Gesundheit heute

Koma und Wachkoma

Das Aufsehen, das die Amerikanerin Terry Schiavo 2005 erregte, als sich ihre Eltern und ihr Ehemann um die Fortsetzung ihrer künstlichen Ernährung und damit um ihr Leben stritten, ist ungewöhnlich, ihr Schicksal leider nicht: Schätzungen zufolge fallen allein in Deutschland pro Jahr etwa 40 000 Menschen aufgrund von Schädel-Hirn-Verletzungen und Verkehrsunfällen in ein Koma (tiefe Bewusslosigkeit), das länger als eine Woche dauert. Etwa 4000 davon geraten in einen bis heute nicht geklärten Zustand „zwischen den Welten“, in Deutschland überwiegend als Wachkoma, seltener auch als Coma vigile oder apallisches Syndrom bezeichnet.

Koma bedeutet eine länger andauernde, tiefe Bewusstlosigkeit. Der Kranke scheint zu schlafen, ist aber nicht weckbar. Häufig ist eine künstliche Beatmung erforderlich. Ob der Komapatient auf Schmerzreize reagiert, hängt von der Komatiefe ab.

Beim Wachkoma benötigt der Betroffene keine lebenserhaltenden Apparate, er zeigt einen Schlaf-Wach-Rhythmus mit offenen Augen in den Wach- und geschlossenen Augen in den Schlafphasen, macht aber keinerlei Anstalten, Kontakt aufzunehmen oder auf Zusprache oder angebotenes Essen zu reagieren.

Darf aus der Regungslosigkeit geschlossen werden, dass Menschen im Koma oder Wachkoma nichts wahrnehmen? Und dass folglich nichts dagegen spricht, wenn die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet werden? Nein! Zum einen sind Fehldiagnosen nach wie vor erschreckend häufig. Es kommt vor, dass Menschen aufgrund einer Unterbrechung der vom Gehirn wegführenden Leitungsbahnen voll aufnahmefähig und damit bei Bewusstsein sind, sich jedoch nur durch Augenbewegungen nach oben oder unten äußern können (Locked-in-Syndrom).

Aber selbst dann, wenn die Diagnose stimmt: Es gibt Einzelfallberichte, in denen Erwachte über Wahrnehmungen von tatsächlich stattgefundenen äußeren Ereignissen im Koma erzählen. Und auch wenn keine Reaktion nach außen sichtbar ist, ist dies nicht zwangsläufig mit Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit gleichzusetzen. Mitunter wird eine Veränderung von Herzschlag oder EEG auf vertraute Menschen oder Musik aus der Zeit vor dem Koma beobachtet, was auf eine gewisse Großhirnaktivität schließen lässt.

Therapiekonzepte bauen auf dieser Beobachtung auf: Dem Kranken werden z. B. täglich verschiedene angenehme Reize angeboten, die ihn aus dem „Niemandsland“ zurückholen und eine erste Kommunikation ermöglichen sollen. Der Neurochirurg Andreas Zieger berichtet, dass sich bei 75 % der Wachkomapatienten durch Komastimulation eine Ja-Nein-Kommunikation herstellen lässt. Dabei sind die Aussichten umso besser, je jünger der Betroffene ist, je früher die Rehabilitation einsetzt und je umfassender die Betreuung ist.

Mit zunehmender Dauer von Koma oder Wachkoma sinken die Chancen. Einige Patienten finden aus dem Wachkoma heraus und erholen sich gut, die meisten bleiben allerdings pflegebedürftig. Oft genug aber bleibt der Zustand des Betroffenen über viele Monate (fast) unverändert.

Menschen im Koma oder Wachkoma sind also schwerstkrank, aber ganz gewiss weder sterbend noch hirntot. Sie haben ein Lebensrecht wie andere Schwerkranke auch. Das Dilemma ist, dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen Schwerkranken ihren Willen nicht äußern können. Wir können von außen nicht feststellen, was ein so Betroffener empfindet, ob er sich wohlfühlt oder leidet.

Wir können den Betroffenen nur durch angemessene Betreuung und Förderung die Chancen geben, die sie verdienen, und uns bei jeder anstehenden Entscheidung immer wieder fragen, wie sie wohl für sich entscheiden würden. Für diese Menschen (passive) Sterbehilfe zu wünschen oder gar einzufordern, ist deshalb eine ethische Gratwanderung (mehr zur Sterbehilfe).

Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Wie Hunde kranken Menschen helfen

Ein Assistenzhund kann auch im Fitnesstudio helfen.

Wie Hunde kranken Menschen helfen

Doktor Bello

Hunde gehören nicht nur zu den besten Freunden der Menschen. Die Vierbeiner gewinnen auch als medizinische Helfer immer mehr an Bedeutung: Sie führen Blinde über die Straße, erschnüffeln Unterzucker und beruhigen in Stresssituationen.

Helfen, warnen, Krankheiten aufspüren

Jede Hundefreund*in liebt seinen Vierbeiner auch ohne zusätzliche Meisterleistungen. Doch es ist wirklich erstaunlich, was die klugen Tiere nach entsprechender Ausbildung und Prüfung alles bewerkstelligen können: Als Assistenzhunde führen sie nicht nur Sehbehinderte durch die Straßen. Für Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung gelähmt sind oder sich nur schwer bewegen können, öffnen sie Türen, betätigen Lichtschalter und heben kleine Dinge auf. Gehörlosenhunde melden, wenn Telefon oder Türglocke klingeln oder der Feuermelder Alarm gibt. Demenz-Hunde passen auf ihren Patient*innen auf und holen Angehörige oder Pflegende, wenn ihre Bezugsperson etwas Ungewöhnliches tut.

Signalhunde sind darauf trainiert, bestimmte Stoffwechselzustände zu erschnüffeln. Wie sie das genau machen, ist Inhalt intensiver Forschung. Diabetes-Warnhunde erkennen z.B. die Unterzuckerung von Herrchen oder Frauchen frühzeitig am Geruch. So alarmiert können die Betroffenen der drohenden Bewusstlosigkeit mit der Aufnahme von Zucker gut gegensteuern. Andere Hunde erschnüffeln Bakterien im Urin und machen so auf Harnwegsinfekte aufmerksam. Dass hilft bei Personen gut, die nicht mehr gut auf sich achten können. Neu sind die Forschungen in Bezug auf epileptische Anfälle. Auch diese können Hunde offenbar am Geruch betroffener Menschen vorhersagen. Wie gut das im Vorfeld klappt, wird jetzt erforscht.

Auch vor Krebs können die Fellnasen warnen. Prostatakrebs erkennen sie an flüchtigen organischen Verbindungen im Urin, zum Erschnüffeln von Darmkrebs müssen sie an Stuhlproben oder Atemluft-Proben riechen. Derzeit trainiert man Hunde auch für das Aufspüren von Melanomen, also dem schwarzen Hautkrebs.

Coronainfizierte werden erschnüffelt

Ihren hervorragenden Geruchssinn konnten die Hunde auch in der Pandemie gut einsetzen. Auf den Geruch von COVID-19-trainierte Fellnasen waren in der Lage, Coronainfizierte aus einer Menge von Schulkindern herauszufischen – nur, indem sie an deren Knöcheln und Füßen rochen.

Ganz ohne Geruchssinn helfen Hunde auch gegen depressive Verstimmungen und Angst. Während der Pandemie waren Hundebesitzer*innen z.B. deutlich besser vor Depressionen und Ängsten geschützt als Menschen, die keinen Hund hatten. Therapiehunde verringerten in einer US-amerikanischen Studie Schmerzen und Ängste von Patient*innen in der Notaufnahme. Autistische Kinder profitieren von Assistenzhunden, die sie in stressigen Situationen beruhigen und ihre Ängste verringern.

Schon der normale Haushund nützt

Man muss jedoch gar nicht krank oder verstimmt sein, um gesundheitlich von seinem Vierbeiner zu profitieren. Immer wieder zeigen Studien, dass Hundehalter*innen weniger psychischen Stress haben und seltener an kardiovaskulären Erkrankungen leiden.

Quelle: medscape

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / RossHelen editorial / Alamy / Alamy Stock Photos