bestimmt die Ärzt*innen weitere Blutwerte wie die Entzündungswerte, Schilddrüsenwerte und die Elektrolyte. Außerdem lässt er das Blut meist auf Erreger wie Syphilis oder HIV testen.
  • Muskelbiopsie
  • Liquoruntersuchungen.

Differenzialdiagnosen. Viele Erkrankungen weisen ein ähnliches klinisches Bild mit Lähmungen auf, dazu gehören z. B. Polymyositis, Bandscheibenvorfall, zervikale Spinalstenose oder die neuralgische Schulteramyotrophie.

Behandlung

Zur Verzögerung des Krankheitsverlaufs steht bisher nur das Medikament Riluzol (Rilutek®) zur Verfügung, das aber den weiteren Nervenzelluntergang letztlich nicht verhindern kann. Das Medikament erhöht klinischen Studien zufolge die Wahrscheinlichkeit, das erste Jahr nach Diagnose zu überleben, um 6–14 %. Der lebensverlängernde Effekt von Riluzol soll durchschnittlich etwa ein halbes Jahr betragen.

Medikamente, Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie sowie später eine geeignete Hilfsmittelversorgung sollen den Kranken möglichst lange Selbstständigkeit und Kommunikation ermöglichen. Zu den wichtigsten palliativen, d. h. leidensmindernden Maßnahmen gehören:

Nicht-invasive Heimbeatmung. Hier werden Betroffene mithilfe einer Maske und eines Beatmungsgeräts beatmet. Eine solche Heimbeatmung verlängert die Überlebenszeit und verbessert die Lebensqualität der Erkrankten. Zur Schleimreduktion dienen Medikamente wie Mukolytika (Schleimlöser) und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Außerdem müssen die Atemwege regelmäßig abgesaugt werden, in fortgeschrittenem Stadium eventuell sogar über eine Kanüle, die von außen über die Haut in die Luftröhre eingelegt wird (Trachealkanüle). Ob die Betroffenen mithilfe dieser Kanüle auch beatmet werden möchten und wie diese zu einer Notafallintubation stehen, muss rechtzeitig über eine Patientenverfügung geklärt werden.

Behandlung der Schluckstörungen. Starke Abmagerung verringert die Lebenserwartung von ALS-Patient*innen zusätzlich zu ihrer ohnehin krankheitsbedingt schlechten Prognose. Hohe Lipidspiegel im Blut sollen sich dagegen günstig auf die Lebensdauer auswirken. Deshalb empfehlen die Ärzt*innen häufig eine hochkalorische, fettreiche Ernährung, z. B. mit zusätzlicher Trinknahrung. Um die Betroffenen ausreichend zu ernähren ist oft eine Magensonde erforderlich. Diese legen die Ärzt*innen meist über die Bauchdecke in den Magen (PEG-Sonde).

Pneumonieprophylaxe. Durch die verschlechterte Atmung und das Liegen ist die Gefahr einer Lungenentzündung erhöht. Hier helfen die Kontrolle der Speichelproduktion (siehe unten), regelmäßiges Absaugen und Abhusten sowie Atemgymnastik und Klopfmassagen.

Speichelreduktion. Infolge der Schluckstörung können die Erkrankten ihren eigenen Speichel oft nicht mehr schlucken, er droht, über die Atemwege in die Lunge zu gelangen und dort eine Lungenentzündung auszulösen. Um die Speichelproduktion zu reduzieren verordnen die Ärzt*innen meist Medikamente wie Anticholinergika oder Antidepressiva. Manchmal spritzen sie auch Botox in die Speicheldrüsen, um deren Funktion zu reduzieren, in seltenen Fällen werden die Speicheldrüsen auch bestrahlt.

Thromboseprophylaxe. Bei Bettlägerigkeit droht die Entwicklung einer Thrombose, dieser beugen die Ärzt*innen mit Verordnung von Kompressionsstrümpfen, Krankengymnastik und Heparinspritzen vor.

Behandlung von Muskelkrämpfen. Hier verordnen die Ärzt*innen oft Magnesium oder Chininsulfat, gegen die Spastik kommen neben der Physiotherapie auch manchmal Baclofen oder Botulinumtoxin-Injektionen zum Einsatz (beides off-label).

Behandlung der finalen Atemstörung. Die ALS führt immer zu einer finalen (tödlichen) Atemlähmung. Hier ist es wichtig, dass die Ärzt*innen die Betroffenen darüber aufklären, dass der Tod meist nicht durch ein qualvolles Ersticken eintritt. Stattdessen verstirbt die Erkrankten im Rahmen einer schmerzlosen "inneren" CO2-Narkose durch Anstieg des nicht-abgeatmeten Kohlendioxids im Blut. Ob dieser Atemlähmung mit einer invasiven Intubations-Beatmung entgegengewirkt werden soll, müssen die Patent*innen frühzeitig entscheiden, genauso, ob er im finalen Stadium die antibiotische Behandlung einer Lungenentzündung wünscht. Ansonsten begleiten die Ärzt*innen die Betroffenen, deren Atmung immer schwächer wird, mit Morphin, angstlösenden Benzodiazepinen und bei Sauerstoffmangel im Blut auch mit der Gabe von Sauerstoff über eine Nasenbrille.

Prognose

Die Amyotrophe Lateralsklerose verläuft immer tödlich, und das meist innerhalb von 3–5 Jahren nach Diagnosestellung. Medikamente, nichtinvasive Heimbeatmung und ausreichende Nahrungszufuhr können den Tod um einige Monate hinausschieben.

Ihr Apotheker empfiehlt

Psychosoziale Betreuung. Ganz wichtig ist eine psychosoziale Betreuung des Kranken, der seine fortschreitende Hilfsbedürftigkeit bei vollem Bewusstsein erlebt. Diese soll den Betroffenen trotz zunehmender Pflegebedürftigkeit ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen und z. B. zu der Entscheidung befähigen, wie weit sie Maßnahmen zur Lebensverlängerung wünschen.

Patientenverfügung. Sorgen Sie als Angehörige auch dafür, dass die Kranken frühzeitig eine Patientenverfügung aufsetzen. Vor allem im Hinblick auf die mit Sicherheit eintretende Atemlähmung ist es von großer Bedeutung zu wissen, ob die Erkrankten eine Intubation oder auch eine antibiotische Behandlung wünschen.

Hilfsmittel. Suchen Sie über Selbsthilfegruppen und ALS-Zentren ausreichend Information für notwendige Hilfsmittel. Es stehen für ALS-Kranke sehr viele Hilfsmittel zur Verfügung, dazu gehören z. B.

  • Orthesen zur Stützung des Kopfes oder des Rumpfes, zur Lagerung der Hand oder zur Stabilisierung des Knies
  • Mobilitätshilfen wie Treppenlifte, Rampen
  • Bewegungstrainer für Arme und Beine
  • Multifunktions- oder Elektrorollstühle
  • Geräte zur Kommunikation wie Zeigetafeln, Geräte zur Sprachausgabe, Geräte mit Steuerung durch Mikroschalter, Kopf-, Kinn- oder Augenbewegungen.
  • Heilmittel. Das Gleiche gilt für Heilmittel, auch hier stehen den ALS-Kranken verschiedene Maßnahmen zu, z. B.
  • Krankengymnastik, am besten 3–5 Mal die Woche
  • Ergotherapie
  • Lymphdrainage bei lähmungsbedingten Ödemen
  • Logopädie zur Unterstützung von Sprechstörungen und Schluckstörungen
  • Atemtherapie.

Weiterführende Informationen

Link zur Selbsthilfegruppe "Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke" https://www.dgm.org/

Link zur Initiative Therapieforschung ALS mit Adressen von Patienteninitiativen und ALS-Zentrenhttp://www.stop-als.de/index.php/weblinks/43-als-zentren 

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Vorsicht, FSME-Gefahr!

In Risikogebieten ist jede tausendste bis zwanzigste Zecke mit FSME-Viren infiziert.

Vorsicht, FSME-Gefahr!

Zecken mit Viren im Gepäck

Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland hunderte Menschen durch einen Zeckenstich mit der Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME genannt. Meist verläuft die Infektion harmlos. Doch bei einigen Patient*innen bleiben neurologische Schäden zurück, und jede hundertste verstirbt daran. Im aktuellen Ratgeber erfahren Sie, wann ein Zeckenstich gefährlich ist und wie man sich vor der FSME schützen kann.

FSME-Viren weltweit verbreitet

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine Infektionskrankheit, bei der es zur Entzündung von Gehirn, Gehirnhaut (Meningen) und Rückenmark kommt. Ursache sind FSME-Viren, die durch Zecken übertragen werden. Sticht eine von FSME-Viren befallene Zecke zu, gelangen die Viren über den Zeckenspeichel in das Blut des Menschen und können so die Erkrankung auslösen. Im Jahr 2022 war dies in Deutschland bei 554 Personen der Fall.

FSME-Viren sind weltweit verbreitet, aber nicht überall gleich stark vertreten. In ganz Europa gibt Risikogebiete, in denen besonders viele Zecken das Virus in sich tragen. Dort infizieren sich entsprechend auch mehr Menschen durch Zeckenstiche mit FSME. Eine Region gilt dann als Risikogebiet, wenn etwa jede tausendste bis zwanzigste Zecke die Erkrankung überträgt. Außerhalb von Risikogebieten ist das FSME-Virus so selten, dass es trotz Zeckenstichen nur selten zur Infektion kommt.

In Deutschland gehören zu den Risikogebieten vor allem

  • Bayern und Baden-Württemberg
  • Südhessen und das südöstliche Thüringen
  • Sachsen und das südöstliche Brandenburg.

Seit einigen Jahren gibt es aber auch im Westen und Norden Deutschlands vereinzelte Risikogebiete. Dies sind z.B. das Emsland, die Landkreise Solingen (Nordrhein-Westfalen) und Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) sowie der Saarpfalz-Kreis. Das Robert Koch-Institut veröffentlich auf seiner Webseite regelmäßig Informationen zu den aktuellen Risikogebieten in Deutschland. Informationen zu den europäischen FSME-Risikogebieten sind auf den Seiten des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) erhältlich.

Doch die FSME-Gefahr wächst nicht nur dadurch, dass die Viren geographisch immer weiter von Süden nach Norden vorrücken. Hinzu kommt: Zecken werden bei Temperaturen über 8° C aktiv - die Hauptübertragungszeit ist deshalb zwischen April und Oktober. Durch die Klimaerwärmung verlängert sich die Zeckensaison aber zunehmend und damit steigt auch das Risiko, von Zecken gestochen zu werden.

Hinweis: Wer sich in den Bergen aufhält, muss FSME und andere von Zecken übertragene Erkrankungen weniger fürchten. Krankheitsübertragende Zecken kommen bisher nur in Höhen bis etwa 2000 m vor.

Bei zweiphasigem Verlauf wird´s brenzlig

Krankheitserscheinungen entwickeln etwa ein Drittel der Menschen, die von einer mit FSME-Viren befallenen Zecke gestochen werden. Von schwerwiegenden Symptomen und bleibenden Schäden sind eher Erwachsene und vor allem älteren Menschen betroffen. Kinder haben meist leichtere Krankheitsverläufe.

Ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich beginnt die Erkrankung zunächst mit leichten grippeartigen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwindel. In den meisten Fällen bilden sich diese Beschwerden wieder zurück und die Krankheit ist überstanden.

In etwa 10% der Infektionen kommt es jedoch nach einem fieberfreien Intervall zu einem weiteren Krankheitsgipfel mit Beteiligung des zentralen Nervensystems. Die Erkrankten leiden unter hohem Fieber, Übelkeit, Erbrechen und starken Kopfschmerzen. Als Zeichen für entzündete Hirnhäute ist die Nackensteifigkeit typisch. Das bedeutet, dass das Beugen des Kopfes nach vorn zur Brust schmerzhaft und daher nur eingeschränkt möglich ist. In sehr schweren Fällen schädigt die Infektion sogar die Nerven und es drohen Lähmungen (auch der Atemmuskeln) und Schluckstörungen.

Sind nur die Hirnhäute betroffen, heilt die Erkrankung meist folgenlos aus. Schlechter ist die Prognose, wenn das Gehirn auch infiziert ist. Dann muss jede Fünfte mit bleibenden Schäden wie Lähmungen, epileptischen Anfällen oder Gleichgewichtsstörungen rechnen. Jede Hundertste der Patient*innen mit Beteiligung des zentralen Nervensystems stirbt sogar an seiner FSME-Infektion. Am höchsten ist dieses Risiko, wenn neben dem Gehirn auch das Rückenmark beteiligt ist.

Zeckenstich – wann zur Ärztin?

Wer an sich oder seinem Kind eine Zecke entdeckt, sollte diese möglichst schnell entfernen. FSME-Viren werden nämlich schon mit dem ersten Zeckenspeichel ins Blut übertragen. Zum Entfernen eignen sich am besten Pinzetten oder spezielle Instrumente, wie Zeckenzangen oder Zeckenkarten. Ihre Apotheker*in berät Sie beim Kauf, wie man diese am effektivsten einsetzt.

Nach dem Herausziehen der Zecke desinfiziert man die Einstichstelle gründlich. Kommt es in der Woche nach dem Zeckenstich zu Fieber, Kopfschmerzen oder gar Nackensteifigkeit, muss unbedingt die Hausärzt*in aufgesucht werden. Tritt an der Einstichstelle eine ringförmige Rötung auf, könnte eine weitere durch Zecken übertragene Infektion, die Borreliose, dahinterstecken. Auch in diesem Fall sollte man schleunigst eine Arztpraxis aufsuchen. Denn gegen die Borreliose helfen – früh eingesetzt – Antibiotika.

In der Arztpraxis wird ein Verdacht auf FSME über eine Blutentnahme abgeklärt. In den ersten beiden Wochen nach der Infektion lässt sich direkt das Virus bestimmen. Später ist das nicht mehr möglich, dann sucht die Ärzt*in nach Antikörpern, die der Körper zur Abwehr des Virus bildet. Diese lassen sich im Blut oder in der Hirnflüssigkeit (Liquor) nachweisen.

Eine spezielle Therapie gegen FSME gibt es nicht. Behandelt werden die Symptome. Gegen Kopfschmerzen und Fieber bekommen die Betroffenen z.B. Ibuprofen oder Paracetamol. Bei sehr schweren Verläufen mit Atemlähmung oder Bewusstseinsstörungen müssen die Erkrankten intensivmedizinisch betreut werden.

Hinweis: Neurologische Schäden wie Lähmungen oder Sprechstörungen erfordern oft eine lange Behandlung. Etwa 40% der Betroffenen benötigen Rehamaßnahmen. Zum Einsatz kommen dabei vor allem Krankengymnastik, Logopädie und Ergotherapie.

Vorbeugen ist besser als erkranken

Da es zur Behandlung der FSME keine spezielle Therapie gibt, ist Vorbeugen umso wichtiger. Basismaßnahme ist der Schutz vor Zeckenstichen. Wer sich in der Natur aufhält, sollte geschlossene Kleidung mit langen Ärmeln und Beinen und feste Schuhe tragen. Sehr hilfreich ist es, die Hosenbeine in die Strümpfe zu stecken. Entgegen landläufiger Meinung fallen die Zecken selten von Ästen. Sie heften sich eher von unten an den Menschen, z.B. über Gräser, und krabbeln dann unter die Kleidung die Beine entlang in Richtung Kniekehle oder Leiste. Um unbedeckte Hautstellen zeckenfrei zu halten, gibt es zeckenabweisende Mittel – diese halten allerdings nur wenige Stunden an.

Die sicherste Maßnahme gegen die FSME ist die Impfung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die FSME-Impfung verschiedenen Bevölkerungsgruppen:

  • Personen, die in Risikogebieten leben oder sich dort kurzfristig aufhalten, und dort von Zecken gestochen werden können. Das sind z.B. Wandernde, Hundebesitzer*innen und andere Menschen, die sich viel in der Natur aufhalten.
  • Personen, die in Risikogebieten im Wald oder der Landwirtschaft arbeiten.
  • Menschen, die außerhalb von Deutschland in Risikogebieten Urlaub machen wollen.
  • Laborpersonal.

Kinder sollten ebenfalls gegen FSME geimpft werden – auch wenn die Infektion bei ihnen meist leichter verläuft. Erlaubt ist die Impfung ab dem Alter von zwölf Monaten. Allerdings löst sie bei Kleinkindern unter drei Jahren in bis zu 15% Fieber aus. Ärzt*in und Eltern besprechen deshalb am besten individuell, wie hoch das Risiko für das Kind tatsächlich ist.

Hinweis: Die Krankenkassen tragen die Kosten für Personen, die innerhalb Deutschlands gefährdet sind, also z.B. in einem Risikogebiet wohnen. Ob die Kosten auch als Reiseimpfung für einen Auslandaufenthalt in Risikogebieten übernommen werden, muss man mit seiner Kasse abklären.

Dreimal impfen muss sein

Für den kompletten Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich. Je nach verwendetem Präparat erfolgt die zweite Impfung zwei Wochen bis drei Monate nach der Basisimpfung. Impfung Nr. 3 wird dann nach fünf bis zwölf oder neun bis zwölf Monaten verabreicht. Um schon im Frühjahr geschützt zu sein, beginnt man mit den Impfungen am besten im Winter. Etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung hat sich in den meisten Fällen ein Schutz entwickelt, der für eine Zeckensaison anhält. Nach der dritten Impfung hält der Schutz mindestens drei bis fünf Jahre, häufig auch länger. Expert*innen empfehlen, die FSME-Impfung bei Erwachsenen alle drei Jahre aufzufrischen.

Hinweis: Personen mit reduzierter Immunabwehr (z.B. unter einer Therapie mit immununterdrückenden Medikamenten oder bei einer Autoimmunerkrankung) benötigen vielleicht mehr Impfungen. Deswegen prüft die Ärzt*in nach der zweiten Teilimpfung, ob der Körper ausreichend Antikörper gebildet hat.

Nebenwirkung durch die Impfung?

Meist werden die Impfungen gut vertragen. Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle sind häufig, aber harmlos. Manchmal treten in den ersten vier Tagen nach der Impfung grippeähnliche Beschwerden auf, sehr selten auch Missempfinungen oder Kribbeln. Manche Geimpfte klagen auch über Übelkeit und Magen-Darm-Beschwerden. Diese unerwünschten Wirkungen klingen in den allermeisten Fällen aber schnell wieder ab und haben keine Folgen. Oft kommt es auch nur bei der ersten Impfung dazu und nicht bei den Folgeimpfungen.

Anders ist das bei Kindern unter drei Jahren. Diese reagieren in 15% der Impfungen mit Fieber. Die Ärztin bespricht deshalb mit den Eltern individuell, ob die Impfung wirklich nötig ist. Das gilt auch, wenn das Kind eine Hühnereiweißallergie hat. Die FSME-Viren für die Impfstoffentwicklung werden auf Bindegewebszellen von Hühnern gezüchtet. Damit besteht ein minimales Risiko, dass im Impfstoff Hühnereiweiß enthalten ist. Ein Kind mit schwerer Hühnereiweißallergie darf nur unter besonderen Schutzmaßnahmen und mit anschließender Beobachtung geimpft werden.

Schnellschema für Eilige

Normalerweise braucht der Körper mehrere Monate, bis er nach der Impfung einen ausreichenden Schutz aufgebaut hat. Wer kurzfristig eine Reise in ein Risikogebiet plant, benötigt den Impfschutz deutlich schneller. Dann kann nach einem speziellen Schnellschema geimpft werden.

Auch hierbei hängen die Impfabstände vom verwendeten Impfstoff ab. Dabei werden z.B. die zweite und dritte Impfung sieben bzw. 21 Tagen nach der Erstimpfung verabreicht. In der Regel lässt sich so drei bis fünf Wochen nach der Basisimpfung ein Impfschutz für ein- bis eineinhalb Jahre erreichen. Welches Präparat und Impfschema am besten geeignet ist, muss individuell entschieden werden.

Quellen: Robert Koch-Institut, Fischer S., DAZ 2023;8:32

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images/nature picture library/Jürgen Freund